OLG Hamm 27. Januar 2021
10 W 71/20
BGB §§ 2087, 2094, 2270, 2271

Ehegattentestament mit Pflichtteilsstrafklausel

letzte Aktualisierung: 16.6.2021
OLG Hamm, Beschl. v. 27.1.2021 – 10 W 71/20

BGB §§ 2087, 2094, 2270, 2271
Ehegattentestament mit Pflichtteilsstrafklausel

Eine Einsetzung als Schlusserbe entfällt, wenn der in einem Ehegattentestament zum Schlusserben
eingesetzte Abkömmling nach dem ersten Todesfall trotz testamentarisch vorgesehener
Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt. Es gilt dann die Anwachsung gemäß § 2094 BGB als
gewollt.

Gründe

I.
Die Erblasserin war in einziger Ehe verheiratet mit Herrn K I. Aus der Ehe sind zwei Kinder
hervorgegangen, der Beteiligte zu 2) und Frau D Q, die Ehefrau des Beteiligten zu 1) und
Mutter des am 00.00.1990 geborenen Beteiligten zu 3).
Die Erblasserin und ihr Ehemann errichteten am 14.04.1997 ein gemeinsames
handschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten und
weitere Verfügungen zugunsten ihrer Kinder trafen. Am 26.06.2007 fügten sie auf
derselben Urkunde einen Nachtrag hinzu, in dem der Ehemann der Erblasserin anordnete:

„Die Aktien von V Investmentfond soll mein Enkel T Q, geb. am 00.00.1990 nach meinem
Tode erhalten. Sollte ich zu diesem Zeitpunkt noch eine Segelyacht besitzen erhält T das
Boot.“ Die Erblasserin erklärte sich damit einverstanden.
Am 26.10.2012 errichteten die Erblasserin und ihr Ehemann eine weitere
gemeinschaftliche letztwillige Verfügung, die nahezu dieselben Anordnungen enthält, wie
das Testament vom 14.04.1997. Darin heißt es:

„Wir … bestimmen für den Fall unseres Ablebens. K I setzt für den Fall, dass er zuerst
stirbt, K1 I als Alleinerbin ein. K1 I setzt für den Fall ihres Todes K zu ihrem Alleinerben ein.
Sollt eines unserer Kinder diesen unseren gemeinsamen letzten Willen nicht anerkennen,
bekommt es nur seinen Pflichtteil. Unser Haus Lweg 00, T1 E bekommt unsere Tochter D
Q, geb. I, geb. 00.00.1962 und nach ihrem Tod ihr Sohn T Q, geb. 00.00.1990. Das Haus
in I1 Gstr. 00 bekommt unser Sohn S I, geb. 00.00.1959“

Die Eheleute I lebten bereits viele Jahre vor ihrem Tod voneinander getrennt. Während der
Ehemann in der Immobilie in I1 wohnte, lebte die Erblasserin zusammen mit ihrer Tochter
und den Beteiligten zu 1) und 3) in dem Haus in T1-E. Der Ehemann der Erblasserin
wurde von dem Beteiligten zu 3) ermordet und zwischen dem 08.02.2016 und dem
13.02.2016 tot aufgefunden. Dafür wurde der Beteiligte zu 3) durch das Landgericht
Dortmund zu lebenslanger Haft verurteilt, die er in der JVA X verbüßt. Mit notarieller
Urkunde vom 18.02.2016 erteilte die Erblasserin ihrer Tochter eine Generalvollmacht. Der
Beteiligte zu 2) regte am 18.07.2016 die Einrichtung einer Betreuung für die Erblasserin
an, da diese unter einer dementiellen Entwicklung litt. Am 11.08.2016 erteilte das
Amtsgericht Hamm der Erblasserin einen Alleinerbschein nach ihrem verstorbenen
Ehemann. In dem voraufgegangenen Erbscheinsverfahren (Az.: 2 VI 176/16 AG Hamm)
hatte der Beteiligte zu 2) die Rechtsauffassung vorgetragen, die letztwillige Verfügung sei
in dem Sinne auszulegen, dass Vor- und Nacherbschaft gewollt gewesen sei. In dem am
30.06.2016 erlassenen Feststellungsbeschluss hatte das Amtsgericht ausgeführt, dass
Anhaltspunkte dafür, dass anstelle einer wechselseitigen Einsetzung als Vollerben die
Einsetzung als Vorerben gewollt gewesen sei, nicht erkennbar seien. Am 09.11.2016
verstarb die Tochter D Q. Nach dem Tod seiner Ehefrau forderte der Beteiligte zu 1) in
eigenem Namen und im Namen des Beteiligten zu 3) als deren Erben die Erblasserin auf,
den Pflichtteil aufgrund des Erbfalls nach dem Tod des Ehemannes zu zahlen. Am
25.11.2016 erteilte die Erblasserin dem Beteiligten zu 1) eine notarielle Generalvollmacht
zur Vertretung in allen vermögensrechtlichen und persönlichen Angelegenheiten. Mit
Beschluss vom 17.11.2017 richtete das Amtsgericht Soest, gestützt auf ein neurologischpsychiatrisches
Sachverständigengutachten vom 06.03.2017 eine Betreuung für die
Erblasserin ein und bestellte einen Berufsbetreuer. Die dagegen eingelegte Beschwerde
wurde durch Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 05.04.2018 zurückgewiesen,
wobei das Landgericht feststellte, dass die erteilte Generalvollmacht mangels
Geschäftsfähigkeit der Erblasserin unwirksam war.

