BGH 12. März 2021
V ZR 33/19
BGB §§ 280, 281 Abs. 1, 437 Nr. 3; GVG § 132 Abs. 3

V. Zivilsenat des BGH hält an fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht fest

letzte Aktualisierung: 6.10.2021
BGH, Urt. v. 12.3.2021 – V ZR 33/19

BGB §§ 280, 281 Abs. 1, 437 Nr. 3; GVG § 132 Abs. 3
V. Zivilsenat des BGH hält an fiktiven Mängelbeseitigungskosten im Kaufrecht fest

Der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gemäß
§ 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB kann anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht
aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden (Abgrenzung zu BGH,
Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 und Beschluss vom 8. Oktober 2020 –
VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53). Allerdings muss die Umsatzsteuer nur ersetzt werden, wenn und
soweit sie tatsächlich angefallen ist.

Entscheidungsgründe:

I.
Das Berufungsgericht legt die in Nr. III.1 Abs. 5 des notariellen Vertrags
vom 27. Februar 2014 getroffene Regelung dahingehend aus, dass der Beklagte
im Hinblick auf die Beseitigung der Feuchtigkeitsschäden im Schlafzimmer keine
werkvertragliche Herstellungspflicht übernommen hat, sondern nach den Regeln
der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung haftet; nach dem Parteiwillen habe der
Beklagte das Risiko erneut auftretender Feuchtigkeit als Verkäufer tragen sollen.
Die Verpflichtung zur Behebung der Feuchtigkeit umfasse die Behebung der
Schadensursache auch insoweit, als diese im Gemeinschaftseigentum liege.
Nach fruchtloser Fristsetzung sei der Beklagte aufgrund der festgestellten Feuchtigkeitsmängel
verpflichtet, Schadensersatz statt der Leistung gemäß § 437
Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB zu leisten. Dieser Anspruch könne - anders als
im Werkvertragsrecht - anhand der voraussichtlich entstehenden Mängelbeseitigungskosten
bemessen werden, und er setze nicht voraus, dass die Mängelbeseitigung
bereits durchgeführt sei.

II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet der Beklagte für die Feuchtigkeitsschäden
in dem Schlafzimmer nach den Bestimmungen des Kaufrechts.
Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass die Herstellungsverpflichtung des
Beklagten im Hinblick auf die Fassade (III.1 Abs. 4 des Vertrags) ausdrücklich
dem Werkvertragsrecht unterstellt worden sei, während eine solche Regelung
hinsichtlich der Feuchtigkeit im Schlafzimmer (III.1 Abs. 5 des Vertrags) fehle.
Diese tatrichterliche Auslegung, die revisionsrechtlich ohnehin nur eingeschränkt
überprüfbar ist (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 16. Oktober 2009
- V ZR 203/08, NJW 2010, 146 Rn. 10), lässt Rechtsfehler nicht erkennen und
wird auch von der Revision nicht beanstandet; dasselbe gilt für die Ansicht des
Berufungsgerichts, wonach der Haftungsausschluss nicht eingreift.

2. Infolgedessen ist der Beklagte aufgrund der festgestellten Feuchtigkeitsmängel
gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz
verpflichtet. Der kaufvertragliche Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung
(kleiner Schadensersatz) gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB kann - wie es die
Kläger verlangen - anhand der voraussichtlich erforderlichen, aber (noch) nicht
aufgewendeten („fiktiven“) Mängelbeseitigungskosten bemessen werden.

a) Die von dem Berufungsgericht vorgenommene Bemessung des kaufvertraglichen
Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 437 Nr. 3, § 280,
§ 281 Abs. 1 BGB entspricht der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung.
Danach kann der Käufer im Rahmen des kleinen Schadensersatzes entweder
Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts oder Ersatz der voraussichtlich
erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen, wobei es unerheblich
ist, ob der Mangel tatsächlich beseitigt wird. Dies haben der V. und anschließend
der VIII. Zivilsenat im Wesentlichen mit dem Gleichlauf zwischen werkvertraglichem
und kaufrechtlichem Nacherfüllungsanspruch infolge der Schuldrechtsreform
begründet; dabei haben sie sich auf die bisherige Rechtsprechung des
VII. Zivilsenats zum Werkvertragsrecht in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden
Fassung bezogen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11,
BGHZ 193, 326 Rn. 31; Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12, BGHZ 200, 350
Rn. 33; Urteil vom 11. Dezember 2015 - V ZR 26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 21;
BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 12).

