Keine "Wohnungsnutzung" bei Nutzung von Räumen oder Gebäuden als Ferienwohnung
letzte Aktualisierung: 31.10.2019
VGH München, Beschl. v. 12.8.2019 – 15 ZB 19.921
Keine "Wohnungsnutzung" bei Nutzung von Räumen oder Gebäuden als Ferienwohnung
Die entgeltliche Nutzung von Räumen oder Gebäuden, die einem ständig wechselnden Kreis von
Gästen vorübergehend zur Unterkunft zur Verfügung gestellt werden und die zur Begründung einer
eigenen Häuslichkeit geeignet und bestimmt sind (Ferienwohnungen), lässt sich nicht als Wohnnutzung
ansehen. (Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine ihr gegenüber ausgesprochene Nutzungsuntersagung (Bescheid des
Landratsamts vom 26.5.2017). Danach ist die Klägerin verpflichtet, drei ihr gehörende Wohneinheiten im
baurechtlich „für die Errichtung von 45 Wohnungen“ genehmigten Wohngebäude (damaliger Bescheid des
Landratsamts vom 29.3.1966 und Tekturplangenehmigung vom 21.2.1968) „nicht
fremdenverkehrsgewerblich als Ferienwohnungen zu vermieten oder durch Dritte vermieten zu lassen.“ Die
Verpflichtung gilt ab Bestandskraft des streitgegenständlichen Nutzungsuntersagungsbescheids bis zur
Erteilung einer die Nutzungsänderung legalisierenden baurechtlichen Genehmigung (vgl. Nr. 1 des
Bescheids). Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid verwiesen.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf Aufhebung des angefochtenen Bescheids gerichtete Klage
mit Urteil vom 19. März 2019 abgewiesen. Die Voraussetzungen einer Nutzungsuntersagung (Art. 76 Satz 2
BayBO) lägen vor. Die Vermietung der baurechtlich als „Wohnungen“ genehmigten Wohneinheiten
(„Appartements“ mit Kücheneinrichtungen und Kochgelegenheiten) als Ferienwohnungen sei „formell illegal“
und stelle eine genehmigungspflichtige, jedoch bisher nicht genehmigte Nutzungsänderung dar. Die
Nutzungsänderung sei „nicht offensichtlich genehmigungsfähig“, da sie den Festsetzungen des
einschlägigen Bebauungsplans widerspreche, der nach seiner Konzeption im Kurgebiet „ein weiteres
Anwachsen der Parahotellerie“ verhindern wolle. Wegen der Einzelheiten wird auf das Urteil Bezug
genommen.
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung macht die Klägerin geltend, an der Richtigkeit des Urteils
bestünden ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Rechtssache weise auch besondere
tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die drei baurechtlich
genehmigten Wohnungen dürften nach dem im Rahmen der Auslegung zu ermittelnden seinerzeitigen
„Regelungsgehalt der Baugenehmigung“ auch als „Ferienwohnungen“ genutzt werden. Sie würden zudem
(teilweise) bereits dauerhaft zu Wohnzwecken genutzt. Jedenfalls sei eine Nutzung als Ferienwohnungen
offensichtlich genehmigungsfähig, weil die Festsetzung des einschlägigen Bebauungsplans, dass
„Beherbergungsbetriebe mit Küchen und sonstigen Kocheinrichtungen in Zuordnung zu den einzelnen
Zimmern“ unzulässig seien, ohne „Rechtsgrundlage“ und deshalb unwirksam sei. Hilfsweise komme auch
eine Befreiung von der genannten Festsetzung in Betracht, weil die Grundzüge der Planung hierdurch nicht
berührt würden. Es handele sich bei dem streitgegenständlichen „Appartementhaus“ um „den einzigen
ernstzunehmenden Betrieb der Parahotellerie“ im Kurgebiet. Im Übrigen sei der streitgegenständliche
Bebauungsplan wegen eines Ausfertigungsfehlers ohnehin unwirksam. Es sei zweifelhaft, ob - wie das
Verwaltungsgericht annehme - in diesem Fall der mit Inkrafttreten des streitgegenständlichen
Bebauungsplans aufgehobene zeitlich frühere Bebauungsplan „wieder auflebe“. Die Untersagung der
„Bestandsschutz“ genießenden Nutzung sei schließlich auch „unverhältnismäßig“, weil sie die „berufliche
Existenz“ der Klägerin bedrohe und weise zudem einen „Ermessensausfall“ auf. Wegen der Einzelheiten
wird auf den Schriftsatz des Bevollmächtigten der Klägerin vom 3. Juni 2019 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren
