OLG Hamburg 14. Oktober 2019
2 W 72/19
BGB §§ 1836 Abs. 1, 1915 Abs. 1, 1962; VBVG § 3 Abs. 1 Nr. 2; InsO §§ 209 Abs. 1, 324 Abs. 1 Nr. 4

Zur Vergütung eines berufsmäßigen Nachlasspflegers

letzte Aktualisierung: 09.07.2020
OLG Hamburg, Beschl. v. 14.10.2019 – 2 W 72/19

BGB §§ 1836 Abs. 1, 1915 Abs. 1, 1962; VBVG § 3 Abs. 1 Nr. 2; InsO §§ 209 Abs. 1, 324 Abs. 1
Nr. 4
Zur Vergütung eines berufsmäßigen Nachlasspflegers

Bei nicht vollständig mittellosem Nachlass kommt es zu einer gespaltenen Vergütung des
berufsmäßigen Nachlasspflegers; in Höhe des verfügbaren Nachlasses ist sie diesem zu dem
(höheren) Stundensatz gemäß § 1915 Abs. 1 BGB zu entnehmen, im Übrigen ist die Vergütung
gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 VBVG gegen die Staatskasse festzusetzen. Bezüglich der Frage, inwieweit
bei der Bemessung der Vergütung gemäß § 1915 Abs. 1 BGB Nachlassverbindlichkeiten zu
berücksichtigen sind, ist die Rangfolge des § 324 InsO zu beachten. Danach sind die Gerichtskosten
des Nachlassverfahrens im Verhältnis zur Vergütung des Nachlasspflegers gleichrangig und anteilig
abzuziehen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, in welcher Höhe die Vergütung von Nachlasspflegern
bei einem Aktivnachlass, der die Summe aus offenen Gerichtskosten und den Kosten der
Nachlasspflegschaft nicht deckt, zu dem (höheren) Stundensatz für bemittelte Nachlässe
aus dem Nachlass zu entnehmen ist.

Der beschwerdeführende Rechtsanwalt wurde mit Beschluss des Nachlassgerichts vom
11.12.2017 als berufsmäßiger Nachlasspfleger für die unbekannten Erben des Erblassers
eingesetzt.

Die Bankguthaben des Erblassers bei der X ... Bank und ein bei dieser Bank vorhandener
Genossenschaftsanteil des Erblassers wurden gegen höhere Kreditverbindlichkeiten des
Erblassers verrechnet. Der Beschwerdeführer beglich zudem die Gerichtskostenrechnung
2017/2018 in Höhe von 200 €. Weitere Forderungen von Nachlassgläubigern befriedigte
der Beschwerdeführer nicht.

Mit Schreiben vom 5.2.2019 teilte der Beschwerdeführer mit, dass er noch einen
abwicklungsreifen Restnachlass von 2.183,67 € verwalte und bei ihm für die
Nachlassverwaltung ein Zeitaufwand in Höhe von 28,92 Stunden entstanden sei; eine
entsprechende Zeitaufstellung fügte er bei. Er beantragte, die Pflegschaft aufzuheben und
unter Anrechnung des Restnachlasses eine Schlussvergütung und eine Kostenpauschale in
Höhe von 20 €, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, gegen die Staatskasse festzusetzen.
Mit Kostenrechnung vom 8.3.2019 stellte das Nachlassgericht dem Beschwerdeführer
Gerichtskosten (Jahresgebühr für 2019 bei Nachlasspflegschaft gemäß §§ 3, 34 GNotKG)
in Höhe von 200 € in Rechnung. Die Kostenrechnung wurde bislang nicht beglichen.
Weiter setzte das Nachlassgericht nach Anhörung der Beteiligten zu 2) mit
Festsetzungsbeschluss vom 9.4.1029 die aus dem Nachlass zu zahlende Vergütung des
Beschwerdeführers auf 1.983,67 € und eine weitere, aus der Staatskasse zu zahlende
Vergütung in Höhe von 461,64 € fest. Dabei erkannte es die abgerechnete Stundenzahl von
28,92 mit einem grundsätzlichen Stundensatz von 95 € an. Aus dem Nachlass sei nach
Abzug der offenen Gerichtskosten in Höhe von 200 € und der Kostenpauschale von brutto
23,80 € allerdings nur noch ein Betrag von 1959,67 € bzw. umgerechnet 17,34 Stunden zu
decken. Die weiteren 11,58 Stunden seien aus der Staatskasse zu einem Stundensatz von
33,50 € zu erstatten. Mit Beschluss vom gleichen Tage hob das Nachlassgericht die
Nachlasspflegschaft auf.

