OLG Hamm 01. Februar 2023
8 U 29/22
BGB §§ 314 Abs. 2, 723 Abs. 1 S. 3; HGB §§ 233 Abs. 2

Kündigung einer stillen Gesellschaft; Abmahnungserfordernis; Informations- und Kontrollrecht des stillen Gesellschafters

letzte Aktualisierung: 19.4.2023
OLG Hamm, Urt. v. 1.2.2023 – 8 U 29/22

BGB §§ 314 Abs. 2, 723 Abs. 1 S. 3; HGB §§ 233 Abs. 2
Kündigung einer stillen Gesellschaft; Abmahnungserfordernis; Informations- und
Kontrollrecht des stillen Gesellschafters

1. Der Gesellschaftsvertrag einer stillen Gesellschaft kann zur Kündigung der Gesellschaft
berechtigende wichtige Gründe festlegen, die eine gegenüber § 723 Abs. 1 S. 3 BGB erleichterte
Kündigung ermöglichen.
2. Das Abmahnerfordernis nach § 314 Abs. 2 BGB gilt nicht für das gesetzliche Kündigungsrecht
aus § 723 Abs. 1 S. 3 BGB, das insoweit lex specialis ist. Gleichwohl kann nach dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (ultima-ratio-Gedanke) eine Abmahnung erforderlich sein, wenn
etwa eine weniger schwerwiegende oder erstmalige Pflichtverletzung vorliegt. Insoweit kann im
Rahmen der Abwägung, ob die Kündigung zuvor anzudrohen ist, auch berücksichtigt werden, dass
die Parteien die Anforderungen an den wichtigen Grund gegenüber der gesetzlichen Regelung
herabgesetzt haben.
3. Die Kündigung einer stillen Gesellschaft kann auf die Verweigerung des vertraglich vereinbarten
Informationsrechts des stillen Gesellschafters gestützt werden.
4. Zur Auslegung einer vertraglichen Klausel über Informations- und Kontrollrechte des stillen
Gesellschafters.

Gründe

I.
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der vom Beklagten aus wichtigem Grund
erklärten Kündigung einer zwischen ihnen vereinbarten stillen Gesellschaft.

1.
Der Beklagte ist seit 1979 als Unternehmensberater mit Kompetenz- und
Tätigkeitsschwerpunkten im kommunalen Bereich tätig.

2017 fassten der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte den Plan, eine
Gesellschaft für die Beratung kommunaler Wirtschaftsförderung zu gründen. Zur
Verwirklichung dieses Vorhabens gründete der Geschäftsführer der Klägerin die Klägerin
mit einem Stammkapital von 25.000 €. Die Klägerin und der Beklagte schlossen am
01.09.2017 einen Vertrag über eine stille Gesellschaft und einen Beratungsvertrag.
In dem Vertrag über eine stille Gesellschaft vereinbarten sie u.a. Folgendes:

„§ 3 Einlage
Der stille Gesellschafter leistet eine Einlage von EUR 75.000,00. Die Einlage ist sofort
fällig.

§ 4 Geschäftsführung
1. Die Geschäftsführung steht allein der Inhaberin zu.
2. Die Inhaberin darf jedoch folgende Maßnahmen nur mit Zustimmung des stillen
Gesellschafters vornehmen:
a) die Änderung des Gegenstands des Unternehmens,
b) die vollständige oder teilweise Einstellung des Geschäftsbetriebes,
c) die Veräußerung oder Verpachtung des Unternehmens oder eines Teils des
Unternehmens,
d) die Übernahme von Bürgschaften, Schuldversprechen und Garantien, soweit es sich
nicht um gewöhnliche zum Betrieb des Handelsgewerbes des Inhabers gehörende
Geschäfte handelt.
(…)

§ 9 Informations- und Kontrollrechte des stillen Gesellschafters
1. Über § 233 HGB hinaus stehen dem stillen Gesellschafter Informations- und
Kontrollrechte gemäß § 716 BGB zu und zwar auch nach Beendigung der Gesellschaft in
dem zur Überprüfung des Auseinandersetzungsguthabens erforderlichen Umfang.
(…)

§ 12 Kündigung der Gesellschaft
1. Die ordentliche Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses wird bis zum 31.03.2023
ausgeschlossen.

2. Sowohl die Inhaberin wie auch der stille Gesellschafter können vor dem nach Abs. 1
genannten Termin die Beteiligung mit einer Kündigungsfrist von zwei Monaten zum Ende
eines Geschäftsjahres kündigen, wenn der Beratervertrag mit dem stillen Gesellschafter
beendet wird.