b) Für den werkvertraglichen Anspruch auf kleinen Schadensersatz gemäß
§ 634 Nr. 4, § 280, § 281 Abs. 1 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden
Fassung hat der VII. Zivilsenat seine langjährige Rechtsprechung, nach
der der Schaden anhand der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten
bemessen werden konnte, allerdings inzwischen aufgegeben (Urteil vom
22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 31 ff.). Wie das Berufungsgericht
zutreffend erkennt, lässt sich dies auf die kaufrechtliche Sachmängelhaftung
gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB nicht übertragen. Ein Abgehen von
der Kontinuität der Rechtsprechung kann nur ausnahmsweise hingenommen
werden, wenn deutlich überwiegende oder sogar schlechthin zwingende Gründe
dafür sprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Oktober 1982 - GSZ 1/82,
BGHZ 85, 64, 66). Diese Voraussetzungen sind für die mittlerweile langjährig anerkannte
und praktizierte kaufrechtliche Schadensbemessung zu verneinen.
aa) Dass für das Kaufrecht die weitaus überwiegenden Argumente für die
bisherige Lösung sprechen, hat der Senat bereits in seinem Beschluss vom
13. März 2020 ausführlich begründet (V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501 Rn. 33 ff.), und
er hält an diesen Erwägungen uneingeschränkt fest.

(1) Der Schadensersatz kann anhand der Kosten für die (ausgebliebene)
Nachlieferung oder Nachbesserung bemessen werden, für die der Käufer nunmehr
selbst Sorge tragen muss. Diese Kosten werden durch die Mängelbeseitigungskosten
zutreffend abgebildet, ohne dass es darauf ankommt, ob sie tatsächlich
aufgewendet werden. Ein Ergebnis, wonach der Käufer einer Sache die
beabsichtigte Mängelbeseitigung vorfinanzieren muss, wäre nicht vertretbar.
Hierzu wäre der Käufer nach der klaren gesetzlichen Regelung gezwungen, und
er müsste Nachteile und Risiken der Vorfinanzierung tragen, nachdem und weil
der Verkäufer die ihm obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat. Denn ein Selbstvornahmerecht
mit einem Vorschussanspruch, wie er in § 637 Abs. 3 BGB vorgesehen
ist, gibt es im Kaufrecht nicht (näher Senat, Beschluss vom 13. März 2020
- V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501 Rn. 41 ff. mwN).

(2) Das Vorfinanzierungsrisiko wird auch nicht dadurch kompensiert, dass
der Käufer vor Durchführung der Mängelbeseitigung den Ausgleich des mangelbedingten
Minderwerts verlangen könnte. Zwar hält es auch der VII. Zivilsenat in
geeigneten Fällen nach wie vor für zulässig, den mangelbedingten Minderwert
anhand der Mängelbeseitigungskosten zu schätzen (BGH, Beschluss vom 8. Oktober
2020 - VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 81 ff.). Im Kaufrecht ist aber kein
Anlass dafür ersichtlich, den Käufer, der vollen Ersatz seines Schadens verlangt,
zunächst auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts zu beschränken und
erst dann, wenn im Zuge der Mängelbeseitigung höhere Kosten entstehen, eine
spätere Änderung der zunächst gewählten Schadensbemessung zuzulassen.
Denn der mangelbedingte Minderwert lässt sich - wovon auch der VII. Zivilsenat
ausgeht - nur in geeigneten Fällen anhand der Mängelbeseitigungskosten schätzen;
ist er geringer, müsste der Käufer ggf. erhebliche Vorleistungen erbringen.
Ohnehin ist in der Sache für das Kaufrecht nicht erkennbar, dass die bisherige
Rechtsprechung zu unangemessenen Ergebnissen geführt hätte. Auch insoweit
nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom
13. März 2020 (V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501 Rn. 45 ff.).

bb) Allerdings muss die Umsatzsteuer nur ersetzt werden, wenn und soweit
sie tatsächlich angefallen ist. Dies hat der VII. Zivilsenat für das Werkvertragsrecht
in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB
bereits im Jahr 2010 entschieden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010
- VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 12 ff.). Der V. Zivilsenat hat diese Sichtweise
für das Kaufrecht übernommen (Senat, Urteil vom 11. Dezember 2015
- V ZR 26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 26; Urteil vom 9. Februar 2018
- V ZR 274/16, NJW 2018, 1954 Rn. 29). Da die Umsatzsteuer einen durchlaufenden
und abgrenzbaren Posten darstellt, ist in diesem Punkt der Rechtsgedanke
des § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB übertragbar, und die Erwägungen, die den
Gesetzgeber zu der Einfügung dieser Norm bewogen haben (BT-Drucks.
14/7752 S. 13 f.), können herangezogen werden; auf diese Weise wird insoweit
ein Gleichlauf mit dem deliktischen Rechtsschutz hergestellt.

