OLG Hamm 26. März 2021
27 W 18/21
GmbHG §§ 6 Abs. 2, 63 Abs. 1, 66

Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen bei verfrühter Anmeldung der Auflösung einer GmbH

letzte Aktualisierung: 5.11.2021
OLG Hamm, Beschl. v. 26.3.2021 – 27 W 18/21

GmbHG §§ 6 Abs. 2, 63 Abs. 1, 66
Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen bei verfrühter Anmeldung der Auflösung einer
GmbH

Die Zurückweisung eines verfrühten Eintragungsantrags kommt jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen; auf den Umstand, dass der Antrag zu früh eingegangen ist, kann dann nicht mehr abgestellt werden.

Gründe:

I.
Bei der Gesellschaft handelt es sich um ein mittelständisches Handwerksunternehmen,
das seinen Geschäftsbetrieb zum Ende des Jahres 2020 eingestellt hat.

1.
Mit Anmeldung vom 2. November 2020 beantragte der Beteiligte die Eintragung der
Auflösung der Gesellschaft im Handelsregister zum 31. Dezember 2020 an und teilte mit,
dass er von der Gesellschaftsversammlung zum Liquidator bestellt worden sei. Dabei
versicherte er, dass keine Umstände vorlägen, aufgrund derer er von Gesetzes wegen
vom Amt eines Liquidators ausgeschlossen sei.
Mit Schreiben vom 7. Januar 2021 teilte das Amtsgericht dem Beteiligten mit, dass eine
Eintragung derzeit noch nicht erfolgen könne, da die Versicherungserklärung des
Liquidators zu früh – und damit zur Unzeit – abgegeben worden sei (Bl. 31 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 15. Januar 2021 legte der Beteiligte gegen diese, von ihm als solche
verstandene Zwischenverfügung Beschwerde ein (Bl. 33 ff. d.A.). Die Annahme des
Amtsgerichts, dass die Versicherung zur Unzeit abgegeben worden sei, sei nicht
nachvollziehbar.

Das Amtsgericht teilte ihm daraufhin mit Schreiben vom 20. Januar 2021 mit, die
Zwischenverfügung vom 7. Januar 2021 sei nicht rechtsmittelfähig. Zudem bestünden die
dort genannten Eintragungshindernisse fort. Die Versicherung des Liquidators sei fast
neun Wochen vor der Betriebsaufgabe gestellt worden und daher im Hinblick auf den
Zeitraum vom 3. November bis 31. Dezember 2020 nicht aussagekräftig (Bl. 37 f. d.A.).
Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 5. Februar 2021 legte der Beteiligte
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021 ein. Das Amtsgericht
habe keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht, die gegen die Richtigkeit der
Versicherungserklärung vom 2. November 2020 sprächen; daher sei nicht zu erkennen,
warum für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2020 eine ergänzende Erklärung
beizubringen sei (Bl. 47 ff. d.A.).

Mit Verfügung vom 23. Februar 2021 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht
abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 41 d.A.).

II.
Die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts vom 20. Januar 2021 hat
Erfolg.

1.
Sie ist nach §§ 375 Nr. 6, 382 Abs. 4 S. 2, 402 Abs. 1 i.V.m. § 63 Abs. 1 FamFG statthaft
und auch im Übrigen zulässig. Ob bereits das Schreiben vom 7. Januar 2021 eine
Zwischenverfügung i. S. v. § 382 Abs. 4 S. 1 FamFG enthält (vgl. zur Abgrenzung zur
bloßen Anregung Müther, in: Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, 3. Aufl. 2018, § 382 Rn. 8
m. w. N.), spielt keine Rolle, da das Amtsgericht dieses inhaltlich mit als solcher
deklarierter und auch nach seiner Auffassung rechtsmittelfähiger Zwischenverfügung vom
20. Januar 2021 wiederholt und der Beteiligte mit seinem Schriftsatz vom 5. Februar 2021
zum Ausdruck gebracht hat, dass sich die Beschwerde auch gegen sie richtet. Da er sich
zudem gegen das Schreiben vom 7. Januar 2021 zeitnah mit Schreiben vom 15. Januar
2021 zur Wehr gesetzt hat, kann auch offen bleiben, ob die Beschwerdefrist des § 63
Abs. 1 FamFG bereits mit Zugang des Schreibens vom 7. Januar 2021 ausgelöst worden
ist (§ 63 Abs. 3 S. 1 FamFG).

2.
Die Beschwerde ist begründet, da die vom Amtsgericht in der Zwischenverfügung
angegebenen Gründe für die Ablehnung der Eintragung nicht tragen.

a) Nach § 66 Abs. 1 GmbHG erfolgt die Liquidation einer Gesellschaft, die ihren
Geschäftsbetrieb aufgegeben hat und daher „aufgelöst“ ist, außerhalb eines
Insolvenzverfahrens durch eine Liquidation, zu deren Durchführung grundsätzlich der
letzte Geschäftsführer berechtigt und verpflichtet ist, wenn nicht einer anderen Person
dieses Amt übertragen worden ist. Eine in diesem Sinne aufgelöste Gesellschaft ist im
Wege der Liquidation abzuwickeln; bis zur Beendigung der Liquidation besteht sie als
juristische Person fort. Dem Liquidator obliegt es, im Interesse der Gesellschaft und ihrer
Gläubiger für eine vollständige und sachgerechte Verteilung des Gesellschaftsvermögens
zu sorgen. Geborene Liquidatoren sind die zur Zeit der Auflösung im Amt befindlichen
Geschäftsführer ohne weiteren Bestellungsakt (oder Amtsannahme). Eine
Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung über die Bestellung eines geborenen
Liquidators ist allerdings nicht schädlich (vgl. zu alledem nur Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl.
2021, § 66 Rn. 14; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl. 2019, § 66 Rn. 12; K.
Schmidt/Scheller, in: Scholz, GmbHG, Bd. III, 12. Aufl. 2021, § 66 Rn. 5, jew. m.w.N.).