und in den Parallelverfahren (15 ZB 19.918, 15 ZB 19.924, 15 ZB 19.976 und 15 ZB 19.979) sowie auf die
vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die von der Klägerin geltend gemachten
Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. An der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2
Nr. 1 VwGO). Die Klägerin wird durch die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung nicht in ihren Rechten
verletzt. Der Senat folgt den ausführlichen Gründen des angefochtenen Urteils und nimmt hierauf Bezug (§
122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Lediglich ergänzend ist zum Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren zu
bemerken:
a) Der klägerische Einwand, die streitgegenständlichen Wohneinheiten dürften nach dem im Rahmen der
Auslegung zu ermittelnden seinerzeitigen „Regelungsgehalt der Baugenehmigung“ auch als
„Ferienwohnungen“ genutzt werden, ist nicht stichhaltig. Wie das Verwaltungsgericht ausführlich begründet,
sind die damalige - dem Bauantrag beigefügte - Baubeschreibung und auch der Wortlaut des
Genehmigungsbescheids eindeutig und auf den Neubau von 45 Wohnungen (zu dauerhaften
Wohnzwecken) ausgerichtet. Eine beabsichtigte gewerbliche Nutzung einzelner Wohnungen ist weder
Gegenstand der Baubeschreibung noch der Baugenehmigung. Die gewerbliche Nutzung einzelner
Wohnungen zum Zweck der Vermietung als Ferienwohnungen widersprach ohnehin dem damals geltenden
Bebauungsplan (vom 13.10.1965), der „Hotels und Pensionen mit mindestens 10 Betten sowie Läden und
nicht störende Handwerksbetriebe, die zur Deckung des täglichen Bedarfs der Bevölkerung dienen“,
zugelassen hat, wobei „Nachteile oder Belästigungen für den Kurbetrieb und die Kurgäste“ nicht „zu
besorgen sein“ durften. Die nach dem damaligen Bebauungsplan ausnahmsweise noch zulässigen
„Appartementhäuser und Wohngebäude zur Unterbringung von im Kurgebiet beschäftigten Personen“ sind
mit der Änderung des Bebauungsplans vom 17. August 1967, welche diese Ausnahmebestimmung aufhob,
nicht mehr zulässig gewesen. Die Behauptung der Klägerin, die Aufhebung der Ausnahmebestimmung habe
sich nur auf „Appartementhäuser“ bezogen, trifft nicht zu. Damit gibt es entgegen der Ansicht der Klägerin
auch keinen Anlass, zwischen „Appartementhäusern“, bei denen angeblich eine gewerbliche Nutzung
zulässig gewesen sei und „Wohngebäuden“ (zur dauerhaften Wohnnutzung) zu differenzieren. Seit
Inkrafttreten des aktuell geltenden Bebauungsplans (vom 17.3.1988) sind im Übrigen ausdrücklich auch
„Beherbergungsbetriebe mit Küchen und sonstigen Kocheinrichtungen in Zuordnung zu den einzelnen
Zimmern“ bauplanungsrechtlich unzulässig, um ein im Kurgebiet unerwünschtes „weiteres Anwachsen der
Parahotellerie“ zu verhindern. Nach alledem gibt es für die ohnehin spekulativ gebliebene Ansicht der
Klägerin, die Baugenehmigung für den Neubau von 45 Wohnungen könne gleichwohl eine gewerbliche
Nutzung einzelner oder aller Wohnungen zum Zweck der Vermietung als Ferienwohnungen zugelassen
haben, keinen Anhaltspunkt. Dies gilt auch im Hinblick auf die klägerische Behauptung, zum Zeitpunkt der
Tekturplangenehmigung sei „öffentlich bekannt“ gewesen, dass das Wohngebäude (auch) der
„Unterbringung von Feriengästen“ diene. Die Tekturplangenehmigung vom 21. Februar 1968 hat - wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - die Baugenehmigung vom 29. März 1966 nicht um einen weiteren
Nutzungszweck des genehmigten Wohngebäudes erweitert, sondern diente lediglich der Legalisierung
einzelner bei einer Baukontrolle entdeckter baulicher Abweichungen. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht
in seiner Entscheidung ferner darauf hin, dass § 13a BauNVO bestätigt, dass die Nutzung von Räumen oder
Gebäuden, die einem ständig wechselnden Kreis von Gästen gegen Entgelt vorübergehend zur Unterkunft
zur Verfügung gestellt werden und die zur Begründung einer eigenen Häuslichkeit geeignet und bestimmt
sind (Ferienwohnungen), seit jeher nicht als Wohnnutzung anzusehen ist.
