BGH 23. Juni 2022
V ZB 32/21
ZVG § 180 Abs. 1

Teilungsversteigerung eines Grundstücks

letzte Aktualisierung: 19.10.2022
BGH, Beschl. v. 23.6.2022 – V ZB 32/21

ZVG § 180 Abs. 1
Teilungsversteigerung eines Grundstücks

Vereinigen sich die Miteigentumsanteile an einem Grundstück in der Hand eines Eigentümers und
wird ein Anspruch des Übertragenden auf Rückübereignung eines Miteigentumsanteils durch
Vormerkung gesichert, kommt eine Teilungsversteigerung des Grundstücks in analoger Anwendung
von § 180 Abs. 1 ZVG nicht in Betracht.

Gründe:

I.
Die rechtskräftig geschiedenen Beteiligten waren jeweils hälftige Miteigentümer
des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks. Während
der Ehezeit übertrug der Antragsgegner seinen Miteigentumsanteil an dem
Grundstück unentgeltlich auf die Antragstellerin. Die Beteiligten vereinbarten in
dem notariellen Vertrag vom 25. Januar 2007 die Verpflichtung der Antragstellerin
zur Rückübertragung des Miteigentumsanteils an den Antragsgegner u.a. für
den Fall, dass eine Partei einen Antrag auf Scheidung der Ehe stellt und die ge-
setzlichen Scheidungsvoraussetzungen vorliegen. Zur Sicherung des Rückübertragungsanspruchs
wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen.
Nach Rechtshängigkeit des Scheidungsverfahrens wurde die hiesige
Antragstellerin auf Antrag des hiesigen Antragsgegners durch Beschluss des
Amtsgerichts - Familiengericht - verpflichtet, einen hälftigen Miteigentumsanteil
an dem Grundstück an den Antragsgegner aufzulassen, das Eigentum daran zu
übertragen und die Eintragung des Antragsgegners als Eigentümer des hälftigen
Miteigentumsanteils zu bewilligen. Die Übertragung erfolgte bislang nicht. Die
Beurkundung eines auf Betreiben der Antragstellerin entworfenen Überlassungsvertrags
lehnte der Antragsgegner ab.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr die Anordnung des Zwangsversteigerungsverfahrens
zum Zwecke der Aufhebung der Gemeinschaft gemäß § 180
Abs. 1 ZVG. Das Amtsgericht (Vollstreckungsgericht) hat den Antrag zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht ihm
stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde will
der Antragsgegner weiterhin die Zurückweisung des Antrags erreichen.

II.
Das Beschwerdegericht meint, die alleinige Rechtsinhaberschaft der Antragstellerin
stehe der Zulässigkeit einer Teilungsversteigerung nicht entgegen.
Allgemein schließe das Zusammenfallen der Bruchteile in der Hand eines Eigentümers
ein getrenntes rechtliches Schicksal der Bruchteile nicht aus, wenn die
Trennung - wie hier - einem praktischen Bedürfnis entspreche. Die Antragstellerin
habe den Miteigentumsanteil von Anfang an mit einer an bestimmte Vorausset-
zungen geknüpften und durch eine Vormerkung gesicherten Rückübertragungsverpflichtung
erhalten. Dadurch sei sie faktisch gehindert, das Eigentum an dem
Grundstück an einen Dritten zu übertragen. Ähnlich wie bei der Vereinigung von
Bruchteilen in der Hand eines Inhabers, dem ein Bruchteil als nicht befreiter Vorerbe
zustehe, sei die Antragstellerin in ihrer Möglichkeit, über den von dem Antragsgegner
erworbenen Bruchteil zu verfügen, so stark eingeschränkt, dass es
gerechtfertigt sei, diesen Bruchteil als Sondervermögen anzusehen. Schutzwürdige
Interessen des Antragsgegners stünden nicht entgegen, da sich im Falle
einer Teilungsversteigerung sein Recht im Wege der Surrogation an dem Erlösanteil
fortsetze, der auf den mit der Vormerkung belasteten Bruchteil entfalle.
Die Auflassungsvormerkung des Antragsgegners belaste den Miteigentumsanteil
der Antragstellerin nämlich nicht und erlösche daher durch Zuschlagserteilung.
Der Antragsgegner nehme mit einem Wertersatzanspruch an der Erlösverteilung
teil (§ 92 ZVG).

