Bauträgervertrag; unwirksame Abnahmeklausel; Notarhaftung
letzte Aktualisierung: 22.8.2023
OLG Celle, Urt. v. 1.2.2023 – 3 U 60/22
BGB §§ 650u, 640, 307; BeurkG § 17; BNotO § 19
Bauträgervertrag; unwirksame Abnahmeklausel; Notarhaftung
1. Eine Klausel in einem Bauträgervertrag, wonach der Erwerber bei der eigenen Erklärung der
Abnahme an die vorangegangene Feststellung der Abnahmereife durch einen Sachverständigen
gebunden ist, entzieht dem Erwerber das Recht zur individuellen Abnahme, weil ihm die
Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsgemäßheit der Werkleistung selbst zu befinden.
Dies hat die Unwirksamkeit der Klausel gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB zur Folge.
2. Es gehört zu den Pflichten des Notars, AGB-Klauseln, die zu Zweifeln an ihrer Wirksamkeit
Anlass geben könnten, einer näheren Prüfung zu unterziehen und die Parteien entsprechend zu
belehren. Es stellt daher einen sorgfaltswidrigen Pflichtverstoß dar, eine derartige Abnahmeklausel
zu beurkunden, ohne die Beteiligten zuvor über die Unwirksamkeit der Abnahmeklausel zu
belehren.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Feststellung seiner Haftung aus notarieller
Amtspflichtverletzung in Anspruch.
Die Klägerin errichtete auf dem Grundstück ... in H. durch die als Generalunternehmerin tätige
Z. GmbH vier Wohngebäude mit insgesamt 41 Eigentumswohnungen, wobei die
Bauvertragsparteien im Generalunternehmervertrag vom 5. Mai 2014 (Anlage K 1, Bl. 7 ff. d.A.)
eine Gewährleistungsfrist von 5 Jahren und 3 Monaten vereinbarten.
Die Klägerin veräußerte die Eigentumswohnungen mit notariellen Kaufverträgen, die in der
Mehrzahl zu den im Antrag benannten UR-Nrn. von dem Beklagten beurkundet wurden. Unter
anderem beurkundete der Beklagte am 18. Dezember 2013 zu seiner UR-Nr. 503/2013 einen
Kaufvertrag (Anlage K 2, Bl 15 ff. d.A.), in dem es unter § 9 u.a. wie folgt heißt:
§ 9
Abnahme, Übergabe
[...]
Die Abnahme des gemeinschaftlichen Eigentums erfolgt nach vollständiger Fertigstellung.
Mit der Prüfung der vollständigen Fertigstellung und der Abnahmefähigkeit wird ein vom
zukünftigen Verwalter noch zu benennender Sachverständiger auf Kosten der
Wohnungseigentümer beauftragt. Der Sachverständige soll eventuell noch ausstehende
Restarbeiten und Mängel protokollieren. Die Feststellungen des Sachverständigen sind für die
Verkäuferin und die Käufer verbindlich.
Die Käufer sind zur Abnahme verpflichtet, wenn der Sachverständige keine wesentlichen
Mängel, die die Gebrauchsfähigkeit des Gemeinschaftseigentums beeinflussen, feststellt.
Die Verkäuferin und die Käufer sind berechtigt, an der Abnahme teilzunehmen. Die Käufer
können stattdessen zwei Personen aus ihrer Mitte bevollmächtigen, die für sie die Abnahme
durchführen und unter den vorgenannten Voraussetzungen die Abnahme erklären.
[...]
Eine entsprechende Regelung fand sich in allen vom Antrag der Klägerin erfassten
Kaufverträgen.
Am 3. November 2015 fand aufgrund der vorgenannten Verträge eine Abnahme des
Gemeinschaftseigentums statt, die wie aus der Anlage K 7 (Bl. 54 f. d.A.) ersichtlich
protokolliert wurde. Die Abnahme erklärten "für die W." zwei Mitarbeiter der sie vertretenden
D. F. mbH, nachdem auf der Grundlage der sachverständigen Begutachtung festgestellt worden
war, dass keine wesentlichen, die Gebrauchsfähigkeit des Gemeinschaftseigentums
beeinflussenden Mängel vorhanden waren. Die Beseitigung der festgestellten unwesentlichen
Mängel wurde ausweislich des Abnahmeprotokolls bis zum 31. Januar 2016 angestrebt.
Soweit der Beklagte zudem - u.a. unter dem 11. April 2017 zu seiner UR-Nr. 73/2017, wie aus
der Anlage K 4 (Bl. 27 ff. d.A.) ersichtlich - weitere Kaufverträge als sog. Nachzüglerverträge
beurkundete, ist die darin enthaltene modifizierte Abnahmeklausel zuletzt nicht mehr
Gegenstand des Verfahrens.
In einem Prozess vor dem Landgericht W. betreffend ein anderes Bauobjekt mit abweichender
Abnahmeklausel wurde die Klägerin vom Gericht am 22. Januar 2021 darauf hingewiesen, dass
diese Klausel nach
Abnahme selbst zu entscheiden, unangemessen einschränke (vgl. Anlage K 3, Bl. 25 f. d.A.).
Mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 18. Januar 2021 (Anlage K 5, Bl. 37
ff. d.A.) forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer Erklärung auf, dass er - der
Beklagte - zur Erstattung der Schäden infolge der nach Auffassung der Klägerin unwirksamen
Abnahmeklauseln verpflichtet sei. Der Beklagte verweigerte dies mit E-Mail vom 4. Februar
2021 (Anlage K 6, Bl. 39 d.A.).
