OLG Hamm 05. November 2019
15 W 342/19
BGB §§ 2065 Abs. 2, 2069, 2113 Abs. 2; GBO §§ 16, 51

Eintragungspflichtigkeit des Nacherbenvermerks bei bedingter Nacherbfolge

letzte Aktualisierung: 30.04.2020
OLG Hamm, Beschl. v. 5.11.2019 – 15 W 342/19

BGB §§ 2065 Abs. 2, 2069, 2113 Abs. 2; GBO §§ 16, 51
Eintragungspflichtigkeit des Nacherbenvermerks bei bedingter Nacherbfolge

Im Falle der Anordnung einer Nacherbfolge unter der Bedingung, dass der Vorerbe nicht letztwillig
anderweitig über den ererbten Nachlass verfügt, darf die Eintragung des Nacherbenvermerks vor
dem Tod des Vorerben grundsätzlich nicht unterbleiben. Denn erst mit dem Tod des Vorerben
kann die Frage beantwortet werden, ob Nacherbfolge eingetreten ist (Anschluss an Senat, 15 W
102/13 und 15 W 364/18).

Gründe:
I.
In dem im Rubrum näher bezeichneten Grundbuch sind die Beteiligte zu 1) und ihr am
23.02.2018 verstorbener Ehemann F als hälftige Miteigentümer eingetragen.

Die Eheleute F hatten am 16.04.1991 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie sich
gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt hatten (UR-Nr.###/1991 des Notars L in E). Weiter
haben die Eheleute F unter § 2 bestimmt, dass die fünf aus ihrer Ehe hervorgegangenen
Kinder die Erben des Letztlebenden sein sollten. Der überlebende Ehegatte sollte jedoch
berechtigt sein, „unter unseren Kindern den Erben zu bestimmen“. Unter § 3 haben die
Eheleute F angeordnet, dass der den erstversterbenden Ehepartner beerbende
Ehepartner nur befreiter Vorerbe sein solle und die Kinder Nacherben „mit der Möglichkeit
durch den Vorerben den Nacherben gem. Vorstehendem zu bestimmen“.

Aus der Ehe der Eheleute F sind neben dem Beteiligten zu 2) auch die Kinder I2 F, C K, T
I und X F hervorgegangen. X F ist vor seinem Vater verstorben und hat zwei
Abkömmlingen hinterlassen, B und L2 F.

Am 8.04.2019 schlossen die Beteiligten zu 1) und 2) einen Erbvertrag, in dem die
Beteiligte zu 1) den Beteiligten zu 2) zu ihrem alleinigen Erben und zum alleinigen
Nacherben des verstorbenen F einsetzte. Ersatzerbe und Ersatznacherbe soll der Sohn
des Beteiligten zu 2) sein (UR-Nr. ###/2019 des Notars I3 in E).

Mit dem nachfolgenden notariellen Vertrag vom 8.04.2019 (UR-Nr. ###/2019 des Notars I3
in E) übertragt die Beteiligte zu 1) den vorbezeichneten Grundbesitz auf den Beteiligten zu
2). Den Wert des Grundstücks haben die Beteiligten mit 193.000,00 Euro angegeben, den
Wert der von dem Beteiligten zu 2) im Gegenzug zu erbringenden Pflegeleistungen und
den Wert des der Beteiligten zu 1) eingeräumten schuldrechtlichen Wohnrechts auf
insgesamt 106.884,00 Euro.

Mit Schriftsatz vom 8.05.2019 haben die Beteiligten beantragt, die Beteiligte zu 1)
zunächst als Alleineigentümerin einzutragen und sodann den Beteiligten zu 2) aufgrund
der vorgenommenen Übertragung als Alleineigentümer einzutragen.

