Anfechtbarkeit einer Adoptionsentscheidung
letzte Aktualisierung: 2.6.2021
OLG Hamm, Beschl. v. 20.11.2020 – 7 UF 142/20
BGB §§ 1355 Abs. 1 S. 1, 1754 Abs. 1, 1757 Abs. 1, 1767 Abs. 2 S. 3
Anfechtbarkeit einer Adoptionsentscheidung
Wird in einer Adoptionsentscheidung der Ehename des Anzunehmenden in gesetzeswidriger Weise
bestimmt, so ist die Entscheidung insoweit mit der Beschwerde anfechtbar. Dem steht nicht
entgegen, dass
Gericht die Annahme als Kind ausspricht, grundsätzlich ausschließt.
Gründe
A.
Die am ##.11.1982 geb. Anzunehmende ist die Tochter der Beteiligten zu 2. Sie entstammt
deren Ehe mit Herrn N M. Diese Ehe wurde durch Urteil des Amtsgerichts –
Familiengericht – Arnsberg vom 04.07.1991 rechtskräftig geschieden (AG Arnsberg 16 F
266/90). Am 28.12.1993 heiratete die Beteiligte zu 2. den am ##.05.1967 geb.
Annehmenden.
Die Anzunehmende führt seit dem 29.06.2006 anstelle ihres bisherigen Familiennamens
„M“ den Familiennamen „L“ (Urkunde über die Änderung des Familiennamens des I vom
04.07.2006, Az. 32/33.30.20 Nr. #####6).
Am 01.09.2018 heiratete die Anzunehmende den am 26.10.1979 geb. Beteiligten zu 4.
Beide führen seit der Eheschließung als Ehe- und gemeinsamen Familiennamen (§ 1355
Abs. 1 S. 1 BGB) den Namen „L“ (Heiratsurkunde des Standesamts- und
Staatsbürgerverbandes G, Republik Österreich, vom 01.09.2018 Nr. #####7/2018).
Mit Urkunde des Rechtsanwalts C als amtlich bestellter Vertreter des Notars P mit Amtssitz
in B vom 15.04.2019 (Nr. ##7 der Urkundenrolle für 2019) beantragten der Annehmende
und die Anzunehmende, dass der Annehmende die Anzunehmende als Kind annimmt. Zur
Begründung ist in der Urkunde ausgeführt, dass die Anzunehmende bereits seit ihrem 11.
Lebensjahr im Haushalt des Annehmenden gelebt habe und zwischen ihnen ein Eltern-
Kind-Verhältnis entstanden sei. Zu ihrem leiblichen Vater habe sie seit 1991 keinen
Kontakt mehr. Dieser habe sogar seine Vaterschaft für sie in Abrede gestellt.
Die Beteiligte zu 2. und der Beteiligte zu 4. haben in derselben Urkunde in die Adoption
eingewilligt.
Im Termin vom 25.10.2019 hat das Familiengericht alle Beteiligten persönlich angehört.
Die Anzunehmende hat in diesem Termin erklärt, sie wolle nach den Wirkungen für eine
Minderjährigenadoption angenommen werden. Alle Beteiligten haben erklärt, dass es
hinsichtlich des Namens keine Änderungen geben solle.
Mit Beschluss vom 25.10.2019 hat das Familiengericht entschieden, dass
- die Anzunehmende vom Annehmenden als Kind angenommen werde,
- sie gemäß
des Annehmenden und der Beteiligten zu 2. erhalte,
- die Anzunehmende gemäß § 1757 Abs. 2 BGB den Ehenamen behalte und
- die Wirkungen der Adoption sich gemäß § 1772 Abs. 1 S. 1 lit. b) BGB nach den
Vorschriften über die Annahme eines Minderjährigen richten.
Wegen des weiteren Inhalts dieser Entscheidung wird zur Vermeidung von
Wiederholungen auf die Beschlussgründe Bl. 75 d. A. Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 22.01.2020 teilte das Standesamt der Gemeinde X dem
Familiengericht mit, der Satz in dem Adoptionsbeschluss „Die Angenommene behält
gemäß § 1757 Abs. 2 BGB den Ehenamen“ sei unverständlich. Nach dieser Vorschrift
könnten, wenn ein Ehegatte das Kind des anderen Ehegatten annehme, die Ehegatten nur
dann einen Geburtsnamen des Kindes bestimmen, wenn sie keinen Ehenamen führten.
