OLG Oldenburg 20. Juli 2022
12 W 38/22
BGB §§ 197 Abs. 1 Nr. 2, 200 S. 1; GBO §§ 13, 19, 22 Abs. 1 S. 1, 29

Beseitigungsanspruch bei Beeinträchtigung des Wegerechts

letzte Aktualisierung: 16.11.2022
OLG Oldenburg, Beschl. v. 20.7.2022 – 12 W 38/22

BGB §§ 197 Abs. 1 Nr. 2, 200 S. 1; GBO §§ 13, 19, 22 Abs. 1 S. 1, 29
Beseitigungsanspruch bei Beeinträchtigung des Wegerechts

1. Bei einer Beeinträchtigung einer Grunddienstbarkeit (Wegerecht) hat der Dienstbarkeitsberechtigte
einen Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung.
2. Verjährt der Beseitigungsanspruch, erlischt auch die Grunddienstbarkeit. Dies gilt selbst dann,
wenn die beeinträchtigende Anlage nach Eintritt der Verjährung nicht mehr vorhanden, also die
Beseitigung aufgehoben ist.

(Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe

Die Beschwerde gegen die Verfügung des Grundbuchamts vom 01.03.2022, welche
als den Antrag auf Löschung des in Abteilung II unter Nr. 5 eingetragenen Wegerechts
zurückweisende Entscheidung aufzufassen ist, ist nach § 71 Abs. 1 GBO
statthaft.

Zwar kann das Rechtsmittel nicht darauf gestützt werden, dass die Grunddienstbarkeit
wegen Gegenstandslosigkeit im Sinne des § 84 GBO zu löschen sei, denn das
Grundbuchamt entscheidet gemäß § 85 Abs. 2 GBO nach freiem Ermessen, ob es
das Löschungsverfahren von Amts wegen durchführt; die Entscheidung ist nach der
genannten Vorschrift unanfechtbar. Darauf, ob das Wegerecht wegen Funktionslosigkeit
erloschen ist, weil es aufgrund der geänderten tatsächlichen Verhältnisse für
den Beteiligten zu 2. bzw. die Eigentümer weiterer herrschender Grundstücke keine
Anbindung an eine Straße oder einen öffentlichen Weg mehr gewährleistet, kommt
es vor diesem Hintergrund nicht an.

Das Rechtsmittel ist jedoch statthaft, soweit die Beschwerdeführerin mit der begehrten
Löschung die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 894 BGB im Antragsverfahren
gemäß § 13 GBO geltend macht. Abgesehen davon, dass ihre Eingaben
vom 21.06.2021 und 14.02.2022 sich als der erforderliche Antrag auslegen
lassen, ist dieser jedenfalls mit der Beschwerdeschrift vom 15.03.2022 nunmehr
auch ausdrücklich gestellt.

Das in zulässiger Weise eingelegte Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die
Antragstellerin begehrt zu Recht die Löschung des Wegerechts, denn dieses besteht
wegen Verjährung nicht mehr.