Gegen diesen Beschluss, der dem Beschwerdeführer am 12.4.2019 zugestellt wurde,
wandte er sich mit seiner am 25.4.2019 beim Nachlassgericht eingegangenen Erinnerung.
Darin machte er geltend, dass die Gerichtskosten nicht vor der Berechnung seiner aus dem
Nachlass zu erstattenden Vergütung abzuziehen seien.

Die Beteiligte zu 2) verteidigte die Entscheidung des Nachlassgerichts. Die Gerichtskosten
seien mit Beginn des Kalenderjahrs 2019 entstanden und fällig geworden. Sie seien zum
Zeitpunkt der Entscheidung des Nachlassgerichts über den Vergütungsfestsetzungsantrag
des Beschwerdeführers durch die Kostenrechnung vom 8.3.2019 auch bereits erhoben
worden. Es sei unbillig, wenn der Nachlasspfleger eine offene Kostenrechnung bewusst
zunächst nicht bediene, um dadurch in den Genuss einer höheren Vergütung zu gelangen.
Mit Beschluss vom 21.8.2019 wies der Nachlassrichter die Erinnerung des
Beschwerdeführers zurück und ließ zugleich die Beschwerde zu. Bei notleidendem
Nachlass sei zur Ermittlung der Höhe der aus dem Nachlass zu deckenden Vergütung des
Nachlasspflegers zwar grundsätzlich allein vom Aktiv-Nachlassvermögen auszugehen. Da
der Nachlasspfleger jedoch seiner Verpflichtung, aus dem Nachlass die offenen
Verbindlichkeiten zu bezahlen, mit Blick auf die Gerichtskostenrechnung 2019 nicht
nachgekommen sei, sei das Nachlassgericht befugt gewesen, die Nachlasspflegschaft bis
zur Begleichung der Forderung weiterlaufen zu lassen. Dass dies nicht erfolgt, sondern zur
Vereinfachung sogleich eine Abrechnung vorgenommen worden sei, bei der die
Kostenrechnung als bereits bezahlt behandelt worden sei, sei nicht zu beanstanden. Damit
sei zudem zusätzlicher Aufwand für den Nachlasspfleger vermieden worden. Soweit in der
Rechtsprechung vertreten werde, dass bestehende Nachlassverbindlichkeiten bei der
Berechnung des aus dem Nachlass zu befriedigenden Vergütungsanspruchs des
Nachlasspflegers nicht anzurechnen seien, um eine Benachteiligung der Staatskasse
gegenüber sonstigen Nachlassgläubigern zu vermeiden, treffe diese Überlegung auf den zur
Entscheidung stehenden Fall nicht zu. Es gehe hier nämlich nicht um Forderungen anderer
Nachlassgläubiger, sondern um staatliche Ansprüche. Die Berechnung der
Nachlasspflegervergütung aus dem Aktivnachlass ohne Berücksichtigung dieser Ansprüche
führe wegen des insoweit anzuwendenden höheren Stundensatzes zu einem Nachteil für die
Staatskasse. Eine gesetzliche Wertung dahingehend, dass die Vergütung des
Nachlasspflegers gegenüber den Gerichtskosten vorrangig sei, existiere nicht, vielmehr
seien gemäß § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO alle Kosten der Nachlasspflegschaft gleichrangig.
Gegen diesen Beschluss, der dem Nachlasspfleger am 24.8.2019 zugestellt wurde, wendet
er sich mit seiner am 2.9.2019 beim Nachlassgericht eingereichten Beschwerde. Zur
Begründung führt er aus, dass die Gerichtskosten und die Vergütungsansprüche des
Nachlasspflegers zumindest gleichrangig seien, wobei die Frage, welcher der Ansprüche
bei unzureichendem Nachlass zuerst zu befriedigen sei, jedoch nicht von der zeitlichen
Reihenfolge zwischen dem Vergütungsantrag des Nachlasspflegers und der gerichtlichen
Kostenrechnung abhängen könne, um einen „Wettlauf“ zwischen Gericht und
Nachlasspfleger zu vermeiden. Richtigerweise sei der Vergütungsanspruch des
Nachlasspflegers im Verhältnis zu den Gerichtskosten allerdings sogar als vorrangig zu
behandeln. Denn bei der Nachlasspflegschaft handele es sich um eine Maßnahme, die auf
der Fürsorgepflicht des Staates für herrenlose Nachlässe beruhe. Diese schließe die
staatliche Verantwortung für eine angemessene Vergütung des Nachlasspflegers ein.

