Art der Heftung einer aus mehreren Teilen bestehende Urkunde
DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 5zb143_10
letzte Aktualisierung: 18.12.2010
BGH, 11.11.2010 - V ZB 143/10
Art der Heftung einer aus mehreren Teilen bestehende Urkunde
Der Notar ist nicht verpflichtet, eine aus mehreren Teilen bestehende Urkunde so zu heften, dass
die Fotokopierfähigkeit der verbundenen Schriftstücke erhalten bleibt. Sind Teile der Urkunde
lesbar, aber auf Grund der Heftung nicht kopierfähig, muss er die Urkunde nicht neu heften. Der
Notar ist nicht verpflichtet, eine aus mehreren Teilen bestehende Urkunde so zu heften, dass die
Fotokopierfähigkeit der verbundenen Schriftstücke erhalten bleibt. Sind Teile der Urkunde
lesbar, aber auf Grund der Heftung nicht kopierfähig, muss er die Urkunde nicht neu heften.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
V ZB 143/10
vom
11. November 2010
in der Notarbeschwerdesache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BNotO § 15; BeurkG § 44; DONot § 29, § 30
Der Notar ist nicht verpflichtet, eine aus mehreren Teilen bestehende Urkunde so
zu heften, dass die Fotokopierfähigkeit der verbundenen Schriftstücke erhalten
bleibt. Sind Teile der Urkunde lesbar, aber auf Grund der Heftung nicht kopierfähig,
muss er die Urkunde nicht neu heften.
BGH, Beschluss vom 11. November 2010 - V ZB 143/10 - LG Frankfurt (Oder)
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die Richter Dr. Lemke, Dr. SchmidtRäntsch und Dr. Roth und die Richterin Dr. Brückner
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 9. Zivilkammer
des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 13. April 2010 wird auf
Kosten der Beteiligten zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
3.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Rechtsbeschwerdeführerin begehrt die Entsiegelung und Neuheftung
einer notariellen Urkunde, aus der sie die Zwangsvollstreckung betreiben will.
Die vollstreckbare Urkunde wurde zur UR-Nr. 160/1995 der Notarin
B.
errichtet. Mit ihr übernahmen die Eheleute Be.
Haftung wegen einer vor dem Notar
R.
die persönliche
zur URNr. R 46/1994 bestellten Grundschuld in Höhe von 125.000 DM. Eine vollstreckbare Ausfertigung der Urkunde UR-Nr. R 46/1994 ist der Urkunde URNr. 160/1995 beigeheftet, ferner Zustellungsurkunden, ein Quittierungsvermerk
sowie ein Erbschein.
Am 26. Oktober 2009 versah der verwahrende Notar die Urkunde mit einer Rechtsnachfolgeklausel. Er öste und siegelte die Gesamturkunde.
Die Beteiligte beantragte bei dem Notar, die vollstreckbare Ausfertigung
der Urkunde wieder zu öffnen und eine kopierfähige Urkunde herzustellen. Zur
Begründung führte sie aus, durch die vorgenommene neue Ösung könnten einzelne Blätter nicht mehr vollständig kopiert werden. Diesen Antrag wies der Notar zurück, weil es sich um eine Gesamturkunde handele. Er sei nicht berechtigt, den Zusammenhang der nicht von ihm stammenden Urkunden zu lösen
und die entsprechenden Siegel zu brechen.
Mit der Beschwerde hat die Beteiligte verlangt, den Notar anzuweisen,
die versiegelte Grundschuldbestellungsurkunde zu öffnen und eine kopierfähige
Urkunde aus den verschiedenen Urkunden herzustellen. Im Laufe des Beschwerdeverfahrens erteilte der Notar der Beteiligten auf deren Antrag eine beglaubigte Abschrift der Urkunde. Dabei handelt es sich um eine Fotokopie der
Urkunde, bei der einzelne nicht lesbare Teile handschriftlich ergänzt worden
sind. Das Landgericht hat die Beschwerde mit dem angefochtenen Beschluss
zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beteiligte mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde und begehrt hilfsweise festzustellen, dass der Notar die
Rechtsbeschwerdeführerin in ihren Rechten verletzt hat, indem er ihrem Antrag
vom 14. Februar 2010 nicht entsprochen hat.
II.
Das Beschwerdegericht verneint das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag, weil die Beteiligte die Erteilung einer beglaubigten Abschrift der Urkunde
verlangen könne. Die Vervielfältigung könne auch durch eine Abschrift erfolgen.
Bei Gesamturkunden könne die Heftung häufig dazu führen, dass die Fotokopierfähigkeit der einzelnen Urkunden leide. Die Heftung müsse die Lesbarkeit,
nicht aber die Kopierfähigkeit erhalten.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß
FamFG statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Beschwer für den Hauptantrag nicht wegen der zwischenzeitlich erteilten beglaubigten Abschrift entfallen. Denn der Notar hat die in erster Linie begehrte Handlung nicht vorgenommen. Zudem ist nicht festgestellt, ob die beglaubigte Abschrift wegen der handschriftlichen Ergänzungen für die Vollstreckung ausreichen wird.
In der Sache hat die Rechtsbeschwerde keinen Erfolg, weil die angefochtene Entscheidung keine Rechtsfehler aufweist. Der Notar hat die Urkundstätigkeit, zu der auch der Vollzug der Urkunde und damit eine mögliche Entheftung
zählt, nicht ohne ausreichenden Grund im Sinne von
verweigert.
