BGH 25. Februar 2022
V ZR 65/21
WEG a. F. §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 21 Abs. 8, 26 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 u. Abs. 1 S. 3, 48 Abs. 5

Neues WEG-Recht: Verwalterabberufung

letzte Aktualisierung: 18.5.2022
BGH, Urt. v. 25.2.2022 – V ZR 65/21

WEG a. F. §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 21 Abs. 8, 26 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 u. Abs. 1 S. 3, 48 Abs. 5
Neues WEG-Recht: Verwalterabberufung

1. Für bis zum 30. November 2020 anhängig gewordene Beschlussersetzungsklagen gilt in analoger
Anwendung des § 48 Abs. 5 WEG weiter das bisherige Verfahrensrecht; insbesondere bleiben die
übrigen Wohnungseigentümer die richtigen Klagegegner.
2a. Auch nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht besteht ein
Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die
Ablehnung der Abberufung aus objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint.
2b. Ob ein Abberufungsanspruch gegeben ist, hat der Tatrichter auch nach neuem Recht in
umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles und aller gegen den Verwalter erhobenen
Vorwürfe zu prüfen. Mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen
sind, entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung; allgemeingültige zeitliche Grenzen, jenseits derer
Pflichtverletzungen des Verwalters unbeachtlich sind, gibt es nicht.
3. Seit dem 1. Dezember 2020 kann der Verwalter jederzeit abberufen werden; entgegenstehende
Regelungen in der Gemeinschaftsordnung sind unwirksam geworden. Wird der Verwalter
abberufen, endet der mit ihm geschlossene Vertrag spätestens sechs Monate nach der Abberufung;
entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag sind ebenfalls unwirksam geworden.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts besteht kein Anspruch der Kläger auf
Abberufung der Verwalterin. Ein solcher komme nur dann in Betracht, wenn für
die Abberufung ein wichtiger Grund gemäß § 26 Abs. 1 Sätze 3 und 4 WEG aF
vorliege und der Anspruchsteller die Abberufung innerhalb einer angemessenen
Frist nach Kenntniserlangung von den für die Abberufung und Kündigung maßgebenden
Tatsachen verlangt habe. Grund hierfür sei, dass auch die Abberufung
und fristlose Kündigung des Verwaltervertrags innerhalb angemessener Frist erfolgen
müsse. Darüber hinaus müssten die Wohnungseigentümer den ihnen bei
der Abberufungsentscheidung zustehenden Beurteilungsspielraum überschritten
haben. Diese Voraussetzungen seien nicht gegeben. Das von den Klägern gerügte
Verhalten der Verwalterin aus den Jahren 2012 und 2018 könne nicht berücksichtigt
werden. Ihre Behauptung, die Verwalterin habe sich geweigert, ein
Protokoll weiterzugeben und die Wohnungseigentümer nicht über den Verlauf
des Vorprozesses informiert, hätten die Kläger schon nicht zeitlich eingeordnet,
so dass insoweit nicht von einem Abberufungsverlangen innerhalb angemessener
Frist ausgegangen werden könne. Soweit sie rügten, die Verwalterin habe es
unterlassen, einen Beschluss über die Zulässigkeit der Abrechnung nach Untergemeinschaften
zu erwirken und damit den Vorprozess provoziert, sei auch dies
nicht in angemessener Frist geltend gemacht worden. Eine Pflichtverletzung
könne zwar darin liegen, dass die Verwalterin die Wohnungseigentümer den Beschluss
zu TOP 4.2 habe fassen lassen, obwohl dies der Entscheidung im Vorprozess
widersprochen habe. Die Ablehnung der Abberufung sei aus objektiver
Sicht aber noch vertretbar. Auch die weiteren von den Klägern gerügten Gründe,
im Einzelnen die verspätete Zusendung eines Protokolls, die nichtige Jahresabrechnung
2017 und eine behauptete Einschüchterung der Wohnungseigentümer
stellten keinen wichtigen Grund dar.

