BGH 28. Mai 2025
XII ZB 395/24
BGB §§ 138 Abs. 1, 1408 Abs. 1, 1414

Inhaltskontrolle von Eheverträgen bei Unternehmerehen; Ausschluss des Zugewinnausgleichsanspruchs

letzte Aktualisierung: 4.7.2025
BGH, Beschl. v. 28.5.2025 – XII ZB 395/24

BGB §§ 138 Abs. 1, 1408 Abs. 1, 1414
Inhaltskontrolle von Eheverträgen bei Unternehmerehen; Ausschluss des Zugewinnausgleichsanspruchs

Zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen bei Unternehmerehen.

Gründe:

I.
Die Beteiligten streiten in einem zum Scheidungsverbund anhängig gemachten
Zugewinnausgleichsverfahren im Rahmen eines Stufenantrags darüber,
ob ein Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin wirksam durch
einen Ehevertrag ausgeschlossen worden ist.
Aus der Beziehung der Beteiligten ist zunächst eine 2008 geborene Tochter
hervorgegangen. Am 3. Dezember 2010 schlossen die Beteiligten einen notariell
beurkundeten Ehevertrag. Darin vereinbarten sie Gütertrennung und modifizierten
die gesetzlichen Regelungen zum nachehelichen Unterhalt. Insoweit
wurde der Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin mit
einer Wertsicherungsklausel
für mindestens die Hälfte der Ehedauer verbindlich auf monatlich 3.300 €
sowie ab einer Ehedauer von vier Jahren auf monatlich 5.000 € festgeschrieben.

Zugleich wurde vereinbart, dass im Falle eines Betreuungsunterhalts bis zur Vollendung
des siebten Lebensjahres des jüngsten gemeinsamen Kindes eine Erwerbsverpflichtung
der Antragsgegnerin nicht bestehe. Zum Versorgungsausgleich
wurde keine Regelung getroffen. Die Beteiligten vereinbarten aber einen
gegenseitigen Verzicht auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht. Zudem beinhaltete
der Ehevertrag eine salvatorische Klausel.

Am 10. Dezember 2010 schlossen die Beteiligten die Ehe. Während der
Ehe wurden (in den Jahren 2012, 2014 und 2016) drei weitere Kinder geboren.
Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 19. März 2021 zugestellt worden.
Die Antragsgegnerin, die im Jahr 2006 ein Studium der Betriebswirtschaftslehre
abgeschlossen hatte, war ab Januar 2007 als Unternehmensberaterin
tätig. Bei Abschluss des Ehevertrages war sie Geschäftsführerin einer
GmbH mit einem Einkommen von monatlich 4.200 € brutto. Diese Tätigkeit setzte
sie mit einer Unterbrechung von 16 Monaten bei der Geburt des zweiten gemeinsamen
Kindes bis Anfang August 2014 fort. Der Antragsteller ist als Gesellschafter
an verschiedenen Unternehmen seiner Familie beteiligt und dort teilweise
auch als Geschäftsführer tätig. Die Gesellschaftsverträge sehen vor, dass
jeder Gesellschafter mit dem Ehegatten Gütertrennung zu vereinbaren hat.
Das Amtsgericht hat durch Scheidungsverbundbeschluss die Ehe geschieden,
den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Stufenantrag auf Zugewinnausgleich
insgesamt abgewiesen. Die gegen die güterrechtliche Entscheidung
gerichtete Beschwerde der Antragsgegnerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit
der vom Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren
Stufenantrag weiter.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen
hat (§ 70 Abs. 1 FamFG) und der Senat hieran gebunden ist. Sie hat aber
keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass
ein Zugewinnausgleich der Antragsgegnerin durch den Ehevertrag der Beteiligten
wirksam ausgeschlossen worden ist.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
der Ehevertrag halte einer Inhaltskontrolle stand. Die Vereinbarung der
Gütertrennung als eines Wahlgüterstands sei für sich genommen nicht zu beanstanden.
Ob sich der Ehevertrag bei einer Gesamtwürdigung aller Regelungen
schon objektiv als sittenwidrig darstelle, könne dahingestellt bleiben, da es der
Antragsgegnerin jedenfalls nicht gelungen sei, Umstände darzulegen, die die Annahme
einer subjektiven Imparität rechtfertigen könnten. Auch sei der Ehevertrag
nicht im Wege einer Ausübungskontrolle anzupassen.