II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist wegen der Zulassung der Beschwerde durch das
Nachlassgericht unabhängig vom Beschwerdewert statthaft. Die Beschwerdefrist ist
gewahrt.

In der Sache hat die Beschwerde nur zum Teil Erfolg.

Gemäß §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 1 BGB bestimmt sich die Höhe der Vergütung
berufsmäßiger Nachlasspfleger nach den für die Führung der Pflegschaftsgeschäfte
nutzbaren Fachkenntnissen des Pflegers sowie nach dem Umfang und der Schwierigkeit der
Pflegschaftsgeschäfte, sofern der Pflegling nicht mittellos ist; hinsichtlich der
Mittellosigkeit ist dabei auf den Nachlass, nicht auf die Person des Erben abzustellen (KG,
B. v. 15.11.1994, 1 W 3454/94 (juris); OLG München, B. v. 8.3.2006, 33 Wx 131/05, Rn.
17 (juris)). Die Vergütung wird vom Nachlassgericht (§ 1962 BGB) im Rahmen einer
Ermessensentscheidung festgesetzt. Gegen den im vorliegenden Fall festgesetzten
Stundensatz von netto 95 € und den abgerechneten Zeitaufwand von 28,92 Stunden haben
weder der beschwerdeführende Nachlasspfleger noch die Staatskasse Einwendungen
erhoben. Bedenken sind insoweit auch nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer hatte für die
Führung der Nachlasspflegschaft seine berufliche Qualifikation als Rechtsanwalt
einzusetzen.

Bei mittellosem Nachlass ist die Höhe der Vergütung auf die sich aus § 3 Abs. 1 VBVG
ergebenden Sätze beschränkt. Da die Nachlasspflegschaft bereits im April 2019 endete, ist
die vor dem 1.7.2019 geltende Fassung des VBVG anzuwenden. Danach betrug die
Vergütung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 VBVG (bei durch abgeschlossene Hochschulausbildung
erworbenen, für die Pflegschaft nutzbaren Kenntnissen des Pflegers) 33,50 € zuzüglich
Umsatzsteuer.