3. Die fristlose Kündigung aus wichtigem Grund bleibt beiden Seiten vorbehalten. Ein
wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
a) ein Gesellschafter gegen seine Pflichten aus diesem Vertrag oder seine
gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt;
…“
In dem Beratungsvertrag haben die Parteien u.a. Folgendes vereinbart:

„§ 1 Vertragsgegenstand
Herr A1 wird für die Gesellschaft als freier Berater tätig. Er führt selbstständig Projekte für
Kunden im Bereich der Wirtschaftsförderung durch. Dabei gestaltet er Vertragsschluss,
Inhalt und Ablauf der Projekte völlig frei mit dem Ziel der Gewinnerzielung für die
Gesellschaft.
§ 2 Vertragsdauer
Der Vertrag beginnt am 01.09.2017 und endet am 31.03.2023.
§ 3 Kündigung
Die ordentliche Kündigung während der festgelegten Vertragsdauer (§ 2) ist
ausgeschlossen. Der Vertrag ist aber jederzeit aus wichtigem Grund fristlos kündbar. Die
Kündigung bedarf der Schriftform.
(…)
§ 7 Konkurrenzerlaubnis
Herr A1 rechnet seine Tätigkeit als freiberuflicher Berater ab. Herr A1 erklärt, dass er auch
für weitere Auftraggeber tätig ist. Die Gesellschaft gestattet ihm ausdrücklich, auch für
andere Auftraggeber tätig zu sein.“

Eine Regelung über Informations- oder Einsichtsrechte des Beklagten als Berater enthält
der Vertrag nicht.

Das damalige Beraterteam des Beklagten, bestehend aus drei fest angestellten
Mitarbeitern und einem freiberuflichen Mitarbeiter, wurde 2017 bei der Klägerin eingestellt.
Der Beklagte war zunächst nach dem Vertragsschluss 2017 und bis ins Jahr 2020 in
erheblichem Umfang als Berater für die Klägerin tätig. Von der im Beratungsvertrag
vorgesehenen Möglichkeit, (konkurrierend) für andere Auftraggeber tätig zu sein, hat er
nur in begrenztem Umfang Gebrauch gemacht, wobei das Ausmaß zwischen den Parteien
streitig ist.

Bis etwa Oktober 2020 erhielt der Beklagte Einblick in die Geschäftsverhältnisse und
Unterlagen der Klägerin. Er erhielt die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen
(BWA) über die Kosten- und Ertragslage der Klägerin und besprach regelmäßig
gemeinsam mit dem Geschäftsführer der Klägerin die Liquiditäts- und Forecast-
Planungen. Er konnte zu jeder Zeit Einsicht in die Buchhaltungsunterlagen und Planungen
nehmen und hatte Einblick in die Ist-Zahlen mit Kontoständen und Rechnungen.
Im Laufe des Jahres 2020 kam es zwischen den Parteien zu Konflikten.

Am 30.11.2020 gründete der Beklagte gemeinsam mit C die AC GmbH, die ihren
Geschäftssitz im selben Gebäudekomplex hat wie die Klägerin. Ihr Gegenstand ist die
Beratung von Kommunen, Unternehmen und Institutionen sowie die Durchführung von
Seminaren. Sie ist im selben Geschäftsfeld tätig wie die Klägerin.
Mit Schreiben vom 09.01.2021 und mit einer weiteren E-Mail von diesem Tag kündigte der
Beklagte den Beratungsvertrag fristlos.

Jedenfalls ab Mai 2021 stritten die Parteien darüber, ob und inwieweit der Beklagte als
stiller Gesellschafter von der Klägerin Information und Einsicht begehren kann. Der
Beklagte machte per E-Mail vom 25.5.2021 und vom 26.5.2021 sowie per Brief vom
02.06.2021 (Anlage K4) das Informationsrecht gem. § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag
geltend und schlug für die Einsicht eine Terminauswahl vor. Die Klägerin bestritt das
geltend gemachte Informationsrecht per E-Mail vom 27.05.2021 und Schreiben vom
07.06.2021 (Anlage K5). Daraufhin kündigte der Beklagte die Gesellschaft mit Schreiben
vom 12.06.2021 (Anlage K6) unter Berufung auf § 12 Nr. 3a Gesellschaftsvertrag aus
wichtigem Grund und verlangte Zahlung des Abfindungsguthabens.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil ein wichtiger
Grund zur Kündigung nicht vorgelegen habe. Sie hat gemeint, dem Beklagten habe ein
unbeschränktes Informationsrecht nach § 716 BGB während der Vertragslaufzeit nicht
zugestanden. § 9 Abs. 1 gewähre nur ein nachvertragliches Informationsrecht zur
Überprüfung des Auseinandersetzungsguthabens. Das ergebe sich aus dem Wortlaut, sei
aber auch wegen der Wettbewerbssituation zwischen den Parteien folgerichtig. Die
Verweigerung der Information sei daher keine Pflichtverletzung. Soweit sie dem Beklagten
früher Einsicht und Auskunft gewährt habe, sei das im Rahmen des Beratungsvertrags
erfolgt. Ein umfassendes Informationsrecht gem. § 716 BGB sei für stille Gesellschafter
auch nicht üblich.

Im Übrigen habe aber jedenfalls kein wichtiger Grund vorgelegen, der eine
außerordentliche Kündigung rechtfertige. Die Verletzung der Informationspflicht sei nicht
schwerwiegend, der Beklagte habe die Klägerin entgegen § 314 Abs. 2 BGB auch nicht
abgemahnt.

Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass der von der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Vertrag über
eine stille Gesellschaft vom 01.09.2017 (Anl. K1 zur Klageschrift) bestehe,
hilfsweise (für den Fall, dass die Festlaufzeit des Vertrages über eine stille Gesellschaft im
entscheidungserheblichen Zeitpunkt abgelaufen ist und die mit dem Hilfsantrag begehrte
Feststellung nach Auffassung des Gerichts in diesem Fall auf der Grundlage des
Hauptantrages deshalb nicht in Betracht komme, weil der Vertrag über eine stille
Gesellschaft im entscheidungserheblichen Zeitpunkt wegen Ablaufs der vereinbarten
Festlaufzeit nicht mehr bestehe),
festzustellen, dass der von der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Vertrag über
eine stille Gesellschaft vom 01.09.2017 (Anl. K1 zur Klageschrift) bis zum 31.03.2023
bestanden habe.

Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag gewähre ihm ein
vertragliches (nicht nur nachwirkendes) Informationsrecht. Dessen beharrliche Verletzung
rechtfertige die Kündigung aus wichtigem Grund.

2.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen
ausgeführt, die Verletzung des Informationsrechts nach § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag
stelle einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung der stillen Gesellschaft dar. Das
Informationsrecht sei nach dem Wortlaut der Regelung begründet, im Übrigen aber auch
nicht unüblich. Die Wettbewerbssituation zwischen den Parteien, die im Beratungsvertrag
bestätigt und konsentiert gewesen sei, rechtfertige nichts anderes.

3.
Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt
und vertieft sie ihren erstinstanzlichen Vortrag. Entgegen der Auffassung des Landgerichts
sei der Wortlaut von § 9 Abs. 1 nicht eindeutig. Die Vereinbarung begründe für die Laufzeit
des Vertrages nur ein eingeschränktes Informationsrecht. Ein umfassendes
Informationsrecht während der Vertragslaufzeit sei unüblich und hätten die Parteien anders
formuliert. Es wäre mit Rücksicht auf die Wettbewerbssituation der Parteien auch
zweckwidrig. Dafür habe aber auch kein Bedarf bestanden, da der Beklagte aufgrund des
Beratungsbedarfs die für die Beratung erforderlichen Informationen erhalte. Für die
Wahrnehmung seiner Rechte als stiller Gesellschafter reichten die (nicht nach § 716 BGB
erweiterten) gesetzlichen Rechte. Im Übrigen wären weitergehende Informationsrechte in
einer Wettbewerbssituation, wie sie zwischen den Parteien bestanden habe, nach § 242
BGB einzuschränken. Letztlich könne das dahinstehen, da die Kündigung mangels
Abmahnung (§ 314 Abs. 2 BGB) unwirksam sei. Die Abmahnung sei auch nicht
entbehrlich, insbesondere habe sie - die Klägerin - nicht ernsthaft und endgültig die
Leistung (Information) verweigert.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 09.02.2022, Az. 10 O 43/21, abzuändern und
festzustellen, dass der von der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Vertrag über
eine stille Gesellschaft vom 01.09.2017 (Anlage K 1) besteht;
hilfsweise:

das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 09.02.2022, Az. 10 O 43/21, abzuändern und
festzustellen, dass der von der Klägerin und dem Beklagten geschlossene Vertrag über
eine stille Gesellschaft vom 01.09.2017 (Anlage K 1) bis zum 31.03.2023 bestanden hat.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er tritt der Berufungsbegründung entgegen und verteidigt das landgerichtliche Urteil.

II.
Die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung ist unbegründet.

1.
Die Klage ist zulässig. Das Gesellschaftsverhältnis des Beklagten zu der Klägerin ist ein
Rechtsverhältnis i.S.v. § 256 ZPO. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin ist zu bejahen;
OLG München, NJW-RR 1995, 485. Der Beklagte bestreitet das (Fort-)Bestehen des
Gesellschaftsverhältnisses nach seiner Kündigung. Eine vorrangige Leistungsklage steht
der Klägerin nicht zu Gebote. Aus dem Gesellschaftsverhältnis können eine Vielzahl von
wechselseitigen Rechten und Pflichten fließen, deren Einzeldurchsetzung nicht sinnvoll
möglich ist. Die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Beklagten wäre zwar
ebenfalls möglich (OLG München BeckRS 2015, 18620), ist aber nicht vorrangig.

2.
Die Klage ist aber unbegründet. Da die vom Beklagten erklärte Kündigung vom 12.06.2021
wirksam ist, besteht die stille Gesellschaft zwischen den Parteien nicht mehr.

a) Kündigungsgrund
Der Beklagte hat nach § 12 Abs. 3 lit. a) Gesellschaftsvertrag das Recht zur Kündigung
aus wichtigem Grund. Die Vorschrift enthält eine gegenüber § 234 Abs. 1 S. 2 HGB i.V.m.
§ 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB selbständige Definition des wichtigen Grundes. Ein wichtiger
Grund liegt danach nicht erst dann vor, „wenn ein (…) Gesellschafter eine ihm nach dem
Gesellschaftsvertrag obliegende wesentliche Verpflichtung vorsätzlich oder aus grober
Fahrlässigkeit verletzt hat“ (wie es § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB formuliert), sondern bereits
unter der erleichterten Voraussetzung, dass „ein Gesellschafter gegen seine Pflichten aus
diesem Vertrag oder seine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstößt“. Eine solche
Erleichterung des Kündigungsrechts ist nach § 234 Abs. 1 S. 2 HGB i.V.m. § 723 Abs. 3
BGB zulässig; Staudinger/Habermeier (2003), § 723 BGB Rn. 43.

