LSG Sachsen 08. November 2018
9 KR 263/15
GmbHG § 15 Abs. 3 u. 4; SGB IV § 7a Abs. 1

Keine abhängige Beschäftigung wenn der geschäftsführende Alleingesellschafters die GmbH-Anteile lediglich treuhänderisch hält

letzte Aktualisierung: 8.3.2019
LSG Sachsen, Urt. v. 8.11.2018 – 9 KR 263/15

GmbHG § 15 Abs. 3 u. 4; SGB IV § 7a Abs. 1
Keine abhängige Beschäftigung wenn der geschäftsführende Alleingesellschafters die
GmbH-Anteile lediglich treuhänderisch hält

Der Geschäftsführer einer GmbH, der zugleich Alleingesellschafter der GmbH ist, ist selbstständig
tätig, selbst wenn er eine nicht beurkundete Treuhandabrede vor Gründung der GmbH geschlossen
hat, nach der er die Geschäftsanteile nur als Treuhänder hält.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte
Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das SG für den streitgegenständlichen Zeitraum
vom 20.12.2011 bis zum 06.01.2013 das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit des
Klägers als Alleingesellschafter-Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1. angenommen.
Der zugrunde liegende Bescheid der Beklagten vom 04.07.2012 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 28.11.2012 ist rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht
in seinen Rechten.
Rechtsgrundlage für den Erlass der angefochtenen Bescheide ist § 7a Viertes Buch
Sozialgesetzbuch (SGB IV). Danach können die Beteiligten bei der Deutschen
Rentenversicherung (DRV) Bund schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine
Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer
Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren über die
Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet (Abs. 1). Die DRV Bund entscheidet auf
Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles (Abs. 2).
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1
SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem
Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach
Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz
2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat folgt, setzt eine
Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist.
Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte
in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung
umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit
kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“
verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist regelmäßig eine
Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen. Demgegenüber ist eine
selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das
Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene
Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit
gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich
ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und
hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 28.09.2011, - B 12 R
17/09 R, Rn. 16 m.w.N., juris).
Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung gerechtfertigt ist,
ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich
Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das
Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen
Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt.
Verwaltung und Gerichte haben hierzu den konkreten Inhalt festzustellen. Liegen
schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht
auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind
gegebenenfalls nur dann maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Erst auf der
Grundlage der so getroffenen Feststellungen über den (wahren) Inhalt der
Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der
Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt
zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung
notwendig machen (BSG, 18.11.2015, B 12 KR 16/13 R, juris).
Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche
Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur
der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose -
Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts
unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den
tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer
Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt,
dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen
abweichen. Maßgebend ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die
praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urteil vom 30.04.2013, B 12
KR 19/11 R, Rn. 14 m.w.N., juris).
Auch die Tätigkeit eines Gesellschafter-Geschäftsführers ist nach diesen Grundsätzen zu
beurteilen. Dabei gilt, dass grundsätzlich eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft
auch als Geschäftsführer nicht von vorneherein ausgeschlossen ist. Vielmehr muss dann
im einzelnen differenziert werden. Sofern ein GmbH-Gesellschafter am Kapital der
Gesellschaft beteiligt ist, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des
sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal
bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit. Der
Status als Selbstständiger ist dann nach der Rechtsprechung des BSG anzuerkennen,
wenn der im Unternehmen Tätige Gesellschaftsanteile an der Kapitalgesellschaft hält, mit
denen zugleich eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von
Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, und der Betroffene damit rechtlich über die
Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit
abzuwehren (vgl. BSG, Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 10/14 R, Rn. 28; BSG, Urteil vom
29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R - Rn. 25; BSG, Urteil v. 03.04.2014 – B 2 U 26/12 R – Rn.
16, jeweils m.w.N.; BAG, Beschluss v. 17.09.2014 – 10 AZB 43/14 – Rn. 22 ff., juris).
Hinzu kommen die Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung. Wer demnach als
Geschäftsführer Gesellschaftsanteile an einer Kapitalgesellschaft hält, ist dann
selbstständig tätig, wenn damit eine entsprechende Einflussmöglichkeit auf den Inhalt von
Gesellschafterbeschlüssen verbunden ist, etwa in Form einer Sperrminorität oder einer
zumindest 50 prozentigen Beteiligung am Stammkapital, und der Betroffene damit
rechtlich über die Möglichkeit verfügt, ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner
Tätigkeit abzuwehren (BSG, Urteil v. 11.11.2015, B 12 R 2/14 R, juris).
Gemessen an den vorstehenden Kriterien überwiegen vorliegend die Merkmale für eine
selbstständige Tätigkeit bei weitem. Ausgangspunkt sind zunächst die vertraglichen
Vereinbarungen zwischen dem Kläger und der Beigeladenen zu 1., hier der
Anstellungsvertrag vom 21.12.2011. Nach den Angaben des Klägers im
Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung sowie nach dem
Arbeitsvertrag war der Kläger vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit. Als
Einzelgeschäftsführer war er alleinvertretungsberechtigt und weisungsfrei tätig. Dies
spricht für eine selbstständige Tätigkeit, wobei auch hier Ausnahmen denkbar und
möglich sind (LSG BW, Urteil v. 30.09.2014, L 11 R 2662/13, juris). Zudem war der Kläger
100-prozentiger Gesellschafter der GmbH und hatte damit maßgebliche Einfluss- und
Weisungsmöglichkeiten auf seine Geschäftsführertätigkeit und auf die Geschicke des
Unternehmens.
Der Kläger büßte seinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft nicht durch den
Treuhandvertrag ein.
Unter dem Institut der Treuhand fasst man die Fälle der Wahrnehmung auch fremder
Interessen bezogen auf ein bestimmtes Vermögensrecht zusammen, über das der
Treuhänder zwar die volle Rechtsmacht bzw. Verfügungsmacht innehat und das von ihm
im eigenen Namen ausgeübt wird, das wirtschaftlich indes dem Treugeber zusteht.
Typisierendes Merkmal der Treuhand ist das Auseinanderfallen von rechtlicher und
wirtschaftlicher Zuordnung des Rechts (Seibt in Scholz, GmbHG,12. Aufl., § 15 Rn. 227).
Die Zulässigkeit der Treuhandschaft an Geschäftsanteilen ist allgemein anerkannt (Löbbe
in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl. 2013 ff, § 15 Rn. 198; BGH, Urteil v.
19.04.1999, II ZR 365/97, Rn. 17).
Der Treuhänder ist vollberechtigter und vollverpflichteter Gesellschafter, dem demgemäß
alle Mitgliedschaftsrechte aus dem Geschäftsanteil zustehen und den auch alle Pflichten
aus dem Geschäftsanteil treffen. Dies trifft sowohl das Verhältnis zur Gesellschaft als
auch zu den Mitgesellschaftern. Die schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen
Treuhänder und Treugeber schlagen nicht auf das Außenverhältnis des Treuhänders zu
der Gesellschaft und den Mitgesellschaftern durch (Löbbe in Ulmer/Habersack/Löbbe,
a.a.O. Rn. 212).
Auch wenn der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. am 19.12.2011
geschlossene Treuhandvertrag formwirksam geschlossen worden ist, geht dennoch die
beurkundetete gesellschaftsrechtliche Regelung unter dem Aspekt der Vorhersehbarkeit
im Sozialversicherungsrecht vorliegend vor, und es kommt auf die Frage der Wirksamkeit
der Treuhandvereinbarung nicht an.
Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 19.04.1999, II ZR 365/97, Rn. 19)
wird bereits mit der Begründung des Treuhandverhältnisses, aufgrund dessen eine
Person für den Treugeber einen Geschäftsanteil erwirbt -aufschiebend bedingt- die
Verpflichtung zur Anteilsübertragung begründet, weil der Treuhänder diese Beteiligung
aus dem Treuhandverhältnis erlangt hat und er bei dessen Beendigung kraft Gesetzes (§
667 BGB) zur Herausgabe verpflichtet ist. Mit dieser Feststellung ist allerdings noch nichts
für die Beantwortung der Frage gewonnen, ob wegen dieser zwangsläufigen Rechtsfolge
des Treuhandvertrages das Geschäft nach § 15 Abs. 4 Satz 1 GmbHG
beurkundungspflichtig ist oder nicht. Maßgebend ist vielmehr, ob nach dem Sinn und
Zweck der Vorschrift das Beurkundungserfordernis auch für solche Rechtsgeschäfte gilt,
die zwar nicht ausdrücklich, aber zwangsläufig – zumindest befristet oder bedingt – die
Verpflichtung zur Geschäftsanteilsübertragung begründen.
Daraus ergibt sich, dass auch die nach Gründung aber vor Eintragung ins Handelsregister
geschlossene, auf den künftig entstehenden Geschäftsanteil abzielende Treuhandabrede
in notarieller Form geschlossen wird (BGH a.a.O., Rn. 20). Denn nach Ansicht des BGH
in Anlehnung an die gefestigte Rechtsprechung des Reichsgerichts ist der wesentliche
Zweck des § 15 Abs. 4 GmbHG zu vereiteln, dass GmbH-Geschäftsanteile Gegenstand
des freien Handelsverkehrs werden (BGHZ 13, 49,51 f.; BGHZ 19, 69, 71; BGHZ 75, 352,
352; BGHZ 130, 71, 74; BGHZ 141, 207, 211, Vereinbarungstreuhand)
Bei der Frage nach der Formbedürftigkeit von Treuhandverträgen gem. § 15 Abs. 3 und 4
GmbHG sind verschiedene Fälle zu unterscheiden. Formbedürftig im Sinne des § 15 Abs.
4 GmbHG ist die Abrede, nach der der Gesellschafter einen bereits bestehenden
Geschäftsanteil künftig für einen Dritten treuhänderisch halten soll (sog.