Die Erblasserin errichtete am 25.11.2016 vor dem Notar D1 aus T1 ein notarielles
Testament. Darin setzte sie ihren Schwiegersohn, den Beteiligten zu 1) zu ihrem
Alleinerben ein. Weiterhin ordnete sie Vermächtnisses zugunsten der Beteiligten zu 2) und
3) an.

Der Beteiligte zu 1) hat einen Alleinerbschein aufgrund des notariellen Testaments vom
25.11.2016 beantragt. Der Beteiligte zu 2) hat gestützt auf das gemeinschaftliche
Testament vom 26.01.2012 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn als
Alleinerben der Erblasserin ausweist.

Der Beteiligte zu 1) hat vorgetragen, Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin
bestünden nicht, da der beurkundende Notar die Testierfähigkeit ausdrücklich bejaht habe.

Die Erblasserin sei durch das gemeinschaftliche Testament nicht gehindert gewesen,
durch Einzeltestament einen Alleinerben zu bestimmen, da das gemeinschaftliche
Testament keine Schlusserbeneinsetzung enthalte. In dem Einzeltestament seien
Vermächtnisse angeordnet worden, so dass die Aufteilung der Immobilien entsprechend
dem in dem gemeinschaftlichen Testament zum Ausdruck kommenden Willen der
Erblasser gesichert sei. Die Pflichtteilsregelung greife nicht ein, da die Geltendmachung
des Pflichtteils nicht durch ein Kind der Eheleute I persönlich erfolgt sei. In dem
gemeinschaftlichen Testament sei ohnehin festgelegt, dass der Beteiligte zu 3) die
Immobilie in T1 nach dem Tod seiner Mutter erhalten solle.

Der Beteiligte zu 2) hat vorgetragen, nach dem Willen der Erblasserin und ihres
Ehemannes habe der Beteiligte zu 3) nicht Ersatzerbe seiner Mutter, Frau D Q, werden
sollen. Der Beteiligte zu 3) sei im Übrigen erbunwürdig. Der auf D Q entfallene Erbanteil
sei ihm, dem Beteiligten zu 2) angewachsen. Dies sei durch den Wortlaut der letztwilligen
Verfügung nicht ausgeschlossen und entspreche dem Willen der Erblasser. Das notarielle
Testament der Erblasserin sei aufgrund der mit dem Tod ihres Ehemannes eingetretenen
Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments unwirksam. Darüber hinaus sei die
Erblasserin zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments bereits testierunfähig
gewesen. Die Pflichtteilsregelung sei als Strafklausel zu verstehen. Das gemeinschaftliche
Testament sei dahingehend auszulegen, dass die Kinder der Erblasserin und deren
Ehemann als Schlusserben eingesetzt werden sollten. Bei der Zuordnung der Immobilien
handele es sich daher nur um eine Teilungsanordnung. Das Barvermögen habe gegenüber
den Immobilien eine untergeordnete Bedeutung gehabt, zumal die Eheleute I bei
Testamentserrichtung davon ausgegangen seien, dass es aufgrund von Pflegebedürftigkeit
im Alter verbraucht sein würde.