Allerdings bedarf diese Vereinbarung der Auslegung. Insbesondere könnte mit der
Verwendung des etablierten Fachbegriffs „wichtiger Grund“ auch schlicht eine Verweisung
auf die gesetzliche Regelung von § 234 Abs. 1 S. 2 HGB i.V.m. § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
BGB gemeint sein. Dagegen spricht jedoch, dass die Parteien – in einer für stille
Beteiligungen nicht unüblichen Weise – in lit. a) bis e) einzelne Gründe aufgeführt haben,
unter denen ein wichtiger Grund „insbesondere vor(liegt)“, und dabei von der gesetzlichen
Formulierung abgewichen sind. Der damit vereinbarte Mittelweg einer festen Laufzeit bei
gleichzeitiger Erleichterung der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung entspricht
der besonderen Interessenlage der Parteien. Ihre Zusammenarbeit war in Gesellschafts65
und Beratungsvertrag mit einem starken persönlichen Einschlag versehen. Dem trägt eine
Erleichterung der außerordentlichen Kündigung Rechnung.

Da auch nach § 12 Abs. 3 Gesellschaftsvertrag ein „wichtiger Grund“ erforderlich ist und
die Parteien eine Befristung der Gesellschaft vereinbart haben, sie also durchaus
stabilisieren wollten, ist die Regelung allerdings auch hier so zu verstehen, dass die
Kündigung ultima ratio ist und in einer Abwägung aller betroffenen Interessen zu prüfen ist,
ob ein Festhalten am Vertrag für die vereinbarte Mindestlaufzeit zumutbar war. Daher kann
nicht schlechthin jede – auch nur geringste – Pflichtverletzung die Kündigung rechtfertigen.
Dafür, dass insoweit ein gewisses Gewicht zu verlangen ist, spricht auch die von der
Regelung hergestellte Gleichwertigkeit von Pflichtverletzung und Treuepflichtverletzung.
Ebenso wie nach der gesetzlichen Regelung ist der Begriff des wichtigen Grundes dahin
zu verstehen, dass ein Verschulden nicht vorausgesetzt wird; zur gesetzlichen Regelung
Erman/Westermann, § 723 BGB Rn. 11; Erman/Böttcher, § 314 BGB Rn. 4d;
Erman/Riesenhuber, § 626 BGB Rn. 38. Das bedeutet freilich nicht, dass das Verschulden
keine Rolle spielt. Es kann für die Feststellung des wichtigen Grundes im Rahmen der
gebotenen Abwägung im Einzelfall durchaus berücksichtigt werden.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist aber ein Abmahnungserfordernis nach § 314 Abs. 2
BGB nicht begründet. Bereits das gesetzliche Kündigungsrecht von § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1
BGB ist lex specialis und verdrängt als solches § 314 BGB; so unzweideutig BT-Drs.
14/6040, S. 177; ferner BeckOGK/Lübke, § 723 BGB Rn. 6. Allerdings kann nach dem
ultima-ratio-Gedanken auch nach § 723 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 BGB eine Abmahnung der Sache
nach erforderlich sein. Das ist insbesondere der Fall, wenn eine weniger schwerwiegende
oder erstmalige Pflichtverletzung vorliegt; OLG Frankfurt a.M., NJOZ 2020, 1394 Rn. 20;
MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 723 Rn. 31. Vorliegend ist aber zu beachten,
dass die Parteien die Kündigungsmöglichkeit im Vergleich mit der gesetzlichen Regelung
erleichtert haben. Mit dieser Regelung wäre es unvereinbar, wenn man sie über das
grundsätzliche Abmahnungserfordernis von § 314 Abs. 2 BGB wieder erschweren würde.
Ein Abmahnungserfordernis kann sich vielmehr nur im Einzelfall aus dem
Verhältnismäßigkeitsprinzip (ultima ratio) ergeben und im Rahmen der Abwägung zu
würdigen sein (s. u.).

b) Pflichtverletzung
Die Klägerin hat die gesellschaftsvertragliche Informationspflicht aus § 9 Abs. 1 schuldhaft
verletzt.

aa) Informationsrecht des Beklagten
Der Beklagte hatte gegen die Klägerin Anspruch auf Information gem. § 716 BGB.

(1) Gemeinsamer Wille
Dagegen lässt sich entgegen dem Berufungsvortrag der Klägerin nicht anführen, die
Vereinbarung von § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag habe dem Beklagten nach dem
übereinstimmenden Willen der Parteien allein zur Überprüfung des
Auseinandersetzungsguthabens zustehen sollen. Allerdings richtet sich die Vereinbarung
nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien, und zwar auch dann, wenn dieser im
Wortlaut selbst nicht zum Ausdruck kommt, § 133 BGB; Soergel/Riesenhuber, 14. Aufl.
2023, § 133 BGB Rn. 25 m.w.N. Den von ihr behaupteten gemeinsamen Willen hat der
Beklagten bestritten und hat die Klägerin auch nicht tauglich unter Beweis gestellt. Es ist
bereits nicht erkennbar, wie die Vernehmung des Geschäftsführers der Klägerin als Partei
über den gemeinsamen (!) Willen beider Parteien Aufschluss geben sollte. Zudem liegen
die Voraussetzungen der §§ 447, 448 ZPO nicht vor, da der Beklagte der
Parteivernehmung des Geschäftsführers der Klägerin als Beweisführerin nicht zugestimmt
hat und eine Parteivernehmung von Amts wegen nicht in Betracht kommt, da die
behauptete Tatsache auch nach dem Ergebnis der Anhörung des Geschäftsführers der
Klägerin durch den Senat nicht „anbewiesen“ ist.