Mit Zwischenverfügung vom 14.05.2019 hat das Grundbuchamt die Auffassung vertreten,
dass die in § 3 des notariellen Testaments getroffene Regelung, nach der der überlebende
Ehegatte den Nacherben unter den gemeinsamen Kindern auswählen dürfe, unwirksam
sei. Nacherben seien daher alle fünf Kinder der Eheleute bzw. an der Stelle des
vorverstorbenen Sohnes dessen Abkömmlinge. Da die Übertragung jedenfalls teilweise
unentgeltlich erfolgt sei, könnten die Eintragungen nur vorgenommen werden, wenn die
Nacherben der Übertragung auf den Beteiligten zu 2) in der Form des § 29 GBO
zustimmten.

Die Beteiligten haben die Auffassung vertreten, dass die unwirksame Regelung in dem
notariellen Testament umzudeuten sei in eine von den testierenden Ehegatten getroffene
Bestimmung, dass die gemeinsamen Kinder nur unter der Bedingung eingesetzt seien,
dass der überlebende Ehegatte und Vorerbe keine anderweitige letztwillige Verfügung trifft.
Diese letztwillige Verfügung habe die Beteiligte zu 1) mit dem Erbvertrag getroffen, so
dass es der Zustimmung der weiteren Kinder nicht mehr bedürfe.

Mit Beschluss vom 17.06.2019 hat das Grundbuchamt beide Anträge zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) vom
19.07.2019, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 13.08.2019 nicht abgeholfen und
die es dem Senat vorgelegt hat.

Der Senat hat die Beteiligten mit der ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 23.09.2019
zugestellten Verfügung vom 12.09.2019 auf die Rechtslage hingewiesen und ihnen binnen
einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung Gelegenheit zum weiteren Vortrag oder zur
Rücknahme der Beschwerde gegeben. Auf den Antrag der Beteiligten ist die am 7.10.2019
endende Frist um 14 Tage verlängert worden. Eine Stellungnahme der Beteiligten ist nicht
mehr erfolgt.

II.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) und 2) ist zulässig (§ 71 GBO), in der Sache aber
unbegründet. Das Grundbuchamt hat die Anträge der Beteiligten zu 1) und 2) zu Recht
zurückgewiesen.

1. Antrag auf Eintragung der Beteiligten zu 1) als Alleineigentümerin
a)
Es kann dahin stehen, ob die beiden Anträge in einem Antragsverbund (§ 16 Abs. 2 GBO)
stehen, oder ob den Formulierungen in § 1 des notariellen Vertrags vom 8.04.2019 (URNr.
247/2019 des Notars I3 in E), nach der das Grundbuch „vorab“ durch die Eintragung
der Beteiligten zu 1) als Alleineigentümerin berichtigt werden soll, entnommen werden
kann, dass dieser Antrag unabhängig von dem weiteren Antrag vollzogen werden soll.
Nach Auffassung des Senats kann der erste Eintragungsantrag vor dem Hintergrund des
weiteren Antrags und des gleichzeitig vorgelegten Erbvertrags vom 8.04.2019 nur so
verstanden werden, dass die Beteiligte zu 1) ihre Eintragung als Alleineigentümerin
entweder ohne gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks oder nur bei Eintragung
eines Nacherbenvermerks, der nur den Beteiligten zu 2) als Nacherben ausweist,
beantragt. Eine solche Antragstellung ist zulässig.

Ein von der Beteiligten gestellter Antrag, ihre Eintragung als Alleineigentümerin nur dann
vorzunehmen, wenn die gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks unterbleibt, ist
zulässig und verstößt nicht gegen § 16 Abs. 1 GBO. Der Antrag, einen Nacherbenvermerk
nicht einzutragen, hat keinen vollzugsfähigen Inhalt. Er muss vielmehr dahingehend
verstanden werden, dass der Eintragung widersprochen wird und der Vollzug des
Berichtigungsantrages von der Beachtung dieses Widerspruchs abhängig sein soll. Hierin
liegt keine unzulässige tatsächliche Bedingung im Sinne des § 16 Abs.1 GBO, sondern
eine verfahrensinterne Bedingtheit, die als solche zulässig ist, wie sich nicht zuletzt aus
der Bestimmung des § 16 Abs.2 GBO ergibt (Senat Beschluss vom 18.04.2011 – 15 W
518/10 - ZEV 2011; Senat im Beschluss vom 15.12.2015 – 15 W 514/15 – ZEV 2016,200).
Entsprechendes gilt für den Antrag, dass die Eintragung der Beteiligten zu 1) als
Alleineigentümerin nur dann erfolgen soll, falls in dem gleichzeitig einzutragenden
Nacherbenvermerk als begünstigter Nacherbe nur der Beteiligte zu 2) aufgeführt wird.
Auch dieser Antrag ist unter einer zulässigen verfahrensinternen Bedingung gestellt
worden.