Zur Begründung ihrer auf Feststellung der Schadensersatzpflicht des Beklagten und Erstattung
vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichteten Klage hat die Klägerin - soweit in der
Berufungsinstanz noch von Interesse - die Auffassung vertreten, dass der Beklagte mit der
Verwendung der Abnahmeklausel gegen die ihm obliegenden Amtspflichten verstoßen habe.
Die Klausel sei gemäß
Abnahme jedenfalls im Ergebnis durch einen "Abnahmezwang" für die Erwerber an einen aus
dem Lager der Verkäuferin stammenden bevollmächtigten Dritten übertragen worden sei. Die
im Jahr 2015 durchgeführte Abnahme entfalte deshalb gegenüber den Erwerbern keine
Wirkung. Hierauf habe der Beklagte bei Vertragsschluss hinweisen müssen. Eine Abnahme sei -
anders als zum damaligen Zeitpunkt wegen der ausweislich des Protokolls nur unwesentlichen
Mängel - derzeit nicht möglich, da noch "eine Vielzahl von Mängeln am Bauvorhaben zu
beseitigen" seien, weshalb die fünfjährige Gewährleistungsfrist gegenüber den Erwerbern noch
nicht zu laufen begonnen habe. Mithin sei sie - die Klägerin - aufgrund der unwirksamen Klausel
über Jahre gegenüber den Käufern zur Gewährleistung verpflichtet, ohne selbst die
Generalunternehmerin in Regress nehmen zu können. Hätte der Beklagte hingegen eine
wirksame Abnahmeklausel beurkundet oder ganz auf eine solche verzichtet, so hätte die
Klägerin die Möglichkeit zur individuellen Abnahme gehabt und die Gewährleistungsfristen
zwischen ihr und der Generalunternehmerin einerseits und ihr und den Erwerbern andererseits
wären nicht auseinandergelaufen.
Von den Pflichtverletzungen des Beklagten habe die Klägerin erst mit Zugang des
Hinweisbeschlusses des Landgerichts W. Kenntnis erhalten.
Der Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt und sowohl eine Pflichtverletzung als auch ein
Verschulden und die Kausalität eines etwaigen Verstoßes für einen - ebenfalls bestrittenen -
Schaden in Abrede genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands und der dort
gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug
genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer - soweit im
Berufungsverfahren von Interesse - ausgeführt, zwar falle dem Beklagten eine schuldhafte
Pflichtverletzung zur Last, weil die in § 9 des Vertrages vom 18. April 2013 verwendete
Gutachterklausel gemäß
nicht aus dem Gesichtspunkt einer unzulässigen Delegation der Abnahme, weil der
Sachverständige nur mit der Feststellung der Abnahmereife, nicht aber mit der Erklärung der
Abnahme selbst betraut worden sei. Jedoch ergebe sich eine unangemessene Benachteiligung der
Erwerber aus der veröffentlichten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit
obligatorischer Schiedsgutachterklauseln, die dem Beklagten hätte bekannt sein müssen. Die
Pflichtverletzung sei jedoch nicht kausal für einen möglichen Schaden der Klägerin geworden.
Nach dem Inhalt von § 9 des Vertrages vom 18. April 2013 sei unabhängig von der Wirksamkeit
der Gutachterklausel jedenfalls eine individuelle Abnahme im Verhältnis zu allen Erwerbern
notwendig gewesen, auf deren Erforderlichkeit sich die unwirksame Klausel nicht ausgewirkt
habe.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie zuletzt nur den
Feststellungsantrag bezogen auf die Ursprungsverträge aus den Jahren 2103 bis 2015
weiterverfolgt. Im Übrigen - hinsichtlich der Nachzüglerverträge - hat die Klägerin ihre
Berufung gegen das klageabweisende Urteil teilweise zurückgenommen.
Die Klägerin meint, das Landgericht habe bereits den Umfang der Pflichtwidrigkeit des
Beklagten verkannt, weil die Abnahmeklausel unwirksam sei. Die Pflichtverletzung sei für den
Schaden auch kausal geworden. Bei einem unterstellten Hinweis auf die Unwirksamkeit der
vertraglichen Klausel hätte die Klägerin eine wirksame Regelung der Abnahme getroffen und
diese durchgeführt. Die tatsächlich erfolgte (unwirksame) Abnahme vom 3. November 2015 sei
in diesem Zusammenhang unbeachtlich. Dass nach Auffassung des Landgerichts auch unter
Berücksichtigung des vom Beklagten beurkundeten Vertragsinhalts die Klägerin selbst die
Einzelabnahmen hätte durchführen können und müssen, sei keine Kausalitätsfrage, sondern
allenfalls unter dem Gesichtspunkt eines möglichen Mitverschuldens zu berücksichtigen. An
einem solchen Verschuldensvorwurf fehle es aber, weil in dem Vertrag eine
Vertretungsmöglichkeit für Erwerber bei der Abnahme ausdrücklich vorgesehen gewesen sei
und infolge der vermeintlichen Verpflichtung der Erwerber zur Abnahme nach den
Feststellungen des Sachverständigen eine eigenständige und freie Willensbildung ausgeschlossen
gewesen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Klägerin wird auf die
Berufungsbegründung (Bl. 120 ff. d.A.) und den Schriftsatz vom 27. Oktober 2022 (Bl. 177 ff.
d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts festzustellen, dass der Beklagte der Klägerin die
Mängelbeseitigungskosten und sonstigen Schäden zu erstatten hat, die der Klägerin daraus
entstanden sind und zukünftig noch weiter entstehen, dass und soweit die Wohnungseigentümer
und/oder die Wohnungseigentümergemeinschaft der Anwesen "W." ... (in Wohnungs- und
Teileigentum aufgeteilt, Grundbuch von I. Blätter 17...-18...) berechtigte Gewährleistungsund/
oder Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin als Bauträgerin und Verkäuferin geltend
machen können, die aufgrund der unwirksamen Klausel in den Notarverträgen des Beklagten
vom 18. Dezember 2013, UR-Nr. 503/2013, vom 9. April 2015, UR-Nr. 106/15, vom 20. April
2015, UR-Nr. 117/15, vom 13. August 2015, UR-Nr. 216/15, vom 26. März 2015, UR-Nr.