b) Das Verwaltungsgericht geht ferner zu Recht davon aus, dass die für alle drei Wohnungen
ausgesprochene Nutzungsuntersagung nicht deshalb zu beanstanden ist, weil einzelne Wohnungen in der
Vergangenheit (teilweise) über einen längeren Zeitraum zu (dauerhaften) Wohnzwecken genutzt worden
sind, weil - wie auch das Vorbringen der Klägerin im Zulassungsverfahren bestätigt - hinreichende
Anhaltspunkte dafür bestehen, dass mit einer Vermietung als Ferienwohnung durch die Klägerin (auch in
Zukunft) zu rechnen ist. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass es der Klägerin freisteht, die Wohnungen
künftig dauerhaft zu Wohnzwecken zu nutzen und damit einen Verstoß gegen die ausgesprochene
Nutzungsuntersagung zu vermeiden.
c) Der weitere Einwand der Klägerin, die gewerbliche Nutzung der Wohnungen zum Zweck der Vermietung
als Ferienwohnungen sei offensichtlich genehmigungsfähig, greift ebenfalls nicht durch. Die klägerische
Behauptung, die Festsetzung des einschlägigen Bebauungsplans, wonach „Beherbergungsbetriebe mit
Küchen und sonstigen Kocheinrichtungen in Zuordnung zu den einzelnen Zimmern“ unzulässig seien, sei
ohne „Rechtsgrundlage“ und deshalb unwirksam, steht bereits in Widerspruch zur vom Verwaltungsgericht
zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, welche höchstrichterlich geklärt hat, dass in einem
Bebauungsplan, der - wie vorliegend der Fall - gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO ein Sondergebiet festsetzt, das
vorwiegend der Unterbringung von Betrieben des Beherbergungsgewerbes dient, auch festgesetzt werden
kann, dass Küchen und Kochstellen in Zuordnung zu den einzelnen Zimmern der Beherbergungsbetriebe
nicht zulässig sind (vgl. BVerwG, B.v. 7.9.1984 - 4 N 3/84 - juris Leitsatz und Rn. 18 ff.). Entgegen der
Ansicht der Klägerin ist es in diesem Zusammenhang unerheblich, dass der streitgegenständliche
Bebauungsplan „Kurgebiet Süd“ bei der Festsetzung des Sondergebiets nicht die Worte „für Kurzwecke“
verwendet. Auch die hilfsweise Erwägung der Klägerin, eine Befreiung von der genannten Festsetzung
komme in Betracht, weil es sich bei dem streitgegenständlichen „Appartementhaus“ um „den einzigen
ernstzunehmenden Betrieb der Parahotellerie“ im Kurgebiet handle, so dass eine Befreiung die Grundzüge
der Planung nicht berühre, lässt die streitgegenständliche Nutzungsänderung nicht als „offensichtlich
genehmigungsfähig“ erscheinen, sondern bedarf - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - zumindest
einer näheren Prüfung in einem - aufgrund eines noch zu stellenden Bauantrags durchzuführenden -
baurechtlichen Genehmigungsverfahren. Die klägerische Frage, ob der aktuell geltende Bebauungsplan
wegen eines Ausfertigungsfehlers unwirksam ist, hat das Verwaltungsgericht ausführlich beantwortet und
verneint. Ob die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts zutreffend ist oder nicht, kann vorliegend jedoch
dahinstehen. Denn hierauf kommt es für die gerichtliche Entscheidung nicht an. Bei Unwirksamkeit des
geltenden Bebauungsplans würde der vorher geltende Bebauungsplan, der einer Genehmigungsfähigkeit