Dem Nachlassgericht ist zunächst darin zuzustimmen, dass es bei nicht vollständig
mittellosem, aber zur Deckung der vollen Vergütung gemäß § 1915 Abs. 1 BGB nicht
ausreichendem Nachlass - wie hier - zu einer gespaltenen Vergütung kommt. In Höhe des
verfügbaren Nachlasses ist die Vergütung diesem zu dem gemäß § 1915 Abs. 1 BGB
ermittelten Stundensatz zu entnehmen. Im Übrigen ist sie in Höhe des Satzes gemäß § 3
Abs. 1 Nr. 2 VBVG gegen die Staatskasse festzusetzen (OLG Frankfurt, B. v. 29.6.2018, 21
W 75/18, Rn. 20 (juris); OLG Stuttgart, B. v. 29.5.2017, 8 W 110/17 (juris); a.A. wohl
BayObLG, B. v. 8.2.2000, 1 ZBR 150/99, Rn. 19,23). § 1836d BGB sieht für die
Vormundschaft zwar vor, dass der Mündel bereits dann als mittellos gilt, wenn er die
Vergütung des Vormunds aus seinem Vermögen nicht oder nur zum Teil aufbringen kann.
Diese Vorschrift ist jedoch, wie das OLG Frankfurt (a.a.O., Rn. 22 ff. m.w.N.) überzeugend
begründet hat, auf die Vergütungsansprüche von Nachlasspflegern nicht entsprechend
anwendbar. Nach ihrer gesetzlichen Begründung (BT-Drucks. 13/7158, S. 17) soll sie den
Vormund davor bewahren, seinen Vergütungsanspruch mit im einzelnen unsicheren
Erfolgsaussichten teils gegen den Betroffenen, teils gegen die Staatskasse geltend machen
zu müssen. Diese Überlegung lässt sich auf die Nachlasspflegschaft nicht übertragen. Zum
einen ist das vorgenannte Risiko bei einem - unter der vollen Kontrolle des Pflegers
befindlichen - Nachlass nicht gegeben, zum anderen würde sich die auf den Schutz des
Vormunds / Pflegers abzielende Vorschrift zweckwidrig zu dessen Nachteil auswirken,
wenn sie dazu führen würde, dass der Pfleger bei nicht auskömmlichem Nachlass seine
Tätigkeit nur nach dem geringeren Vergütungssatz gemäß § 3 Abs. 1 VBVG abrechnen
könnte. Hinzu kommt, dass im Fall der Anwendung des § 1836d BGB bei knapp
auskömmlichem Nachlass weitere notwendige Tätigkeiten des Nachlasspflegers sachwidrig
zu einer Absenkung seiner Gesamtvergütung führen könnten (OLG Stuttgart, a.a.O., Rn. 8).
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Mittellosigkeit des Nachlasses ist derjenige
der letzten Entscheidung in der Tatsacheninstanz (OLG Düsseldorf, B. v. 25.9.2012, 3 Wx
308/11, Rn. 23 (juris); OLG Karlsruhe, B. v. 31.10.2014, 14 Wx 56/13, Rn. 18 (juris); s.a.
BGH, B. v. 19.8.2015, XII ZB 314/13, Rn. 6, 8 (juris) zur Betreuervergütung; ohne
Festlegung insoweit OLG München, a.a.O., Rn. 12 und OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 16).
Abzustellen ist grundsätzlich auf den Aktivnachlass ohne Abzug der
Nachlassverbindlichkeiten (BayObLG, a.a.O., Rn. 23; OLG München, a.a.O., Rn. 19; OLG
Frankfurt, a.a.O., Rn. 19; OLG Karlsruhe, a.a.O., Rn. 17; OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 23).
Dies folgt entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt allerdings nicht daraus, dass die
Feststellung der Mittellosigkeit auf der Rechnungslegung des Nachlasspflegers beruhe, die
ihrerseits gemäß §§ 1841, 1915 BGB nur die tatsächlichen Mittelzu- und -abflüsse zu
erfassen habe. Denn die Rechnungslegung des Nachlasspflegers bezieht sich
(zeitraumbezogen) auf dessen Handlungen und ist von einer (stichtagsbezogenen)
Vermögensbewertung, auf deren Basis über die Frage des Mittellosigkeit zu entscheiden ist,
zu trennen. Zweifellos sind bei der Beurteilung des Nachlasswerts Bankguthaben und
andere Forderungen auch dann zu berücksichtigen, wenn sich diese nicht durch
Verfügungen des Nachlasspflegers verändert haben. Daher ergibt sich aus dieser
Überlegung umgekehrt auch nicht, dass Verbindlichkeiten unberücksichtigt zu bleiben
hätten.