3. Eine Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen ist weder wegen Divergenz
(§ 132 Abs. 2 GVG) noch wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132
Abs. 4 GVG) erforderlich, nachdem der VII. Zivilsenat die Begründung der Rechtsprechungsänderung
in seinem Beschluss vom 8. Oktober 2020 (VII ARZ 1/20,
NJW 2021, 53) im Hinblick auf die Verankerung im Werk- und Architektenvertragsrecht
vertieft und ergänzt hat.

a) Der V. Zivilsenat kann an der bisherigen kaufrechtlichen Rechtsprechung
festhalten, ohne im Sinne von § 132 Abs. 2 GVG von der mit Beschluss
vom 8. Oktober 2020 (VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53) präzisierten Rechtsprechung
des VII. Zivilsenats abzuweichen.

aa) Zu seinem Anfragebeschluss vom 13. März 2020 hat sich der V. Zivilsenat
in erster Linie wegen der Begründung, die der VII. Zivilsenat zunächst für
seine Rechtsprechungsänderung gegeben hatte, veranlasst gesehen
(V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501 Rn. 10, 23). Er hat zugleich darauf hingewiesen,
dass Regelungen des besonderen Schuldrechts Unterschiede in der Schadensbemessung
rechtfertigen könnten, weil die §§ 437, 634 BGB jeweils nur unter
dem Vorbehalt, dass „nicht ein anderes bestimmt ist“, auf die §§ 280, 281 BGB
verweisen (V ZR 33/19, aaO Rn. 26).

bb) In seinem Beschluss vom 8. Oktober 2020 (VII ARZ 1/20, NJW 2021,
53) hat der VII. Zivilsenat nunmehr vertiefend erläutert, dass und warum er die
Änderung seiner Rechtsprechung maßgeblich auf die Neugestaltung der werkvertraglichen
Mängelrechte durch die Schuldrechtsmodernisierung und insbesondere
auf die Ausgestaltung des Vorschussanspruchs stützt.

(1) Danach beschränkt sich der werkvertragliche Vorschussanspruch gemäß
§ 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB nicht auf das Erfüllungsstadium. Er stehe
dem Besteller auch dann zu, wenn dieser bereits Schadensersatz statt der Leistung
verlangt habe und ein Anspruch auf die Leistung infolgedessen gemäß
§ 281 Abs. 4 BGB ausgeschlossen sei (Beschluss vom 8. Oktober 2020
- VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 54 ff.). Aus dem letzten Halbsatz des § 637
Abs. 1 BGB lasse sich nichts Anderes herleiten (so bereits Urteil vom 22. Februar
2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 50 f.). Diese zentrale Prämisse des
VII. Zivilsenats ist spezifisch werkvertraglicher Natur und fällt in dessen alleinigen
Zuständigkeitsbereich.

(2) Darüber hinaus hat der VII. Zivilsenat klargestellt, dass er im Hinblick
auf die Haftung des Architekten (bzw. des Ingenieurs) - für die er ebenfalls allein
zuständig ist - einen Vorschussanspruch zwar auf den Schadensersatzanspruch
gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB stützt, dies aber wegen der besonders
engen Verknüpfung von Werk- und Architektenvertrag allein aus dem Rechtsgedanken
des (nicht direkt anwendbaren) § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB ableitet,
um auf diese Weise der gesamtschuldnerischen Haftung von Architekt und Unternehmer
Rechnung zu tragen (Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20,
NJW 2021, 53 Rn. 77). Eine allgemeine schadensersatzrechtliche Aussage, die
folgerichtig auf andere Vertragstypen und insbesondere auf das Kaufrecht zu
übertragen wäre, soll damit ausdrücklich nicht verbunden sein (Beschluss vom
8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, aaO Rn. 78).