Letztlich können diese Fragen indes dahinstehen. Denn der Geschäftsführer der Klägerin
hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, er habe sich zu der Vereinbarung zu § 9 Abs. 1
Gesellschaftsvertrag vor oder bei Vertragsschluss keine Gedanken gemacht. Er hat weiter
bekundet, die Vereinbarung zu § 9 Gesellschaftsvertrag habe „damals A1 (der Beklagte)
entworfen“. Der Beklagte hat dazu ausgeführt, die Formulierung sei einem besonderen
Informationsinteresse während der laufenden Beteiligung geschuldet gewesen. Demnach
bestand der von der Klägerin anfänglich geltend gemachte gemeinsame Wille nicht, die
Regelung habe nur dem Prüfungsinteresse des Beklagten im Hinblick auf das
Auseinandersetzungsguthaben gedient.

Daher kommt es auf die Auslegung der Vereinbarung von § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag
nach §§ 133, 157 BGB an.

(2) Wortlaut
Der Wortlaut der Vereinbarung spricht für ein Informationsrecht des Beklagten. Allerdings
ist die Formulierung, worauf die Klägerin zu Recht hinweist, nicht „eindeutig“. Schon
grundsätzlich ist darauf hinzuweisen, dass „Eindeutigkeit“ durch das Wortlautkriterium nicht
zu begründen ist; ob eine Vereinbarung „eindeutig“ ist, kann sich nur unter Heranziehung
sämtlicher Kriterien als Ergebnis der Auslegung erweisen; Soergel/Riesenhuber, § 133
BGB Rn. 31. Man kann sie zum einen dahin verstehen, dem Beklagten solle ein
Informationsrecht während der Laufzeit zustehen und (zu dem eingeschränkten Zweck der
Überprüfung des Auseinandersetzungsguthabens) auch nach deren Beendigung. Möglich
ist aber auch das Verständnis, das Informationsrecht sei ausschließlich für die Zeit nach
der Beendigung vereinbart. Allerdings ist die letztere Auslegung schon nach dem Wortlaut
weniger plausibel. Hätten die Parteien ein auf die Zeit nach Beendigung beschränktes
zusätzliches Informationsrecht vereinbaren wollen, so hätten sie diese Beschränkung zur
Hervorhebung an den Anfang gestellt („Nach Beendigung …“). Weiterhin hätten sie dann
auf nicht auf § 233 HGB Bezug genommen („Über § 233 HGB hinaus …“), der zwar noch
in der Liquidation anwendbar ist, aber nicht mehr nach Beendigung; Hopt/Roth, HGB
Kommentar (41. Aufl. 2022), § 233 HGB Rn. 2. Außerdem hätten sie bei einer auf die Zeit
nach Beendigung beschränkten Anwendung auf das Adverb „auch“ verzichtet, das nun
gerade darauf hindeutet, dass die Vereinbarung nicht nur nach Beendigung gelten soll,
sondern „auch“ schon vorher.

Der Wortlaut spricht weiterhin auch gegen die Annahme der Klägerin, das
Informationsrecht sei – egal zu welchem Zeitpunkt – stets nur zu dem beschränkten Zweck
vereinbart, das Auseinandersetzungsguthaben zu überprüfen. Wenn man davon ausgeht,
dass der Beklagte schon während der Vertragslaufzeit Anspruch auf Information hat
(wofür, wie dargelegt, bereits der Wortlaut spricht), ergibt eine solche Zweckbeschränkung
für diese Zeit keinen Sinn, da ein Auseinandersetzungsguthaben erst nach Beendigung in
Betracht kommt. Vor Beendigung des Vertrags könnte es allenfalls um die „Berechnung“
oder „Ermittlung“ des Auseinandersetzungsguthabens gehen, von der aber in § 9 Abs. 1
Gesellschaftsvertrag nicht die Rede ist.

