OLG München 09. März 2015
34 Wx 39/14
FamFG § 26; GBO §§ 3, 53 Abs. 1; BGB §§ 890, 891; BayWG Artt. 6, 7, 8, 9

Keine materiell-rechtliche Wirkung der katastermäßigen Flächenzerlegung eines Grundstücks

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 9.10.2015
OLG München , 9.3.2015 - 34 Wx 39/14

FamFG § 26; GBO §§ 3, 53 Abs. 1; BGB §§ 890, 891; BayWG Artt. 6, 7, 8, 9
Keine materiell-rechtliche Wirkung der katastermäßigen Flächenzerlegung eines Grundstücks

1. Die katastermäßige Flächenzerlegung eines Grundstücks hat keine materiell-rechtliche Wirkung;
maßgeblich ist der Grundbuchinhalt.
2. Die Aufklärungs- und Ermittlungspflicht gilt auch im Amtsverfahren des Grundbuchrechts
nur, soweit der Vortrag von Beteiligten oder der Sachverhalt dazu Anlass bietet. Allen denkbaren
Möglichkeiten muss nicht nachgegangen werden; vielmehr können die Ermittlungen eingestellt
werden, wenn ihre Fortsetzung ein die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr erwarten
lässt.
3. Zur eigentumsrechtlichen Zuordnung ehemaliger – in diesem Fall gebuchter – Gewässergrundstücke.

OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 09.03.2015, 34 Wx 39/14
§ 26 FamFG, § 3 Abs 2 GBO, § 3 Abs 3 GBO, § 53 Abs 1 GBO, Art 6 WasG BY, Art 7 WasG BY,
Art 8 WasG BY, Art 9 WasG BY, § 4 Abs 5 WHG