der streitgegenständlichen Nutzungsänderung ebenfalls entgegensteht, wieder aufleben, weil es - wie das
Verwaltungsgericht zutreffend ausführt - keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Gemeinde den früheren
Bebauungsplan auch dann hätte aufheben wollen, wenn sich der neue Bebauungsplan als unwirksam
erweisen würde. Es ist auch nicht offensichtlich, dass sich Ferienwohnungen in die Eigenart der näheren
Umgebung des Kurgebiets einfügen würden, wenn sich deren planungsrechtliche Zulässigkeit nach § 34
BauGB beurteilen würde. Nach alledem ist die streitgegenständliche Nutzungsänderung somit jedenfalls
nicht offensichtlich genehmigungsfähig.
d) Die weiteren Einwände der Klägerin zur vermeintlichen „Unverhältnismäßigkeit“ der Nutzungsuntersagung
und zum „Ermessensausfall“ bei Erlass der behördlichen Entscheidung sind ebenfalls nicht geeignet, die
Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ernstlich in Zweifel zu ziehen. Die streitgegenständliche
Nutzungsuntersagung gilt erst ab Bestandskraft des Bescheids. Das Landratsamt hat der Klägerin damit
ausreichend Zeit eingeräumt, um durch Stellung eines Bauantrags die Frage der Genehmigungsfähigkeit der
Nutzungsänderung verbindlich zu klären und sich damit ggf. auch auf eine Änderung der (bisherigen)
Nutzung der Wohnungen einzustellen. Die Nutzung der Wohnungen zu Wohnzwecken bleibt der Klägerin
jedenfalls aufgrund der bestandskräftigen Baugenehmigung - worauf das Verwaltungsgericht in seinem Urteil
hinweist - weiterhin möglich. Die von der Klägerin vorgetragene lange Dauer der ungenehmigt ausgeübten
Nutzung begründet - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - im vorliegenden Fall keinen dem Erlass
der Nutzungsuntersagung entgegenstehenden „Vertrauensschutz“. Ebenso wenig besteht ein behaupteter
„Bestandsschutz“. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die geltend gemachte (der Klägerin erteilte)
behördliche Erlaubnis zur Führung eines Beherbergungsbetriebes, weil eine derartige gewerberechtliche
Erlaubnis eine vorliegend fehlende baurechtliche Genehmigung für die streitgegenständliche
Nutzungsänderung weder ersetzt noch sonst auf deren Erteilung Einfluss hat. Das Landratsamt hat sich im
angefochtenen Bescheid im Übrigen mit der Frage der Verhältnismäßigkeit der Anordnung befasst. Der
Vorwurf eines „Ermessensausfalls“ ist demnach nicht gerechtfertigt.
2. Die Rechtssache weist nach alledem keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf
(§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das
Zulassungsverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 3 und § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.4 des Streitwertkatalogs
für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 15.
Aufl. 2019, Anhang) und entspricht der Streitwertfestsetzung im erstinstanzlichen Verfahren.
4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5
Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Entscheidung, Urteil
Gericht:VGH München
Erscheinungsdatum:12.08.2019
Aktenzeichen:15 ZB 19.921
Rechtsgebiete:Öffentliches Baurecht
Normen in Titel:BayBO Art. 76 S. 2; BauNVO § 11 Abs. 2