Schenkweise Übertragung eines Miteigentumsanteils an Grundstück von Elternteil an ein minderjähriges Kind; lediglich rechtlicher Vorteil; keine Genehmigung des Ergänzungspflegers
letzte Aktualisierung: 27.5.2024
BGH, Beschl. v. 18.4.2024 – V ZB 51/23
BGB §§ 197, 181, 748, 1629 Abs. 2 S. 1, 1809 Abs. 1, 1824
Schenkweise Übertragung eines Miteigentumsanteils an Grundstück von
Elternteil an ein minderjähriges Kind; lediglich rechtlicher Vorteil; keine Genehmigung des Ergänzungspflegers
a) Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück
durch einen Minderjährigen ist lediglich rechtlich vorteilhaft i. S. v. § 107 BGB.
b) Möchte ein Elternteil einen Miteigentumsanteil an einem ihm gehörenden – weder vermieteten
noch verpachteten – Grundstück auf sein minderjähriges Kind übertragen, muss die von den Eltern
des Minderjährigen in dessen Namen erklärte Auflassung nicht durch einen Ergänzungspfleger
genehmigt werden (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 25. November 2004 – V ZB 13/04,
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten
Grundstücks. Die Beteiligten zu 3 und 4 sind die gemeinsamen minderjährigen
Kinder des Beteiligten zu 1 und seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2.
Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 20. Dezember 2022 übertrug der
Beteiligte zu 1 das Grundstück schenkweise zu je hälftigem Miteigentum an die
Kinder. Diese wurden durch die Beteiligten zu 1 und 2 vertreten, zu deren Gunsten
zugleich die Eintragung eines lebenslangen Nießbrauchs bewilligt wurde. Der
Notar reichte die Urkunde mit der Bitte um entsprechende Eintragungen bei dem
Grundbuchamt ein.
Das Grundbuchamt hat durch Zwischenverfügung vom 2. Januar 2023 die
Eintragung der Rechtsänderung - soweit noch von Interesse - von der Genehmigung
der Auflassung an die Beteiligten zu 3 und 4 durch einen für jedes Kind
noch zu bestellenden Ergänzungspfleger abhängig gemacht. Das Kammergericht
hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde
verfolgen die Beteiligten ihren Eintragungsantrag weiter.
II.
Das Beschwerdegericht meint, das Grundbuchamt habe zu Recht die Genehmigung
der Auflassung durch einen Ergänzungspfleger (§ 1809 Abs. 1 BGB)
verlangt, weil die Beteiligten zu 1 und 2 gemäß § 1629 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 1824
Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 181 BGB von der Vertretung ihrer Kinder ausgeschlossen
seien. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück sei für
Minderjährige auch nicht lediglich rechtlich vorteilhaft. Insoweit verhalte es sich
nämlich grundsätzlich nicht anders als bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung,
die wegen der Mitgliedschaft in einer Wohnungseigentümergemeinschaft zu einer
persönlichen Haftung des Erwerbers führe und deshalb rechtlich nachteilig
sei. Auch Bruchteilseigentümer hafteten nicht nur mit dem erworbenen Vermögensgegenstand.
Vielmehr sei der Bruchteilseigentümer nach
anderen Teilhabern gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen
Gegenstands sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen
Benutzung nach dem Verhältnis seines Anteils - in der Höhe jedoch
nicht auf den Wert seines Anteils beschränkt - zu tragen. Ein Miteigentümer
könne zudem anders als ein Alleineigentümer jedenfalls nach entsprechenden
Beschlüssen der Gemeinschafter gemäß § 745 Abs. 1 BGB gegen seinen Willen
im Außenverhältnis wirksam rechtsgeschäftlich verpflichtet werden, ohne sich
von der Verbindlichkeit durch Dereliktion des Grundstücks befreien zu können.