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München -
Grundbuchamt - vom 24. Januar 2014 wird zurückgewiesen.
II. Beschwerdewert: 1.270 €.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 1 ist nach aktueller Grundbuchlage (Bl. 36639) Eigentümerin eines Grundstücks,
beschrieben als Landwirtschaftsfläche (FlSt 12785 = 1998 m²; FlSt 12785/3 = 3068 m²) bzw.
Erholungsfläche (FlSt 12785/4 = 421 m²). Die Eintragung vom 23.5.2011 ergibt sich nach
Zerlegung des ursprünglich als ein Flurstück (12785) vorgetragenen Grundstücks aufgrund
Fortführungsnachweis (FN) 4307. Nach dessen Kartenbeilage schließen sich im Nordosten das
Flurstück 12784, im Südwesten die Flurstücke 12784/6 und 12784/7 an. Die Flurstücke 12785 und
12785/3 zerschneidet das schlauchförmige Flurstück 12784/5 (254 m²), das eine Verbindung
zwischen den Flurstücken 12784 und 12784/6 herstellt. Die letztgenannten drei Flurstücke stehen
im Eigentum der Landeshauptstadt M. (der Beteiligten zu 2) und sind im Grundbuch (Bl. 36638)
ebenfalls unter einer laufenden Nummer gebucht.
1. Die Beteiligte zu 1 meint, im Jahr 2011 sei das Grundstück FlSt 12784/5 neu gebildet und die
Beteiligte zu 2 als Eigentümerin desselben zu Unrecht im Grundbuch eingetragen worden.
Tatsächlich stehe aber ihr das Eigentum zu. Es solle sich nach Angaben der Beteiligten zu 2 um
einen vormaligen Bachlauf handeln, was die Beteiligte zu 1 selbst nicht bestätigen könne, weil sie
den Grundbesitz erst Anfang 1993 erworben habe. Wenn die Fläche aber eine durch künstliche
Einwirkung entstandene Verlandung sei, sei das ehemalige Gewässer Bestandteil der
Ufergrundstücke, die der Beteiligten zu 1 gehörten.
Die Beteiligte zu 1 hat deshalb beantragt, zu ihren Gunsten im Grundbuch einen Widerspruch
gegen die Richtigkeit einer auf die Beteiligte zu 2 erfolgten Umschreibung des Eigentums zu FlSt
12784/5 einzutragen, hilfsweise - im Weg der Beschwerde gegen die Änderungseintragung vom
23.5.2011 - die Eintragung des Flurstücks 12784/5 zugunsten der Beteiligten zu 2 als Eigentümerin
zu löschen. Durch die „Neuschaffung“ des Grundstücks FlSt 12784/5 sei die Verwertbarkeit ihres
eigenen einheitlichen Grundbesitzes nahezu unmöglich geworden.
2. Die vom Grundbuchamt beteiligte Landeshauptstadt M. (Beteiligte zu 2) hat im Wesentlichen
vorgebracht:
Die chronologische Betrachtung der Katasterauszüge (VN 3642, FN 4237, FN 4307) lasse
erkennen, dass an dieser Stelle der sogenannte Kunstmühlennebenbach I über Jahre hinweg im
Liegenschaftskataster als eigenes Flurstück geführt worden sei.
Das Eigentum der Beteiligten zu 2 ergebe sich nicht nur aus dem Grundbucheintrag, sondern auch
aus verschiedenen historischen Dokumenten, u. a. schon aus dem Kartenstand von (ca.) 1808 und
dem Umstand, dass der Königlich Bayerische Staatsärar im Jahr 1903 die Plannummer 12791
(“Der Floßbach“ = Kunstmühlennebenbach I) an die Stadt zu vollem Eigentum überlassen habe.
Durch die Art der Verlandung des ursprünglichen Gewässers habe sich an der Eigentumszuordnung
nichts geändert (vgl. Art. 8 und 9 BayWG). Denn natürlich verlandet sei es nicht. Vielmehr sei der
Bach um 1916 oder wenig später künstlich verlandet, nämlich zugeschüttet worden.
Die Aktivitäten des Vermessungsamts im Jahr 2011 beruhten allein auf katasterrechtlichen
Vorgaben - Unzulässigkeit bis dahin gebräuchlicher „Zugehörigkeitshaken“ zur Verbindung
räumlich getrennter Flurstücke -, hätten jedoch keinerlei sachlich-rechtliche Auswirkungen auf
davon betroffene Grundstücke.
3. Das Grundbuchamt hat am 24.1.2013 den Antrag zurückgewiesen. Ein Amtswiderspruch sei
nicht einzutragen, weil eine Eintragung unter Verletzung von gesetzlichen Vorschriften nicht
vorgenommen worden sei. Die Zerlegung durch FN 4307 habe keine rechtliche Teilung des