Dies sei hier jedoch nicht der Fall, denn der Annehmende und seine Ehefrau führten den
Ehenamen „Q.“ Dagegen führe die Anzunehmende keinen Ehenamen. Nach Auffassung
des Standesamtes habe die Anzunehmende durch die Adoption gemäß § 1757 Abs. 1
BGB den Geburtsnamen „Q“ erhalten.
Mit Beschluss vom 20.03.2020 hat das Familiengericht – ohne Anhörung der Beteiligten –
entschieden: „In dem Adoptionsbeschluss vom 25.10.2019 wird der Satz „Die
Angenommene behält gemäß § 1757 Abs. 2 BGB den Ehenamen“ ersatzlos gestrichen.“.
Gegen diesen Beschluss, der ihr über den beurkundenden Notar am 02.04.2020 zugestellt
worden ist, wendet sich die Anzunehmende mit Schriftsatz des Notars vom 06.04.2020,
der am 09.04.2020 bei dem Familiengericht eingegangen ist. Mit diesem Schriftsatz
beantragt sie die Aufhebung dieses Beschlusses. Zur Begründung trägt sie vor: Sie habe
nach der Adoption ihren bisherigen Ehenamen „L“ behalten und wolle diesen Namen auch
weiterführen. Ihr Ehemann habe sich einer etwaigen Änderung des Ehenamens nicht
angeschlossen. Deshalb erstrecke sich die Änderung ihres Geburtsnamens keinesfalls auf
ihren Ehenamen, wie sich aus
Mit Schreiben vom 09.04.2020 teilt das Standesamt der Gemeinde X dem Familiengericht
mit: Bei Abfassung des Schreibens vom 22.01.2020 sei ihm nicht bekannt gewesen, dass
die Anzunehmende ihren Geburtsnamen „L“ auch als Ehenamen führe. Da ihr Ehemann
nicht in eine Änderung des Ehenamens eingewilligt habe, bestehe der Ehename „L“
unverändert fort. Durch die Adoption ändere sich ausschließlich der Geburtsname der
Anzunehmenden. Aus Sicht des Standesamtes sei allerdings eine gerichtliche Klarstellung
erforderlich, dass sich infolge der Adoption lediglich der Geburtsname der
Anzunehmenden geändert habe, nicht aber ihr Ehename.
Mit Schreiben vom 30.06.2020 teilt das Familiengericht dem beurkundenden Notar mit,
eine Aufhebung des Beschlusses sei nicht möglich.
Mit Schriftsatz vom 21.08.2020 erklären die Anzunehmende und der beurkundende Notar,
sie legten gegen den Beschluss vom 20.03.2020 in Verbindung mit dem Beschluss vom
25.10.2019 Beschwerde ein. Mit ihrem Rechtsmittel beantragen sie, unter Abänderung
dieser Beschlüsse auszusprechen, dass die Anzunehmende als Folge der Adoption den
Geburtsnamen Q erhalte und den Ehenamen L (geborene Q) weiterführe. Zur Begründung
tragen sie vor: In dem Adoptionsantrag seien keine Anträge auf Änderung des Ehenamens
der Anzunehmenden gestellt worden. Daher laute ihr Name nach der Adoption „T L
geborene Q.“ Deshalb habe das Familiengericht in dem Beschluss vom 25.10.2019
zutreffend ausgeführt, dass die Anzunehmende ihren Ehenamen behalte. In diesem
Zusammenhang habe das Familiengericht allerdings unzutreffend die nicht einschlägige
Vorschrift des § 1757 Abs. 2 BGB angeführt. Der Tenor des Beschlusses vom 20.03.2020,
wonach der Satz „Die Angenommene behält gemäß § 1757 Abs. 2 BGB den Ehenamen.“,
ersatzlos gestrichen werde, könne allerdings den Eindruck hervorrufen, dass die
Anzunehmende nunmehr auch den Ehenamen „Q“ führe. In diesem Sinn habe auch das
Standesamt der Gemeinde X diesen Beschluss zunächst verstanden. Dieses Verständnis
sei jedoch unzutreffend. Bei der Volljährigenadoption erstrecke sich die Änderung des
Geburtsnamens gemäß § 1767 Abs. 2 S. 3 BGB nur dann auf den Ehenamen, wenn sich
der Ehegatte des Anzunehmenden vor dem Ausspruch der Adoption der Namensänderung
durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Familiengericht anschließe. Hier
habe die Anzunehmende keinen Antrag auf Änderung des Familiennamens gestellt und ihr
Ehemann sich einem solchen Antrag weder angeschlossen noch anschließen können.