Der somit gegebene Nachteil entfalle hier auch nicht deshalb, weil der den Beteiligten
zu 1 und 2 vorbehaltene lebenslange Nießbrauch die Vereinbarung enthalte,
dass der Nießbraucher die privaten Lasten in Bezug auf den Übertragungsgegenstand,
insbesondere die außergewöhnlichen Ausbesserungen und Erneuerungen
zu tragen habe. Dies entlaste die Beteiligten zu 3 und 4 nicht im Verhältnis
zu Gläubigern; im Übrigen ende die Entlastung im Innenverhältnis mit dem
Ende des Nießbrauchs.
III.
Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und gemäß
Beschwerdegericht hat die Beschwerde zu Unrecht zurückgewiesen, weil das in
der Zwischenverfügung des Grundbuchamts aufgeführte Eintragungshindernis
nicht besteht (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GBO). Der Eigentumserwerb der
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Beteiligten zu 3 und 4 bedarf nicht der Genehmigung durch für die Beteiligten zu
3 und 4 noch zu bestellende Ergänzungspfleger.
1. Der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts ist allerdings
richtig.
a) Nach § 20 GBO darf im Falle der Auflassung eines Grundstücks die
Eintragung in das Grundbuch nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des
Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist. Im Vertretungsfall - wie hier - hat
das Grundbuchamt auch die Vertretungsmacht zu prüfen. Nach § 1629 Abs. 1
Satz 1, Satz 2 Halbsatz 1 BGB sind die Beteiligten zu 1 und 2 als Sorgeberechtigte
der Beteiligten zu 3 und 4 zwar berechtigt, Willenserklärungen in deren Namen
als ihre gesetzlichen Vertreter abzugeben. Da der Beteiligte zu 1 die Auflassung
(§ 925 BGB) aber zugleich als Veräußerer im eigenen Namen und als Vertreter
für die Beteiligten zu 3 und 4 als Erwerber erklärte, ist er nach § 1629 Abs. 2
Satz 1 BGB, § 1824 Abs. 2 BGB i.V.m. § 181 BGB (Insichgeschäft) grundsätzlich
von der Vertretung ausgeschlossen. Für die Beteiligte zu 2 ergibt sich der grundsätzliche
Vertretungsausschluss aus § 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1824 Abs. 1
Nr. 1 BGB, wonach ein Elternteil ein minderjähriges Kind (hier: die Beteiligten zu
3 und 4) bei einem Rechtsgeschäft zwischen seinem Ehegatten einerseits und
dem Kind andererseits nicht vertreten kann, es sei denn, dass das Rechtsgeschäft
ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Die Wirksamkeit
der Verfügung setzt deshalb grundsätzlich die Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger
voraus (§ 1809 Abs. 1 BGB), die auch Gegenstand einer Zwischenverfügung
i.S.v. § 18 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GBO sein kann. Mit der Genehmigung
würde die Auflassung rückwirkend (§ 184 Abs. 1 BGB) wirksam.
b) Zutreffend legt das Beschwerdegericht seiner Beurteilung § 1824 und
§ 1809 Abs. 1 BGB zugrunde, auch wenn diese Vorschriften durch das Gesetz
zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 (BGBl.
I S. 882) neu gefasst worden und erst am 1. Januar 2023 in Kraft getreten sind,
während die Auflassung bereits vor diesem Zeitpunkt erklärt wurde. Entsprechendes
gilt für den Eingang des Eintragungsantrags. Da es nämlich an einer
Übergangsvorschrift fehlt und es sich im Hinblick auf die noch ausstehende Eintragung
nicht um einen abgeschlossenen Sachverhalt handelt, finden die neuen
Vorschriften Anwendung (vgl. zur Anwendbarkeit des
Übergangsfällen auch OLG München,
Sache ändert sich hierdurch allerdings nichts, da § 1824 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB
inhaltlich mit der Vorgängerregelung in § 1795 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 BGB aF übereinstimmt
und § 1809 Abs. 1 BGB dem früheren § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB aF
entspricht.