(3) Insgesamt stützt sich der VII. Zivilsenat in seinem Beschluss vom
8. Oktober 2020 maßgeblich auf den normativen Schadensbegriff; es sei stets
eine schadensrechtliche Wertung erforderlich, die neben den allgemeinen
Grundsätzen auch die Besonderheiten des jeweiligen Vertragstyps in den Blick
zu nehmen habe (VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 25). Sein Konzept, wonach
der Schadensersatzanspruch nur bereits aufgewandte Mängelbeseitigungskosten
umfasst, leitet der VII. Zivilsenat aus der Ausgestaltung der werkvertraglichen
Mängelrechte, insbesondere des Selbstvornahmerechts (§ 637 BGB), und nicht
mehr (auch) aus verallgemeinerungsfähigen schadensrechtlichen Überlegungen
wie dem Zeitpunkt der Schadensentstehung (vgl. Urteil vom 22. Februar 2018
- VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 32) oder dem Herausforderungsgedanken (vgl.
Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, aaO Rn. 46) her.

cc) Ausgehend von den genannten - durch den V. Zivilsenat hinzunehmenden
- werkvertraglichen Prämissen bestehen Unterschiede, die im Kaufrecht
eine andere Schadensbemessung erfordern. Ein mit einem Vorschussanspruch
flankiertes Selbstvornahmerecht gibt es - wie oben ausgeführt (Rn. 11) - im Kaufrecht
nicht. Aus grundsätzlichen Erwägungen lässt sich ein zweckgebundener
und abzurechnender Vorfinanzierungsanspruch auch nicht aus dem allgemeinen
Schadensersatzrecht herleiten. Dies stünde nämlich nicht nur im Widerspruch zu
allgemeinen Grundsätzen des Schadensersatzrechts, namentlich der Dispositionsfreiheit
des Geschädigten, sondern verwischte auch die dogmatischen Unterschiede
zwischen Vorschuss- und Schadensersatzansprüchen (näher Senat, Beschluss
vom 13. März 2020 - V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501 Rn. 44 mwN). Eine
Ausnahme im Bereich der Architektenhaftung lässt sich nur werkvertraglich in
dem Rechtsgedanken des § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB verankern; dass der
Vorschussanspruch gegen den Architekten in diesen Normen wurzelt, hat der
VII. Zivilsenat nunmehr klargestellt. Auf andere Vertragstypen und insbesondere
auf das Kaufrecht sind diese Erwägungen nicht übertragbar und sollen es auch
nach Ansicht des VII. Zivilsenats nicht sein. Dieser hat für das Werkvertragsrecht
ausdrücklich klargestellt, dass der Besteller, soweit er Schadensersatz verlangen
könne, in der Verwendung des von dem Unternehmer geschuldeten Betrags frei
sei (Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, aaO Rn. 33 a.E.). Anders
sieht es der VII. Zivilsenat bei dem Schadensersatzanspruch gegen den Architekten
nur deshalb, weil dieser wie ein werkvertraglicher Vorschussanspruch behandelt
werden soll. Damit bleiben die grundsätzlichen dogmatischen Unterschiede
zwischen Vorschuss- und Schadensersatzansprüchen gewahrt.

b) Ebenso wenig bedarf es einer Vorlage an den Großen Senat für Zivilsachen
wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 4 GVG).

aa) Allerdings steht einer Vorlage wegen Grundsatzbedeutung nicht von
vornherein entgegen, dass die Rechtsfrage einerseits das Kaufrecht, andererseits
das Werkvertragsrecht und damit unterschiedliche Normen betrifft. Denn die
gleiche Rechtsfrage kann auch dann zur Entscheidung stehen, wenn der gleiche
Rechtsgrundsatz, mag er auch in mehreren Gesetzesbestimmungen seinen Niederschlag
gefunden haben, von zwei Senaten unterschiedlich aufgefasst und gehandhabt
wird (vgl. BGH, Beschluss vom 30. März 1953 - GSZ 1-3/53,
BGHZ 9, 179, 181; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes,
Beschluss vom 6. Februar 1973 - GmS-OGB 1/72, BGHZ 60, 392, 394; BVerfG,
wistra 2009, 307, 309). Aus diesem Grund setzt die Zulässigkeit einer Vorlage
gemäß § 132 Abs. 4 GVG (im Unterschied zu einer Divergenzvorlage gemäß
§ 132 Abs. 2 GVG) richtigerweise auch nicht die Ergebnisrelevanz im konkreten
Einzelfall voraus (eingehend Groß/Pamp, ZZP 113 [2000], 467, 473 ff. mwN).
Eine Grundsatzbedeutung kam schon deshalb ernsthaft in Betracht, weil die zunächst
gegebene Begründung des VII. Zivilsenats für die Rechtsprechungsänderung
eine breite Diskussion in Rechtsprechung und Literatur zu deren Übertragbarkeit
auf andere Vertragstypen des besonderen Schuldrechts angestoßen hat
(näher Senat, Beschluss vom 13. März 2020 - V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501
Rn. 28 mwN; aus jüngster Zeit LG Nürnberg-Fürth, NJW 2020, 251, 252; Riehm,
NJW 2021, 27 f.). Zudem war ein stärkerer Gleichlauf von Kauf- und Werkvertragsrecht
erklärtes Ziel der Schuldrechtsreform (näher Senat, Beschluss vom
13. März 2020 - V ZR 33/19, aaO Rn. 25 mwN).