Grundstücks bewirkt. Vielmehr habe es sich bei den südwestlichen und nordöstlichen Teilflächen
von FlSt 12785 (fälschlich bezeichnet mit 12875) um räumlich getrennt liegende Flurstücksteile
gehandelt, deren Zusammengehörigkeit nicht mehr durch sogenannte „Zugehörigkeitshaken“
gekennzeichnet werden dürfe. Das Flurstück 12874/5 sei nicht durch Zerlegung von FlSt 12875
(richtig: 12785) entstanden, sondern habe bereits vorher existiert, nämlich infolge Zerlegung des
Flurstücks 12874 im Jahr 2008 (FN 4237). Des weiteren hat sich das Grundbuchamt auf die
Eigentumshistorie des „Auer Mühlbachs einschließlich seiner Nebenarme“ bezogen. Das
Grundbuchamt habe den Verwaltungsakt in Gestalt des Veränderungsnachweises im Grundbuch
ohne weiteres zu vollziehen, dabei allerdings zu prüfen, ob der Vollzug eine Rechtsänderung
herbeiführe. Das sei hinsichtlich der Eigentumslage nicht der Fall. Welche Rechtsfolgen mit den
tatsächlichen Veränderungen wie etwa einer Verlandung des Baches entstanden seien, obliege nicht
der grundbuchamtlichen Prüfung.
4. Gegen die zurückweisende Entscheidung des Grundbuchamts richtet sich die Beschwerde der
Beteiligten zu 1. Sie bringt im Wesentlichen vor, dass die Landeshauptstadt niemals Eigentümerin
an dem Bachgrundstück geworden sein könne. Für die Beteiligte zu 1 spreche hingegen
Art. 6 BayWG. Soweit sich die Beteiligte zu 2 für ihr Eigentum auf Unterlagen aus dem Jahr 1903
beziehe, sei dies unbewiesen; zudem sei nicht dargelegt, in wessen Eigentum der Auer Mühlbach
und seine Nebenarme vor dem 1.7.1903 gestanden hätten. Ferner sei nicht belegt, dass der
Kunstmühlennebenbach I tatsächlich ein Nebenarm des Auer Mühlbachs gewesen sei.
Schließlich folge aus weiteren Unterlagen (Schreiben des Kommunalreferats vom 20.5.1968;
Schreiben des Architekten G. vom 5.1.1982 mit Besprechungsnotiz vom 23.12.1981), dass die
Beteiligte zu 2 selbst nicht von ihrer Eigentümerstellung an der fraglichen Fläche ausgehe.
Jedenfalls habe sie ihre Eigentümerstellung nicht nachgewiesen.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II.
Die Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, im Zug der Katasterfortschreibung im Jahr 2011 sei das
Eigentum an dem fragliche Flurstück auf die Landeshauptstadt gebucht worden, was aber
möglicherweise schon im Jahr 2008 bei einer damals vorgenommenen Zerlegung geschehen sei.
Ersichtlich stellt die Beteiligte zu 1 die Eigentümerstellung der Beteiligten zu 2 unter jedem
denkbaren Gesichtspunkt in Frage, während sie selbst für sich das Eigentum beansprucht. Ihr
Hilfsantrag zielt auf die Löschung der Eigentümereintragung als unzulässig ab (vgl. § 53 Abs. 1 Satz 2 GBO).
1. Unter dem Gesichtpunkt, gegen die Eigentümereintragung der Beteiligten zu 2 an der im
Grundbuch als Grundstück eingetragenen Fläche vorzugehen (zum Grundstücksbegriff siehe Senat
vom 24.7.2009, 34 Wx 027/09 = Rpfleger 2009, 673), ist das Rechtsmittel gegen die Ablehnung
des Antrags auf Eintragung eines Widerspruchs (§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO; vgl. Demharter GBO
29. Aufl. § 53 Rn. 32) zulässig (§ 71 Abs. 2 Satz 2 GBO).
Die Beschwerdeberechtigung folgt daraus, dass sich die Beteiligte zu 1 selbst der
Eigentümerstellung berühmt, mithin einen Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB
geltend macht (OLG Hamm FGPrax 1996, 210; Demharter § 71 Rn. 69) und sie selbst die
Berechtigte wäre, also der Widerspruch für sie gebucht werden müsste. Weil es sich bei den
aufgeworfenen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten, die die Eigentümerstellung der
Beteiligten zu 1 anstelle des eingetragenen Eigentümers ergeben sollen, um sogenannte
doppelrelevante Tatsachen handelt (Budde in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 71 Rn. 64 und 71),