b) Gemessen daran ist die Zwischenverfügung nicht frei von Rechtsfehlern. Mit der
Anmeldung hat der Beteiligte das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom
2. November 2020 vorgelegt, in dem er zum Liquidator bestellt worden ist. Als geborener
und bestellter Liquididator war er verpflichtet, die nach § 66 Abs. 4 S. 1 i. V. m. § 6 Abs. 2
S. 1 und 2 GmbHG gebotene Erklärung abzugeben. Er musste insbesondere versichern,
dass er keiner gesetzlichen Betreuung unterliegt, ihm kein Berufsverbot erteilt worden ist
und er nicht rechtskräftig wegen einer vorsätzlich begangenen Vermögensstraftat verurteilt
worden ist (vgl. dazu näher § 6 Abs. 2 S. 2 Nrn. 1 bis 3 GmbHG). Das hat er mit der
vorgelegten notariell beglaubigten Erklärung vom 2. November 2020 getan.

aa) Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts steht der Anmeldung mittlerweile nicht
mehr entgegen, dass die Erklärung zur Unzeit abgegeben worden ist. Zwar lag bis zur
Eintragungsreife noch ein Zeitraum von knapp neun Wochen , allerdings hat das
Amtsgericht die Anmeldung erst Anfang Januar 2021 bearbeitet, so dass sich daraus allein
kein Eintragungshindernis herleiten lässt. Die Zurückweisung eines verfrühten
Eintragungsantrags kommt jedenfalls dann nicht mehr in Betracht, wenn im Zeitpunkt der
Entscheidung die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen; auf den Umstand, dass der
Antrag zu früh eingegangen ist, kann dann nicht mehr abgestellt werden (vgl. OLG Hamm,
Beschlüsse vom 20. Dezember 2001 – 15 W 378/01, NZG 2002, 425, zit. nach juris, Rn.
12, vom 8. Februar 2007 – 15 W 34/07, GmbHR 2007, 762, zit. nach juris, Rn. 11, und vom
4. August 2010 – 15 W 85/10, ZIP 2010, 2144; Senat, Beschlüsse vom 4. Oktober 2018 –
27 W 119/18, und vom 13. Dezember 2018 – 27 W 149/18, jeweils unveröffentlicht; vgl.
allg. Krafka, in: Krafka/Kühn, Registerrecht, 11. Aufl. 2019, Rn. 147 m. w. N.).

bb) Zwar bleibt es dem Registergericht bei einer von ihm als verfrüht erkannten
Anmeldung auch nach Fristablauf unbenommen, Bedenken an der Richtigkeit oder am
Fortbestand der zur Eintragung angemeldeten Tatsachen zu erheben und vom
Anmeldenden weitere Erklärungen oder eine Aktualisierung der Versicherung anzufordern
(vgl. Senat, Beschluss v. 4. Oktober 2018, a. a. O.). Dies folgt schon allgemein aus seiner
Pflicht zur Sachaufklärung aus § 26 FamFG und kann sich speziell aus § 8 Abs. 2 S. 2
GmbHG ergeben. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass konkrete Anhaltspunkte dazu
Anlass geben, aus denen sich insbesondere Zweifel an der Richtigkeit der Versicherung
ergeben (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 4. August 2010, a.a.O., Rn. 11).
Auf diesen Gesichtspunkt kann die angegriffene Zwischenverfügung aber schon deshalb
nicht gestützt werden, weil das Amtsgericht immer nur auf den zeitlichen Aspekt der
„Verfrühung“ bzw. der Abgabe zur Unzeit abgestellt und keine inhaltlichen Mängel oder
Richtigkeitszweifel vorgebracht hat, und zwar weder in dem Schreiben vom 7. Januar 2021
noch in der als solchen bezeichneten Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021. Dort ist
unter Bezugnahme auf dieses Schreiben lediglich von „weiterhin“ bestehenden
Eintragungshindernissen die Rede und wird zur Begründung die Argumentation dazu
vertieft, welche Anforderungen an die zeitliche Nähe der Erklärung zu stellen seien. Zwar
endet die Zwischenverfügung damit, dass dem Beteiligten Gelegenheit zur „Nachholung
der Versicherung für den Zeitraum vom 03.11.2020 bis 31.12.2020“ innerhalb einer Frist
von einem Monat gegeben wird, ohne dass jedoch der Wille erkennbar hervortritt, dass
dies aus anderen Gründen geschehen ist, als den Aspekt der mangelnden zeitlichen Nähe
der Abgabe der Erklärung aus der Welt zu schaffen. Dieser Gesichtspunkt trägt indes - wie
unter aa) dargelegt - die Zurückweisung des Anmeldung gerade nicht.

III.
Demnach war die Zwischenverfügung vom 20. Januar 2021 aufzuheben und die Sache an
das Amtsgericht zurückzugeben, um die Anmeldung zur Eintragung vom 2. November
2020 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu bescheiden (§ 69 Abs.
1 Sätze 2 und 4 FamFG).

Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels ist weder eine Kostenentscheidung, noch eine
Wertfestsetzung, noch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde
veranlasst (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19. Juli 2017 – 3 Wx 171/16, ZIP 2017, 2057,
zit. nach juris, Rn. 9).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

26.03.2021

Aktenzeichen:

27 W 18/21

Rechtsgebiete:

GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GmbHG §§ 6 Abs. 2, 63 Abs. 1, 66