(3) Entstehungsgeschichte (Zusammenhang mit dem Beratungsvertrag)
Aus der Entstehungsgeschichte der Vereinbarung ergibt sich nichts anderes. Die Klägerin
verweist insoweit im Ergebnis ohne Erfolg darauf, der Beklagte habe bereits nach dem
Beratungsvertrag Informationsrechte gehabt, so dass zusätzliche gesellschaftsvertragliche
Informationsrecht unnötig gewesen seien. Tatsächlich kann man zum Verständnis des
Gesellschaftsvertrags zwar auch den am selben Tag zwischen den Parteien
geschlossenen Beratungsvertrag mit heranziehen, da alles dafür spricht, dass die Parteien
die Verträge in einem wirtschaftlichen Zusammenhang gesehen haben. Allerdings gibt der
Beratungsvertrag insofern keinen Aufschluss. Dort ist zunächst schon kein
Informationsrecht des Beklagten geregelt. Ein aus dem Zweck des Beratungsvertrags
abgeleitetes Informationsrecht des Beklagten in seiner Funktion als Berater (§§ 259 f., 242
BGB) hätte aber auch einen ganz anderen Inhalt als das Informationsrecht des Beklagten
als Gesellschafter. Es wäre auf die für Abschluss und Durchführung des jeweiligen
Beratungsvertrags erforderlichen Informationen beschränkt, während das
Informationsrecht des Gesellschafters auf die wirtschaftlichen Kennzahlen der Gesellschaft
gerichtet ist.

Im Rahmen der Entstehungsgeschichte kann ferner die – auch vom Landgericht bereits
angesprochene – „Üblichkeit“ einer solchen Vereinbarung zu berücksichtigen sein. In der
Tat ist die Erweiterung der Informationsrechte durch Bezugnahme auf § 716 BGB im
Vertrag über eine Stille Gesellschaft verbreitet. Das ist dem Senat aus seiner Tätigkeit
gerichtsbekannt und damit offenkundig i.S.v. § 291 ZPO. Für die (hier nicht vorliegende)
atypische Stille Gesellschaft wird die Anwendbarkeit von § 716 BGB in Formularbüchern
und Musterverträgen geradezu standardmäßig vorgesehen; Formularbuch Recht und
Steuern/Kolberg (10. Aufl. 2021), 14.01 § 5 Abs. 1. Aber auch für die typische Stille
Gesellschaft wird die Beratungspraxis auf die Möglichkeit der vertraglichen Erweiterung
hingewiesen; Formularbuch Recht und Steuern/Kolberg, 14.00, Erläuterungen zu § 4;
Lorz/Pfister/Gerber/Messerschmidt, Beck’sches Formularbuch GmbH-Recht (1. Aufl.
2010), Nr. 1 Anm. 9; MünchKommHGB/K. Schmidt (4. Aufl. 2019), § 230 HGB Rn. 16.

(4) Zweck
Nach dieser Gestaltung dienten die erweiterten Informationsrechte allerdings, worauf die
Klägerin mit Recht hinweist, nicht den Geschäftsführungsinteressen des Beklagten (der
nach dem Vertrag von der Geschäftsführung ausgeschlossen war und auch nur in
begrenztem Umfang Mitwirkungsrechte hatte; § 4 Gesellschaftsvertrag). Sie haben aber
ihren guten Sinn im Hinblick auf sein Investitionsinteresse, wie der Beklagte bei seiner
Anhörung durch den Senat nachvollziehbar bekundet hat. Angesichts seiner stillen
Beteiligung mit einer Einladge, die das Stammkapital deutlich überstieg, sei für ihn von
erheblicher Bedeutung gewesen, die wirtschaftliche Entwicklung der Klägerin eng zu
kontrollieren. Als solche hingen die von ihm verlangten Informationen auch nicht vom
Umfang seiner Beratungstätigkeit ab. Das entspricht der Lozierung der Regelung im
Gesellschaftsvertrag, nicht im Beratungsvertrag.

Diesem Zweck steht auch das von der Klägerin hervorgehobene Konkurrenzverhältnis
nicht entgegen, das nach der Regelung im Beratungsvertrag von Anfang an bestand und
sich nach den Kontroversen der Parteien ab Ende 2020 stärker ausbildete. Das
Informationsrecht ist primär auf die wirtschaftlichen Kennzahlen und Daten des
Unternehmens gerichtet, insbesondere die betriebswirtschaftlichen Auswertungen. Aber
auch soweit das Informationsrecht Gegenstände betrifft, die das Konkurrenzverhältnis der
Parteien betreffen können, ist es nicht von vornherein ausgeschlossen. Insoweit kam
durchaus eine punktuelle Einschränkung in Betracht, sei es in Form des (auch von der
Klägerin angesprochenen) Wirtschaftsprüfervorbehalts oder in Form eines punktuellen
Anspruchsausschlusses (z.B. für das für eine bestimmte Ausschreibung gemachte Gebot).

(5) Vertragspraxis als Indiz
Auch aus der Vertragspraxis der Parteien ergibt sich nichts anderes. Die Vertragspraxis ist
für die Auslegung ohnehin nur insoweit von einer indiziellen Bedeutung, als sie den Rück-
Schluss auf das anfänglich Gewollte erlaubt; Soergel/Riesenhuber, § 133 BGB Rn. 74.
Wenn die Klägerin dem Beklagten über Jahre die betriebswirtschaftlichen Auswertungen
sowie die Liquiditäts- und Forecast-Planungen übermittelt hat, deutet das darauf hin, dass
die Parteien in § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag die Geltung von § 716 BGB (gerade auch)
für die Vertragslaufzeit gewollt haben. Insbesondere lässt sich diese Informationspraxis
nicht als Ausführung des Beratungsvertrags erklären, da nicht erkennbar ist, welche
Bedeutung die betriebswirtschaftlichen Informationen über die Klägerin für die Ausführung
von Beratungsaufträgen haben sollten.