genügt die ernsthafte Möglichkeit einer Rechtsbeeinträchtigung (Senat vom 24.9.2010, 34 Wx
120/10 = NJW-RR 2010, 420; Budde in Bauer/von Oefele a. a. O.; Hügel/Kramer GBO 2. Aufl.
§ 71 Rn. 223).
2. Die mit diesem Ziel zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Denn es steht weder fest, dass die
Eigentümereintragung unter - objektiver - Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen
wurde, noch ist glaubhaft (Demharter § 53 Rn. 28), nämlich überwiegend wahrscheinlich, dass die
diesbezügliche Grundbucheintragung unrichtig ist.
a) Der öffentliche Glaube des Grundbuchs erstreckt sich auch auf die Eintragungen im
Bestandsverzeichnis, aus denen sich in Verbindung mit der dort in Bezug genommenen
Katasterkarte ersehen lässt, auf welchen Teil der Erdoberfläche sich das Eigentum bezieht (BGH
NJW-RR 2012, 336; 2013, 789). Der sich aus dem Liegenschaftskataster ergebende Grenzverlauf
wird von der Richtigkeitsvermutung des Grundbuchs (§ 891 BGB) mit umfasst (BGH NJW-RR
2006, 662; OLG Jena vom 14.3.2011, 9 W 599/10 bei juris; OLG Hamm RNotZ 2015, 23). Die
gesetzliche Vermutung des § 891 BGB gilt auch für das Grundbuchamt (Palandt/Bassenge BGB
74. Aufl. § 891 Rn. 1 m. w. N.), was bedeutet, dass es ein verzeichnetes eintragungsfähiges Recht in
den sich aus dem Liegenschaftskataster ergebenden Grenzen als bestehend hinzunehmen hat
(Meikel/Schneider GBO 11. Aufl. § 53 Rn. 35). Von sich aus ist das Grundbuchamt auch nicht
befugt, eine Eintragung ohne Bekanntwerden neuer Umstände nachträglich in Zweifel zu ziehen
(Meikel/Schneider a. a. O.).
b) Anders kann dies im Amtsverfahren nach § 53 GBO sein. Dort hat das Grundbuchamt die zur
Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen, auch unabhängig
von Anträgen und Anregungen beteiligter Personen, durchzuführen (§ 26 FamFG; siehe
BayObLGZ 1952, 24/28; 1975, 398/408; Demharter § 1 Rn. 67). Dies gilt gleichermaßen für das
Beschwerdegericht (Demharter § 77 Rn. 4). Allerdings gilt die Aufklärungs- und Ermittlungspflicht
auch im Amtsverfahren nur, soweit der Vortrag von Beteiligten oder der Sachverhalt dazu Anlass
bietet. Allen denkbaren Möglichkeiten muss nicht nachgegangen werden; vielmehr können die
Ermittlungen eingestellt werden, wenn ihre Fortsetzung ein die Entscheidung beeinflussendes
Ergebnis nicht mehr erwarten lässt (BayObLGZ 1979, 256/262; OLG Frankfurt FGPrax 1998, 62).
Schließlich ist das Grundbuchverfahren nicht dazu bestimmt, abschließend alle tatsächlichen
Zweifelsfragen zu klären und einem etwaigen Rechtsstreit vorzugreifen (etwa OLG Hamm
Rpfleger 1957, 117/119; Meikel/Schneider § 53 Rn. 37). So ist hier zu berücksichtigen, dass das
Verfahren im Wesentlichen ausgelöst wurde durch den Verdacht der Beteiligten zu 1, aufgrund der
vermessungstechnischen Zerlegung ihres Grundstücks (FN 4307) sei die fragliche Fläche gebildet
und unrichtig der Beteiligten zu 2 eigentumsrechtlich zugeordnet worden. Dieser erweist sich als
haltlos (siehe zu c). Soweit es aber um weiter in der Vergangenheit liegende Eintragungen im
Bestandsverzeichnis und in der Ersten Abteilung des Grundbuchs geht, etwa zu den
Eigentumsverhältnissen an der fraglichen Fläche, erscheint schon ein hinreichender Anlass zur
Aufnahme von Ermittlungen zweifelhaft; denn „ins Blaue hinein“ dürfen Amtsermittlungen nicht
geführt werden (BGH FGPrax 2011, 178; OLG Frankfurt FGPrax 2012, 89; Keidel/Sternal FamFG
18. Aufl. § 26 Rn. 17). Die von der Beteiligten zu 1 angesprochenen Zweifel und Lücken in der
Nachweisführung zum Eigentum der Beteiligten zu 2 sind insoweit keine „hinreichend konkreten
Umstände“. Jedenfalls unter Würdigung der von der Beteiligten zu 2 abgegebenen und mit
Dokumenten untermauerten Stellungnahme sowie der betreffenden Grundakten sind weitere