II.
Dies hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die auf Beschlussersetzung gerichtete Klage kann mit der gegebenen
Begründung nicht abgewiesen werden.

a) Die Beschlussersetzungsklage ist allerdings, wovon das Berufungsgericht
ohne nähere Prüfung ausgeht, zulässig. Insbesondere ist sie gegen den
richtigen Klagegegner gerichtet.

aa) Sie ist zunächst gemäß § 21 Abs. 8 WEG in der Fassung des bis zum
30. November 2020 geltenden Wohnungseigentumsgesetzes (aF) erhoben worden.
Nach dieser Vorschrift konnte dann, wenn die Wohnungseigentümer eine
nach § 21 Abs. 4 WEG gebotene Maßnahme der ordnungsmäßigen Verwaltung
nicht getroffen haben, das Gericht an ihrer Stelle nach billigem Ermessen durch
Gestaltungsurteil (vgl. Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17, NJW 2018,
3238 Rn. 6 mwN) entscheiden, soweit sich die Maßnahme nicht aus dem Gesetz,
einer Vereinbarung oder einem Beschluss der Wohnungseigentümer ergab. Die
Klage war - wie hier erfolgt - gegen die übrigen Wohnungseigentümer und nicht
gegen den Verband zu richten (vgl. OLG München, WuM 2010, 380; Suilmann in
Jennißen, 6. Aufl. 2019, § 21 Rn. 128; Staudinger/Lehmann-Richter, BGB [2018],
§ 21 WEG Rn. 269; vgl. auch Senat, Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14,
BGHZ 202, 375 Rn. 22). Dies war zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergab sich
aber daraus, dass ein Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung nach § 21
Abs. 4 WEG aF nur im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bestand
(vgl. Suilmann in Jennißen, 6. Aufl. 2019, § 21 Rn. 128; vgl. auch Senat,
Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 22). In der Praxis
wurde damit die Klage nach § 21 Abs. 8 WEG aF bezüglich der Klagegegner prozessual
so behandelt, als sei sie in § 46 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. WEG aF geregelt.

bb) Die gegen die Beklagten zu 1 gerichtete Klage ist nach dem Inkrafttreten
des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes vom 16. Oktober 2020
(BGBl I S. 2187 - WEMoG) am 1. Dezember 2020 weiterhin zulässig.

(1) Das ergibt sich allerdings nicht direkt aus der mit diesem Gesetz in
Kraft getretenen Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 5 WEG. Nach dieser Regelung
sind für die bereits vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren
die Vorschriften des dritten Teils dieses Gesetzes in ihrer bis dahin geltenden
Fassung weiter anzuwenden. Damit ist nach dem Wortlaut der Vorschrift
die im ersten Teil des Gesetzes befindliche Regelung des § 21 Abs. 8 WEG aF
nicht umfasst. Auch die Neuregelung zur Beschlussersetzungsklage in § 44
Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 WEG kann nach dem Wortlaut des § 48 Abs. 5 WEG
keine Anwendung finden, da für bereits anhängige Verfahren der dritte Teil des
Wohnungseigentumsgesetzes in der neuen Fassung gerade nicht gelten soll.

(2) Welche Auswirkungen es hat, dass eine ausdrückliche Übergangsvorschrift
für bereits vor dem 1. Dezember 2020 anhängige Beschlussersetzungsklagen
nach § 21 Abs. 8 WEG aF fehlt, wird unterschiedlich beurteilt.