Zudem sei der Beschluss vom 20.03.2020 verfahrensfehlerhaft ergangen, denn das
Familiengericht habe die Beteiligten zuvor nicht angehört. Die Unanfechtbarkeit eines
Adoptionsbeschlusses nach
Beschwerde nicht entgegen, denn diese Unanfechtbarkeit gelte nicht für die
namensrechtlichen Folgen der Adoption.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Beteiligten gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
B.
I.
Die Beschwerde der Anzunehmenden ist zulässig und begründet.
1. Die Anzunehmende ist gemäß § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt, denn der
Beschluss vom 20.03.2020 (in Verbindung mit dem Beschluss vom 25.10.2019) – verletzt
sie in ihrem Namensrecht gemäß § 12 BGB. Bei diesem Recht handelt es sich um ein
absolutes Recht und zugleich ein Persönlichkeitsrecht (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 79.
Aufl. § 12 Rn. 2), gegen dessen Verletzung sich der Namensträger gerichtlich zur Wehr
setzen kann.
a) Die Anzunehmende führt ausweislich der Urkunde des I über die Änderung des
Familiennamens vom 04.07.2006 seit dem 29.06.2006 den Familiennamen „L“. Sie und ihr
Ehemann führen diesen Namen seit der Eheschließung am 01.09.2018 als gemeinsamen
Familien- und Ehenamen i. S. des
der Heiratsurkunde des Standesamtes und Staatsbürgerschaftsverbandes G/Österreich
vom 01.09.2018, Az. #####7/2018. Diesen Ehenamen hat die Anzunehmende nach ihrer
Adoption gemäß Beschluss vom 25.10.2019 behalten. Nach § 1767 Abs. 2 S. 3 BGB
erstreckt sich die Änderung des Geburtsnamens des Anzunehmenden nur dann auf seinen
Ehenamen, wenn sich auch der Ehegatte der Namensänderung vor dem Ausspruch der
Annahme durch öffentlich beglaubigte Erklärung gegenüber dem Familiengericht
anschließt. Diese Voraussetzungen liegen hier – offensichtlich – nicht vor, wie die
Anzunehmende und der Notar zutreffend ausführen. Weder hat die Anzunehmende eine
Änderung ihres Ehenamens beantragt, sondern im erstinstanzlichen Termin vom
25.10.2019 ausdrücklich erklärt, es solle hinsichtlich des Namens keine Änderungen
geben, noch hat sich ihr Ehemann einem Antrag auf Änderung des Ehenamens
angeschlossen. Da ein solcher Antrag der Anzunehmenden nicht vorliegt, war für eine
solche Anschließungserklärung von vornherein kein Raum. Demgemäß hat das
Standesamt der Gemeinde X in seinem Schreiben vom 09.04.2020 zutreffend ausgeführt,
dass die Anzunehmende nach der Adoption den Namen „L geb. Q“ führt.
b) Der Beschluss des Familiengerichts vom 20.03.2020 kann indes in dem Sinn
verstanden werden, dass die Anzunehmende nach der Adoption den Ehenamen „Q“ führt.
Mit diesem Beschluss hat das Familiengericht offensichtlich den Ausführungen des
Standesamtes der Gemeinde X in dessen Schreiben vom 22.01.2020 entsprechen wollen,
denen zufolge die Anzunehmende keinen Ehenamen führe und durch die Annahme den
Namen „Q“ erhalten habe.