Gemäß §§ 1027, 1004 BGB hat der Berechtigte einen Beseitigungsanspruch, wenn
die Grunddienstbarkeit, deren Inhaber er ist, beeinträchtigt wird. Nach § 1028 BGB
unterliegt der Anspruch des Berechtigten auf Beseitigung einer auf dem belasteten
Grundstück errichteten Anlage, durch welche die Grunddienstbarkeit beeinträchtigt
wird, der Verjährung; mit der Verjährung des Anspruchs erlischt die Dienstbarkeit.
So liegen die Verhältnisse hier. Die Grunddienstbarkeit war seit der Errichtung der
CC Klinik auf dem dienenden Grundstück im Jahr 1950 bis zum Abriss derselben
im Jahr 2018 dadurch beeinträchtigt, dass der Weg mit dem umzäunten und eingefriedeten
Krankenhaus überbaut war. Die vorgenannten Daten, die zudem allgemein
bekannt sind, ergeben sich aus dem als Anlage 9 zur Beschwerdeschrift vom
15.03.2022 vorgelegten Artikel aus der DD Zeitung. Der Weg, wie er unter Ziffer 5.
und 6. der Urkunde des Notars EE vom 19.08.1949 beschrieben und aus der Flurkarte
der Stadt Ort1 vom 09.11.1949 (Anlage 4 zur Beschwerdeschrift) ersichtlich
ist, war in seinem ursprünglichen Verlauf dazu geeignet, das dienende Grundstück
an der Südwestecke schräg zu überqueren und eine Anbindung an die Straße1 zu
schaffen. In diesem Verlauf wurde der Weg durch die das Grundstück weitgehend
ausfüllenden Gebäude der Klinik gestört, wie auf den der Beschwerdeschrift beigefügten
Liegenschaftskarten sowie dem als Anlage 8 vorgelegten Luftbild zu erkennen
ist. Auch wegen der vorhandenen Umzäunung und Einfriedung war ein Überqueren
des Grundstücks in diesem Bereich nicht möglich. Eine Verlegung der Ausübung
des Wegerechts im Sinne des § 1023 BGB bzw. gemäß Ziffer 6 der notariellen
Urkunde vom 19.08.1949 hat zu keiner Zeit stattgefunden. Darauf, ob, wie der
Beteiligte zu 2. mit seiner Stellungnahme vom 07.07.2022 argumentiert, möglicherweise
ein Weg um das Klinikgebäude herumgeführt hat, kommt es in diesem Zusammenhang
nicht an; ein solcher wäre nicht zum Überqueren des Grundstücks
geeignet.

Der Anspruch auf Beseitigung dieser das Wegerecht störenden Anlage ist gemäß
§ 1028 Abs. 1 S. 1 BGB verjährt. Wie der Gang des auf Löschung gerichteten Verfahrens
und die Stellungnahme des Beteiligten zu 2. deutlich gemacht haben, ist
das Wegerecht seit Errichtung der Klinik von keinem der Berechtigten wahrgenommen
oder geltend gemacht worden. Die dreißigjährige Verjährungsfrist, § 197 Abs. 1
Nr. 2 BGB, begann mit der Entstehung des Anspruchs, § 200 S. 1 BGB, d. h. mit
dem Bau der störenden Gebäude im Jahr 1950, und ist demnach seit vielen Jahren
abgelaufen. Dies gilt auch, wenn, wie hier, die störende Anlage nach Eintritt der
Verjährung entfernt wird (vgl. Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Aufl., § 1028 RN 2 m. w.
N.).

Die Bewilligung des eingetragenen Berechtigten gemäß § 19 GBO ist nicht erforderlich,
weil die Unrichtigkeit des Grundbuchs nachgewiesen ist, § 22 Abs. 1 S. 1
GBO. Auch eines in der Form des § 29 GBO vorzulegenden Beweises für die Unrichtigkeit
bedarf es nicht. Ein solcher Nachweis ist für Tatsachen, die beim Grundbuchamt
offenkundig, d. h. zweifelsfrei bekannt, sind, entbehrlich. Dabei kann die
erforderliche Tatsachenkenntnis auf der Lebenserfahrung beruhen oder sich aus
allgemein zugänglichen und zuverlässigen Quellen ergeben (vgl. Demharter, GBO,
32. Aufl., § 22 RN 37, § 29 RN 60). Diese Voraussetzungen sind angesichts der
bereits erörterten Umstände sowie der genannten, der Beschwerdeschrift beigefügten
und die Unrichtigkeit des Grundbuchs belegenden Quellen, die allgemeinkundig
und verlässlich sind, erfüllt.

Ob neben dem zum Erlöschen des Wegerechts führenden Tatbestand der §§ 1027,
1004, 1028 BGB auch die Voraussetzungen des § 1026 BGB vorlägen, unter denen
eine Grunddienstbarkeit durch Teilung des dienenden Grundstücks erlischt, bedarf
bei dieser Sachlage nicht der Entscheidung.
Kostenentscheidung und Wertfestsetzung sind nicht veranlasst.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Oldenburg

Erscheinungsdatum:

20.07.2022

Aktenzeichen:

12 W 38/22

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Normen in Titel:

BGB §§ 197 Abs. 1 Nr. 2, 200 S. 1; GBO §§ 13, 19, 22 Abs. 1 S. 1, 29