92/15, vom 15. April 2015, UR-Nr. 114/15, vom 27. März 2015, UR-Nr. 94/15, vom 19.
Dezember 2013, UR-Nr. 506/13, vom 24. Juli 2015, UR-Nr. 195/15, und vom 13. Mai 2014,
UR-Nr. 172/14 - mangels wirksamer Abnahme des Gemeinschaftseigentums - ohne
Verjährungseintritt und somit zugunsten der Wohnungseigentümer und/oder der
Wohnungseigentümergemeinschaft bestanden, bestehen, fortbestehen und/oder erst noch
künftig entstehen werden, soweit diese Ansprüche von der Klägerin nicht gegenüber der
Generalbevollmächtigten, der Firma Z. GmbH, Niederlassung B., ..., geltend gemacht werden
können.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint insbesondere weiterhin, dem
Beklagten sei keine Amtspflichtverletzung vorzuwerfen. Den Erwerbern sei das Recht zur
rechtsgeschäftlichen Abnahme verblieben, weil der Sachverständige lediglich die Abnahmereife
in technischer Hinsicht habe feststellen sollen. Der Beklagte habe auch nicht schuldhaft
gehandelt, weil eine etwaige Unwirksamkeit der Klausel zum Zeitpunkt der Beurkundung nicht
ersichtlich gewesen sei. Jedenfalls sei eine etwaige Pflichtverletzung des Beklagten nicht kausal
für den von der Klägerin behaupteten Schaden geworden. Es streite kein Anscheinsbeweis
dafür, dass die Klägerin bei einem unterstellten Hinweis des Beklagten auf die etwaige
Unwirksamkeit der Abnahmeklausel diese nicht verwendet hätte. Zudem habe es die Klägerin
versäumt, das Gemeinschaftseigentum im Wege der Einzelabnahmen abnehmen zu lassen.
Stattdessen habe die Klägerin vertragswidrig die Abnahme durch die WEG durchführen lassen,
was dem Beklagten nicht angelastet werden könne. Im Übrigen wären die Käufer auch bei
Geltung der von der Klägerin vorgetragenen Abnahmeklauseln zur Verweigerung der Abnahme
wegen wesentlicher Mängel berechtigt gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beklagten wird auf die
Berufungserwiderung vom 17. Oktober 2022 (Bl. 166 ff. d.A.) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat in dem nach der teilweisen Berufungsrücknahme
verbleibenden Umfang Erfolg. Die Klage ist insoweit zulässig (dazu nachfolgend unter 1.) und
begründet (dazu nachfolgend unter 2.).
1. Die Klage ist mit dem zuletzt gestellten Antrag zulässig.
a) Den vom Senat im Beschluss vom 9. September 2022 (Bl. 145 ff. d.A.) unter Ziffer 2.a)
geäußerten Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags gemäß § 253 Abs. 2
Nr. 2 ZPO hat die Klägerin mit der Neufassung des Antrags im Schriftsatz vom 27. Oktober
2022 Rechnung getragen und nunmehr alle Verträge, aus denen die Klägerin Ansprüche gegen
den Beklagten herleiten will, in den Antrag aufgenommen.
b) Das vom Senat ebenfalls in dem o.g. Beschluss angesprochene Feststellungsinteresses gemäß
§ 256 Abs. 1 ZPO besteht ebenfalls.
Steht - wie hier - nicht die Verletzung eines absoluten Rechtsguts, sondern "nur" einer Norm
zum Schutz des Vermögens im Raum, muss der Kläger schon für die Zulässigkeit der Klage eine
Vermögensgefährdung substantiiert dartun. (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 256 Rn. 9
m.w.N.). Zwar dürfen die Anforderungen an den Klägervortrag in diesem Punkt nicht
überspannt werden; erforderlich ist aber jedenfalls die Darlegung von Tatsachen, aus denen sich
die Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadens ergibt
(vgl. BGH, Urteil vom 26. Juli 2018 - I ZR 274/16 -, Rn. 23, juris).
Auf den Hinweis des Senats hat die Klägerin zuletzt im Schriftsatz vom 27. Oktober 2022
konkrete Umstände und Zahlen vorgetragen, die ihren drohenden Schaden begründen und
beziffern. Dieser Vortrag ist jedenfalls für die Darlegung einer bloßen Vermögensgefährdung
ausreichend. Der Umstand, dass die Klägerin nicht vorgetragen hat, dass sich die konkreten
Vertragspartner der im Antrag genannten Verträge auf die Unwirksamkeit der Abnahmeklausel
berufen, steht dem Interesse der Klägerin an einer zeitnahen Feststellung - etwa auch zum
Ausschluss einer Verjährung - nicht entgegen.
