Vertretung der Sparkasse ggü. einzelnen Vorstandsmitgliedern durch Verwaltungsrat
letzte Aktualisierung: 13.8.2019
BGH, Urt. v. 30.4.2019 – II ZR 317/17
Vertretung der Sparkasse ggü. einzelnen Vorstandsmitgliedern durch Verwaltungsrat
Eine Sparkasse wird gegenüber einzelnen Vorstandsmitgliedern durch den Verwaltungsrat vertreten.
Dies gilt auch für die Vertretung gegenüber einem ausgeschiedenen stellvertretenden
Vorstandsmitglied, das lediglich dem Vorstand einer auf eine Sparkasse verschmolzenen früheren
Sparkasse angehört hat.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt zur Abweisung der
gesamten Klage als unzulässig.
1. Die Beklagte ist im Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten
(
ihren Verwaltungsrat, zu richten gewesen, weil dieser gegenüber dem Kläger
gemäß
Mecklenburg-Vorpommern (SpkG MV) zu deren gesetzlicher Vertretung berufen
ist. Die Vertretungskompetenz des Verwaltungsrats erstreckt sich auch auf
die Vertretung der Beklagten gegenüber dem Kläger als ausgeschiedenen,
stellvertretenden Vorstandsmitglied der Rechtsvorgängerin der Beklagten.
a) Abweichend von der allgemeinen Vertretungszuständigkeit des Vorstands
(§ 18 Abs. 1 Satz 2 und 3 SpkG MV) bestimmt § 8 Abs. 6 SpkG MV,
dass die Sparkasse gegenüber dem Vorstand durch den Verwaltungsrat vertreten
wird. Zwar ist in der Vorschrift von der Vertretung gegenüber dem "Vorstand"
die Rede. Sie betrifft aber die Vertretung der Sparkasse nicht nur gegenüber
dem Vorstand als Organ oder der Gesamtheit der Vorstandsmitglieder,
sondern auch gegenüber den einzelnen Mitgliedern des Vorstands. Der Regelung
liegt der gleiche Zweck zugrunde wie
Aktiengesellschaft gegenüber Mitgliedern des Vorstands regelt: Es soll eine
unbefangene, von möglichen Interessenkollisionen und darauf beruhenden
sachfremden Erwägungen freibleibende Vertretung der Gesellschaft, bzw. hier
der Sparkasse, sichergestellt werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1997
- II ZR 168/96,
des Freistaates Sachsen; BAG, Urteil vom 20. August 1998
- 2 AZR 12/98, juris Rn. 23 ff. zum Brandenburgischen Sparkassengesetz).
Diese Vertretungsregelung gilt auch gegenüber einem ausgeschiedenen
Vorstandsmitglied sowie in Fällen der Rechtsnachfolge aufgrund von Verschmelzungen,
selbst wenn das ausgeschiedene Vorstandsmitglied dem Vorstand
der übernehmenden Gesellschaft niemals angehört hat (BGH, Urteil vom
14. Juli 1997 - II ZR 168/96,
2003 - II ZR 161/02,
- II ZR 220/03,
es ohne Belang, ob im Einzelfall die Gefahr besteht, dass die Sparkasse von
dem Vorstand nicht sachgerecht vertreten werden kann, weil möglicherweise
Rücksichtnahmen oder Interessenkollisionen drohen. Es kommt allein auf eine
typisierende Betrachtung an (BGH, Urteil vom 14. Juli 1997 - II ZR 168/96,
Rn. 5; Urteil vom 15. Januar 2019 - II ZR 392/17,
auch Urteil vom 20. März 2018 - II ZR 359/16,
b) Entgegen der Sicht der Revisionserwiderung wäre die Zuständigkeit
des Vorstands der Beklagten zur Prozessvertretung nach § 18 Abs. 1 Satz 2
und 3 SpkG MV auch dann nicht begründet, wenn der Kläger - wie dieser im
Revisionsverfahren geltend macht - stellvertretendes Mitglied des Vorstands
ohne Stimmrecht gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 SpkG MV gewesen wäre.
aa) Wer als Mitglied des Vorstands anzusehen ist, ist in § 19 Abs. 1
SpkG MV geregelt. Nach Satz 2 und 3 dieser Vorschrift können neben ordentlichen
Mitgliedern des Vorstands stellvertretende Mitglieder bestellt werden, die
nach Maßgabe der Bestellung ständiges und volles Stimmrecht im Vorstand
besitzen oder an den Sitzungen des Vorstands nur beratend teilnehmen und im
Falle der Verhinderung von Vorstandsmitgliedern deren Aufgabe wahrnehmen.
Angesichts dessen bedarf es keiner
zum Ausdruck zu bringen, dass als "Vorstand" gemäß § 8 Abs. 6 SpkG MV
dessen hauptamtliche und stellvertretende Mitglieder anzusehen sind.