b)
In der Sache ist das Grundbuchamt zu Recht davon ausgegangen, dass die
Voraussetzungen des § 51 GBO vorliegen und hat konsequenterweise die Eintragung der
Beteiligten als den Beschränkungen einer Nacherbschaft nicht unterworfene
Alleineigentümerin abgelehnt. Ebenso zutreffend hat es die Eintragung der Beteiligten zu
1) als Eigentümerin unter gleichzeitiger Eintragung eines nur den Beteiligten zu 2) als
begünstigten Nacherben ausweisenden Nacherbenvermerks abgelehnt.

Zu den Vorschriften, die den Schutz des Nacherben realisieren, gehört § 51 GBO, der die
verfahrensrechtliche Umsetzung des § 2113 BGB darstellt. Daher entspricht es
allgemeiner Auffassung, dass auch die bedingte oder befristete Einsetzung eines
Nacherben nach § 51 GBO eintragungspflichtig ist (OLG Braunschweig, Beschluss vom
4.12.1990 – 2 W 132/90 - Rechtspfleger 1991, 204; Senat, Beschluss vom 14.01.1976 –
15 W 299/75 - OLGZ 1976, 180; Demharter, GBO, 31. Auflage, § 51 Rn.3; Beckscher
Online Kommentar zur GBO/Zeiser, 36. Edition, Stand 1.06.2019, § 51 Rn.36 + 36.1).

Das Grundbuchamt ist unter Beachtung dieser Auffassung zutreffend davon ausgegangen,
dass als Nacherben des Miteigentümers F alle fünf gemeinsamen Kinder der Eheleute F
und im Falle des Versterbens eines der Kinder zwischen Errichtung der letztwilligen
Verfügung und dem Erbfall dessen Abkömmlinge (§ 2069 BGB) in den Nacherbenvermerk
aufzunehmen sind.

In ihrem notariellen Testament vom 16.04.1991 hat der erstversterbende Ehepartner den
überlebenden Ehepartner in den § 1 und § 3 zu seinem Vorerben berufen und die
gemeinsamen Kinder zu seinen Nacherben. Die in § 3 weiter vorgenommene Regelung,
dass der Vorerbe berechtigt sein soll, die Nacherbenregelung nach völlig freiem Ermessen
abzuändern und aus der Gruppe der fünf Kinder eines oder mehrere zu Nacherben zu
berufen, ist nach § 2065 Abs. 2 BGB unwirksam (OLG München, Beschluss vom
27.01.2016 – 31 Wx 168/15 - ZEV 2016, 390; Senat, Beschluss vom 22.05.2014 – 15 W
102/13 - FGPrax 2014, 237). Eine Auslegung des Testaments, nach der aufgrund der
unwirksamen Regelung zur freien Bestimmung des Nacherben die gesamte Anordnung
der Vor- und Nacherbschaft nach dem Willen der beiden testierenden Ehegatten nicht
gelten soll, ist nach dem Inhalt des Testaments fernliegend. Weitere Beweismittel zur
Auslegung des Erblasserwillens in diesem Sinne stehen im Grundbuchverfahren nicht zur
Verfügung.