2. In der Sache hat die Klage in dem noch verbleibenden Umfang Erfolg. Der Klägerin steht ein
Anspruch aus § 19 BNotO zu wegen einer Amtspflichtverletzung des Beklagten - dazu
nachfolgend a) -, die letzterer schuldhaft begangen hat - dazu nachfolgend b) - und die auch
kausal für den behaupteten (möglichen) Schaden geworden ist - dazu nachfolgend c) und d) -.
a) Der Beklagte hat bei der Beurkundung der im Antrag genannten Kaufverträge aus 2013 bis
2015 die ihm obliegende Hinweis- und Belehrungspflicht aus § 17 Abs. 1 BeurkG i.V.m. § 14
Abs. 1 Satz 2 BNotO verletzt.
aa) Nach
Sachverhalt zu klären und über die rechtliche Tragweite des Geschäfts zu belehren. Damit soll
gewährleistet werden, dass die zu errichtende Urkunde den Willen der Parteien vollständig sowie
inhaltlich richtig und eindeutig wiedergibt. Demzufolge hat der Notar die Beteiligten über die
rechtliche Bedeutung ihrer Erklärungen sowie die Voraussetzungen für den Eintritt der
bezweckten Rechtsfolge in dem Umfang zu belehren, wie es zur Errichtung einer dem wahren
Willen entsprechenden rechtsgültigen Urkunde erforderlich ist. Bestehen Zweifel, ob das
Geschäft dem Gesetz oder dem wahren Willen der Beteiligten entspricht, sollen die Bedenken
mit den Beteiligten erörtert werden (
Phasen seiner Tätigkeit den sichersten Weg zu gehen, das heißt den Beteiligten zur sichersten
Gestaltung zu raten und dafür zu sorgen, dass ihr Wille diejenige Rechtsform erhält, die für die
Zukunft Zweifel ausschließt (vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - III ZR 159/15 -, Rn. 12
ff., juris).
Es gehört deshalb auch zu den Pflichten des Notars, AGB-Klauseln, die zu Zweifeln an ihrer
Wirksamkeit Anlass geben könnten, einer näheren Prüfung zu unterziehen. Stellt sich eine im
Vertrag enthaltene Klausel als unwirksam heraus, muss der Notar die Vertragsparteien darauf
hinweisen. Aber auch wenn sich die rechtliche Wirksamkeit einer Klausel nicht zweifelsfrei
klären lässt, darf der Notar das Rechtsgeschäft erst dann beurkunden, wenn die Parteien nach
Belehrung über die offene Rechtsfrage und das mit ihr verbundene Risiko auf der Beurkundung
bestehen (vgl. BGH; a.a.O., Rn. 34).
bb) Gemessen an diesen Maßstäben gilt für die vom Beklagten beurkundeten hinsichtlich der
Abnahmeklausel in § 9 wortgleichen Verträge aus 2013 bis 2015 Folgendes:
(1) Das Landgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht eine Pflichtverletzung des Beklagten im
Zusammenhang mit der Beurkundung des Vertrages vom 18. Dezember 2013 festgestellt.
(a) Allerdings teilt der Senat nicht die Auffassung des Landgerichts, dass die Regelung in § 9 des
Vertrags unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu
Schiedsgutachterklauseln unwirksam sei. Die vom Landgericht zitierte Rechtsprechung (BGH,
Urteil vom 10. Oktober 1991 - VII ZR 2/91 -, Rn. 10 ff., juris) betrifft den Fall der Beurteilung
von im Gewährleistungsprozess streitigen Baumängeln durch einen obligatorischen
Schiedsgutachter und wurde vom Bundesgerichtshof damit begründet, dass hiermit ein
mögliches Fehlgutachten praktisch unangreifbar und der gerichtliche Rechtsschutz für
Mängelgewährleistungsansprüche unangemessen verkürzt wird.
Darum geht es hier gerade nicht, weil den Erwerbern nach den vom Beklagten beurkundeten
Kaufverträgen sämtliche Mängelrechte verbleiben und sie diese - auch gerichtlich - ohne
Bindung an eine obligatorische Schiedsgutachterklausel geltend machen können. Vielmehr ist im
vorliegenden Fall der Gutachter "nur" im Zusammenhang mit der Abnahme tätig, so dass sich
hier die von den Parteien diskutierte Frage der Wirksamkeit der konkreten Abnahmeklausel
(nicht: Schiedsgutachterklausel) stellt.
(b) Im Ergebnis ist dem Landgericht aber zuzustimmen, dass § 9 des Vertrages in der vom
Beklagten beurkundeten Fassung unwirksam ist. Der Verstoß gegen
ergibt sich daraus, dass das jedem einzelnen Erwerber zustehende Recht zur Abnahme auch
bezüglich des Gemeinschaftseigentums (vgl. dazu grundlegend BGH, Urteil vom 21. Februar
1985 - VII ZR 72/84 -, juris) durch die streitgegenständliche Regelung unterlaufen wird.
Zwar hat das Landgericht im Ausgangspunkt zu Recht darauf hingewiesen, dass dem
Sachverständigen nach § 9 nicht die eigentliche Abnahmeerklärung übertragen wird, was
angesichts der Tatsache, dass die Erwerber auf die Person des Sachverständigen keinen Einfluss
haben, sondern dieser von dem vom Bauträger bestellten Erstverwalter ausgewählt wird,
unzweifelhaft unzulässig wäre (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 30. September 2013 - 1 U 18/12
-, Rn. 7, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. September 2011 - 8 U 106/10 -, Rn. 83, juris;
Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 13. Juni 2013 - 12 U 162/12 -, Rn. 108, juris;
BeckOGK/Fehrenbach, Stand: 1.9.2022, § 307 Abnahmeklausel Rn. 43 m.w.N.).