(6) Auslegungsergebnis
Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Zweck von § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag, aber
auch die Vertragspraxis sprechen daher dafür, dass die Parteien auch während der
Laufzeit des Vertrags das umfassende Informationsrecht des § 716 BGB vereinbart haben.

bb) Pflichtverletzung

(1) Nichterfüllung
Die Klägerin hat das Informationsrecht des Beklagten verletzt, indem sie sich ungeachtet
der wiederholten Aufforderungen des Klägers weigerte, ihm die begehrten Informationen
zu geben.

(2) Keine Ausnahme nach § 242 BGB
Die Weigerung der Beklagten lässt sich auch nicht mit einer Einschränkung des
Informationsrechts nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) rechtfertigen. Zwar kommt eine
Einschränkung in Betracht, soweit die Informationen im Einzelfall Gegenstände betrafen,
die im Wettbewerb der Klägerin zum Beklagten von erheblicher Bedeutung sind;
Münchener Kommentar BGB/Schäfer, 8. Aufl. 2020, § 716 BGB Rn. 7. Die Klägerin nennt
insoweit das Beispiel von Angebotsunterlagen für eine Ausschreibung, in der die Parteien
konkurrieren. Indessen hat sie sich zu keinem Zeitpunkt auf eine so begründete punktuelle
Ausnahme berufen, sondern vielmehr geltend gemacht, dem Beklagten stehe das
Informationsrecht insgesamt nicht zu. Das war von § 242 BGB jedenfalls nicht gestützt.

cc) Abwägung
Die Pflichtverletzung der Klägerin stellte einen wichtigen Grund dar, der den Beklagten
nach § 9 Abs. 1 Gesellschaftsvertrag zur Kündigung berechtigte.
Das Vorliegen eines wichtigen Grundes ist in Abwägung der Interessen der Parteien mit
Rücksicht darauf zu begründen, ob dem Betroffenen (Kündigenden) ein Festhalten am
Vertrag bis zum Ablauf der Mindestlaufzeit zuzumuten ist. Dabei sind sämtliche Umstände
des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Bedeutung der verletzten Pflicht, das
Gewicht der Pflichtverletzung, die subjektive Vorwerfbarkeit, die zu erwartende Abhilfe und
Besserung für die Zukunft.

Die verletzte Pflicht ist von erheblichem Gewicht. Zwar ist sie gesetzlich gerade nicht
vorgesehen (§ 233 Abs. 2 HGB), doch ist schon im Allgemeinen anerkannt, dass der stille
Gesellschafter an den erweiterten Informationsrechten gem. § 716 BGB ein begründetes
Interesse haben kann; MünchKommHGB/K. Schmidt, § 233 HGB Rn. 16. Eben das haben
die Parteien durch die vertragliche Vereinbarung auch anerkannt, und bereits dieser
Umstand zeigt, dass die Parteien dem Informationsrecht hohe Bedeutung beigemessen
haben. Das Informationsrecht gibt dem Stillen die Möglichkeit, die Geschäftsentwicklung
laufend mitzuverfolgen. Diese ist zum Schutz seiner Investitionsinteressen von erheblicher
Bedeutung. Es ermöglicht ihm, den Stand und die Entwicklung seiner Investition zu folgen.
Wenn er – wie der Beklagte im vorliegenden Fall durch seinen Beratungsvertrag – selbst
auf die Geschicke des Handelsgeschäfts Einfluss nehmen kann, gibt ihm die Information
frühzeitig die Möglichkeit, aktiv zu werden. Vor allem aber ist die Information für das
Vertrauensverhältnis zwischen dem Stillen als Investor und dem Gesellschafter als
Treuhänder von grundlegender Bedeutung. Die gegebene Information trägt zum Vertrauen
bei, die verweigerte Information ist geeignet, es zu beschädigen.

Die Klägerin hat die Informationspflicht vorliegend über einen längeren Zeitraum
hartnäckig verweigert. Zwar weist die Klägerin mit Recht darauf hin, dass – entgegen der
Ansicht des Landgerichts – insoweit ihre Rechtsverfolgung im vorliegenden Rechtsstreit
nicht zu berücksichtigen ist. Sie liegt zum einen nach der erfolgten Kündigung (und könnte
daher nur im Wege des Rück-Schlusses eine Aussage über das Gewicht der
Pflichtverletzung begründen). Zum anderen liegt es in der Natur des Rechtsstreits, dass
hier eine eingenommene Rechtsposition (auch: vehement) verteidigt wird. Die
Geltendmachung eigener Rechte darf den Parteien nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Beachtlich ist jedoch, dass die Klägerin schon in der anfänglichen Auseinandersetzung ein
Eingehen auf die Rechtsposition des Beklagten nicht hat erkennen lassen. Sie hat
wiederholt auf ihrem Rechtsstandpunkt beharrt, ohne auf gegenläufige Erwägungen und
Sachargumente näher einzugehen. Sie hat insbesondere auch nicht erwogen, die vom
Beklagten begehrte Information nur punktuell zum Schutz von im Einzelnen begründeten
Wettbewerbsinteressen zurückzuhalten.