(a) Dabei besteht überwiegend Einigkeit dahingehend, dass in den Regelungsbereich
des § 48 Abs. 5 WEG über dessen Wortlaut hinaus bereits anhängige
Beschlussersetzungsklagen einzubeziehen sind und insoweit die Vorschrift
des § 21 Abs. 8 WEG aF grundsätzlich weiter Anwendung findet (vgl. LG Berlin,
ZWE 2022, 54 Rn. 14; LG Frankfurt a.M., WuM 2021, 397; AG Hamburg-
St. Georg, ZMR 2021, 774, 775; Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 48
Rn. 19; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1993; BeckOK
WEG/Elzer [1.1.2022], § 48 Rn. 20; Hügel, Wohnungseigentum, 5. Aufl., § 17
Rn. 58; BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann [1.11.2021], § 48 WEG Rn. 30;
aA Kirst, ZMR 2020, 1014, 1016, der von einer Anwendung des § 44 Abs. 1
Satz 2 WEG ausgeht).

(b) Unterschiedlich wird allerdings die Frage beantwortet, ob dies auch
dazu führt, dass die Klage weiterhin gegen die übrigen Wohnungseigentümer zu
richten ist.

(aa) Zum Teil wird die Ansicht vertreten, die Klage sei nunmehr gegen die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten. Daher sei ein gewillkürter
Parteiwechsel auf Beklagtenseite erforderlich (vgl. LG Köln, ZWE 2021, 332
Rn. 6 f.; BeckOGK/Skauradszun, WEG [1.12.2021], § 18 Rn. 38; BeckOK
WEG/Elzer, WEG [1.1.2022], § 48 Rn. 30; Elzer in Skauradszun/
Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 15 Rn. 2; vgl. auch Falkner, ZWE
2021, 149, 153). Begründet wird dies damit, dass die übrigen Wohnungseigentümer
wegen der Änderung der Verwaltungszuständigkeit gemäß § 18 Abs. 2 WEG
nicht mehr die richtigen Beklagten seien (vgl. BeckOGK/Skauradszun, WEG
[1.12.2021], § 18 Rn. 38; BeckOK WEG/Elzer, WEG [1.1.2022], § 48 Rn. 30;
Elzer in Skauradszun/Elzer/Hinz/Riecke, Die WEG-Reform 2020, § 15 Rn. 2).

(bb) Überwiegend wird jedoch angenommen, dass bereits anhängige Beschlussersetzungsklagen
weiterhin gegen die übrigen Wohnungseigentümer gerichtet
bleiben könnten. Dies wird mit dem verfahrensrechtlichen Gehalt des § 21
Abs. 8 WEG aF und dem besonderen Charakter der Beschlussersetzungsklage
als Gestaltungsklage begründet (vgl. LG Berlin, ZWE 2022, 54 Rn. 14 = juris
Rn. 22; LG Frankfurt a.M., WuM 2021, 397; AG Hamburg-St. Georg, ZMR 2021,
774, 775; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1993; Suilmann in
Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 48 Rn. 19).

(3) Der Senat entscheidet die Frage, dahin, dass für bis zum 30. November
2020 anhängig gewordene Beschlussersetzungsklagen in analoger Anwendung
des § 48 Abs. 5 WEG weiter das bisherige Verfahrensrecht gilt; insbesondere
bleiben die übrigen Wohnungseigentümer die richtigen Klagegegner.

(a) Die Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 5 WEG enthält im Hinblick auf
die Beschlussersetzungsklage nach § 21 Abs. 8 WEG aF eine planwidrige Regelungslücke.
Ob eine planwidrige Lücke gegeben ist, ist vom Standpunkt der
gesetzlichen Regelung aus zu beurteilen, also anhand der Regelungsabsicht des
Gesetzgebers (Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19, NJW-RR 2021,
1170 Rn. 14; BGH, Urteil vom 7. November 2019 - I ZR 42/19, GRUR 2020, 429
Rn. 33 mwN). Nach der Begründung der Übergangsregelung sollten die Änderungen
des Verfahrensrechts bereits anhängige Verfahren unberührt lassen. Solche
Verfahren sollten nach den bis zu diesem Zeitpunkt geltenden prozessualen
Vorschriften weitergeführt werden (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 86). Verfahrensrechtliche
Bedeutung kommt auch § 21 Abs. 8 WEG aF zu, der - wie ausgeführt -
die Statthaftigkeit der Beschlussersetzungsklage regelt; aus systematischen
Gründen hätte diese Vorschrift schon nach altem Recht richtigerweise in den dritten
Teil des Gesetzes aufgenommen werden müssen und nicht, wie erfolgt, in
den ersten Teil (vgl. Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1993). Es
entspräche daher nicht dem Willen des Gesetzgebers, anhängige Beschlussersetzungsklagen
mit Inkrafttreten des neuen Rechts unzulässig werden zu lassen.
Dass der Gesetzgeber sich der entstandenen Lücke bewusst war, ist nicht ersichtlich.

