Kostentragung bei Klage auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
letzte Aktualisierung: 3.8.2023
OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.6.2023 – 3 W 57/23
Kostentragung bei Klage auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses
Erklärt der Rechtsanwalt des Auskunftsverpflichteten, einen Notar mit der Erstellung eines
Nachlassverzeichnisses beauftragt zu haben, so darf der Auskunftsberechtigte objektiv davon
ausgehen, auch ohne Anrufung der Gerichte zu seinem Recht zu kommen. Eine Klageerhebung nur
drei Monate später ist verfrüht, weil der Auskunftsverpflichtete keinen Anlass zur Erhebung einer
Klage i. S. d.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt als Pflichtteilsberechtigte von der Beklagten als Erbin Auskunft über den Nachlassbestand des Erblassers.
Mit vorprozessualem Schreiben vom 06.10.2022 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen. Sie setzte eine Frist zur Anzeige der Beauftragung eines Notars bis zum 01.11.2022. Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 21.11.2022 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie am 27.10.2022 den Notar U. K. mit der Anfertigung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt habe.
Die am 25.01.2023 bei Gericht eingegangene Klage wurde der Beklagten am 20.02.2023 zugestellt. Innerhalb der bis zum 25.05.2023 laufenden Klageerwiderungsfrist, erkannte die Beklagte mit dem am 10.05.2023 eingegangenen Schriftsatz den Anspruch der Klägerin unter Verwahrung gegen die Kostenlast an.
Mit Anerkenntnisurteil vom 17.05.2023 hat das Ausgangsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.
Zur Begründung der Kostenentscheidung hat es ausgeführt, es handele sich um ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von
Gegen die Kostenentscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde.
Sie vertritt die Auffassung, sie habe davon ausgehen dürfen, dass ein erheblicher Widerwille auf Seiten der Beklagten vorhanden sei, die geforderte Auskunft zu erteilen. Bereits die gesetzte Frist zur Mitteilung, dass ein Notar beauftragt worden sei, sei um fast einen Monat überschritten worden. Zudem sei die Mitteilung ohne jeden Nachweis erfolgt. Bis zur Klageerhebung fast drei Monate später sei keine weitere Rückmeldung der Beklagten erfolgt. Die Klägerin habe, nachdem die Frist zum 01.11.2022 verstrichen gewesen sei, den Versuch einer außergerichtlichen Klärung unternommen. Die Beklagte habe ihr daraufhin ein auf den 18.11.2022 datiertes Schreiben übersandt, mit welcher diese die Auskunftspflicht verneint habe, indem sie formuliert habe, dass eine Einsichtnahme in Unterlagen für sie nicht verpflichtend sei. Vor diesem Hintergrund habe die Beklagte sehr wohl durch ihr Verhalten den Eindruck hinterlassen, zur Auskunftserteilung nicht bereit zu sein. Nachdem nach diesem Schreiben bis zur Klageerhebung keine weitere Rückmeldung der Beklagten erfolgt sei, habe sie davon ausgehen können, dass eine Anspruchserfüllung nicht mehr erfolge.
II.
Die nach §§ 99 Abs. 2 Satz 1, 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil hat in der Sache keinen Erfolg.
Eine Partei gibt Anlass zur Erhebung einer Klage, wenn ihr vorprozessuales Verhalten aus Sicht des Klägers bei vernünftiger Betrachtung hinreichenden Anlass zu der Annahme bietet, er werde ohne Inanspruchnahme der Gerichte nicht zu seinem Recht kommen (Flockenhaus in Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl., § 93 Rn. 2, 25 mwN). Hierzu sind die gesamten Umstände des Einzelfalls unter Berücksichtigung von Treu und Glauben zu bewerten.
Gemessen daran ist das Landgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat.
Die Klägerin hatte die Beklagte erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 06.10.2022 zur Erteilung eines notariellen Nachlassverzeichnisses aufgefordert und für die Anzeige der Beauftragung eine Frist bis zum 01.11.2022 gesetzt. Dem entsprach die Beklagte zwar zunächst nicht; ihr Prozessbevollmächtigter teilte dem Vertreter der Beklagten allerdings mit Schreiben vom 21.11.2022 mit, dass am 27.10.2022, also innerhalb der von der Klägerin gesetzten Frist, ein Notar mit der Erstellung des Nachlassverzeichnisses beauftragt worden sei. Es bestand für die Klägerin keine Veranlassung, diesen Angaben der Beklagten zu misstrauen. Beide Parteien hatten bereits vorprozessual Rechtsanwälte mit ihrer Interessenvertretung beauftragt. Die Mitteilung, dass der Notar beauftragt worden ist, erfolgte durch anwaltlichen Schriftsatz. Diesen Angaben des Rechtsanwaltes als Organ der Rechtspflege keinen Glauben zu schenken, bestand keine Veranlassung, selbst wenn ein Nachweis der Beauftragung nicht beigefügt war. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des im Beschwerdeverfahren eingereichten persönlichen Schreibens der Beklagten vom 18.11.2022. Zum einen datiert dieses vor dem anwaltlichen Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.11.2022. Zum anderen ist diesem Schreiben auch keine Weigerung zur Aufnahme eines notariellen Nachlassverzeichnisses zu entnehmen.
Nach dieser Mitteilung vom 22.11.2022 konnte die Klägerin deshalb davon ausgehen, dass die Beklagte alles Notwendige zur Erfüllung ihres Anspruchs in die Wege geleitet hatte, um den Anspruch der Klägerin zu erfüllen. Bei vernünftiger Betrachtung konnte die Klägerin diesem Schreiben des Beklagtenvertreters entnehmen, dass sie auch ohne Anrufung der Gerichte zu ihrem Recht kommen werde.
Die Klageerhebung nur drei Monate später, ohne sich zuvor nach dem Stand der notariellen Tätigkeit zu erkundigen, war danach verfrüht. Für die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses ist dem Erben regelmäßig ein Zeitraum von jedenfalls drei bis vier Monaten zuzubilligen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.02.2020, 7 W 92/19;: Weidlich
Die Kostenentscheidung beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:16.06.2023
Aktenzeichen:3 W 57/23
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 2314; ZPO § 93