bb) Diese Aspekte führen im Ergebnis nicht dazu, dass den maßgeblichen
Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung zukommt.

(1) Die von dem VII. Zivilsenat vorgenommene Bemessung des kleinen
Schadensersatzes statt der Leistung ist angesichts der präzisierten und klarer
konturierten werkvertraglichen Verankerung nicht auf andere Vertragstypen des
besonderen Schuldrechts übertragbar. Insbesondere ist für die Rechtspraxis
nunmehr eindeutig geklärt, dass die Rechtsprechung des VII. Zivilsenats dogmatisch
nicht im allgemeinen Leistungsstörungsrecht (§§ 280, 281 BGB), sondern
im besonderen Schuldrecht zu verorten ist; das besondere Schuldrecht ist den
für den jeweiligen Vertragstyp zuständigen Senaten des Bundesgerichtshofs in
alleiniger Verantwortung zugewiesen.

(2) Ebenso wenig begründet der fehlende Gleichlauf zwischen Werk- und
Kaufvertragsrecht die Grundsatzbedeutung. Allerdings kann eine unterschiedliche
Schadensbemessung gerade in Grenzbereichen zwischen Werk- und Kaufvertragsrecht,
etwa bei dem Erwerb relativ neuer Immobilien oder bei Werklieferungsverträgen
(§ 650 BGB), zu misslichen Abgrenzungsschwierigkeiten führen
(vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 13. März 2020 - V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501
Rn. 27). Eine unterschiedliche Behandlung von Kauf- und Werkvertragsrecht erfordert
daher zumindest triftige Gründe. Solche Gründe liegen vor. Denn der
VII. Zivilsenat hat sein zentrales Argument, wonach die Schadensbemessung anhand
noch nicht aufgewandter Mängelbeseitigungskosten im Werkvertragsrecht
zu einer erheblichen und mit dem Bereicherungsverbot unvereinbaren Überkompensation
führen könne, näher begründet und nachvollziehbar erläutert, und
seine Erwägungen sind auf das Kaufrecht nicht übertragbar. Die durch den V. Zivilsenat
insoweit erhobenen Bedenken (Beschluss vom 13. März 2020
- V ZR 33/19, aaO Rn. 27) sind damit ausgeräumt.

(a) Der VII. Zivilsenat hat herausgearbeitet, dass individuelle Leistungsbeschreibungen
für das Werkvertragsrecht weitaus größere Bedeutung haben als
für das Kaufrecht. Infolgedessen komme es bei Abweichungen von der vereinbarten
Beschaffenheit häufig zu Sachmängeln, mit denen der Besteller „leben“
könne. Dadurch entstehe ein (Fehl-)Anreiz, die ggf. hohen Mängelbeseitigungskosten
zu vereinnahmen und von der Beseitigung abzusehen (eingehend BGH,
Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 41 bis 53).
Gesteigert werde diese Problematik durch die Reichweite des Nacherfüllungsanspruchs.
Da die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung gemäß § 635 Abs. 3
BGB nur in seltenen Ausnahmefällen angenommen werde, treffe den Unternehmer
eine nahezu unbegrenzte Nacherfüllungspflicht (näher BGH, Beschluss vom
8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, aaO Rn. 64 bis 66; zu diesem Aspekt bereits
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 71).