(b) Die Regelungslücke hätte der Gesetzgeber, hätte er sie erkannt, mit
einer Einbeziehung auch anhängiger Beschlussersetzungsklagen in den Regelungsbereich
des § 48 Abs. 5 WEG geschlossen. Denn so ist sichergestellt, dass
diese statthaft bleiben und damit das vorgenannte Regelungsziel erreicht wird.

(c) Dabei ist die Vorschrift des § 48 Abs. 5 WEG auch insoweit analog anzuwenden,
als die richtigen Klagegegner weiterhin die übrigen Wohnungseigentümer
sind.

(aa) Zwar widerspricht dies dem vom Gesetzgeber verfolgten und auch in
§ 47 WEG zum Ausdruck kommenden weiteren Ziel, ab dem 1. Dezember 2020
das neue materielle Recht gelten zu lassen (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 84;
Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 2006). Nach diesem richten
sich Ansprüche auf ordnungsmäßige Verwaltung gemäß § 18 Abs. 2 WEG nicht
mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen die GdWE. Es
läge deshalb an sich nahe, dem im Rahmen der Beschlussersetzungsklage durch
einen Parteiwechsel Rechnung zu tragen; denn ihre Begründetheit richtet sich
nach dem zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geltenden
Recht (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 4. Mai 2018 - V ZR 203/17, NJW 2018,
3238 Rn. 26). Hierfür könnte zudem sprechen, dass die Vorschrift des § 21
Abs. 8 WEG aF dem § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB nachgebildet wurde (vgl. BT-
Drucks. 16/887 S. 28; BR-Drucks. 397/05 S. 65), und dass sich die Person des
Klagegegners bei einer auf § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB gestützten Klage nach dem
materiellen Recht richtet.

(bb) Allerdings hat der Gesetzgeber mit seiner grundsätzlichen Entscheidung,
bei anhängigen Verfahren das alte Verfahrensrecht weiter gelten zu lassen,
zugleich aber das neue materielle Recht zur Anwendung zu bringen, die
enge Verzahnung von materiellem und formellem Recht auch in anderen Bereichen
übersehen. So war zum Beispiel die für das Prozessrecht im Rahmen der
Beschlussmängelklagen bedeutende Frage, wer die verklagten übrigen Wohnungseigentümer
vertritt, in § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG aF geregelt und damit nicht
in einer Vorschrift des dritten Teils (vgl. BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann
[1.11.2021], § 48 WEG Rn. 31). Die Auswirkungen von § 9a Abs. 2 WEG auf die
Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der unter der Geltung
des alten Rechts eine auf § 1004 Abs. 1 BGB gestützte Unterlassungsklage wegen
Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums erhoben hatte, stand dem
Gesetzgeber ebenfalls nicht vor Augen (vgl. Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR
299/19, NJW-RR 2021, 1170 Rn. 13 ff.). Auch bei der Beschlussersetzungsklage
liegt aufgrund ihrer Verwurzelung im materiellen Recht (vgl. allgemein zur Funktion
der Gestaltungsklage als Mittel zur Durchsetzung eines materiell-rechtlichen
Anspruchs Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., Einleitung zu § 253 Rn 103;
MüKoZPO/Becker-Eberhard, 6. Aufl., Vorbemerkung zu § 253 Rn. 30 jeweils
mwN) eine enge Verzahnung von materiellem und formellem Recht vor, die in
der Übergangsregelung keine Entsprechung erfahren hat.