Da jedoch die Erwerber bei der "eigenen" Erklärung der Abnahme an die vorangegangene
Feststellung der Abnahmereife durch den Sachverständigen gebunden sind, verbleibt ihnen
faktisch keinerlei Einfluss mehr auf die Abnahmeentscheidung. Damit wird den Erwerbern
jedenfalls im Ergebnis das Recht zur individuellen Abnahme entzogen, weil ihnen die
Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsgemäßheit der Werkleistung selbst zu befinden.
Dies hat die Unwirksamkeit der Klausel zur Folge (vgl. BeckOGK/Fehrenbach, Stand: 1.9.2022,
§ 307 Abnahmeklausel Rn. 41 ff. m.w.N.).
Es handelt sich - anders als der Beklagte meint - vorliegend nicht etwa um eine zweistufige
Regelung, wie sie teilweise in der Literatur diskutiert und für zulässig erachtet wird (vgl. dazu
BeckOGK/Fehrenbach, a.a.O. Rn. 47; BeckOGK/Kober, Stand: 1.7.2022, § 634 Rn. 567.8; v.
Oefele, Abnahmeregelung für das Gemeinschaftseigentum im Bauträgervertrag nach der WEGNovelle,
Sachverständigen und "rechtsgeschäftlicher Abnahme" durch den Erwerber zu trennen ist. Zum
einen wäre auch eine solche Stufenregelung allenfalls dann zulässig, wenn der Sachverständige
neutral ist bzw. von beiden Vertragsparteien ausgesucht wird. Zum anderen soll der Gutachter
nach der hier vorliegenden Regelung nicht nur den technischen Zustand des
Gemeinschaftseigentums, sondern ausdrücklich auch dessen "Abnahmereife" feststellen, was
bereits eine rechtliche Bewertung beinhaltet und den Käufern angesichts der vereinbarten
Bindungswirkung keinerlei Spielraum für die rechtsgeschäftliche Abnahme mehr belässt.
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat argumentiert hat, der Käufer
könne sich über die Einschätzung des Sachverständigen hinwegsetzen - wie es bei einer
zweistufigen Regelung in dem o.g. Sinne der Fall sein könnte - ist dies angesichts der hier
vertraglich vereinbarten Bindungswirkung unzutreffend. Insoweit kann der Beklagte auch nicht
mit Erfolg darauf verweisen, dass das Gesetz (in
zur Abnahme des vertragsmäßig hergestellten Werks vorliegt. Dies ändert nichts daran, dass den
Käufern auf der Grundlage der konkreten vertraglichen Regelung die Möglichkeit genommen
wird, über die Ordnungsmäßigkeit der Werkleistung selbst - ggf. auch mit Hilfe eines eigenen
Sachverständigen - zu befinden.
b) Diese Amtspflichtverletzung hat der Beklagte auch fahrlässig begangen.
aa) Der pflichtbewusste und gewissenhafte durchschnittliche Notar muss über die für die
Ausübung seines Berufs erforderlichen Rechtskenntnisse verfügen. Er hat sich über die
Rechtsprechung der obersten Gerichte, die in den amtlichen Sammlungen und den für seine
Amtstätigkeit wesentlichen Zeitschriften veröffentlicht ist, unverzüglich zu unterrichten sowie
die üblichen Erläuterungsbücher auszuwerten. Zwar hat der Notar nicht die Pflicht, die künftige
Entwicklung der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorauszuahnen. Erkennbare Tendenzen
der Rechtsprechung darf er allerdings nicht übersehen. Dies gilt auch im Hinblick auf künftige
Entscheidungen im Bereich der richterlichen Inhaltskontrolle von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen. In diesem Zusammenhang darf zwar die objektiv unrichtige
Verwendung neu entwickelter Allgemeiner Geschäftsbedingungen, deren Inhalt zweifelhaft sein
kann und durch eine höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht klargestellt ist, einem Notar
nicht als Verschulden angelastet werden, wenn er nach sorgfältiger Prüfung zu einer aus seiner
Sicht keinen Zweifeln unterliegenden Rechtsauffassung gelangt und dies für rechtlich vertretbar
gehalten werden kann. Jedoch musst der Notar - wie oben ausgeführt - über offene
Rechtsfragen und das daraus folgende Risiko selbst ohne jegliche Vorgaben belehren (vgl. zu
allem Vorstehenden: BGH, Urteil vom 21. Januar 2016 - III ZR 159/15 -, Rn. 18 ff. juris).
bb) Danach stellte es einen sorgfaltswidrigen Pflichtverstoß dar, dass der Beklagte die
streitgegenständlichen Verträge beurkundete, ohne die Klägerin zuvor über die Unwirksamkeit
der Abnahmeklausel zu belehren.
Entgegen seiner Auffassung kann sich der Beklagte insoweit nicht darauf berufen, dass die von
der Klägerin zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und der Obergerichte nicht den
hier geregelten Fall erfassten, in dem "nur" die Beurteilung der Abnahmereife und nicht die
Abnahmeerklärung selbst auf einen im Lager des Bauträgers stehenden Dritten übertragen wird.
Denn auch aus der bis Dezember 2013 ergangenen Rechtsprechung (insbesondere BGH,
Beschluss vom 12. September 2013 - VI ZR 308/12 - sowie von der Klägerin zitierte OLGEntscheidungen)
ergab sich der oben dargelegte Grundsatz der Unwirksamkeit von Klauseln,
mit denen dem einzelnen Erwerber das Recht zur individuellen Abnahme entzogen und die
Möglichkeit genommen wird, über die Ordnungsgemäßheit der Werkleistung selbst zu befinden.