Vereinbarungstreuhand, RGZ124, 371, 377; BGH a.a.O., Rn. 22; Seibt in Scholz,
GmbHG, § 15 Rn. 230). Auch die Übertragungstreuhand, bei der ein Treuhänder den
Geschäftsanteil vom Treugeber erwirbt, ist nach § 15 Abs. 4 GmbHG
beurkundungspflichtig, da hier eine Abtretungsverpflichtung des Treugebers gegenüber
dem Treuhänder begründet wird (BayObLG v. 18.03.1991 – BReg 3 Z 69/90; Fastrich in
Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl., § 15 Rn. 56).
Bei der sogenannten Erwerbstreuhand verpflichtet sich der Treuhänder gegenüber dem
Treugeber, einen Geschäftsanteil durch Teilnahme an der Gesellschaftsgründung bzw. an
einer Kapitalerhöhung oder von einem Dritten zu erwerben. Diese Form der Treuhand ist
nicht beurkundungspflichtig nach § 15 Abs. 4 GmbHG, da sich einerseits die
Abtretungsverpflichtung des Treuhänder gegenüber dem Treugeber aus der gesetzlichen
Herausgabepflicht des § 667 BGB ergibt und andererseits, weil die Vorschrift nach ihrem
Normzweck (Verhinderung eines Anteilshandels) nicht betroffen ist. Dies beurteilt sich
jedoch dann anders, wenn der Treuhänders sich gegenüber dem Treugeber verpflichtet,
einen bereits bestehenden oder in Entstehung befindlichen Geschäftsanteil von einem
Dritten zu erwerben (BGH, Urteil v. 19.04.1999, II ZR 365/97, Rn. 23).
Anders verhält es sich lediglich dann, wenn die Parteien bereits vor dem Abschluss des
notariellen Gesellschaftsvertrags eine Treuhandvereinbarung getroffen haben. Dies kann,
da weder ein Geschäftsanteil vorhanden ist, noch dessen Entstehen in die Wege geleitet
ist, und nur noch von der Eintragung des Gesellschaft in das Handelsregister abhängig
ist, formfrei geschehen (Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 15 Rn. 48,
Fastrich in Baumbach/Hueck, a.a.O., Rn. 56; BGHZ 19, 69, 70). In diesen Fällen, in
denen die Treuhandabrede im Vorgründungsstadium geschlossen wird, sich aber weder
auf bestehende noch nach Abschluss des notariellen Gründungsvertrages künftig mit der
Eintragung der GmbH entstehende Geschäftsanteile bezieht, ist der Treuhandvertrag
formfrei (BGH, Beschluss v. 12.12.2005, II ZR 330/04, Rn. 3, juris).
Übertragen auf den vorliegenden Fall handelt es sich bei dem zwischen dem Kläger und
dem Beigeladenen zu 1. am 19.12.2011 abgeschlossenen Treuhandvertrag um eine
Treuhandabrede, die einen Tag vor der notariellen Beurkundung der
Unternehmensgründung der Beigeladenen zu 1.PH am 20.12.2011 unterschrieben wurde
und damit noch vor ihrer notariellen Gründung. Da zu diesem Zeitpunkt die GmbH noch
gar nicht gegründet war, bedurfte eine Treuhandvereinbarung zu ihrer Wirksamkeit noch
nicht der notariellen Beurkundung.
Im Zusammenhang mit Statusfeststellungsverfahren von Gesellschafter-Geschäftsführern
und sonstigen Gesellschaftern hat das BSG bei den sogenannten
Stimmbindungsverträgen darauf abgestellt (BSG, Urteil vom 29.07.2015, B 12 KR 23/13
R, Rn. 28 ff.;juris, BSG, Urteil v. 11.11.2015, B 12 KR 13/14 R, Rn. 25 ff., juris), dass es
zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung auf ausschließlich schuldrechtlich
getroffene Vereinbarungen nicht ankomme. Entscheidend zur Beurteilung der Frage, ob
eine Beschäftigung abhängig oder die Tätigkeit als selbstständig einzustufen ist, komme
es auf die Vorhersehbarkeit für die Sozialversicherungszweige an. Eine Abhängigkeit der
Statuszuordnung vom rein faktischen nicht an rechtlich gebundenes und daher jederzeit
änderbares Verhalten der Beteiligten wäre mit dem Erfordernis sozialversicherungs- und
beitragsrechtlicher Tatbestände nicht in Einklang zu bringen. Es soll gerade keine
"Schönwetter-Selbstständigkeit" geben.
Vorliegend kann der am 19.12.2011 privatschriftlich abgeschlossene Treuhandvertrag die
gesellschaftsrechtlichen gesetzlichen Regelungen wie insbesondere die Vorschriften zur
Übertragung von Gesellschaftsanteilen nicht aushebeln. Das Anknüpfen an die den
Beteiligten von Gesetzes oder Vertrags wegen zukommende Rechtsmacht verringert
Manipulationsmöglichkeiten bezüglich der Generierung oder Negierung von
Sozialversicherungspflichten. Genauso wie der schuldrechtlichen
Stimmbindungsvereinbarung im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen
Gesamtabwägung keine entscheidende Indizfunktion für das Vorliegen selbstständiger
oder abhängiger Beschäftigung zukommt, ist auch eine außerhalb des
Gesellschaftsvertrags getroffene, nicht notariell beurkundete Vereinbarung nicht geeignet,
die sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergebenden Rechtsmachtverhältnisse mit
sozialversicherungsrechtlicher Wirkung zu verschieben, weil sie von jedem Gesellschafter
ordentlich und –entsprechend den insoweit zwingenden gesetzlichen Vorgaben für
Dauerschuldverhältnisse (vgl. § 314 BGB) – von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund
ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann.
Inwieweit sich etwas anderes ergäbe, sofern der Treuhandvertrag notariell i.S.v. § 15 Abs.
4 GmbHG beurkundet worden wäre, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Denn hierin
unterscheidet sich der zu entscheidende Fall aus Sicht des erkennenden Senats von der
Entscheidung des LSG Baden-Württemberg (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom
13.03.2018, L 11 R 590/17, anhängig beim BSG unter B 12 R 5/18 R). Denn anders als in
dem dort zu beurteilenden Fall, in dem der gesamte Treuhandvertrag notariell
geschlossen war, hat im anhängigen Fall der Kläger zusammen mit dem Beigeladenen zu