Der Beteiligte zu 3) hat vorgetragen, das gemeinschaftliche Testament der Eheleute I
weise keine Schlusserbeneinsetzung auf. Deshalb sei die Erblasserin nicht daran
gehindert gewesen, eine eigene letztwillige Verfügung zu errichten und den Beteiligten zu
1) als Alleinerben einzusetzen. Im Hinblick auf die Erblasserin sei der Beteiligte zu 3) nicht
erbunwürdig. Daher sei er neben dem Beteiligten zu 1) Miterbe.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag des Beteiligten zu 1)
zurückgewiesen und die Tatsachen, die zu Begründung des Antrages des Beteiligten zu 2)
erforderlich sind, für festgestellt erachtet. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt,
das gemeinschaftliche Testament sei dahin auszulegen, dass die Erblasserin und ihr
Ehemann ihre beiden Kinder zu gleichen Teilen zu Schlusserben hätten einsetzen wollen.
Die Anordnung hinsichtlich des Beteiligten zu 3) sei im Sinne einer Nacherbenregelung
auszulegen. Nach § 2102 Abs. 1 BGB sei der Beteiligte zu 3) deshalb Ersatzerbe seiner
Mutter. Es sei nicht von dessen Erbunwürdigkeit auszugehen, da die abschließende
Regelung des § 2339 BGB nicht eingreife. Er sei aber deshalb als Ersatzerbe
ausgeschlossen, weil er nach dem Tod des verstorbenen Ehemannes der Erblasserin
Pflichtteilsansprüche der verstorbenen Mutter geltend gemacht habe. Der Alleinerbschaft
des Beteiligten zu 2) stehe nicht die abweichende Regelung in dem notariellen Testament
vom 25.11.2016 entgegen. Das gemeinschaftliche Testament sei nach dem Tod des
Ehemannes der Erblasserin für diese bindend geworden, so dass die Erblasserin keine
abweichende Verfügung mehr habe treffen können. Auf die Wirksamkeit des notariellen
Testaments komme es daher nicht an.

Hiergegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 1) und 3). Der Beteiligte zu 1)
trägt vor, das von dem Notar D1 beurkundete Testament, in dem er als Schlusserbe
benannt sei, sei wirksam. Er habe auf Wunsch der Erblasserin die Pflichtteilsansprüche
geltend gemacht, damit diese Steuern sparen könne. Es sei zudem der ausdrückliche
Wunsch der Erblasserin gewesen, dass er Erbe habe werden sollen. Zum Zeitpunkt der
Testamentserrichtung sei erhebliches Barvermögen und eine Luxusjacht vorhanden
gewesen. Der Beteiligte zu 3) trägt vor, das Amtsgericht sei zutreffend davon
ausgegangen, dass sich die Eheleute wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt hätten.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hätten sie aber keine Schlusserben eingesetzt.
Vielmehr habe es sich bei der Aufteilung der Häuser um Vermächtnisse gehandelt. Die
Auffassung des Amtsgerichts, dass andernfalls die Pflichtteilsklausel überflüssig sei, sei
unzutreffend, denn diese mache auch bei einem Vermächtnis Sinn. Mangels
Schlusserbeneinsetzung in dem gemeinschaftlichen Testament sei die Erblasserin
berechtigt gewesen, die Schlusserbfolge selbst testamentarisch zu regeln. Zum Zeitpunkt
der Errichtung des notariellen Testaments sei die Erblasserin testierfähig gewesen. Selbst
wenn das Testament unwirksam wäre, folge daraus nicht, dass der Beteiligte zu 2)
Alleinerbe geworden sei. Die Pflichtteilsregelung in dem gemeinschaftlichen Testament
treffe nur die Kinder der Erblasserin. Die Tochter der Erblasserin habe aber den Pflichtteil
nicht verlangt. Lediglich der Beteiligte zu 1) habe nach dem Tod seiner Ehefrau den
Pflichtteil geltend gemacht, dies jedoch in Absprache mit der Erblasserin. In diesem Fall
greife die Regelung nicht ein, weil der Pflichtteil nicht entgegen dem Willen der Erblasserin
beansprucht worden sei.