Die daraus folgenden Probleme bei der Praxis der Gestaltung von Bauträgerverträgen wurden
auch in der Literatur bereits geraume Zeit vor Dezember 2013 umfassend diskutiert und auf die
Gefahren einer "Vergemeinschaftung" der Abnahme hingewiesen (vgl. nur Vogel, Die Abnahme
des Gemeinschaftseigentums - ein (immer noch) ungelöstes Problem der Bauträgerpraxis, NZM
2010, 377; von Oefele, Abnahmeregelung für das Gemeinschaftseigentum im Bauträgervertrag
nach der WEG-Novelle,
Wirtschaftskrise - Ein Minenfeld aus Verbrauchersicht,
Trennung zwischen "technischer" und "rechtsgeschäftlicher" Abnahme, die der Beklagte für
zulässig hätte erachten können, ging es im vorliegenden Fall gerade nicht.
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist auch die Kausalität der Pflichtverletzungen für
den behaupteten Schaden gegeben.
aa) Im Rahmen des § 19 BNotO hat der Geschädigte unter anderem zu beweisen, dass der ihm
entstandene Schaden in ursächlichem Zusammenhang mit der Amtspflichtverletzung steht (vgl.
BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91 -, Rn. 59, juris). Zur Beantwortung der Frage,
welchen Schaden die Pflichtverletzung zur Folge hatte, ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge
bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen
sein würde, wenn der Notar die Pflichtverletzung nicht begangen, sondern pflichtgemäß
gehandelt hätte. Sofern die Pflichtverletzung in einer Unterlassung besteht, muss untersucht
werden, wie die Dinge bei pflichtgemäßem positiven Handeln verlaufen wären. Es muss also
hinzugedacht werden, dass der Schädiger seine Pflichten ordnungsgemäß erfüllt hätte (vgl.
BGH, Urteil vom 21. September 2017 - IX ZR 34/17 -, Rn. 27, juris).
Bei der Notarhaftung gilt wie im Anwaltsvertragsrecht die Regel, dass bei Verstößen gegen die
Beratungspflicht zu Gunsten des Geschädigten die Vermutung eingreift, dieser hätte sich bei
vertragsgerechtem Handeln des Beauftragten im Rahmen der geschuldeten Belehrung
beratungsgemäß verhalten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1992 - IX ZR 209/91 -, Rn. 59, juris).
Hingegen unterliegen entferntere Folgeentschlüsse des Ratsuchenden den allgemeinen
Beweisregeln. Besteht also nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit, sondern
stehen mehrere Handlungsweisen als naheliegend offen und bergen sämtliche von ihnen gewisse
Risiken oder Nachteile in sich, die zu gewichten und gegenüber den Vorteilen abzuwägen sind,
so gibt es keinen Anscheinsbeweis. Nur wenn im Falle der Verletzung der Beratungspflicht
feststeht, dass der Schaden vermieden worden wäre, falls der sachgemäße Rat gegeben und
befolgt worden wäre, ist der Berater für seine Behauptung beweispflichtig, dass der Beratene
sich nicht an den Rat gehalten hätte. Soweit keine feste Lebenserfahrung für eine bestimmte
Entwicklung spricht, muss auch bei Amtspflichtverletzungen der Geschädigte beweisen, dass
sein Schaden durch die Amtspflichtverletzung des Notars verursacht worden ist (vgl. BGH,
a.a.O.).
bb) Nach diesen Maßstäben gilt für die vom Beklagten beurkundeten Verträge Folgendes:
Es spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass die Klägerin bei einem unterstellten Hinweis des
Beklagten auf die Unwirksamkeit der in § 9 der Verträge enthaltenen Abnahmeklausel diese
nicht verwendet hätte, weil bei vernünftiger Betrachtungsweise nur diese Entscheidung sinnvoll
erschienen wäre. In diesem Fall wäre stattdessen eine wirksame vertragliche Regelung getroffen -
dazu (1) - und umgesetzt worden - dazu (2) -. Der Anscheinsbeweis und damit die Kausalität
wird vorliegend weder durch die tatsächlich erfolgte (unwirksame) Abnahme vom 3. November
2015 ausgeschlossen - dazu (3) - noch durch eine spätere konkludente Abnahme - dazu (4) -
noch durch die vom Landgericht angenommene Möglichkeit und Notwendigkeit einer von der
Klägerin zu veranlassenden Einzelabnahme - dazu (5) -.
(1) Soweit nach einer fehlerfrei erteilten Belehrung eine neue - andere - Regelung für die
Abnahme des Gemeinschaftseigentums hätte getroffen werden müssen, hat die Klägerin auf den
entsprechenden Hinweis des Landgerichts (mit Verfügung vom 22. Februar 2022, Bl. 45 f. d.A.)
im Schriftsatz vom 2. März 2022 (Bl. 52 ff. d.A.) nachvollziehbar vorgetragen, welche -
wirksame - Abnahmeklausel dann vereinbart worden wäre. Auch über die an die Stelle der
unwirksamen Klausel zu setzende Regelung hätte der Beklagte im Übrigen belehren und eine
wirksame Alternative vorschlagen müssen. Dass die Klägerin diesem Vorschlag gefolgt wäre,
entspricht angesichts ihres Vertrauens in den fachkundigen Notar der Lebenserfahrung. Es
bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür (und werden auch von dem Beklagten nicht
geltend gemacht), dass sich die Erwerber auf eine derartige abweichende Regelung nicht
eingelassen hätten. Im Gegenteil wäre die Einzelabnahme ohne Bindung an Feststellungen eines
Sachverständigen für die Käufer sogar vorteilhafter gewesen. Dies hat der Beklagte nicht in
Abrede genommen, sondern sich lediglich mit dem unter (2) erörterten Einwand verteidigt, die
Erwerber hätten auf der Grundlage dieser Vereinbarung keine Abnahme erklärt.