(cc) Trotz der sich aus der Änderung des materiell-rechtlich korrekten Anspruchsgegners
zum 1. Dezember 2020 ergebenden dogmatischen Unsauberkeit
erscheint es daher vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Willens, an-
hängige Verfahren prozessrechtlich wie zuvor zu behandeln, insgesamt vorzugswürdig,
bei Beschlussersetzungsklagen die Frage des richtigen Klagegegners
analog § 48 Abs. 5 WEG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. WEG aF entsprechend
den bis dahin geltenden Grundsätzen zu beantworten (im Ergebnis ebenso LG
Berlin, ZWE 2022, 54 Rn. 14; LG Frankfurt a.M., WuM 2021, 397; AG Hamburg-
St. Georg, ZMR 2021, 774, 775; Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020,
Rn. 1993; Suilmann in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 48 Rn. 19). Stellte man dagegen
auf das materielle Recht ab, bedürfte es eines Parteiwechsels (zu dessen
grundsätzlicher Möglichkeit vgl. Senat, Urteil vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19,
NJW-RR 2021, 1170 Rn. 19). Dies würde in den häufigen Fällen, in denen - wie
auch hier - eine gegen einen Negativbeschluss gerichtete Anfechtungsklage mit
einer Beschlussersetzungsklage kombiniert wird, zu einer unerwünschten Aufspaltung
der Klagegegner führen, was mit misslichen Folgen im Hinblick auf
Streitwert und Gebühren verbunden wäre. Das ändert aber nichts daran, dass
ein Parteiwechsel auch in Übergangsfällen möglich und ein gegen die GdWE ergangenes
Urteil wirksam ist. An beschlussersetzende Urteile, die noch gegen die
übrigen Wohnungseigentümer ergehen, ist die GdWE ungeachtet der Neuregelung
der Verwaltungszuständigkeit ebenfalls gebunden; andernfalls verfehlte die
analoge Anwendung von § 48 Abs. 5 WEG ihren Zweck.

b) In der Sache verneint das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen Abberufungsanspruch
der Kläger.

aa) Dabei ist für die im Rahmen der Beschlussersetzungsklage zu klärende
Frage, ob ein Anspruch der Kläger auf Abberufung der Verwalterin besteht,
auf das neue, seit dem 1. Dezember 2020 geltende Recht abzustellen, und nicht,
wie das Berufungsgericht meint, auf das bis dahin geltende alte Recht. Denn im
Rahmen der Beschlussersetzung ist rechtliche Beurteilungsgrundlage für die
Prüfung, ob ein Anspruch auf die Beschlussfassung besteht, das im Zeitpunkt
der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung geltende Recht (vgl. Senat, Urteil
vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, NJW 2009, 999 Rn. 12, insoweit nicht abgedruckt
in BGHZ 179, 230).

bb) Nach bisherigem Recht hat der Senat, wie das Berufungsgericht zutreffend
sieht, einen Anspruch eines einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung
des Verwalters aus § 21 Abs. 4 WEG aF nicht schon dann angenommen,
wenn ein wichtiger Grund im Sinne von § 26 Abs. 1 Satz 3 und 4 WEG aF hierfür
bestand. Vielmehr hat er den Wohnungseigentümern einen Beurteilungsspielraum
eingeräumt und einen Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf
Abberufung des Verwalters erst dann bejaht, wenn dieser Beurteilungsspielraum
überschritten war. Das war dann anzunehmen, wenn die Ablehnung der Abberufung
aus objektiver Sicht nicht vertretbar erschien, was der Tatrichter in umfassender
Würdigung aller Umstände des Einzelfalles festzustellen hatte (vgl. Senat,
Urteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 105/11, NJW 2012, 1884 Rn. 10).