2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand.
a) Im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle hat der Tatrichter zunächst zu
prüfen, ob die Vereinbarung schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig
zu einer derart einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt,
dass ihr und zwar losgelöst von der künftigen Entwicklung der Ehegatten und
ihrer Lebensverhältnisse wegen Verstoßes gegen die guten Sitten die Anerkennung
der Rechtsordnung ganz oder teilweise mit der Folge zu versagen ist, dass
an ihre Stelle die gesetzlichen Regelungen treten (§ 138 Abs. 1 BGB). Erforderlich
ist dabei eine Gesamtwürdigung, die auf die individuellen Verhältnisse beim
Vertragsschluss abstellt, insbesondere also auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse,
den geplanten oder bereits verwirklichten Zuschnitt der Ehe
sowie auf die Auswirkungen auf die Ehegatten und etwaige Kinder. Subjektiv sind
sodann die von den Ehegatten mit der Abrede verfolgten Zwecke sowie die sonstigen
Beweggründe zu berücksichtigen, die die Ehegatten dazu bewogen haben,
den Ehevertrag zu schließen. Das Verdikt der Sittenwidrigkeit wird dabei regelmäßig
nur in Betracht kommen, wenn durch den Vertrag Regelungen aus dem
Kernbereich des gesetzlichen Scheidungsfolgenrechts ganz oder jedenfalls zu
erheblichen Teilen abbedungen werden, ohne dass dieser Nachteil für den anderen
Ehegatten durch anderweitige Vorteile gemildert oder durch die besonderen
Verhältnisse der Ehegatten, den von ihnen angestrebten oder gelebten Ehetyp
oder durch sonstige gewichtige Belange des begünstigten Ehegatten gerechtfertigt
wird. Das Gesetz kennt keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen
zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven
Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter
erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen
werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen
Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende
einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven
Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung
gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit
lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen indes nicht aufstellen. Ein
unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene
Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das
Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb
der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf
eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage,
sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit,
hindeuten könnten (Senatsbeschluss vom 29. November 2023 XII
ZB 531/22 FamRZ 2024, 512 Rn. 22 f. mwN).

b) Gemessen daran ist es rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden,
dass das Beschwerdegericht die Vereinbarung der Gütertrennung im Rahmen
der Inhaltskontrolle als wirksam erachtet hat.

aa) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die
von den Beteiligten getroffene Vereinbarung der Gütertrennung bei isolierter Betrachtung
keinen Wirksamkeitsbedenken unterliegt, weil das Güterrecht nicht
dem Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts zuzuordnen ist und der Zugewinnausgleich
daher auch wegen der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen verschiedenen
Güterstände ehevertraglicher Gestaltung am weitesten zugänglich
ist (vgl. Senatsbeschluss vom 29. November 2023 XII
ZB 531/22 FamRZ 2024, 512 Rn. 19 mwN).