(2) Soweit sich der Beklagte weiterhin darauf beruft, es sei ungewiss, ob bei Vereinbarung von
Einzelabnahmen diese planmäßig Ende 2015 erfolgt wären, vermag dieser Einwand nicht zu
überzeugen. Aus dem Protokoll der unwirksamen Abnahme vom 3. November 2015 ergibt sich,
dass zum damaligen Zeitpunkt nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens lediglich
unwesentliche Mängel vorlagen. Dem Vortrag des Beklagten lässt sich auch nicht entnehmen,
warum bei Durchführung von Einzel- statt Gesamtabnahme die jeweiligen Erwerber eine
andere Auffassung vertreten hätten bzw. warum im Falle einer Verweigerung die Klägerin ihr
Recht zur Abnahme nicht hätte durchsetzen können.
(3) Die tatsächlich erfolgte Abnahme am 3. November 2015 steht der Kausalität der
Pflichtverletzung entgegen der Auffassung des Beklagten nicht entgegen, da sie auf der
unwirksamen Klausel in § 9 der Verträge beruhte und deshalb ihrerseits unwirksam war. Ein
weiterer Unwirksamkeitsgrund ergibt sich auch daraus, dass die Abnahme ausweislich des
Protokolls "für die W." durch die Verwalterin erklärt wurde, obwohl nach dem Kaufvertrag
allenfalls eine Vertretung der Käufer durch "zwei Personen aus ihrer Mitte" - also nach meinem
Verständnis durch zwei Wohnungseigentümer - zulässig gewesen wäre. Sollte diese
Formulierung im Vertrag anders zu verstehen und damit auch eine Stellvertretung durch den
vom Bauträger bestellten Erstverwalter ermöglicht werden, wie wohl die Klägerin in der
Berufungsbegründung meint, wäre die Klausel auch aus diesem Grund gemäß § 307 Abs. 1 Satz
1 BGB unwirksam (vgl. BGH, Beschluss vom 12. September 2013 - VII ZR 308/12 -, Rn. 7 ff.,
juris; Urteil vom 30. Juni 2016 - VII ZR 188/13 - Rn. 10, juris).
(4) Es kann auch nicht etwa - wie die Beklagte hilfsweise einwendet - davon ausgegangen
werden, dass mangels späterer Beanstandungen der Erwerber in der Ingebrauchnahme der
Wohnung und Zahlung des Kaufpreises eine konkludente Abnahme liegt, infolge derer die
Pflichtverletzung des Beklagten sich nicht auswirken würde. Denn die rügelose Nutzung und
Zahlung des Erwerbers erfolgte gerade in der unzutreffenden Annahme, das
Gemeinschaftseigentum sei bereits wirksam abgenommen, und kann deshalb nicht als Billigung
der vertraglichen Leistung mit Erklärungsbewusstsein angesehen werden (vgl.
BeckOGK/Kober, Stand: 1.7.2022, § 634 Rn. 567.6; Kniffka/Koeble in:
Kniffka/Koeble/Junrgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl. 2020, Teil 3 Die
Abnahme der Bauleistung Rn. 58).
(5) Schließlich überzeugt auch die Auffassung des Landgerichts nicht, die Klägerin hätte auch
nach dem Inhalt der beurkundeten Verträge weiterhin ein Recht und eine Pflicht zur
Einzelabnahme mit dem jeweiligen Erwerber gehabt, dessen unterlassene Geltendmachung dazu
führe, dass sich die Beurkundung der unwirksamen Klausel nicht ausgewirkt habe.
Es erscheint bereits im Ausgangspunkt zweifelhaft, ob ein unterstelltes Unterlassen der etwa
möglichen Einzelabnahmen durch die Klägerin die Kausalität ausschließen würde oder nicht
allenfalls - wie die Klägerin in der Berufungsbegründung meint - unter dem Gesichtspunkt eines
Mitverschuldens nach § 254 BGB zu prüfen wäre, das im Verhältnis zum sachkundigen Berater
nur in Ausnahmefällen zu bejahen ist.
Jedenfalls bestand entgegen der Auffassung der Kammer für die Klägerin angesichts ihres aus
der Amtspflichtverletzung folgenden Vertrauens auf die Wirksamkeit der Abnahmeklausel kein
Anlass, die Erwerber zu derartigen Einzelabnahmen aufzufordern. Die Haftung für eine
Pflichtverletzung wegen unzureichender Belehrung über unwirksame AGB kann nicht dadurch
ausgehebelt werden, dass man dem Vertragspartner die Durchsetzung der "in Wahrheit"
bestehenden Ansprüche abverlangt.
Im Übrigen weist die Berufungsbegründung zu Recht darauf hin, dass eine Aufforderung der
Erwerber zu Einzelabnahmen auf der Grundlage der vertraglichen Regelung und damit infolge
der Pflichtverletzung lediglich dazu geführt hätte, dass diese im Glauben an ihre Bindung an die
Feststellungen des Sachverständigen die - dann ebenfalls unwirksame - Einzelabnahme erklärt
hätten.