Der Beteiligte zu 3) beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und einen Erbschein zu erlassen, der den
Verfahrensbeteiligten zu 1) als Alleinerben ausweist,
hilfsweise,
einen Erbschein zu erlassen, der den Verfahrensbeteiligten zu 2) und den
Verfahrensbeteiligten zu 3) als Erben zu je ½ ausweist.
Der Beteiligte zu 2) beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt er vor, das gemeinschaftliche Testament sei vor dem Hintergrund
auszulegen, dass die Erblasserin und ihr Ehemann juristische Laien gewesen seien. Wenn
es sich bei der Aufteilung der Häuser um Vermächtnisse hätte handeln sollen, hätte es
nahegelegen, einen Erben zu bestimmen, der die Vermächtnisse erfüllt. Auch wäre ein
Hinweis aufgenommen worden, dass der überlebende Ehegatte einen Erben bestimmen
dürfe. Die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Errichtung des notariellen Testaments
testierunfähig gewesen. Sie sei wegen der steuerlichen Freibeträge überhaupt nicht
verpflichtet gewesen, Erbschaftssteuer zu zahlen, so dass die Geltendmachung des
Pflichtteils zur Steuerersparnis nicht erforderlich gewesen sei. Dass das Bankvermögen in
dem gemeinschaftlichen Testament nicht genannt worden sei, stehe der Einsetzung der
gemeinsamen Kinder als Schlusserben nicht entgegen. Aus Sicht der Erblasserin und
ihres Ehemannes sei das Immobilienvermögen das wesentliche Vermögen gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Verfahrensstandes wird auf die
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat die Beschwerden durch Beschluss vom 05.06.2020 dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt.

II.
Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig, das Rechtsmittel des Beteiligten zu 3)
ist teilweise zulässig. Die Beschwerden führen in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist zulässig. Die Beschwerde des
Beteiligten zu 3) ist nur mit dem Hilfsantrag zulässig, während der auf Erteilung eines
Alleinerbscheins an den Beteiligten zu 1) gerichtete Hauptantrag unzulässig ist.

a) Die Beschwerden beider Beschwerdeführer sind gem. §§ 352 e, 58 FamFG
statthaft und innerhalb der Frist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt worden.

b) Für seinen Hauptantrag fehlt dem Beteiligten zu 3) jedoch die
Beschwerdeberechtigung, unabhängig davon, dass er bisher selbst keinen Antrag auf
Erteilung eines Erbscheins gestellt hatte (Meyer-Holz in Keidel, FamFG, § 59 Rn. 77).
Gem. § 59 FamFG steht die Beschwerde nur demjenigen Antragsberechtigten zu, der
durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Das trifft auf den Beteiligten zu

3) nicht zu, soweit er die Erteilung eines Alleinerbscheins an den Beteiligten zu 1) anstrebt.
Im Erbscheinsverfahren ist derjenige in seinen Rechen beeinträchtigt, der geltend macht,
dass seine erbrechtliche Stellung in dem Erbschein nicht oder nicht richtig ausgewiesen
wird (Zimmermann in Keidel, FamFG, 20. Aufl., § 352 e Rn. 126) und das in einem
Erbschein bezeugte Erbrecht selbst beansprucht (Palandt-Weidlich, BGB, § 2353 Rn. 55).
Das ist hier jedoch nicht der Fall, denn mit dem Hauptantrag begehrt der Beteiligte zu 3)
nicht einen Erbschein, der sein eigenes Erbrecht ausweist, sondern die Alleinerb-schaft
des Beteiligten zu 1). Die Beschwerde des Beteiligten zu 3) war daher insoweit gem. § 68
Abs. 2 S. 2 FamFG als unzulässig zu verwerfen.

2. Die Beschwerden sind unbegründet. Das Amtsgericht hat in dem
angefochtenen Beschluss zu Recht den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen und
die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 2) erforderlich sind, für
festgestellt erachtet. Auch nach Auffassung des Senats ist der Beteiligte zu 2) Alleinerbe
der Erblasserin.

a) Maßgeblich ist das gemeinschaftliche Testament, das die Erblasserin
zusammen mit ihrem Ehemann am 26.10.2012 errichtet hat. Mit diesem Testament haben
Eheleute I ihre gemeinschaftlichen Kinder, den Beteiligten zu 2) und die Ehefrau des
Beteiligten zu 1), Frau D Q, zu ihren Schlusserben eingesetzt. Der auf seine
vorverstorbene Schwester D Q entfallene Erbanteil ist dem Beteiligten zu 2) angewachsen,
mit der Folge, dass er Alleinerbe der Erblasserin ist. Im Einzelnen:

aa) In dem gemeinschaftlichen Testament vom 26.10.2012 haben die Erblasserin
und ihr Ehemann nicht bloß Vermächtnisse zugunsten ihrer gemeinschaftlichen Kinder
angeordnet. Das geht zwar aus dem Wortlaut des Testaments nicht direkt hervor, denn
daraus ergibt sich lediglich, dass nach dem Tod des überlebenden Elternteils die Tochter
die Immobilie in T1-E und der Beteiligte zu 2) das Haus in I1 bekommen sollte. Bei dieser
Zuordnung der beiden Immobilien ist aber nicht von einer Vermächtnisanordnung
auszugehen, sondern von einer Einsetzung der gemeinschaftlichen Kinder als (Mit-)
Erben. Haben die Ehegatten bei der Bestimmung von Dritten als Erben des
längerlebenden Ehegatten nicht eindeutig erklärt, welche erbrechtliche Stellung diesen
zukommen soll, muss ihr gemeinsamer Wille durch individuelle Auslegung auf der
Grundlage des erklärten Willens beider Eheleute unter Heranziehung aller in Betracht
kommenden Umstände ermittelt werden (Palandt-Weidlich, BGB, § 2269 Rn. 5).