Ermittlungen mit dem Ziel, zugunsten der Beteiligten zu 1 einen Widerspruch einzutragen
(§ 53 Abs. 1 Satz 1 GBO), nicht zu führen.
c) Der den Grundbesitz (vormals FlSt 12785; Bl. 36639) der Beteiligten zu 1 betreffende FN 4307
(aus dem Jahr 2011) führte nur zu einer katastermäßigen Flächenzerlegung (in die Flurstücke
12785, 12785/3, 12785/4). Das zeigt sich im Vergleich der beiden Kartenbeilagen zu FN 4307
einerseits, FN 4237 andererseits. Eine materiell-rechtliche Wirkung kommt der Maßnahme nicht zu
(BayObLG MittBayNot 1980, 66; Palandt/Bassenge § 890 Rn. 8). Im Grundbuch selbst
(Bestandsverzeichnis Spalte 2) ist der Besitz weiterhin als ein Grundstück unter einer BV-Nummer
eingetragen (vgl. § 6 Abs. 2 GBV); die in Spalte 3a/b aufscheinenden unterschiedlichen Nummern
stellen nur die vermessungstechnische Bezeichnung dar. Es ist zulässig und nicht ungewöhnlich,
dass ein Grundstück im grundbuchtechnischen Sinne aus mehreren Flurstücken besteht (siehe Senat
vom 24.7.2009). Eine Abschreibung im Sinne einer materiell-rechtlichen Verselbstständigung von
Teilflächen des einheitlichen Grundstücks (Palandt/Bassenge § 890 Rn. 5 f.) hat aus diesem Anlass
nicht stattgefunden. Von dem genannten FN überhaupt nicht berührt wird die mit FlSt 12784/5
bezeichnete Fläche.
d) Soweit das Grundbuch zwischen lfd. Nr. 1 und lfd. Nr. 2 des Bestandsverzeichnisses eine
Flächendifferenz von 3 m² ausweist, beruht dies auf dem späteren Fortführungsnachweis 4309 mit
einer eine andere Örtlichkeit betreffenden Uferveränderung und Beschriebsberichtigung, die das
Grundbuchamt entsprechend seiner Verpflichtung, die Grundstücke im Grundbuch nach dem
Liegenschaftskataster zu bezeichnen und in Übereinstimmung mit diesem zu erhalten, zu
übernehmen hatte (vgl. § 2 Abs. 2 GBO; Nr. 4 BayGBGA).
e) Aus dem Fortführungsnachweis 4237 (aus dem Jahr 2008) ergibt sich schließlich, dass das
Flurstück 12784/5 schon vor der katastermäßigen Flächenzerlegung bestand und das damals mit
Flurstück 12785 einheitlich bezeichnete Grundstück der Beteiligten zu 1 durchschnitt. Zugeordnet
war es mit eigenständiger Flurnummer seit 27.5.2008 auch damals schon dem Grundbesitz der
Beteiligten zu 2, und zwar im Grundbuch vorgetragen als ein (einziges) Grundstück, dessen Fläche
bis dahin auch einheitlich als Flurstück 12784 bezeichnet war.
Zuvor war die fragliche Fläche als Flst 12791/4 bezeichnet und ging im Jahr 1990 in Flst 12784 auf
(VN 3642).
Das Flurstück 12791/4 ist durch Zerlegung des Grundstücks 12791 aufgrund VN 1003/67
entstanden und wurde so am 15.4.1969 im Grundbuch eingetragen.
Das Flurstück 12791 wiederum war als „Der Floßbach“ im Bestandsverzeichnis (Nr. 38)
vorgetragen. Seit Anlegung der Grundbücher ist nicht ersichtlich, dass als Eigentümer ein anderer
als die Beteiligte zu 2 ausgewiesen gewesen wäre.
f) Aus der (früheren) Gewässereigenschaft des Flurstücks ergibt sich nichts anderes.
(1) Wasserläufe sind sogenannte buchungsfreie Grundstücke (siehe § 3 Abs. 2 GBO). Ist ein
solches aber gebucht, ist es nur auf Antrag des Eigentümers auszubuchen (vgl. § 3 Abs. 3 GBO;
Demharter § 3 Rn. 20), was hier zudem die (tatsächliche) Realteilung des unter Bl. 36638
vorgetragenen (grundbuchrechtlich einheitlichen) Grundstücks erfordern würde. Die Vorschriften
der Art. 6 bis 9 BayWG stellen keine Eigentumsvermutungen auf. Vielmehr treffen sie eine
verbindliche Eigentumszuordnung, die dem Landesrecht vorbehalten blieb (vgl. § 4 Abs. 5 WHG).
Art. 6 BayWG gilt allerdings nur, wenn das fließende Gewässer kein selbstständiges Grundstück
bildet, was der Fall ist, wenn die Fläche des Gewässerlaufs als solche nicht gebucht ist. Andernfalls
bedarf es für die Abgrenzung zu Nachbargrundstücken keiner gesonderten wasserrechtlichen