III.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen
zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Die Annahme des Beschwerdegerichts,
die Teilungsversteigerung sei zulässig, hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

1. Die Regelung über die Teilungsversteigerung in § 180 Abs. 1 ZVG betrifft
die Zwangsversteigerung zum Zwecke der Aufhebung einer Gemeinschaft.
Diese Vorschrift ist, wie das Beschwerdegericht zutreffend erkennt, nicht unmittelbar
anwendbar. Sie setzt nach ihrem Wortlaut eine Gemeinschaft, also eine
Mehrheit von Personen, voraus (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2004
- IXa ZB 330/03, NJW-RR 2004, 1513; vgl. auch Senat, Beschluss vom 25. Februar
2010 - V ZB 92/09, NJW-RR 2010, 1098 Rn. 9). Daran fehlt es hier, da die
Antragstellerin Alleineigentümerin des Grundstücks ist.

2. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann die frühere
Bruchteilsgemeinschaft auch nicht zum Zwecke der Teilungsversteigerung in entsprechender
Anwendung von § 180 Abs. 1 ZVG als fortbestehend fingiert werden.

a) Richtig ist zwar der rechtliche Ausgangspunkt des Beschwerdegerichts,
dass der Fortbestand einer Bruchteilsgemeinschaft bei Vereinigung mehrerer
ideeller Anteile an einer Gemeinschaft in einer Hand in Ausnahmefällen aus praktischen
Gründen fingiert wird (vgl. allg. MüKoBGB/K. Schmidt, 8. Aufl., § 741
Rn. 31; Staudinger/von Proff, BGB [2021], § 741 Rn. 69).

aa) Anerkannt ist in der Rechtsprechung, dass ein früherer Miteigentumsanteil
für Zwecke der Zwangsvollstreckung als fortbestehend fingiert wird,
wenn die Haftung des jetzigen Alleineigentümers auf den früheren Miteigentumsanteil
beschränkt ist (vgl. Senat, Urteil vom 18. November 1988
- V ZR 75/87, BGHZ 106, 19, 27). Daher wird die Zwangsvollstreckung in den
nicht mehr bestehenden Miteigentumsanteil in entsprechender Anwendung von
§ 864 Abs. 2 Fall 2 ZPO in bestimmten Ausnahmefällen zugelassen, etwa wenn
der Miteigentumsanteil in anfechtbarer Weise (nach §§
den ist oder wenn der Erbe, der mit dem Erbfall Alleineigentümer geworden ist,
infolge einer von ihm geltend gemachten Haftungsbeschränkung nach § 1990
Abs. 1 Satz 2 BGB dem Gläubiger den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung
im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben hat (vgl. Senat, Beschluss
vom 4. Juli 2013 - V ZB 151/12, NJW 2013, 3786 Rn. 11 mwN). Auch bei der
Durchsetzung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs, der sich auf einen geschenkten
Miteigentumsanteil bezieht, wird der Fortbestand dieses Miteigentumsanteils
fingiert (vgl. Senat, Beschluss vom 4. Juli 2013 - V ZB 151/12, NJW
2013, 3786 Rn. 12). Die Fiktion trägt der unterschiedlichen Belastung der ideellen
Anteile Rechnung. Sie erhält einerseits dem Vollstreckungsschuldner die Beschränkung
der Haftung auf den hinzuerworbenen belasteten Miteigentumsanteil
und sichert andererseits dem Vollstreckungsgläubiger den Vollstreckungszugriff
auf diesen (vgl. OLG Schleswig, FGPrax 2011, 69, 70).