c)
unanfechtbar ist, steht der Zulässigkeit der Beschwerde in einem Fall wie dem
vorliegenden nicht entgegen. Zum einen verfolgt die Beschwerde keinesfalls das Ziel, die
Gültigkeit und Rechtswirksamkeit der Adoption selbst in Frage zu stellen; der Zweck des §
197 Abs. 3 FamFG, der in der Sicherung der Rechtsstellung des Kindes und des
Annehmenden besteht (vgl. BGH
Edition, Stand 01.10.2020, § 197 Rn. 25), wird durch das Ziel des Rechtsmittels nicht
verletzt. Zum anderen werden klarstellende Ergänzungen eines Adoptionsbeschlusses, mit
denen Zweifel im Hinblick auf den nach der Annahme geltenden Namen beseitigt und
Unklarheiten im Rahmen des Personenstandsverfahrens ausgeräumt werden sollen,
grundsätzlich als zulässig angesehen, ebenso wie die Beantragung einer solchen
klarstellenden Entscheidung mit einer Beschwerde (OLG Zweibrücken,
OLG Frankfurt
Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl., § 197 Rn. 93). Dass in Fällen wie hier ein
unabweisbares, schutzwürdiges Bedürfnis nach einer klarstellenden gerichtlichen
Entscheidung besteht, bestätigt auch das Schreiben des Standesamtes X vom
09.04.2020, dort letzter Satz. Zudem hat der BGH nunmehr die Anfechtbarkeit eines
Adoptionsbeschlusses bejaht, soweit darin ein Antrag zur Namensführung nach § 1757
Abs. 3 BGB abgelehnt wurde (BGH
höchstrichterlichen Rechtsprechung muss nach Auffassung des Senats die Zulässigkeit
einer Beschwerde auch für den Fall bejaht werden, dass in dem Beschluss über die
Annahme oder einem diesem nachfolgenden Beschluss der Ehename in gesetzwidriger
Weise bestimmt wird (ebenso Löhnig, in beck-online.Großkommentar, Stand 01.08.2020, §
1757 BGB Rn. 49).
2. Die Anzunehmende hat ihre Beschwerde auch binnen der Monatsfrist des § 63 Abs. 1
FamFG eingelegt. Der angefochtene Beschluss vom 20.03.2020 wurde ihr – zu Händen
des Notars – am 02.04.2020 zugestellt. Bereits mit Schriftsatz vom 06.04.2020, bei dem
Familiengericht eingegangen am 09.04.2020, hat der Notar im Namen der
Anzunehmenden ausdrücklich beantragt, diesen Beschluss aufzuheben und zur
Begründung zutreffend ausgeführt, dass die Anzunehmende weiterhin den Ehenamen „L“
führt, da die Voraussetzungen für eine Änderung dieses Namens nicht vorliegen.
II.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Senat hat oben unter I.1.a) im Einzelnen
ausgeführt, dass die Volljährigenadoption der Anzunehmenden nicht zu einer Änderung
ihres Ehenamens „L“ geführt hat, da die Voraussetzungen einer solchen Änderung nach §
1767 Abs. 2 S. 3 BGB offensichtlich nicht vorliegen.
III.
Über die Beschwerde, die der Notar im eigenen Namen eingelegt hat, hat der Senat
aufgrund der stattgebenden Entscheidung über das Rechtsmittel der Anzunehmenden
nicht mehr zu entscheiden. Der Notar hat diese Beschwerde unter der aufschiebenden
innerprozessualen Bedingung der Erfolglosigkeit der Beschwerde der Anzunehmenden
eingelegt. Diese Bedingung ist nicht eingetreten, da der Senat gemäß dem
Beschwerdeantrag der Anzunehmenden entschieden hat. Dass ein Rechtsmittel unter
einer solchen innerprozessualen Bedingung zulässigerweise eingelegt werden kann, ist
anerkannt (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 20. Aufl., § 64 Rn. 22).
IV.
Von einer Anhörung des Annehmenden und der Beteiligten zu 2. und 4. konnte der Senat
absehen. Diese Beteiligten unterstützen die Beschwerde der Anzunehmenden. Dies hat
der Notar bestätigt. Aufgrund der Rechtslage sowie der Interessenlage der Beteiligten und
ihrer im erstinstanzlichen Termin einvernehmlich abgegebenen Erklärung, dass es
hinsichtlich des Namens keine Änderung geben solle, bestehen hieran keine Zweifel.
V.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 20 Abs. 1 S. 1 FamGKG, 81 Abs. 1
FamFG, die Festsetzung des Werts für die Beschwerdeinstanz aus § 42 Abs. 2 FamGKG.
VI.
Rechtsmittelbelehrung: Dieser Beschluss ist unanfechtbar. Der Senat hat seine
Entscheidung auf der Grundlage der eindeutigen gesetzlichen Vorschriften unter
Berücksichtigung der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung sowie der
einschlägigen Kommentarliteratur getroffen. Anlass für die Zulassung der
Rechtsbeschwerde besteht deshalb weder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:20.11.2020
Aktenzeichen:7 UF 142/20
Rechtsgebiete:
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW-RR 2021, 199-200
Normen in Titel:BGB §§ 1355 Abs. 1 S. 1, 1754 Abs. 1, 1757 Abs. 1, 1767 Abs. 2 S. 3