cc) Auch nach dem seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht
besteht ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf
Abberufung des Verwalters nur dann, wenn die Ablehnung der Abberufung aus
objektiver Sicht nicht vertretbar erscheint. Die Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes
führt zu keiner Änderung der Anspruchsvoraussetzungen. Verändert
hat sich die Rechtslage zwar insofern, als der Verwalter seit dem
1. Dezember 2020 jederzeit abberufen werden kann; entgegenstehende Regelungen
in der Gemeinschaftsordnung sind unwirksam geworden (§ 26 Abs. 5
WEG i.V.m. Abs. 3 Satz 1 WEG; vgl. hierzu MüKoBGB/Zschieschack, 8. Aufl.,
§ 26 WEG nF Rn. 59; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 26 Rn. 147 ff.). Wird der Verwalter
abberufen, endet der mit ihm geschlossene Vertrag zudem spätestens
sechs Monate nach der Abberufung; entgegenstehende Vereinbarungen im Verwaltervertrag
sind ebenfalls unwirksam geworden (§ 26 Abs. 3 Satz 2 i.V.m.
Abs. 3 Satz 1 WEG; vgl. BT-Drucks. 19/22634 S. 45). Auch richtet sich der Anspruch
auf Abberufung des Verwalters infolge der veränderten Verwaltungszuständigkeit
nicht mehr gegen die übrigen Wohnungseigentümer, sondern gegen
die GdWE (§ 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG). In der Sache sind die Voraussetzungen des
Anspruchs aber unverändert geblieben. Ein Anspruch auf Abberufung des Verwalters
besteht weiterhin, wenn deren Ablehnung aus objektiver Sicht nicht vertretbar
erscheint (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 105/11, NJW
2012, 1884 Rn. 10). Nicht vertretbar bedeutet allerdings nicht, dass unerfüllbare
Anforderungen an den Abberufungsanspruch gestellt werden dürfen (vgl. dazu
BeckOGK/Greiner, WEG [1.12.2021], § 26 Rn. 287); es reicht aus, wenn in der
Gesamtschau allein die Abberufung dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer
nach billigem Ermessen entspricht (vgl. Senat, Urteil vom
10. Februar 2012 - V ZR 105/11, NJW 2012, 1884 Rn. 6).

dd) Ob ein Abberufungsanspruch gegeben ist, hat der Tatrichter auch
nach neuem Recht in umfassender Würdigung aller Umstände des Einzelfalles
und aller gegen den Verwalter erhobenen Vorwürfe zu prüfen (vgl. Senat, Urteil
vom 10. Februar 2012 - V ZR 105/11, NJW 2012, 1884 Rn. 10).

(1) Dabei hat er zu berücksichtigen, dass mit dem Kriterium der Unvertretbarkeit
zum einen die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen respektiert,
andererseits aber auch der Minderheit Schutz geboten wird. Insofern
muss bei der Würdigung aller Umstände des Einzelfalles auch jeweils der Minderheitenschutz
in Blick genommen werden (vgl. BeckOGK/Greiner, WEG
[1.12.2021], § 26 Rn. 287). Bei der vorzunehmenden Gesamtschau der Umstände
des Einzelfalles können schwerwiegende Verstöße die Unvertretbarkeit
der Abberufung eher nahelegen, während bei leichteren Verfehlungen möglich-
erweise eher berücksichtigt werden kann, inwieweit in der Zukunft eine Besserung
zu erwarten ist (vgl. Senat, Urteil vom 10. Februar 2012 - V ZR 105/11, NJW
2012, 1884 Rn. 10).