bb) Darüber hinaus kann die Rechtszuständigkeit nach Bruchteilen auch
dann erhalten bleiben, wenn die Bruchteile sich in einer Hand vereinigen, die
Verfügungsmacht des alleinigen Rechtsinhabers hinsichtlich einzelner Bruchteile
aber verschieden ausgestaltet ist. So ist der nicht befreite Vorerbe in seiner Möglichkeit,
über den ererbten Bruchteil zu verfügen, durch die gegenüber jedermann
wirkenden §§ 2113 ff. BGB so stark eingeschränkt, dass es gerechtfertigt ist, diesen
Bruchteil als Sondervermögen anzusehen und die Teilungsversteigerung
nach § 180 Abs. 1 ZVG zuzulassen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juli 2004
- IXa ZB 330/03, NJW-RR 2004, 1513).

b) In der hier gegebenen Fallkonstellation gibt es dagegen keinen Grund
dafür, die ehemalige Bruchteilsgemeinschaft der Beteiligten im Wege analoger
Anwendung von § 180 Abs. 1 ZVG (vgl. Staudinger/von Proff, BGB [2021], § 741
Rn. 69; Wicke, MittBayNot 2015, 158, 160) als fortbestehend zu behandeln. Vereinigen
sich die Miteigentumsanteile an einem Grundstück in der Hand eines
Eigentümers und wird ein Anspruch des Übertragenden auf Rückübereignung
eines Miteigentumsanteils durch Vormerkung gesichert, kommt eine Teilungsversteigerung
des Grundstücks in analoger Anwendung von § 180 Abs. 1 ZVG nicht
in Betracht. Es mangelt sowohl an der für eine analoge Anwendung der Vorschrift
erforderlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte als auch an einer planwidrigen
Regelungslücke (vgl. zu den Voraussetzungen einer Analogie Senat, Beschluss
vom 14. Juni 2007 - V ZB 102/06, NJW 2007, 3124 Rn. 11 mwN).

aa) Vergleichbar sind die Sachverhalte schon deshalb nicht, weil ein
Alleineigentümer einen ideellen Bruchteil nicht mit einer Vormerkung belasten
kann. Dies gilt auch dann, wenn ein Miteigentümer - wie hier - einen weiteren
Anteil hinzuerwirbt und die Vormerkung einen Anspruch auf Rückübertragung
dieses Anteils sichern soll. Möglich ist nur die Bewilligung und Eintragung einer
auf dem gesamten Anteil lastenden Vormerkung, die einen Anspruch auf Übertragung
eines Bruchteils dieses Anteils sichert (vgl. Senat, Beschluss vom
15. November 2012 - V ZB 99/12, NJW 2013, 934 Rn. 12; Urteil vom
11. Juli 2014 - V ZR 18/13, BGHZ 202, 77 Rn. 18; Beschluss vom 15. September
2016 - V ZB 136/14, BGHZ 212, 29 Rn. 12). Die von der Antragstellerin im
notariellen Übertragungsvertrag bewilligte Vormerkung lastet daher nicht nur auf
dem ehemals im Eigentum des Antragsgegners stehenden ideellen Miteigentumsanteil,
sondern auf dem gesamten Grundstück. Dem steht nicht entgegen,
dass die Vormerkung nur einen auf Übertragung eines ideellen Bruchteils gerichteten
schuldrechtlichen Anspruch sichert. Der Inhalt der Vormerkung wird nicht
dadurch erweitert, dass sie auf dem gesamten Anteil lastet (vgl. Senat, Beschluss
vom 15. November 2012 - V ZB 99/12, NJW 2013, 934 Rn. 12). Infolgedessen
mangelt es an einer hinsichtlich der ehemaligen Miteigentumsanteile unterschiedlich
ausgestalteten Verfügungsbefugnis der Antragstellerin, so dass der
erworbene Bruchteil von vornherein nicht als Sondervermögen angesehen werden
kann.