Dabei hätte die Klägerin bei sorgfältiger Prüfung und Beratung durchaus erkennen können,
dass die Informationspflicht von § 9 Gesellschaftsvertrag sie zur Auskunft verpflichtete.
Das Landgericht hat die Auslegung der Klägerin mit gutem Grund als „konstruiert“
bezeichnet. Das ist schon nach dem Wortlaut und dem Sprachgebrauch sachlich
begründet. Jedenfalls hätte sie die abweichende Rechtsauffassung des Beklagten zum
Anlass für eine Überprüfung ihres Standpunktes nehmen müssen. Die Pflichtverletzung
der Klägerin beruhte daher jedenfalls auf einer Verletzung der im Verkehr erforderlichen
Sorgfalt und war daher schuldhaft (§ 276 BGB).

Die Klägerin hat sich zudem wiederholt und beharrlich geweigert, ihre Pflicht zu erfüllen,
und zwar auch auf die Fristsetzung des Beklagten hin. Jedenfalls nach Ablauf der Frist
musste der Beklagte daher nicht mehr auf Besserung hoffen. Dabei spielt es keine Rolle,
dass der Beklagte für den fruchtlosen Fristablauf Konsequenzen nicht spezifiziert hat. Der
Klägerin musste klar sein, dass der Beklagte den Fristablauf nicht ohne Konsequenzen
lassen würde. Dabei mag sie gehofft haben, der Beklagte werde nach Fristablauf lediglich
eine gerichtliche Klärung seines Informationsbegehrens herbeiführen. Darauf war der
Beklagte aber schon deswegen nicht beschränkt, weil sein Vertrauen nach dem
fruchtlosen Fristablauf erschüttert sein konnte. Das Vertrauen auf eine gedeihliche
Zusammenarbeit kann auch bereits dann erschüttert sein, wenn die Vertragspartner
einander auf rechtliche Zwangsmaßnahmen verweisen.

Vorliegend kommt hinzu, dass die Klägerin das Informationsrecht des Beklagten durch die
Verweisung auf den Rechtsweg praktisch vereitelt hätte. Zweck des Informationsrechts ist
gerade die laufende Information über die Entwicklung des Geschäfts (und damit der
Beteiligung). Daher hätte es dem Beklagten nichts genützt, nach u.U. mehrjähriger
Prozessdauer zu erfahren, dass sich die Dinge ungünstig entwickelt haben. Mit Rücksicht
auf diese Aussicht war es daher folgerichtig, ja fast zwingend, aus der durch die
Informationsverweigerung bewirkten Unsicherheit die Folgerung der Deinvestition zu
ziehen.

Zu berücksichtigen ist schließlich, dass es – entgegen der Annahme der Klägerin – einen
allgemeinen zivilrechtlichen Grundsatz nicht gibt, der Gläubiger müsse die
Geltendmachung eines Rechts vorab androhen. Das lässt sich weder aus den
Verzugsvorschriften noch aus dem Abmahnungserfordernis von § 314 Abs. 2 BGB
ableiten. Insbesondere das zu § 626 BGB für das Arbeitsverhältnis begründete
Abmahnungserfordernis gilt für freie Dienstverträge nicht in gleicher Weise;
Erman/Riesenhuber § 626 BGB Rn. 52 f. Im Verhältnis der Parteien, die sich als
geschäftserfahrene Partner gegenüberstanden, lässt sich ein Abmahnungserfordernis
insbesondere auch nicht mit Schutzerfordernissen begründen. Im Übrigen geht es
vorliegend um die Anwendung des vertraglich vereinbarten Kündigungsrechts. Die
Parteien haben aber die Anforderungen an den wichtigen Grund gegenüber der
gesetzlichen Regelung herabgesetzt. Dass eine Abmahnung nach dem Gesetz zwingend
vorgeschrieben wäre, lässt sich jedenfalls nicht begründen.

Bei der Würdigung der Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ist zu berücksichtigen,
dass die außerordentliche Kündigung für den Beklagten die einzige Möglichkeit der
vorzeitigen Beendigung war, da die ordentliche Kündigung nach § 12 Abs. 1
Gesellschaftsvertrag bis zum 31.03.2023 ausgeschlossen war. Mit Rücksicht auf die noch
erhebliche Laufzeit von weiteren fast zwei Jahren war dem Beklagten ein Festhalten am
Vertrag aber nicht zumutbar. Auch wenn die Klägerin – wie auch noch im Prozess – in
Anspruch nahm, das Geschäft auch ohne die Beratungsleistungen des Beklagten
erfolgreich weiterführen zu können, hatte der Beklagte doch unter den – durch Beendigung
seines Beratungsvertrags – veränderten Umständen größtes Interesse, die Entwicklung
des Geschäfts laufend mitzuverfolgen.

3.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 711 ZPO.
Die Zulassung der Revision war nicht geboten, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1
u. 2 ZPO nicht vorliegen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

01.02.2023

Aktenzeichen:

8 U 29/22

Rechtsgebiete:

Stille Gesellschaft
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Allgemeines Schuldrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB §§ 314 Abs. 2, 723 Abs. 1 S. 3; HGB §§ 233 Abs. 2