Dass die Beteiligten eine Unternehmerehe geführt haben, führt hier zu keiner
anderen Beurteilung. Denn der Senat hat für Unternehmerehen bereits entschieden,
dass ein vertraglicher Ausschluss des Zugewinnausgleichs auch dann
nicht im Rahmen der Wirksamkeitskontrolle zu korrigieren ist, wenn bereits bei
Vertragsschluss absehbar gewesen ist, dass sich der andere Ehegatte ganz oder
teilweise aus dem Erwerbsleben zurückziehen würde und ihm deshalb eine vorhersehbar
nicht kompensierte Lücke in der Altersversorgung verbleibt. Vielmehr
hat der Senat ein überwiegendes legitimes Interesse des erwerbstätigen Ehegatten
anerkannt, das Vermögen seines selbständigen Erwerbsbetriebes durch die
Vereinbarung der Gütertrennung einem möglicherweise existenzbedrohenden
Zugriff seines Ehegatten im Scheidungsfall zu entziehen und damit nicht nur für
sich, sondern auch für die Familie die Lebensgrundlage zu erhalten (vgl. Senatsbeschluss
vom 15. März 2017 XII ZB 109/16 FamRZ 2017, 884 Rn. 36 mwN).

bb) Das Beschwerdegericht konnte dahinstehen lassen, ob die Regelungen
des Ehevertrags insgesamt zu einer einseitigen Lastenverteilung die
ein gewisses Indiz für eine ungleiche Verhandlungsposition sein könnte führen,
weil es entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde zu Recht eine subjektive Imparität
verneint hat.

(1) Rechtsfehlerfrei hat das Beschwerdegericht hierzu ausgeführt, es habe
für die Antragsgegnerin keine Zwangslage begründet, dass der Antragsteller die
Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrags eingehen wollte, da sie nicht in
besonderem Maße auf die Eheschließung angewiesen gewesen sei. Vielmehr
sei sie bei Abschluss des Ehevertrags durch ihre berufliche Tätigkeit wirtschaftlich
ausreichend abgesichert gewesen. Aufgrund ihrer Ausbildung und ihrer Berufserfahrung
hätten auch gute Aussichten bestanden, nach ihrem Ausscheiden
als Geschäftsführerin der GmbH eine vergleichbare Anstellung zu finden. Unabhängig
von der Wirksamkeit der Klauseln in den Gesellschaftsverträgen, die den
Antragsteller zur Vereinbarung der Gütertrennung verpflichten, könne nicht von
einer subjektiven Imparität ausgegangen werden, weil dem Antragsteller keine
Verwerflichkeit zur Last falle. Denn in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
sei ein überwiegendes legitimes Interesse an der Sicherung der Lebensgrundlage
auch für die Familie selbst unabhängig von entsprechenden Güterstandsklauseln
anerkannt. Auch der gegenseitige Erb- und Pflichtteilsverzicht begründe
keine subjektive Imparität. Eine solche könne ebenso wenig daraus hergeleitet
werden, dass die Antragsgegnerin bei den Vertragsverhandlungen durch
ihren Vater anwaltlich vertreten war. Die Antragsgegnerin sei selbst in der Lage
gewesen, die vertraglichen Regelungen in ihrer Bedeutung und ihren Auswirkungen
intellektuell zu erfassen. Zudem seien Anhaltspunkte für die Annahme einer
subjektiven Imparität durch etwaige Defizite im Zusammenhang mit der anwaltlichen
Beratung durch den Vater weder ersichtlich noch substantiiert dargelegt.
Dass die Antragsgegnerin durch den Abschluss des Ehevertrags „überrumpelt“
worden sei, könne angesichts der Übermittlung der Eckpunkte des beabsichtig-
ten Ehevertrags am 4. November 2010 und der sich anschließenden Vertragsverhandlungen
bis zur notarielle Beurkundung des Ehevertrags am 3. Dezember
2010 ausgeschlossen werden. Schließlich könne in der heutigen Zeit auch nicht
mehr angenommen werden, dass ein Nichtzustandekommen der Heirat angesichts
ihrer gesellschaftlichen Stellung eine Zwangslage für die Antragsgegnerin
begründet habe, zumal sie zuvor bereits seit zwei Jahren mit dem Antragsteller
in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit einem Kind gelebt habe.