Entscheidend ist vielmehr, dass der Abzug der Nachlassverbindlichkeiten trotz einer die
Kosten der Nachlasspflegschaft deckenden Aktivmasse zur Annahme der Mittellosigkeit
des Nachlasses und damit zur Vergütung des Nachlasspflegers aus der Staatskasse führen
könnte. Damit würde die in § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO festgelegte Rangfolge, die die Kosten
der Nachlasspflegschaft als Masseverbindlichkeiten und damit als vorrangig gegenüber
bloßen Insolvenzforderungen einstuft, ins Gegenteil verkehrt (BayObLG, a.a.O., Rn. 25;
OLG München, a.a.O., Rn. 20). Die Nachlassgläubiger würden gegenüber der Staatskasse
unangemessen privilegiert (OLG Karlsruhe, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Diese Überlegungen lassen sich entgegen der Auffassung des OLG Frankfurt (a.a.O., Rn.
19) auf die im vorliegenden Fall relevante Konkurrenz zwischen den Vergütungsansprüchen
des Nachlasspflegers und den Gebührenforderungen der Staatskasse, also zwischen zwei
gemäß § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO gleichrangigen Massegläubigern jedoch nicht übertragen.
Gleichrangige Masseverbindlichkeiten sind im Fall der Masseunzulänglichkeit gemäß §
209 Abs. 1 InsO vielmehr anteilig nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu befriedigen.
Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts lässt sich die vorrangige Befriedigung der
gerichtlichen Kostenforderungen nicht mit der Überlegung rechtfertigen, dass die Erfüllung
der Nachlassverbindlichkeiten zu den Aufgaben des Nachlasspflegers gehöre und das
Nachlassgericht wegen der noch offenen Forderung der Gerichtskasse befugt wäre, die
Nachlasspflegschaft bis zu deren Befriedigung weiterlaufen zu lassen. Denn der
Nachlasspfleger ist nicht unter allen Umständen zur Befriedigung der
Nachlassverbindlichkeiten verpflichtet. Ziel der Nachlasslasspflegschaft ist es in erster
Linie, den Nachlass für die Erben zu sichern. Liegt eine Masseunzulänglichkeit vor, ist die
Nachlasspflegschaft umgehend zu beenden, um eine weitere Überschuldung des Nachlasses
zu vermeiden. Bei der Verteilung der restlichen Aktivmasse hat sich der Nachlasspfleger an
§§ 209, 324 InsO zu orientieren, d.h. gleichrangige Masseverbindlichkeiten anteilig zu
befriedigen. Da eine Verpflichtung des Nachlasspflegers zur vorrangigen Berichtigung der
Gerichtskosten nicht besteht, ist das Nachlassgericht auch nicht befugt, die
Nachlasspflegschaft zu diesem Zweck aufrechtzuerhalten.

Andererseits ergibt sich aus §§ 209, 324 InsO auch kein Vorrang der Vergütungsforderung
des Nachlasspflegers gegenüber der offenen Kostenforderung des Gerichts, sondern
lediglich ein Gleichrang. Deshalb kommt es nicht in Betracht, die offenen Gerichtskosten in
Höhe von 200 € bei der Berechnung des aus dem Nachlass zu zahlenden Anteils der
Vergütung des Nachlasspflegers gänzlich unberücksichtigt zu lassen. Soweit der
Beschwerdeführer - zutreffend - darauf hinweist, dass der Staat gehalten sei, für eine
angemessene Vergütung des in Erfüllung des staatlichen Fürsorgeauftrages für herrenlose
Nachlässe tätig werdenden Nachlasspfleger Sorge zu tragen, wird dies bereits dadurch
sichergestellt, dass der Nachlasspfleger bei unzulänglichem Nachlass einen
Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse hat. Hingegen lässt sich der gesetzlichen
Regelung nicht entnehmen, dass der Staat verpflichtet sei, eigene gleichrangige
Forderungen zurückzustellen, um dem Nachlasspfleger den (höheren) Vergütungsanspruch
für bemittelte Nachlässe zu sichern.