bb) Der Ausschluss einer Teilungsversteigerung eines mit einer Vormerkung
zur Sicherung eines auf Übertragung eines ideellen Bruchteils gerichteten
Anspruchs belasteten Grundstücks aus dem Regelungsbereich des § 180 Abs. 1
ZVG stellt ferner keine planwidrige Regelungslücke des Gesetzes dar. Die Auflassungsvormerkung
fällt nach § 182 Abs. 1, § 48 ZVG in das geringste Gebot,
auch dann, wenn sie einen bedingten Anspruch sichert (vgl. Senat, Urteil vom
28. Oktober 1966 - V ZR 11/64, BGHZ 46, 124, 127), und bleibt entgegen der
Ansicht des Beschwerdegerichts gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG nach dem Zuschlag
bestehen. Weil der Eigentumserwerb des Erstehers dem vormerkungsberechtigten
Antragsgegner gegenüber unwirksam ist (§ 883 Abs. 2 BGB), kann
dieser den gesicherten Anspruch auf Übertragung des Eigentums trotz des erfolgten
Zuschlags gegenüber dem Ersteher wie bei der freihändigen Veräußerung
durchsetzen (§ 888 Abs. 1 BGB; vgl. Senat, Beschluss vom 9. Mai 2014
- V ZB 123/13, BGHZ 201, 157 Rn. 9). Damit unterscheidet sich die auf dem ganzen
Grundstück lastende Vormerkung von dem Nacherbenvermerk, der auf
Grund des Zuschlagsbeschlusses zu löschen ist, weil er nicht in das geringste
Gebot fällt und kein Recht im Sinne des § 44 Abs. 1 ZVG ist (vgl. BGH, Urteil vom
23. März 2000 - III ZR 152/99, NJW 2000, 3358, 3359).

3. Richtig sind allerdings die Bedenken des Beschwerdegerichts, dass die
Veräußerung eines ideellen Grundstücksteils für die Antragstellerin schwerer zu
realisieren ist als vor der Übertragung des Miteigentumsanteils, weil der Antragsgegner
bei der Rückübereignung nicht mitwirkt. Das Problem ließe sich durch die
Anordnung einer Teilungsversteigerung aber ohnehin nicht lösen, weil der Eigentumserwerb
des Erstehers gegenüber dem Vormerkungsberechtigten unwirksam
wäre und der gesicherte Anspruch durchgesetzt werden könnte. Maßgeblich für
die Frage, ob die Antragstellerin gegen den Antragsgegner einen Anspruch auf
Abgabe einer Auflassungserklärung hat, ist vielmehr das Innenverhältnis der Beteiligten.
Danach richtet sich, ob der Antragsgegner an der Rückübertragung mitwirken
muss, damit nach deren Vollzug die Auseinandersetzung im Wege der
Teilungsversteigerung durchgeführt werden kann. Ggf. lässt sich ein Anspruch
auf Abgabe einer Auflassungserklärung im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung
aus dem notariellen Übertragungsvertrag vom 25. Januar 2007 - zu
dessen Inhalt Feststellungen nicht getroffen worden sind - oder aus der nachehelichen
Solidarität herleiten (§§ 1353, 242 BGB; vgl. hierzu BGH, Beschluss vom
30. Oktober 2019 - XII ZB 537/17, NJW 2020, 152 Rn. 17).

IV.
1. Weil die Teilungsversteigerung unzulässig ist, kann deren Anordnung
keinen Bestand haben. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts ist aufzuheben
(§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat
der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Vorschrift ist
anwendbar, da über die Kosten besonderer Rechtsbehelfe im Zwangsversteigerungsverfahren
nach den §§ 91 ff. ZPO zu befinden ist, wenn sich - wie Antragstellerin
und Antragsgegner hier - in einem Teilungsversteigerungsverfahren nur
Beteiligte mit entgegengesetzten Interessen und Anträgen streiten (vgl. Senat,
Beschluss vom 19. Juli 2018 - V ZB 6/18, NJW 2018, 3388 Rn. 18).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

23.06.2022

Aktenzeichen:

V ZB 32/21

Rechtsgebiete:

Erbenhaftung
Allgemeines Schuldrecht
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Vormerkung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

ZVG § 180 Abs. 1