(1) Dem steht die Regelung in § 2087 Abs. 2 BGB nicht entgegen, nach der im
Zweifel nicht anzunehmen ist, dass Erbe werden soll, wem nur einzelne Gegenstände und
nicht das Vermögen des Erblassers zugewendet worden ist. Vorrangig vor der Anwendung
der Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB ist nämlich die individuelle Auslegung.
Hat der Erblasser testamentarisch Einzelzuwendungen von Gegenständen vorgenommen,
ist entgegen § 2087 Abs. 2 BGB regelmäßig von einer Erbeneinsetzung verbunden mit
einer Teilungsanordnung und nicht bloß von einem Vermächtnis auszugehen, wenn die
Einzelzuwendungen nach Vorstellung des Testierenden bei Testamentserrichtung praktisch
das gesamte Vermögen ausmachen. Denn es kann nicht angenommen werden, dass der
Erblasser seinen gesamten wesentlichen Nachlass verteilt, ohne einen oder mehrere
Erben einsetzen zu wollen (Palandt-Weidlich, BGB, § 2087 Rn. 6; OLG München,
Beschluss vom 21. Mai 2007 – 31 Wx 120/06 –, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 30.
Dezember 2014 – I-15 W 248/14 –, juris). Die Einsetzung einer anderen Person als den
beiden Kindern der Eheleute I ist in dem Testament nicht erfolgt, so dass es schon deshalb
naheliegt, dass die gesetzlichen Erben auch testamentarisch als Erben bedacht werden
sollten. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die testierenden Eheleute die beiden
Immobilien als ihr wesentliches Vermögen angesehen haben, auch wenn nach dem
Vorbringen des Beteiligten zu 1) zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung auch erhebliches
Barvermögen sowie eine Luxusjacht vorhanden gewesen ist. Dafür, dass die Eheleute I
nur ihre Immobilien als den wesentlichen Nachlass angesehen haben, spricht vor allem
der Umstand, dass die Immobilien im Testament ausdrücklich bezeichnet sind, während
das Barvermögen nicht einmal erwähnt wird. Hinzu kommt, dass nach dem
nachvollziehbaren Vortrag des Beteiligten zu 2) die Eltern stets davon ausgegangen sind,
dass das Barvermögen infolge etwaiger Pflegebedürftigkeit zum Zeitpunkt des letzten
Erbfalls aufgebraucht sein würde. Hinsichtlich der Segelyacht ergibt sich schon aus dem
Nachtrag vom 26.06.2007 zu dem Testament vom 14.04.1997, dass die Erblasser nicht
sicher gewesen sind, dass diese in den Nachlass fallen würde. Dort heißt es nämlich
ausdrücklich: „Sollte ich zu diesem Zeitpunkt noch eine Segelyacht besitzen …“. Das lässt
den Schluss zu, dass die Erblasserin und ihr Ehemann bei Testamentserrichtung davon
ausgegangen sind, dass im Nachlass im Wesentlichen die beiden Immobilien vorhanden
sein würden, die den gemeinschaftlichen Kindern als (Mit-) Erben zufallen sollten.

(2) Dieses Auslegungsergebnis wird auch durch die in dem gemeinschaftlichen
Testament enthaltene Pflichtteilsstrafklausel gestützt, nach der dasjenige Kind, das den
gemeinsamen letzten Willen der Eltern, sich wechselseitig als Alleinerben des zuerst
versterbenden Ehegatten einzusetzen, nicht anerkennt, nur den Pflichtteil bekommen soll.
Diese Klausel ist im Sinne einer Einsetzung des Beteiligten zu 2) und seiner Schwester D
Q als Schlusserben des überlebenden Ehegatten auszulegen.