Das Sparkassengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern enthält im
Übrigen differenzierte Regelungen dazu, welche Bestimmungen nur für ordentliche
Mitglieder des Vorstands bzw. nur für stellvertretende Mitglieder mit vollem
Stimmrecht und welche für jedes Vorstandsmitglied gelten sollen (vgl. § 19
Abs. 2 bis 5, §§ 20, 24 Abs. 3 Satz 1 SpkG MV). Die Bestellung, Anstellung,
Abberufung und Kündigung der ordentlichen und stellvertretenden Mitglieder
des Vorstands ist nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SpkG MV Aufgabe des Verwaltungsrats,
wobei § 19 Abs. 2 bis 5 SpkG MV Bestimmungen zur Wahrnehmung dieser
Zuständigkeit enthält. Soweit § 24 Abs. 3 Satz 1 SpkG MV dem Vorsitzen-
den des Verwaltungsrats die Funktion des Dienstvorgesetzten nur bezogen auf
die ordentlichen und stellvertretenden Vorstandsmitglieder mit Stimmrecht zuweist,
spricht dies angesichts der weiteren Regelungen nicht dafür, dass für die
Gruppe der stellvertretenden Mitglieder des Vorstands ohne Stimmrecht auch in
Bezug auf die Vertretungsbefugnis eine solche Differenzierung gewollt ist. Gleiches
gilt, soweit § 8 Abs. 2 Nr. 3 SpkG MV dem Verwaltungsrat die Beschlussfassung
über die Bedingungen des Anstellungsvertrags nur für die Mitglieder
und stellvertretenden Mitglieder des Vorstands nach § 19 Abs. 1 Satz 2
SpKG MV zuweist. Die vorgenannten Regelungen unterstreichen nur, dass der
Gesetzgeber die Fälle, in denen er die grundsätzlich bestehende Zuständigkeit
des Verwaltungsrats durch eine Zuständigkeit des Vorstands ersetzen wollte,
ausdrücklich geregelt hat, von einer solchen Regelung in Bezug auf die Vertretungszuständigkeit
jedoch abgesehen hat.
bb) Etwas anderes lässt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Regelung
in § 8 Abs. 6 SpkG MV nicht ableiten. Die Sicht der Revisionserwiderung,
die die fehlende Beteiligung an Entscheidungen des Vorstands in den Blick
nimmt und hieraus ableitet, es könne bei stellvertretenden Vorstandsmitgliedern
nicht allgemein angenommen werden, dass stets eine abstrakte Gefahr der Beeinflussung
von Vorstandsentscheidungen durch sachfremde Erwägungen bestehe,
verengt sich auf bestimmte Fallkonstellationen, die die gebotene typisierende
Betrachtung außer Betracht lässt. Dies gilt ebenso für die von der
Revisionserwiderung angestellte Erwägung, es sei lebensfremd, in der hier vorliegenden
Konstellation eine abstrakte Gefahr fehlender Unabhängigkeit zu sehen.
Insbesondere bei einer - auch hier vorliegenden - Streitigkeit über Ansprüche
auf Ruhegehalt aus dem Anstellungsverhältnis kommt es im Übrigen
für die Frage, ob die Unbefangenheit des Vorstands bei der Wahrnehmung der
Interessen der Sparkasse gewahrt ist, nicht darauf an, ob das Vorstandsmit-
glied, gegenüber dem die Sparkasse zu vertreten ist, am Zustandekommen von
Organentscheidungen tatsächlich mitgewirkt hat.
2. Der Vertretungsmangel ist nicht geheilt worden. Eine Genehmigung
der Prozessführung des Vorstands ist nicht festgestellt und wird vom Revisionsbeklagten
weder behauptet noch in Aussicht gestellt.
3. Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1, § 522
Abs. 3 ZPO). Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung
des Beschlusses nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des
Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die
Sache zur Endentscheidung reif ist (
der reformatio in peius steht der Abweisung der Klage als unzulässig in dritter
Instanz nicht entgegen (BGH, Urteil vom 16. Oktober 2006 - II ZR 7/05,
vom Kläger im Rahmen der Stufenklage verfolgten Ansprüche, weil der Vertretungsmangel
auch diesen Teil der Klage betrifft. Ist auf eine Stufenklage hin der
vorbereitende Auskunftsanspruch in der Rechtsmittelinstanz anhängig, hat das
Rechtsmittelgericht die Befugnis zur Abweisung der gesamten Klage (BGH,
Urteil vom 8. Mai 1985 - IVa ZR 138/83,
2017 - II ZR 179/16,
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:30.04.2019
Aktenzeichen:II ZR 317/17
Rechtsgebiete:
Aktiengesellschaft (AG)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
ZPO § 51 Abs. 1; SparkG MV §§ 8 Abs. 2 Nr. 1 u. 3, Abs. 6, 18 Abs. 1 S. 2 u. 3, 24 Abs. 3 S. 1; AktG § 112