(2) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde demgegenüber geltend,
eine Störung der subjektiven Vertragsparität folge daraus, dass die Antragsgegnerin
bei den Verhandlungen über den Ehevertrag durch ihren Vater, einen
Rechtsanwalt und Notar, vertreten wurde. Vielmehr spricht dieser Umstand in
erheblichem Maße gegen eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende
einseitige Dominanz des Antragstellers (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Januar
2014 XII ZB 303/13 FamRZ
2014, 629 Rn. 44 mwN). Dabei kommt noch
hinzu, dass der Antragsteller unwiderlegt vorgetragen hat, weder die Antragsgegnerin
noch ihr Vater hätten auf ausdrückliche Nachfrage zu dem Vertretungsverhältnis
zu Beginn der Verhandlungen über den Ehevertrag einen anderen Vertreter
der Antragsgegnerin benannt.

(3) Soweit die Antragsgegnerin das Bestehen einer Zwangslage für sich
daraus herleiten will, dass der Antragsteller ohne die Unterzeichnung des Ehevertrags
die Hochzeit abgesagt hätte und die Antragsgegnerin dadurch aufgrund
ihrer gesellschaftlichen Stellung einer besonderen Stigmatisierung anheimgefallen
wäre, hat das Beschwerdegericht dieses Vorbringen in tatrichterlicher Verantwortung
geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Hiergegen sind aus
Rechtsgründen Bedenken nicht zu erheben (vgl. Senatsurteil vom 31. Oktober
2012 XII ZR 129/10 FamRZ 2013, 195 Rn. 26). Gleiches gilt für die von der
Rechtsbeschwerde angestellte Erwägung, ein die subjektive Imparität begründender
Druck folge daraus, dass mit der bei Nichtabschluss des Ehevertrags drohenden
Absage der Hochzeit für sie ein gesellschaftlicher Skandal verbunden
gewesen wäre. Das Beschwerdegericht weist insoweit darauf hin, dass angesichts
der vergleichbaren sozialen Stellungen beider Beteiligten hierdurch keine
Disparität mit unterschiedlichen Drucksituationen zum Nachteil der Antragsgegnerin
begründet worden sei. Dies ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.

(4) Schließlich lässt sich anders
als die Rechtsbeschwerde meint auch
aus den Güterstandsklauseln in den Gesellschaftsverträgen des Antragstellers,
die ihn zur Vereinbarung der Gütertrennung mit Ehegatten verpflichten, keine
Zwangslage auf Seiten der Antragsgegnerin herleiten, ohne dass es für diese
Beurteilung auf die Frage nach der Wirksamkeit dieser Klauseln ankäme. Es ist
schon nicht erkennbar, inwieweit die Güterstandsklauseln den von der Antragsgegnerin
für die imparitätische Verhandlungssituation angeführten inneren Konflikt
Abschluss des Ehevertrages mit den entsprechenden güterrechtlichen Regelungen
oder Absage der Hochzeit vertieft
haben könnten. Im Übrigen spricht
auch das Bemühen des Antragsgegners, den gesellschaftsvertraglichen Klauseln
Rechnung zu tragen, unabhängig vom grundsätzlich legitimen Interesse des
Unternehmer-Ehegatten an der Vereinbarung der Gütertrennung eher gegen
dessen verwerfliche Gesinnung und damit gegen das Vorliegen des subjektiven
Tatbestands von § 138 BGB.

c) Soweit das Beschwerdegericht eine Anpassung der Vereinbarung der
Gütertrennung im Wege der Ausübungskontrolle abgelehnt hat, begegnet dies
aus Rechtsgründen keinen Bedenken. Die Rechtsbeschwerde erinnert insoweit
auch nichts.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil
sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung,
zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

28.05.2025

Aktenzeichen:

XII ZB 395/24

Rechtsgebiete:

Ehevertrag und Eherecht allgemein
Eheliches Güterrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 138 Abs. 1, 1408 Abs. 1, 1414