Die Bestimmung, dass der beiderseitige Nachlass Dritten als Schlusserben zufallen soll,
muss nicht ausdrücklich im Testament enthalten sein; sie kann auch im Weg der
ergänzenden Auslegung ermittelt werden. Maßgebend ist der Wille beider Ehegatten im
Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Diesem kommt auch im Falle eines auf einen anderen
Sinn hindeutenden Wortlauts der Vorrang zu, so dass der Auslegung durch diesen keine
Grenzen gesetzt sind. Insbesondere dann, wenn gemeinsame Kinder vorhanden sind, ist
nach den allgemeinen für die Auslegung letztwilliger Verfügungen geltenden Regeln
sorgfältig zu prüfen, ob sich der Wille der Ehegatten feststellen lässt, dass das
gemeinsame Vermögen nach dem Tode des Längstlebenden an diese fallen soll (OLG
München, Beschluss vom 23. Februar 2015 – 31 Wx 459/14 –, juris).

Eine Pflichtteilsstrafklausel stellt regelmäßig ein Indiz dafür dar, dass die
pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge nach dem Letztversterbenden zu Schlusserben
eingesetzt sind, insbesondere dann, wenn es sich – wie hier - um ein privatschriftliches
eigenhändiges Testament handelt (Reymann in: Herberger/Martinek/Rüßmann
/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2270 BGB (Stand: 03.04.2020 Rn. 60 f.). Die
Einsetzung der pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge als Erben verbirgt sich nach
allgemeiner Meinung in einem solchen Fall quasi hinter der Strafklausel (Palandt-Weidlich,
BGB, § 2269 Rn. 8). In ihr kommt regelmäßig, wenn auch nicht zwingend allein, so doch
mit entsprechenden anderen Hinweisen die Andeutung einer inzidenten Einsetzung der
Kinder als Erben des überlebenden Ehegatten zum Ausdruck (MüKoBGB/Musielak,
8. Aufl. 2020, BGB § 2269 Rn. 14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19. Januar 2006 – 14
Wx 28/05 –, juris).

Der Senat teilt die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Eheleute I durch die
Pflichtteilsstrafklausel auch zum Ausdruck bringen wollten, dass ihre gemeinschaftlichen
Kinder Erben des Überlebenden sein sollten. Der Anordnung, dass der Beteiligte zu 2) die
Immobilie in I1 und seine Schwester das Hausgrundstück in T1 erhalten sollen, liegt die
Vorstellung zugrunde, dass die gemeinschaftlichen Kinder nach dem Ableben des
überlebenden Ehegatten auf das Vermögen der Eheleute Zugriff haben sollten, und dass
das gesamte beidseitige Vermögen nach dem Ableben des überlebenden Ehegatten auf
die Kinder übergehen sollte (vgl. OLG München, Beschluss vom 08. November 2016 – 31
Wx 224/16 –, juris).

bb) Der auf Frau D Q entfallende Erbanteil ist dem Beteiligten zu 2) gem. § 2094
BGB angewachsen. Nach § 2094 Abs. 1 BGB wächst der Erbteil eines Erben, der vor oder
nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, den übrigen Erben an. Das ist hier eingetreten,
denn der an Stelle seiner Mutter als Ersatzerbe berufene Beteiligte zu 3) ist infolge der
Geltendmachung des Pflichtteils nach dem verstorbenen Ehemann der Erblasserin
aufgrund der testamentarischen Pflichtteilsstrafklausel enterbt worden.
Dass diese Rechtsfolge von den Eheleuten I gem. § 2094 Abs. 3 BGB ausgeschlossen
sein sollte, lässt sich dem Testament nicht einmal andeutungsweise entnehmen.