c) Das Beschwerdegericht verkennt auch nicht, dass der sich aus § 1824
BGB ergebende Vertretungsausschluss nicht eingreifen würde, wenn sich der
Erwerb des Miteigentums an dem Grundstück des Beteiligten zu 1 für die Beteiligten
zu 3 und 4 als lediglich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB darstellte. Diese Ausnahme
ist zwar in § 1824 BGB nicht aufgeführt, entspricht aber der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu der Vorgängernorm des § 1795
BGB aF und beruht auf der Überlegung, dass für ein Vertretungsverbot kein Bedürfnis
besteht, wenn nach der Natur des Rechtsgeschäfts eine Gefährdung der
Vermögensinteressen des Vertretenen nicht nur im konkreten Einzelfall, sondern
abstrakt-generell ausgeschlossen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 16. April 1975
V ZB 15/74,
- V ZB 206/10,
nichts ändern (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 259).
2. Die weiteren Überlegungen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen
Überprüfung aber nicht stand. Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an
einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen
ist lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB. Möchte ein Elternteil einen
Miteigentumsanteil an einem ihm gehörenden - weder vermieteten noch verpachteten
- Grundstück auf sein minderjähriges Kind übertragen, muss die von den
Eltern des Minderjährigen in dessen Namen erklärte Auflassung nicht durch
einen Ergänzungspfleger genehmigt werden.
a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Übereignung eines Grundstücks
an einen Minderjährigen bei der gebotenen isolierten Betrachtung der Auflassung
grundsätzlich lediglich vorteilhaft (vgl. Senat, Beschluss vom 25. November
2004 - V ZB 13/04,
Sachverhalt zu Grunde, in dem eine Mutter an ihre beiden minderjährigen Kinder
einen jeweils hälftigen Miteigentumsanteil an einem ihr gehörenden Grundstück
übertragen wollte. In den Gründen seiner Entscheidung ist der Senat auf den
Erwerb eines Miteigentumsanteils nicht weiter eingegangen, sondern hat sich allgemein
- ohne zwischen dem Erwerb eines Miteigentumsanteils und dem des
Alleineigentums an einem Grundstück zu differenzieren - unter anderem mit der
Frage befasst, ob der Umstand, dass der Grundstückseigentümer für die Erfüllung
seiner auf öffentlichem Recht beruhenden Abgabeverpflichtungen nicht nur
dinglich, sondern auch persönlich haftet, einen Nachteil i.S.v. § 107 BGB zu begründen
vermag. Dies hat er unter Hinweis auf den Schutzzweck der Vorschrift
verneint, weil die Tragung der laufenden öffentlichen Grundstückslasten nach ihrer
abstrakten Natur typischerweise keine Gefährdung des Minderjährigen mit
sich bringt und ihretwegen ein auf das Wohl des Minderjährigen bedachter gesetzlicher
Vertreter oder Ergänzungspfleger seine Zustimmung zu einem Grundstückserwerb
nicht verweigern würde. Es wäre reiner Formalismus, würde man
die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Erteilung einer Genehmigung abhängig
machen, obwohl das Ergebnis der dabei vorzunehmenden Prüfung von
vornherein feststünde (vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2004 - V ZB
13/04,
b) Anders ist es, wenn das Grundstück vermietet oder verpachtet ist. Der
Erwerb eines solchen Grundstücks stellt sich für den Minderjährigen nicht als lediglich
vorteilhaft dar, weil der Erwerb gemäß § 566 (Mietvertrag), § 581 Abs. 2
(Pachtvertrag) und
den Mietvertrag bzw. Pachtvertrag auf Vermieter- bzw. Verpächterseite führt (vgl.
Senat, Beschluss vom 3. Februar 2005 - V ZB 44/04,
Die aus dem Eintritt in ein Miet- oder Pachtverhältnis resultierenden Pflichten sind
ihrem Umfang nach nicht begrenzt. Ob die von ihnen ausgehenden Gefahren für
das Vermögen des Minderjährigen im Hinblick auf die mit dem Grundstückserwerb
verbundenen Vorteile hingenommen werden können, lässt sich deshalb
nicht abstrakt beurteilen, sondern erfordert eine entsprechende einzelfallbezogene
Prüfung durch den gesetzlichen Vertreter bzw. einen Ergänzungspfleger.