Vor der Berechnung der Nachlasspflegervergütung in vollem Umfang abzuziehen sind
allerdings die bereits berichtigten Gerichtskosten für das Abrechnungsjahr 2017/2018.
Denn die aus der Insolvenzordnung zu entnehmenden Regeln zur Rangfolge von
Verbindlichkeiten beziehen sich nur auf noch offene Forderungen; kein Gläubiger - auch
nicht die Staatskasse - ist verpflichtet, Rückzahlungen auf erfüllte Forderungen zu leisten.
Andererseits kommt es auch nicht in Betracht, dem Nachlasspfleger, der den Nachlass
durch Erfüllung von Nachlassforderungen verbraucht hat, eine Vergütung aus der
Staatskasse mit der Begründung zu versagen, dass andernfalls die Gläubiger letztlich aus
der Staatskasse bezahlt würden (so jedoch OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 23; a.A. OLG
Karlsruhe, a.a.O., Rn. 18; OLG Frankfurt, a.a.O., Rn. 19). Diese Überlegung könnte
allenfalls im Rahmen eines gegen den Nachlasspfleger gerichteten
Schadensersatzanspruchs eine Rolle spielen. Der Nachlasspfleger ist jedoch gemäß §§
1915, 1833 BGB grundsätzlich nur den Erben gegenüber verantwortlich; in der
vorliegenden Konstellation kommt ein Schadensersatzanspruch der Staatskasse gegenüber
dem Nachlasspfleger überdies schon deshalb nicht in Betracht, weil sich der
Nachlasspfleger durch die Erfüllung der Forderung der Gerichtskasse für 2017/2018 zu
deren Vorteil lediglich selbst geschädigt hat.

Die Vergütung des Beschwerdeführers ist auf der vorstehenden Basis wie folgt zu
berechnen: Bei bemitteltem Nachlass würde dem Nachlasspfleger für die von ihm
aufgewendeten 28,92 Stunden eine Vergütung von 28,92 Std. x 95 € zzgl. MwSt. sowie eine
Kostenpauschale von 20 € zzgl. MwSt. zustehen, insgesamt damit ein Anspruch in Höhe
von 3.293,20 €. Zusammen mit der offenen Gerichtskostenforderung in Höhe von 200 €
ergeben sich insgesamt Masseforderungen in Höhe von 3.493,20 €, die sich aus dem
vorhandenen Nachlass in Höhe von 2.183,67 € nur anteilig in Höhe von jeweils 62,51 %
befriedigen lassen. Damit verbleibt für die Forderungen des Beschwerdeführer ein aus dem
Nachlass zu befriedigender Betrag von 2.058,65 €. Dieser enthält die Kostenpauschale von
23,80 € sowie 18,0 Arbeitsstunden zu dem o.g. Stundensatz von brutto 113,05 €. Die
verbleibenden 10,92 Arbeitsstunden sind zu dem Stundensatz von 33,50 € zzgl. MwSt, d.h.
in Höhe von 435,34 € gegen die Staatskasse festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG, die Entscheidung zum Gegenstandswert
auf § 61 GNotKG. Der Gegenstandswert wurde in Höhe des Betrages festgesetzt, den der
Nachlasspfleger bei Zugrundelegung seiner Rechtsauffassung gegenüber dem Ergebnis der
Vorinstanz zusätzlich erhalten würde.

Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zuzulassen. Angesichts der
unterschiedlichen Rechtsauffassungen verschiedener Oberlandesgerichte zur Bemessung
der Nachlasspflegervergütung bei nur teilweise auskömmlichem Nachlass und zur
Berücksichtigung offener bzw. beglichener Gerichtskosten bei der Berechnung der aus dem
Nachlass zu berichtigenden Vergütung des Nachlasspflegers ist eine Entscheidung des
Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamburg

Erscheinungsdatum:

14.10.2019

Aktenzeichen:

2 W 72/19

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Kostenrecht
Insolvenzrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

FGPrax 2020, 86-88
NJW-RR 2020, 520-523
ZEV 2020, 245

Normen in Titel:

BGB §§ 1836 Abs. 1, 1915 Abs. 1, 1962; VBVG § 3 Abs. 1 Nr. 2; InsO §§ 209 Abs. 1, 324 Abs. 1 Nr. 4