(1) Der Senat verkennt nicht, dass die Anwachsung gem. § 2094 BGB
ausgeschlossen wird durch die Einsetzung eines Ersatzerben, § 2099 BGB, zu denen im
Zweifel auch der Nacherbe gehört, § 2102 Abs. 1 BGB, und bei der Ersatzberufung von
Kindeskindern gem. § 2069 BGB (vgl. Palandt-Weidlich, BGB, § 2094 Rn. 4). Eine
Ersatzberufung des Beteiligten zu 3) kommt vorliegend jedoch nicht in Betracht, obwohl
nach dem Wortlaut des Testaments vom 26.10.2012, er das seiner Mutter zufallende
Hausgrundstück in T1 nach deren Tod bekommen sollte. Es kann offenbleiben, ob darin
die Anordnung einer Nacherbschaft zu sehen ist, so dass die Berufung des Beteiligten zu
3) gem. § 2102 Abs. 1 BGB im Zweifel anzunehmen wäre. Der Beteiligte zu 3) kommt
unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als Erbe der Erblasserin in Betracht.
(2) Der Beteiligte zu 3) ist allerdings nicht bereits wegen Erbunwürdigkeit gem. §
2339 BGB von der Erbschaft ausgeschlossen. Die Erbunwürdigkeit führt nicht von
Gesetzes wegen und schon gar nicht von selbst zum Verlust des Erbrechts. Dem
unwürdigen Erben kann der Erbschaftserwerb nur durch Anfechtungsklage gemäß § 2340
ff. BGB genommen werden. Erst bei einem stattgebenden Urteil gilt der Anfall der
Erbschaft an den Unwürdigen als nicht erfolgt (Palandt-Weidlich, BGB, § 2339 Rn. 1).
Ungeachtet dessen liegt, wie das Amtsgericht zutreffend erkannt hat, ein
Unwürdigkeitsgrund nicht vor. Der Beteiligte zu 3) ist nicht gemäß § 2339 Abs. 1 Nr. 1 BGB
erbunwürdig, da sich seine Tat nicht gegen die Erblasserin gerichtet hat (vergl. Palandt-
Weidlich, BGB, § 2339 Rn. 3).

Der Beteiligte zu 3) ist jedoch aufgrund der Pflichtteilsstrafklausel im Testament enterbt, so
dass der ihm zukommende Erbteil dem Beteiligten zu 2) angewachsen ist, § 2094 BGB. Es
ist anerkannt, dass eine Einsetzung als Schlusserbe entfällt, wenn der in einem
Ehegattentestament zum Schlusserben eingesetzte Abkömmling nach dem ersten
Todesfall trotz testamentarisch vorgesehener Verwirkungsklausel den Pflichtteil verlangt.
Es gilt dann die Anwachsung nach § 2094 BGB als gewollt (Ehm in: Herberger/Martinek
/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2094 BGB (Stand: 03.04.2020) Rn. 7;
Reymann in: jurisPK-BGB Band 5, 4. Aufl 2008, § 2269 BGB Rn. 90; OLG Hamm,
Beschluss vom 27. November 2012 – I-15 W 134/12 –, juris). Eine Pflichtteilsklausel, wie
sie hier das gemeinschaftliche Testament enthält, ist eine typische letztwillige Anordnung,
durch die gemeinschaftlich testierende und sich gegenseitig als Erben, ihre Abkömmlinge
als Schlusserben einsetzende Ehegatten sicherstellen wollen, dass dem Überlebenden bis
zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt und er nicht durch das
Pflichtteilsverlangen eines Schlusserben gestört wird. Eine derartige Klausel verfolgt das
rechtlich nicht zu beanstandende Ziel, den Nachlass zunächst dem überlebenden
Ehegatten ungeschmälert zukommen zu lassen. Im Zusammenhang mit der
Schlusserbenregelung soll die Verwirkungsklausel auch das Interesse der Ehepartner,
insbesondere des Erstversterbenden, daran sichern, dass nicht einer der Abkömmlinge bei
der Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt wird. Diese Zwecke sollen
dadurch erreicht werden, dass die Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Kinder unter
die auflösende Bedingung eines Verlangens des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden
gestellt wird. Verlangt ein Schlusserbe den Pflichtteil nach dem ersten Todesfall, so entfällt
seine Einsetzung als Schlusserbe (OLG München, Beschluss vom 11. Dezember 2018 –
31 Wx 374/17 –, juris; Reymann in: jurisPK-BGB Band 5, 4. Aufl 2008, § 2269 BGB Rn.
90).

Die Beteiligten zu 1) und 3) können nicht damit gehört werden, dass die
Verwirkungsklausel nicht eingreife, weil nicht die Tochter der Eheleute I davon Gebrauch
gemacht hat, sondern der Beteiligte zu 1) als deren Erbe, der schriftlich gegenüber der
Erblasserin das Verlangen, den Pflichtteil nach dem verstorbenen Ehemann der
Erblasserin auch im Namen des Beteiligten zu 3) zu erhalten, gestellt hat.
Welche konkreten Voraussetzungen für die Verwirklichung der
Pflichtteilsausschlussklausel erfüllt sein müssen, hängt im Einzelfall von der Gestaltung
bzw. Formulierung und dem Willen der Erblasser ab, der gegebenenfalls im Wege der
Auslegung festzustellen ist. Nach ihrem Wortlaut soll die Verwirkungsklausel zwar dann
eingreifen, wenn „eines (der gemeinsamen) Kinder … (den) letzten Willen nicht
anerkenn(t)“. Dies schließt jedoch eine Auslegung nicht aus, nach der die Klausel auch
dann eingreift, wenn das Pflichtteilsverlangen, wie im vorliegenden Fall, durch Dritte
gestellt wird. Es ist nämlich wahrscheinlich, dass die Eheleute I den Fall, dass eines ihrer
Kinder vor ihnen verstirbt, nicht bedacht haben.