(6) Eine Entkräftung des Anscheinsbeweises ergibt sich entgegen der Auffassung der Beklagten
schließlich auch nicht daraus, dass der Kaufvertrag - wie oben unter (3) ausgeführt - bei der
Abnahme die Vertretung der Käufer durch "zwei Personen aus ihrer Mitte" und nicht durch
Mitarbeiter der bevollmächtigten Hausverwaltung "für die W." vorsah, so dass (auch) die
tatsächlich durchgeführte Abnahme nicht den vertraglichen Regelungen entsprach. Denn es sind
keine Anhaltspunkte dafür dargetan oder sonst ersichtlich, dass es bei ordnungsgemäßer
Belehrung und der daraus folgenden Vermutung der Aufnahme einer wirksamen
Abnahmeklausel ebenfalls zu einer unwirksamen Vertretung der Erwerber gekommen wäre. Im
Gegenteil: In diesem Fall wären gerade Einzelabnahmen vereinbart worden, so dass es einer
Vertretung durch Personen aus der Mitte der WEG nicht bedurft hätte.
d) Den ihr drohenden Schaden kann die Klägerin bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses und
der übrigen Anspruchsvoraussetzungen in dem zuletzt beantragten Umfang als ersatzfähig
feststellen lassen.
Die Verwendung der Formulierung "und/oder" ist nicht zu beanstanden, weil der Beklagte
sowohl für Gewährleistungs- als auch für Schadensersatzansprüche haftet, die aufgrund der
unwirksamen Klausel noch geltend gemacht werden können, und weil Gewährleistungsrechte
bzgl. des Gemeinschaftseigentums - abhängig von den konkret geltend gemachten Ansprüchen -
sowohl der WEG als auch den einzelnen Wohnungseigentümern zustehen kann (vgl. BGH,
Urteil vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05 -, Rn. 18 ff., juris).
Soweit der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat den Einwand des
Mitverschuldens in Gestalt eines vermeintlichen Verstoßes gegen die
Schadensminderungspflicht erhoben hat, weil die Klägerin nach Auffassung des Beklagten nach
Erkennen der Unwirksamkeit der Klausel nachträgliche Einzelabnahmen hätten durchführen
können und müssen, greift dieser Einwand ebenfalls nicht durch. Zwar verkennt der Senat
nicht, dass der Vorbehalt der Bestimmung eines Mitverursachungsanteils im Feststellungsurteil
unzulässig ist und dass deshalb für den Erlass eines solchen Urteils kein Raum ist, solange ein im
Streit befindliches Mitverschulden des Gläubigers ungeklärt ist und sich mindernd auf die mit
einem Feststellungsantrag verfolgte Ersatzpflicht des Schuldners auswirken kann (vgl. BGH,
Urteil vom 13. Mai 1997 - VI ZR 145/96 -, Rn. 13, juris). Vorliegend fehlt es jedoch bereits an
schlüssigem Vortrag des für den Mitverschuldenseinwand darlegungs- und beweisbelasteten
Beklagten. Insbesondere ist weder mit Substanz dargetan noch sonst ersichtlich, dass (und ggf.
ab wann) die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, entgegen dem Vertragswortlaut und entgegen
der nach wie vor vertretenen Auffassung ihres sachkundigen Beraters, des Notars, die Erwerber
zu Einzelabnahme aufzufordern. Vielmehr durfte sich die Klägerin - wie oben unter c)bb)(5)
ausgeführt - grundsätzlich darauf verlassen, dass der Notar seine Amtspflicht zur Belehrung aus
Durchführung eines Amtsgeschäfts das Recht fehlerhaft anwendet, kann einem Beteiligten ein
Mitverschulden in aller Regel selbst dann nicht vorwerfen, wenn dieser - etwa weil er selbst
rechtskundig ist - den Fehler hätte bemerken können (st. Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli
2004 - IX ZR 262/00 -, Rn. 17, juris). Im Übrigen weist die Berufungsbegründung zu Recht
darauf hin, dass eine unterstellte Aufforderung der Erwerber zu Einzelabnahmen auf der
Grundlage der vertraglichen Regelung und damit infolge der Pflichtverletzung lediglich dazu
geführt hätte, dass diese im Glauben an ihre Bindung an die Feststellungen des Sachverständigen
die - dann ebenfalls unwirksame - Einzelabnahme erklärt hätten.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit die Klägerin die Berufung teilweise
zurückgenommen hat, trifft sie zwar grundsätzlich die aus
Pflicht, die auf diesen Teil der Klageforderung entfallenden Kosten zu tragen. Der
entsprechende Anteil beschränkt sich jedoch auf einen Vertrag (nämlich den im ursprünglichen
Antrag beispielhaft genannten vom 11. April 2017), da die Klägerin die weitergehende
Konkretisierung der Nachzüglerverträge infolge der teilweisen Berufungsrücknahme nicht mehr
vorgenommen hat. Im Verhältnis zu den 10 Fällen, in denen der Beklagte die zuletzt noch
streitgegenständliche unwirksame Klausel in den "Ursprungsverträgen" verwendet hat, hat das
Teilunterliegen der Klägerin mit 1/11 in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 2 Nr. 1
ZPO keine Auswirkungen auf die Kostenentscheidung.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 711 Nr. 10, § 711 ZPO.
Gründe, die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, sind entgegen der Auffassung der
Berufungsbegründung nicht ersichtlich. Die Entscheidung erfordert lediglich die Anwendung
der bereits gesicherten Rechtsgrundsätze aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der
Senat weicht damit nicht von der Rechtsprechung anderer Oberlandesgerichte ab.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Celle
Erscheinungsdatum:01.02.2023
Aktenzeichen:3 U 60/22
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 650u, 640, 307; BeurkG § 17; BNotO § 19