(b) Die Ausgangslage im Kaufrecht ist grundlegend anders. Namentlich
beim Kauf gebrauchter Immobilien, der eine besondere Nähe zum Baurecht aufweist,
stellen diejenigen Mängel, mit denen der Käufer „leben kann“, jedenfalls
nicht die Regel dar. Da ein mit einem Bestandsgebäude bebautes Grundstück
regelmäßig in dem vorhandenen Zustand verkauft wird, spielen individuelle Leistungsbeschreibungen
eine weitaus geringere Rolle als bei einem zu errichtenden
Gebäude. Selbst objektiv nachteilige Eigenschaften einer gebrauchten Immobilie
begründen nicht ohne weiteres einen Sachmangel, sofern sie bauzeittypisch sind
(vgl. Senat, Beschluss vom 10. Oktober 2019 - V ZR 4/19, NJW-RR 2020, 121
Rn. 14; näher Krüger, ZNotP 2010, 42 ff.). Zudem haftet der Verkäufer wegen
des in der Praxis üblichen Haftungsausschlusses vornehmlich dann, wenn er einen
Sachmangel arglistig verschwiegen hat (§ 444 BGB). Aus diesen Gründen
kommt praktische Bedeutung nach der Erfahrung des V. Zivilsenats vor allem
solchen Sachmängeln zu, die die Eignung der Kaufsache für die nach dem Vertrag
vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung in Frage stellen (§ 434
Abs. 1 Satz 2 BGB), wie etwa Feuchtigkeit, Schadstoffbelastung, Schädlingsbefall
oder auch eine fehlende Baugenehmigung. Das sind regelmäßig Mängel, mit
denen der Immobilienkäufer nicht oder jedenfalls deutlich schlechter „leben“ kann
als mit der mangelfreien Immobilie, und die durch die Mängelbeseitigungskosten
meist angemessen abgebildet werden. Gerade insoweit sind die Unterschiede
zum Baurecht deshalb gering, weil der VII. Zivilsenat, wie er ausdrücklich klargestellt
hat, in Fallgestaltungen dieser Art die Schätzung des mangelbedingten Minderwerts
anhand der Mängelbeseitigungskosten weiterhin für zulässig hält (vgl.
BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 81; Urteil
vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17, BGHZ 218, 1 Rn. 27 und 30 und dazu
Senat, Beschluss vom 13. März 2020 - V ZR 33/19, ZfIR 2020, 501 Rn. 53). Infolgedessen
müssen in solchen Fällen - jedenfalls im Ergebnis - die noch nicht
angefallenen Mängelbeseitigungskosten unabhängig von der Rechtsnatur des
Vertrags ersetzt werden.

(c) Daneben gibt es aber auch beim Kauf beweglicher oder unbeweglicher
Sachen nicht selten Fallgestaltungen, in denen die Mängelbeseitigungskosten
den mangelbedingten Minderwert nicht zutreffend abbilden, sondern diesen erheblich
überschreiten. Vornehmlich in solchen Fällen wirkt sich die Einordnung
des Vertrags in das Kauf- oder in das Werkvertragsrecht künftig auf die Ersatzfähigkeit
noch nicht angefallener Mängelbeseitigungskosten aus. Dafür gibt es
aber triftige Gründe. Der Käufer kann den Ersatz der voraussichtlich entstehenden
Mängelbeseitigungskosten, wie bereits ausgeführt, schon deshalb verlangen,
weil ihm die Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung nicht zuzumuten wäre
(vgl. Rn. 11). Darüber hinaus wird einer unangemessenen Überkompensation im
Kaufrecht durch die Begrenzung des Nacherfüllungsanspruchs entgegengewirkt.
Aus der Reichweite des jeweiligen Nacherfüllungsanspruchs in § 439 BGB und
in § 635 BGB ergeben sich - wie der VII. Zivilsenat zutreffend darlegt (vgl. BGH,
Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53 Rn. 63 ff.) - entscheidende
Unterschiede zwischen Kauf- und Werkvertragsrecht, die einem
Gleichlauf beider Rechtsgebiete gerade bei einem Auseinanderfallen von Mängelbeseitigungskosten
und mangelbedingtem Minderwert ohnehin entgegenstehen.