(2) Mit welchem Gewicht länger zurückliegende Geschehnisse zu berücksichtigen
sind, entzieht sich einer allgemeinen Betrachtung; allgemeingültige zeitliche
Grenzen, jenseits derer Pflichtverletzungen unbeachtlich sind, gibt es entgegen
der Auffassung des Berufungsgerichts nicht. Die Annahme, dass die Ablehnung
der Abberufung eines Verwalters unvertretbar ist, kann sich nämlich, wie
die Revision zu Recht geltend macht, erst in der Gesamtschau eines neuerlichen
Vorfalls mit älteren Geschehnissen ergeben oder umgekehrt kann ein neuer Vorfall
einen alten in einem neuen Licht erscheinen lassen (vgl. zu ähnlichen Grundsätzen
bei der Frage des Vorliegens eines wichtigen Grundes im Sinne des § 626
Abs. 2 BGB: BGH, Urteil vom 9. April 2013 - II ZR 273/11, NJW 2013, 2425
Rn. 27; Urteil vom 10. September 2001 - II ZR 14/00, NJW-RR 2002, 173, 174;
Urteil vom 9. März 1992 - II ZR 102/91, NJW-RR 1992, 992, 993). Zudem kann
ein länger zurückliegender Punkt im Rahmen einer Gesamtwürdigung mit weiteren
späteren Vorfällen, die das Fass irgendwann zum Überlaufen bringen (vgl.
LG Hamburg, Urteil vom 8. Juni 2011 - 318 S 149/10, juris Rn. 43, insoweit nicht
abgedruckt in ZMR 2012, 465, zur Kündigung des Verwaltervertrags), wesentliche
Bedeutung erlangen. Zwar ist auch denkbar, dass ein bestimmter Zeitablauf
eine Pflichtverletzung im Rahmen der Gesamtabwägung als weniger gewichtig
erscheinen lässt (vgl. Staudinger/Jacoby, BGB [2018], § 26 WEG Rn. 94). Dies
ist aber nur ein mögliches Ergebnis der Abwägung und enthebt das Tatsachengericht
nicht der Pflicht, zunächst alle Umstände in die Gesamtabwägung einzustellen.

ee) Die erforderliche umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalles
hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen. Denn es hat bestimmte Aspekte
mit der Begründung, sie lägen zu lange zurück oder seien von den Klägern
zeitlich nicht eingeordnet worden, von vorneherein nicht in die Abwägung eingestellt.

ff) Ob ein Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abberufung
des Verwalters ausgeschlossen sein kann, wenn er diese nicht zeitnah zu dem
letzten Vorfall, auf den die Forderung nach Abberufung gestützt wird, verlangt
(vgl. in diese Richtung: BayObLG, NJW-RR 2000, 676, 678; LG Düsseldorf, ZWE
2011, 49, 50; MüKoBGB/Engelhardt, 8. Aufl., § 26 WEG aF Rn. 61 - jeweils zum
alten Recht), kann hier offenbleiben. Denn die Kläger haben ihre Forderung nach
Abberufung der Verwalterin unter anderem auf die ihrer Auffassung nach unzureichende
Umsetzung des Urteils im Vorprozess gestützt; nachdem dieses am
31. Juli 2019 ergangen ist, kann ein Abberufungsverlangen in der Eigentümerversammlung
vom 28. November 2019 nicht verspätet sein.

2. Die Abweisung der Klage auf Ersetzung des Beschlusses über die Kündigung
des Verwaltervertrags kann ebenfalls keinen Bestand haben.

Steht nicht fest, ob ein Anspruch auf Abberufung besteht, ist zugleich offen,
inwieweit die Kläger die Kündigung des Verwaltervertrags verlangen können.
Denn insoweit gelten grundsätzlich die gleichen Maßstäbe wie für den Anspruch
auf Abberufung des Verwalters (vgl. zur entsprechenden Frage bei Vorliegen eines
wichtigen Grundes nach § 26 Abs. 1 Satz 3 WEG aF und der Berechtigung
zur außerordentlichen Kündigung des Verwaltervertrags Senat, Beschluss vom
20. Juni 2002 - V ZB 39/01, BGHZ 151, 164, 175).