1. die Treuhandvereinbarung ja gerade nicht notariell getroffen. Das BSG hatte in der
Entscheidung vom 25.01.2006 (B 12 KR 30/04 R, juris, Rn. 27) entscheidend darauf
abgestellt, dass die dortige Treuhandabrede nichtig war, weil sie nicht nach § 15 Abs. 4
GmbHG notariell beurkundet worden war.
Bei dieser Sachlage reicht auch der Umstand, dass der Kläger und die Beigeladene zu 1.
nach dem Treuhandvertrag und nach dem Vortrag im Prozess ersichtlich von einer
abhängigen Beschäftigung ausgingen (vgl. § 1 Abs. 5 und § 3 Abs. 6 des Vertrages), nicht
aus, um den Kläger als abhängig Beschäftigten anzusehen. In dieser Handhabung zeigt
sich lediglich der Wille der Vertragspartner, seine Beschäftigung als eine abhängige zu
behandeln. Dieser Wille allein macht aus einer tatsächlich bestehenden selbstständigen
Tätigkeit kein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Parteivereinbarungen können die
Bewertung der Rechtsbeziehung nicht beeinflussen. Maßgebend ist aus den dargelegten
Gründen nicht die subjektive Vorstellung der Beteiligten, sondern das Gesamtbild der
Arbeitsleistung nach den tatsächlichen Verhältnissen (BSG, Urteil vom 03.04.2014, B 5
RE 13/14 R, Rn. 57, juris; Urteil vom 22.06.2005, B 12 KR 28/03 R, Rn. 20, juris; Urteil
vom 18.12.2001, B 12 KR 8/01 R, Rn. 21, juris; BAG, Urteil vom 20.01.2010, 5 AZR
106/09, Rn. 18, juris). Daher reicht auch nicht aus, dass die Vergütung als Lohn/Gehalt
verbucht und von ihr Lohnsteuer entrichtet, dass Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
vereinbart war, und dass eine 40-Stunden Woche vereinbart war.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG). Eine
Revisionszulassung war aus Sicht des Senats nicht erforderlich, weil sich die
Entscheidung in die mittlerweile zahlreichen, einer Linie folgenden Entscheidungen des
BSG im Zusammenhang mit Statusfeststellungen insbesondere zu Gesellschafter-
Geschäftsführern bei sog. Stimmbindungsverträgen, bzw. -abreden einreiht.
Die Frage der Vorhersehbarkeit für die sozialversicherungsrechtliche Zuordnung lässt sich
vorliegend anhand der vorhandenen Rechtsprechung zu Stimmbindungsverträgen für den
zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1. geschlossenen Treuhandvertrag klar
beantworten.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LSG Sachsen

Erscheinungsdatum:

08.11.2018

Aktenzeichen:

9 KR 263/15

Rechtsgebiete:

GmbH

Normen in Titel:

GmbHG § 15 Abs. 3 u. 4; SGB IV § 7a Abs. 1