(aa) Für das Kaufrecht hat der V. Zivilsenat den Nacherfüllungsanspruch
begrenzt, indem er aus § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB Vorgaben für die Unverhältnismäßigkeit
der Nacherfüllung abgeleitet hat (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2014
- V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 41 ff.). Diese Begrenzung wirkt sich unmittelbar
auf die Höhe des nachfolgenden Schadensersatzanspruchs aus und verhindert
eine Überkompensation des Käufers. Kann nämlich der Verkäufer die Nacherfüllung
verweigern, weil sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, beschränkt
sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den Ersatz des mangelbedingten
Minderwerts (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 275/12,
aaO Rn. 34 ff.). Als erster Anhaltspunkt kann davon ausgegangen werden, dass
die Kosten der Mängelbeseitigung unverhältnismäßig sind, wenn sie den Verkehrswert
des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200 % des mangelbedingten
Minderwerts übersteigen (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2014
- V ZR 275/12, aaO Rn. 41 ff.).
Infolgedessen weicht die Schadensbemessung im Kaufrecht jedenfalls
nicht signifikant von derjenigen nach altem Schuldrecht ab. Beispielsweise
spricht viel dafür, dass der Sachverhalt, der dem von dem VII. Zivilsenat mehrfach
herangezogenen Urteil des V. Zivilsenats vom 16. November 2007
(V ZR 45/07, NJW 2008, 436) zugrunde lag, nach neuem Kaufrecht nicht anders
zu beurteilen wäre. Damals hatte der Senat die nach altem Schuldrecht allein
zulässige vereinfachte Berechnung des Minderwerts anhand der Mängelbeseitigungskosten
deshalb versagt, weil die mangelbedingte Wertminderung des verkauften
Grundstücks (46.016,27 €) deutlich hinter den Kosten für die Herstellung
der fehlenden, aber zugesicherten Dachgeschosswohnungen (217.099,78 €) zurückblieb
(Urteil vom 16. November 2007 - V ZR 45/07, aaO Rn. 11 f.). Auch
nach heutiger Rechtslage könnte der Käufer nicht ohne weiteres den Ersatz der
Mängelbeseitigungskosten als Schadensersatz verlangen. Da die Mängelbeseitigungskosten
den mangelbedingten Minderwert um mehr als 400 % überstiegen,
läge nämlich ein erster Anhaltspunkt für die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung
vor, so dass - vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls - heute
wie damals nur der Ersatz des mangelbedingten Minderwerts geschuldet wäre.

(bb) Im Werkvertragsrecht hat eine solche Begrenzung der Nacherfüllung
- und damit zugleich des nachfolgenden Schadensersatzanspruchs - keine Entsprechung
(näher BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20,
NJW 2021, 53 Rn. 43, 66). Wird, wie es der VII. Zivilsenat aufgrund des Erfolgsversprechens
des Unternehmers nachvollziehbar für richtig hält, der Nacherfüllungsanspruch
hochgehalten, indem der Unternehmer die Nacherfüllung nur
in seltenen Ausnahmefällen wegen unverhältnismäßiger Kosten (§ 635 Abs. 3
BGB) verweigern darf, ergibt sich ein dem Kaufrecht fremdes Dilemma. Denn je
strenger die Anforderungen an die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung ausgestaltet
werden, desto höher können die Mängelbeseitigungskosten ausfallen
und desto größer wird das Problem der schadensersatzrechtlichen Überkompensation
durch eine von der Durchführung der Mängelbeseitigung losgelöste Ersatzfähigkeit
der Mängelbeseitigungskosten. Das gilt insbesondere bei solchen
Sachmängeln, mit denen der Besteller „leben“ kann und die er daher - zumal,
wenn die Beseitigung tiefgreifende Eingriffe in das Bauwerk unter Einschluss anderer
Gewerke erfordert - nicht ohne weiteres beseitigen wird.
(d) Schließlich stellen sich auch die Probleme der Leistungskette, deren
praktische Relevanz im Werkvertragsrecht der VII. Zivilsenat eingehend dargelegt
hat (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - VII ARZ 1/20, NJW 2021, 53
Rn. 48 ff.), im Kaufrecht nicht in gleicher Weise.
4. Die angefochtene Entscheidung hält auch im Übrigen der rechtlichen
Überprüfung stand. Im Hinblick auf die Anspruchshöhe, die Nebenforderungen
sowie die Zuerkennung des Feststellungsantrags erhebt auch die Revision keine
Einwendungen. Soweit das Gemeinschaftseigentum betroffen ist, ist die Verurteilung
des Beklagten in den Vorinstanzen auf den Ersatz der nach dem Miteigentumsanteil
bestimmten anteiligen Kosten beschränkt worden.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

12.03.2021

Aktenzeichen:

V ZR 33/19

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 280, 281 Abs. 1, 437 Nr. 3; GVG § 132 Abs. 3