3. Die Abweisung der Anfechtungsklage, bei der nach § 48 Abs. 5 WEG
i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. WEG aF die übrigen Wohnungseigentümer unverändert
richtige Klagegegner sind, kann ebenfalls keinen Bestand haben.

a) Anders als die Beschlussersetzungsklage ist die Anfechtungsklage
nach dem zur Zeit der Beschlussfassung geltenden Recht, mithin hier nach altem
Recht zu beurteilen (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 163/20,
NJW 2021, 3057 Rn. 5; Urteil vom 11. Juni 2021 - V ZR 215/20, NZM 2021, 695
Rn. 4).

b) Im Rahmen einer Anfechtungsklage, die sich gegen die Ablehnung eines
Beschlussantrags auf Abberufung des Verwalters richtet, ist zu prüfen, ob
zum Zeitpunkt der Beschlussfassung (vgl. BayObLG, NJW-RR 2001, 446, 447)
ein Anspruch der klagenden Partei aus § 21 Abs. 4 WEG aF auf Abberufung der
Verwalterin bestand. Dies setzt - wie ausgeführt (Rn. 24) - voraus, dass die Ablehnung
der Abberufung aus objektiver Sicht zu diesem Zeitpunkt unvertretbar
war, wobei eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich
ist. Diese hat das Berufungsgericht nicht vorgenommen (siehe oben
Rn. 29).

c) Dementsprechend kann die angefochtene Entscheidung auch insoweit
keinen Bestand haben, als die Anfechtungsklage gegen die Ablehnung des auf
Kündigung des Verwaltervertrags gerichteten Beschlussantrags abgewiesen
worden ist.

III.
Das Berufungsurteil ist danach im Umfang der Anfechtung aufzuheben
(§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil weitere
Feststellungen zu treffen sind (§ 563 Abs. 1 u. 3 ZPO).

1. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen lässt sich nicht beurteilen,
ob die von dem Berufungsgericht unter zeitlichen Aspekten nicht berücksichtigten
Punkte so unerheblich sind, dass ein Anspruch auf Abberufung der
Verwalterin auch bei deren Einstellung in die Gesamtabwägung ausgeschlossen
wäre. Der revisionsgerichtlichen Beurteilung unterliegt gemäß § 559 Abs. 1 ZPO
nämlich nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem
Sitzungsprotokoll ersichtlich ist; ersichtlich ist dabei nur der konkret in Bezug genommene
Parteivortrag und nicht der gesamte Akteninhalt (MüKoZPO/Krüger,
6. Aufl., § 559 Rn. 4). So lässt sich zum Beispiel ohne Kenntnis der Teilungserklärung
nicht beurteilen, inwieweit die getrennte Beschlussfassung nach Häuserkomplexen
eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Verwalters darstellt. Eine
solche ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil der Senat erst in seiner Entscheidung
vom 16. Juli 2021 (V ZR 163/20, NJW 2021, 3057 Rn. 8) klargestellt
hat, dass eine einheitliche Jahresabrechnung auch bei Vorliegen von Untergemeinschaften
notwendig ist. Denn es ist mangels jeglicher Feststellungen zum
Inhalt der Teilungserklärung offen, ob diese überhaupt Regelungen zu Untergemeinschaften
enthält. Ohne Kenntnis des genauen Inhalts der Entscheidung im
Vorprozess lässt sich auch der Vorwurf, die Verwalterin habe diese pflichtwidrig
umgesetzt, nicht abschließend beurteilen.

2. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das
Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO), damit das Berufungsgericht
die erforderliche umfassende Abwägung vornehmen kann.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

25.02.2022

Aktenzeichen:

V ZR 65/21

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZWE 2022, 220-223

Normen in Titel:

WEG a. F. §§ 18 Abs. 2 Nr. 1, 21 Abs. 8, 26 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 u. Abs. 1 S. 3, 48 Abs. 5