Diese Überlegungen gelten in gleicher Weise dann, wenn der Minderjährige nicht
das Alleineigentum, sondern lediglich einen Miteigentumsanteil an einem vermieteten
oder verpachteten Grundstück erwerben soll (vgl. Senat, Beschluss vom
28. April 2022 - V ZB 4/21,
Erwerb einer Eigentumswohnung. Hierdurch wird der Minderjährige Mitglied
einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Damit treffen ihn kraft Gesetzes persönliche
Verpflichtungen, die ein ganz erhebliches Ausmaß annehmen können
und der Annahme eines lediglich rechtlichen Vorteils i.S.v. § 107 BGB entgegenstehen
(vgl. Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 206/10, BGHZ
187, 119 Rn. 11, 13).
c) Dass zwischen der Übertragung des Alleineigentums an einem Grundstück
und der Übertragung eines Miteigentumsanteils bei der Prüfung des § 107
BGB nicht zu differenzieren ist, entspricht auch der ganz überwiegenden Auffassung
in Rechtsprechung und Literatur. Soweit die Übertragung eines Miteigentumsanteils
ausdrücklich thematisiert wird, wird davon ausgegangen, dass (auch)
der Erwerb eines Miteigentumsanteils lediglich rechtlich vorteilhaft sei. Es gelte
nichts anderes als bei der Übertragung von Alleineigentum. Der Erwerber müsse
aus seinem Vermögen, das er vor Abschluss des Vertrags besaß, nichts aufgeben
und auch keine neuen Belastungen auf sich nehmen (vgl. BayObLGZ 1998,
139, 143 f.; MüKoBGB/Spickhoff, 9. Aufl., § 107 Rn. 72; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
16. Aufl., Rn. 3610l; Keller,
möchte das Beschwerdegericht (vgl. auch KG,
sich das Oberlandesgericht München jedenfalls für die Veräußerung eines bebauten
Grundstücks angeschlossen hat (
auch BeckOGK/Duden, BGB [1.2.2024], § 107 Rn. 95.1: „liegt nahe“), den Erwerb
eines Miteigentumsanteils in gleicher Weise wie den Erwerb einer Eigentumswohnung
als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft qualifizieren und verweist zur Begründung
auf die Verpflichtungen, die mit dem Eintritt in eine Bruchteilsgemeinschaft
verbunden sind (insbesondere: Lastentragung nach
d) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung fest, wonach der Erwerb eines
Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück
ebenso wie der Erwerb des Alleineigentums an einem solchen Grundstück
lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB ist.
aa) Richtig ist, dass zwischen dem Erwerb des Alleineigentums an einem
Grundstück und dem Erwerb eines Miteigentumsanteils Unterschiede bestehen.
Überträgt der Eigentümer sein Grundstück - wie hier - an zwei Erwerber zu Miteigentum,
entsteht zwischen den Erwerbern kraft Gesetzes eine Bruchteilsgemeinschaft
nach § 741 BGB, aus der persönliche Verpflichtungen erwachsen
können. So ist insbesondere nach
gegenüber verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands
sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen
Benutzung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen.
bb) Diese Unterschiede rechtfertigen es jedoch nicht, die Übereignung eines
Miteigentumsanteils an einen Minderjährigen anders als die Übertragung von
Alleineigentum als rechtlich nachteilig anzusehen.
(1) Bei der Prüfung, ob der Eigentumserwerb für den Minderjährigen
(auch) rechtlich nachteilig ist, ist grundsätzlich auf den Eigentumserwerb als solchen
abzustellen (vgl. allgemein Senat, Beschluss vom 25. November 2004
- V ZB 13/04,
bei der Beurteilung außer Betracht bleiben.