Die von den Beteiligten angeregte Umdeutung der unwirksamen Regelung nach § 140
BGB in eine Regelung, dass die Nacherben unter der Bedingung eingesetzt sind, dass der
Vorerbe nicht anderweitig von Todes wegen über den Nachlass verfügt, ist nach der oben
angeführten Rechtsprechung zwar möglich, aber für die angestrebte Eintragung nicht
zielführend. Denn nach der oben angeführten Rechtsprechung bleibt die vom Erblasser
angeordnete Nacherbfolge bis zum Eintritt des Nacherbfalls (hier: Tod der Vorerbin)
bestehen. Erst in diesem Zeitpunkt steht nämlich fest, ob die Vorerbin von ihrer Befugnis
zur Herbeiführung der auflösenden Bedingung durch wirksames Errichten einer
letztwilligen Verfügung Gebrauch gemacht hat. Daran ändert auch der zwischen der
Beteiligten zu 1) als Vorerbin und dem Beteiligten zu 2) abgeschlossene Erbvertrag nichts.
Ein Erbvertrag kann aufgehoben (§ 2290 BGB) oder angefochten (§§ 2281 ff. BGB)
werden. Mithin bestehen auch nach Abschluss eines Erbvertrages durch den Vorerben
verschiedene Möglichkeiten, die den Eintritt der Nacherbschaft dennoch zulassen können
(vgl. OLG Braunschweig a. a. O.; Bauer/Schaub, GBO, 4. Auflage, § 51 Rn.86). Nach dem
oben Gesagten unterliegen aber auch Nacherben, deren Stellung vom Eintritt einer
Bedingung abhängt, dem Schutz des Nacherbenvermerks nach § 51 GBO. Damit scheidet
die Eintragung der Beteiligten zu 1) als unbeschränkte Alleineigentümerin oder als nur
durch eine Nacherbschaft zugunsten des Beteiligten zu 2) eingeschränkte Vorerbin aus.

2. Antrag auf Eintragung des Beteiligten zu 2) als Eigentümer aufgrund der in der
notariellen Urkunde vorgenommenen Auflassung
Auch diesen Antrag hat das Grundbuchamt zu Recht zurückgewiesen, nachdem die
Beteiligten zu 1) und 2) erklärt haben, dass sie nicht bereit sind, die vom Grundbuchamt im
Wege der Zwischenverfügung angeforderten Zustimmungserklärungen der weiteren
Nacherben beizubringen.

Nach dem unter II. 1. Ausgeführten ist die Beteiligte zu 1) hinsichtlich des
Miteigentumanteils des F allerdings nur Vorerbin und Nacherben sind die vier noch
lebenden Kinder sowie die Abkömmlinge des vorverstorbenen Sohnes X. Da die
Verfügung der Beteiligten zu 1) über diesen Miteigentumanteil wegen der im
Übertragungsvertrag ausgewiesenen Diskrepanz zwischen Leistung (Übertragung des
Hauses) und Gegenleistung (Wohnungsrecht und Pflege) jedenfalls eine teilweise
unentgeltliche Verfügung über den Nachlass des Erblassers darstellt (§ 2113 Abs.2 BGB),
ist sie den Nacherben gegenüber nur dann wirksam, wenn diese der Verfügung
zustimmen. Da es an Zustimmungserklärungen der weiteren Nacherben fehlt, kann der
Antrag auf Eintragung des Beteiligten zu 2) ohne gleichzeitige Eintragung eines
Nacherbenvermerks nur zurückgewiesen werden.

Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 36 Abs. 1, 61 GNotKG.
Der Senat legt dabei den in der notariellen Urkunde angegebenen Wert des Grundstücks
in Höhe von 193.000,00 Euro zugrunde.

Der Antrag zu 1) bezieht sich auf das hälftige Miteigentum, so dass insoweit 96.500,00
Euro anzusetzen sind. Der Antrag zu 2) bezieht sich auf das gesamte Eigentum, so dass
insoweit 193.000,00 Euro anzusetzen sind. Der Gesamtwert beträgt daher 289.500,00
Euro.

Gründe, die Rechtsbeschwerde nach § 78 GBO zuzulassen, sind nicht gegeben.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

05.11.2019

Aktenzeichen:

15 W 342/19

Rechtsgebiete:

Erbvertrag
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht

Erschienen in:

FGPrax 2020, 57-58

Normen in Titel:

BGB §§ 2065 Abs. 2, 2069, 2113 Abs. 2; GBO §§ 16, 51