Regelung (Drost, Das neue Wasserrecht in Bayern, Stand Sept. 2014 Art. 6 Rn. 3). Bildet das
Gewässer hingegen - ggf. auch mit eigener Flurnummer - die Teilfläche eines anderen Grundstücks,
kann es nicht Bestandteil der Ufergrundstücke sein. Insoweit ist allein der Inhalt des Grundbuchs
maßgeblich (Drost Art. 6 BayWG Rn. 5; Schwendner in Sieder/Zeitler BayWG Stand März 2014
Art. 6 Rn. 12).
(2) Art. 9 BayWG ordnet Verlandungen, die durch künstliche Einwirkungen entstanden sind, dem
Eigentum des Gewässereigentümers zu. Insoweit weicht die aktuelle Regelung von der
verfassungsrechtlich bedenklichen Vorläuferregelung in Art. 10 Satz 1 WG (1907) ab, wonach
künstlich erzeugte Verlandungen Eigentum des Unternehmers der Maßnahme wurden (siehe Drost
Art. 9 BayWG Rn. 2). Die Regelung wurde erst durch die wasserrechtliche Novelle 1962
aufgehoben. Unterstellt man den Umstand, dass der ehemalige Bachlauf bereits 1880 vorhanden
war und erst um die Zwanziger-Jahre des vergangenen Jahrhunderts (siehe die vorgelegte
Korrespondenz zwischen dem Kommunalreferat und dem Baureferat der Beteiligten zu 2 vom
April/Juni 1968) zugeschüttet wurde, lässt sich bei durchgängig seit Anlegung des Grundbuchs
vermerktem Eigentum der Beteiligten zu 2 an demselben für die Beteiligte zu 1 eigentumsrechtlich
nichts herleiten. Dafür, dass sie als „Unternehmer der Maßnahme“ die Verlandung herbeigeführt
hätte und nach altem Rechtszustand Eigentümerin geworden wäre, ist nichts ersichtlich.
(3) Im Fall einer natürlichen Verlandung - wofür Tatsachen gänzlich fehlen - kommt es hingegen
bei selbstständigen Gewässergrundstücken (wie diesem) zu einem Eigentumszuwachs der
Ufergrundstücke (Art. 8 Abs. 3 BayWG). Entsprechende Regelungen fanden sich bereits in den
Vorgängernormen (Drost Art. 8 BayWG Rn. 2). Die fragliche Abgrenzung ist auch in der bereits
angesprochenen Korrespondenz zwischen dem Kommunalreferat und dem Baureferat der
Beteiligten zu 2 zutreffend erwähnt.
g) Es ist - auch als Auslöser für weitere Amtsermittlungen - nicht hinreichend, die von der
Beteiligten zu 2 mit Dokumenten unterlegte Historie in Frage zu stellen, etwa dass Belege für einen
Eigentumserwerb der Beteiligten zu 2 an der Fläche des ehemaligen Baches fehlten, die Identität
des Kunstmühlennebenbachs als Nebenarm des Auer Mühlbachs nicht nachgewiesen sei und
Unterlagen des Städtischen Bauamts, welche diesen bereits im Jahr 1909 eigentumsrechtlich der
Stadtgemeinde zuordnen, nicht aussagekräftig seien. Mit derartigen Zweifeln lässt sich nämlich
eine Gesetzesverletzung des Grundbuchamts bei Eintragung des Eigentums nicht belegen; auch
machen sie es - ohne Tatsachengrundlage - nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Grundbuch
insoweit unrichtig ist (vgl. BayObLG Rpfleger 1987, 101).
h) Hieraus folgt schließlich, dass eine Amtslöschung (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO), wie hilfsweise
begehrt, ebenfalls ausscheidet, zumal die beanstandete Eintragung des Grundstücks mit dem
bezeichneten Eigentümer ihrem Inhalt nach nicht inhaltlich unzulässig ist, mag sie auch - hier
einmal unterstellt - möglicherweise falsch sein. Namentlich ist die fragliche Fläche als solche
buchbar.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Landeshauptstadt M. hat sich am
Beschwerdeverfahren nicht mit entgegengesetzten Anträgen beteiligt.
Der Geschäftswert wird gemäß § 79 Abs. 1 GNotKG festgesetzt. Er bemisst sich nach dem Wert
der beanspruchten Grundstücksfläche. Der Senat übernimmt insoweit die plausible Bewertung
durch das Grundbuchamt.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

09.03.2015

Aktenzeichen:

34 Wx 39/14

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Normen in Titel:

FamFG § 26; GBO §§ 3, 53 Abs. 1; BGB §§ 890, 891; BayWG Artt. 6, 7, 8, 9