Im Grundsatz ist der Notar zu Urkundstätigkeiten verpflichtet. Ein ausreichender Grund für die Verweigerung im Sinne von
besteht sowohl, wenn das Beurkundungsgesetz die Amtsausübung untersagt,
als auch dann, wenn der Beurkundung Soll-Vorschriften entgegenstehen, die
der Notar bei seiner Amtsführung zu beachten hat (Sandkühler in Arndt/Lerch/
Sandkühler, BNotO, 6. Aufl., § 15 Rn. 63 ff.; Eylmann/Vaasen/Frenz, BNotO
a) Gemäß
Verweis hierauf sieht
beglaubigte Abschrift, die mehr als einen Bogen oder ein Blatt umfasst, zu heften und der Heftfaden anzusiegeln ist. Ferner sind gemäß
Urschriften, Ausfertigungen und beglaubigte Abschriften notarieller Urkunden so
herzustellen, dass sie gut lesbar, dauerhaft und fälschungssicher sind.
Die Heftung und Siegelung soll unter Erhaltung der Lesbarkeit sowohl
gewährleisten, dass die Urkunde vollständig bleibt, als auch verhindern, dass
andere Schriftstücke nachträglich eingefügt werden. Wird die Sollvorschrift des
Urkunde mindern (Preuß in Armbrüster/Preuß/Renner, BeurkG - DONot,
5. Aufl.,
b) Weil die Heftung einer Gesamturkunde eine dauerhafte Verbindung
der Urkunden schaffen soll, kann eine Entheftung nur in engen Ausnahmefällen
in Betracht kommen. Allerdings wird eine Pflicht des Notars angenommen, die
Verbindung einer fehlerhaft gebundenen Urkunde zu lösen und sie neu zu verbinden. Angeführt wird dabei eine fehlerhafte Urkunde, bei der entweder die
Reihenfolge der Blätter nicht zutrifft oder einzelne Blätter fehlen (Preuß in Armbrüster/Preuß/Renner aaO,
Renner aaO,
Praxis (2007) Rn. 211; Weingärtner/Ehrlich, DONot, 10. Aufl., Rn. 463; Winkler
aaO, § 44 Rn. 11).
c) Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Auch wenn unterstellt wird, dass
die Kopierfähigkeit einzelner Urkundsteile aufgrund der Heftung nicht mehr besteht, ist die Heftung deshalb nicht fehlerhaft.
Dass bei der festen Verbindung die Fotokopierfähigkeit einzelner Schriftstücke erhalten bleiben muss, ergibt sich aus keiner der genannten Vorschriften. Dies ist auch nach Sinn und Zweck von
DONot nicht geboten. Nach
hergestellt werden, dass sie unter anderem gut lesbar sind. Dass hier Teile der
Urkunde nicht mehr lesbar wären, hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt
und behauptet auch die Rechtsbeschwerde nicht.
Die Kopierfähigkeit muss dagegen nicht zwingend erhalten bleiben. Bei
Gesamturkunden kann die dauerhafte Verbindung durch Schnur und Prägesiegel nämlich leicht dazu führen, dass einzelne Teile der Urkunde zwar lesbar,
nicht aber kopierfähig bleiben. Der Notar soll die Ösung sogar so im oberen
Drittel des Seitenrandes anbringen, dass der Heftfaden durch eine Lochung
nicht beschädigt werden kann (Weingärtner/Ehrlich aaO, Rn. 470 mwN). Würde
ihm gleichzeitig die Pflicht auferlegt, die Kopierfähigkeit der einzelnen Teile der
Gesamturkunde zu erhalten, könnte die dauerhafte Zusammenfügung häufig
nicht sichergestellt werden. Letztere hat aber Vorrang gegenüber der Kopierfähigkeit einzelner Teile, weil der Beweiswert der Gesamturkunde erhalten bleiben muss.
d) Es besteht auch kein Bedürfnis für eine Entheftung der Urkunde.
aa) Das Beschwerdegericht hat zutreffend auf die Erteilung einer beglaubigten Abschrift gemäß
dem Notar gemäß
dieser Vorschrift ist. Eine Beglaubigungsgebühr ist hierfür nicht zu erheben,
bb) Ein Bedürfnis für die Entheftung lässt sich auch nicht - wie die
Rechtsbeschwerde meint - aus dem infolge der Erteilung der beglaubigten Abschrift entstehenden Zeitverlust herleiten. Die Entheftung und Neusiegelung
erfordert ebenfalls eine notarielle Tätigkeit. Es ist nicht vorgetragen und nicht
ohne weiteres ersichtlich, dass der hierfür benötigte Zeitaufwand geringer wäre
als derjenige für die Erteilung einer beglaubigten Abschrift.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Gegenstandswerts folgt aus
Krüger
Lemke
Roth
Schmidt-Räntsch
Brückner
Vorinstanz:
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:10.11.2010
Aktenzeichen:V ZB 143/10
Rechtsgebiete:
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
MittBayNot 2011, 167-168
RNotZ 2011, 262
DNotZ 2011, 543-545
FGPrax 2011, 92-93
NJW-RR 2011, 641-642
NotBZ 2011, 97-99
BNotO § 15; BeurkG § 44; DONot §§ 29, 30