(aa) Soweit es um die in
diese den Minderjährigen zwar unmittelbar mit Erwerb des Eigentums. Bei der
gebotenen wertenden Betrachtung stellen sie jedoch keinen rechtlichen Nachteil
i.S.v. § 107 BGB dar, auch wenn sie aus dem sonstigen Vermögen des Minderjährigen
zu tragen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 25. November 2004 V
ZB
13/04,
und dem Erwerb eines Miteigentumsanteils besteht insoweit nicht.
(bb) Aber auch die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinschaftlichen
Benutzung, die der Minderjährige bei dem Erwerb eines Miteigentumsanteils
nach
dem Alleineigentum abweichende Beurteilung. Eine Verpflichtung des Minderjährigen
nach
ein. Vielmehr müssen weitere Voraussetzungen hinzutreten. Die anteilige
Tragung von notwendigen Erhaltungsmaßnahmen i.S.v. § 744 Abs. 2 BGB
setzt die Vornahme einer entsprechenden Maßnahme durch den Miteigentümer
voraus. Ansprüche aus § 748 i.V.m. § 745 BGB sind von einem Beschluss der
Miteigentümer abhängig, wobei nach § 745 Abs. 3 Satz 1 BGB eine wesentliche
Veränderung des Gegenstands (hier: des Grundstücks) nicht beschlossen werden
kann. Der Schutz des Minderjährigen erfordert es vor diesem Hintergrund
nicht, bereits den Erwerb des Miteigentumsanteils als solchen als rechtlich nachteilig
i.S.v. § 107 BGB zu qualifizieren. Auch bei dem Erwerb des Alleineigentums
sind solche Nachteile außer Betracht zu lassen, die eine persönliche Haftung des
Minderjährigen nur unter weiteren Voraussetzungen zu begründen vermögen,
wie dies beispielsweise bei Ansprüchen der Fall ist, die auf die Verletzung der
Verkehrssicherungspflicht gestützt werden.
(2) Ganz anders stellt sich die Sachlage bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung
durch einen Minderjährigen dar. Ein solcher Erwerb ist im Hinblick auf
mögliche Gefährdungen des Vermögens des Minderjährigen mit dem Erwerb eines
Miteigentumsanteils an einem Grundstück oder des Alleineigentums nicht
vergleichbar.
(aa) Die Mitgliedschaft in einer GdWE ist mit erheblichen persönlichen
Verpflichtungen verbunden, die bereits unmittelbar mit dem Eigentumserwerb
eintreten. Denn als Mitglied der GdWE wäre der Minderjährige nicht nur verpflichtet,
sich entsprechend seinem Anteil an den Lasten des gemeinschaftlichen
Eigentums zu beteiligen. Er hätte vielmehr anteilig auch die Kosten der Instandhaltung,
Instandsetzung, sonstigen Verwaltung und eines gemeinschaftlichen
Gebrauchs des gemeinschaftlichen Eigentums zu tragen (vgl. § 16 Abs. 2 Satz 1
WG; Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 206/10,
Rn. 13 zu
festgelegt; die damit verbundene Zahlungspflicht trifft den Erwerber be-
reits unmittelbar mit dem Eigentumsübergang (vgl. Senat, Urteil vom 15. Dezember
2017 - V ZR 257/16,
ggf.
im Wege der Sonderumlage - an Wohngeldausfällen beteiligen. Schließlich
haftet der Minderjährige als Wohnungseigentümer nach § 9a Abs. 4 WEG (= § 10
Abs. 8 WEG aF) infolge des Erwerbs der Eigentumswohnung kraft Gesetzes den
Gläubigern der GdWE für Verbindlichkeiten, die während seiner Zugehörigkeit
zur Gemeinschaft entstehen oder während dieses Zeitraums fällig werden (vgl.
Senat, Beschluss vom 30. September 2010 - V ZB 206/10,
Rn. 14).
(bb) Hinzu kommt, dass bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise
das Schutzbedürfnis des Minderjährigen bei dem Erwerb eines Miteigentumsanteils
an einem Grundstück regelmäßig erheblich geringer ist als bei dem
Erwerb einer Eigentumswohnung. Miteigentumsanteile werden typischerweise
innerhalb einer Familie - etwa im Wege der vorweggenommenen Erbfolge - übertragen,
so dass eine Inanspruchnahme zwischen den Miteigentümern in aller Regel
fernliegend ist. Bei dem Erwerb einer Eigentumswohnung und dem Eintritt in
eine GdWE ist dies im Hinblick auf eine unter Umständen hohe Anzahl von Wohnungseigentümern
und die Gefahr von den Minderjährigen belastenden Mehrheitsentscheidungen
anders.
(cc) Dass der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück
wertungsmäßig mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung nicht gleichgestellt
werden kann, die Unterscheidung vielmehr dem Willen des Gesetzgebers entspricht,
lässt sich mittelbar auch der Regelung in § 1850 Nr. 4 BGB entnehmen.
Nach dieser Vorschrift bedarf (nur) der unentgeltliche Erwerb von Wohnungsoder
Teileigentum der gerichtlichen Genehmigung. Der Gesetzgeber begründet
dies mit den umfangreichen Haftungsfolgen des Erwerb einer Eigentumswoh-
nung (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 286 f.). Demgegenüber wird der unentgeltliche
Erwerb von Eigentum an einem Grundstück ausdrücklich als genehmigungsfrei
bezeichnet (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 286). Eine Differenzierung zwischen
dem Erwerb des Alleineigentums an dem Grundstück und dem Erwerb eines Miteigentumsanteils
erfolgt nicht.
(3) Schließlich könnte eine solche Differenzierung auch wertungsmäßig
nicht überzeugen. Übertrüge beispielsweise ein Elternteil ein Grundstück auf das
einzige Kind zu Alleineigentum, bedürfte es keines Ergänzungspflegers, da der
Erwerb lediglich rechtlich vorteilhaft wäre. Warum dies anders sein soll, wenn das
Grundstück auf zwei Kinder zu einem Miteigentumsanteil von je 1/2 übertragen
wird, erschließt sich nicht.
3. Da die Auflassung an die Beteiligten zu 3 und 4 lediglich rechtlich vorteilhaft
ist, stellt sich die weitere Frage nicht, ob für die Beteiligten zu 3 und 4
jeweils ein Ergänzungspfleger zu bestellen ist - so die Auffassung des Grundbuchamts
- oder ob die Bestellung eines Ergänzungspflegers für beide Kinder
genügt. Nach § 1813 Abs. 1 i.V.m. § 1775 Abs. 2 BGB soll für Geschwister allerdings
nur ein Ergänzungspfleger bestellt werden, es sei denn, es liegen besondere
Gründe vor, jeweils einen Ergänzungspfleger für einzelne Geschwister zu
bestellen.
IV.
1. Da das Beschwerdegericht hiernach die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung
des Grundbuchamtes zu Unrecht zurückgewiesen hat, ist seine
Entscheidung insoweit aufzuheben (
Unter Berücksichtigung der bereits von dem Beschwerdegericht ausgesprochenen
Teilaufhebung der Zwischenverfügung ist diese auch im Hinblick auf den
noch verbleibenden Inhalt und damit insgesamt aufzuheben. Das Grundbuchamt
darf deshalb den Vollzug der beantragten Grundbucheintragung nicht aus den in
der Zwischenverfügung genannten Gründen verweigern. Eine Entscheidung in
der Sache ist dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich, da der Gegenstand
des Rechtsmittelverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht der Eintragungsantrag
selbst ist (Senat, Beschluss vom 11. März 2021 - V ZB 127/19, WM
2021, 1964 Rn. 17).
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:18.04.2024
Aktenzeichen:V ZB 51/23
Rechtsgebiete:
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Sachenrecht allgemein
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Grundbuchrecht
In-sich-Geschäft
Miete
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
BWNotZ 2024, 206-211
Normen in Titel:BGB §§ 197, 181, 748, 1629 Abs. 2 S. 1, 1809 Abs. 1, 1824