Setzen sich Ehegatten gegenseitig zum Erben und ihre Kinder zu Schlusserben ein, so
wollen sie mit einer Verwirkungsklausel den überlebenden Partner davor schützen, dass er
nach dem Tod des Erstversterbenden persönlichen und wirtschaftlichen Belastungen
ausgesetzt ist, die sich aus der Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs durch einen
Abkömmling ergeben können. Nach der Lebenserfahrung ist dieser Schutz auch gewollt,
wenn der Pflichtteilsanspruch nicht vom Abkömmling selbst, sondern von einem Dritten
geltend gemacht wird, der - wie hier - im Wege der Erbfolge an die Stelle des
Abkömmlings getreten ist. Wenn sich die Ehegatten veranlasst sehen, den Überlebenden
vor Pflichtteilsansprüchen ihrer Kinder zu schützen, so wollen sie diesen Schutz
vernünftigerweise erst recht, wenn der Pflichtteilsanspruch auf den Ehegatten eines ihrer
Abkömmlinge übergegangen und von diesem geltend gemacht werden kann. Auch sonst
ist kein Grund ersichtlich, der die Auslegung der Beteiligten zu 1) und 3) tragen würde, mit
der Klausel seien nur die Kinder selbst gemeint (vgl. BayObLG, Beschluss vom
18. September 1995 – 1Z BR 34/94 –, juris).

Das schriftliche Verlangen des Beteiligten zu 1) gegenüber der Erblasserin reicht mithin für
das Eingreifen der Pflichtteilsklausel aus. Demgegenüber kann sich der Beteiligte zu 1)
nicht darauf berufen, er habe das Verlangen im Einvernehmen mit der Erblasserin gestellt,
um diese in den Genuss von Vorteilen hinsichtlich der nach dem Tod ihres Ehemannes
anfallenden Erbschaftssteuer kommen zu lassen. Dabei kann dahinstehen, ob der
durchaus naheliegende Einwand des Beteiligten zu 2) zutreffend ist, dass angesichts der
auf die Erblasserin entfallenden Freibeträge Erbschaftssteuer nicht zu entrichten gewesen
wäre.

Enthält das Testament keine ausdrückliche Regelung, bedarf es der Testamentsauslegung
im Einzelfall, um das Eingreifen der Strafklausel zu beurteilen. Vorliegend lassen sich der
Verwirkungsklausel keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sie in dem Fall, dass der
Pflichtteil einvernehmlich mit dem überlebenden Ehegatten verlangt wird, nicht eingreift. In
der Rechtsprechung wird einem solchen Einvernehmen regelmäßig keine Bedeutung
beigemessen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 02. August 2010 – 20 W 49/09 –, FamRZ
2011, 592-594).

Die Sanktionsklausel dient – wie oben dargelegt – nicht nur dem Schutz des länger
lebenden Ehegatten, indem ihm bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt
und er nicht durch das Pflichtteilsverlangen eines Schlusserben gestört wird. Sie schützt
auch das Interesse der Ehegatten daran, dass nicht einer der Abkömmlinge bei der
Verteilung des elterlichen Gesamtnachlasses bevorteilt wird. Schließlich soll die Klausel im
vorliegenden Fall insbesondere das loyale Kind, das den elterlichen Willen „anerkennt“,
wie es in dem Testament heißt, belohnen bzw. das illoyale Kind durch Enterbung
bestrafen. Wenn aber solche weitergehenden Ziele verfolgt werden, erscheint es
gerechtfertigt, die Pflichtteilsklausel auch in dem Fall eingreifen zu lassen, in dem der
Pflichtteil im Einvernehmen mit dem Erblasser verlangt wird (Reymann in:
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2269 BGB (Stand:
03.04.2020) Rn. 163). Weitergehende subjektive Voraussetzungen für die Verwirkung des
Erbrechts lassen sich der Klausel ebenfalls nicht entnehmen, so dass es unerheblich ist,
ob die Beteiligten zu 1) und 3) sich bewusst waren, dass sie gegen die Klausel verstießen
oder ob sie mit den Folgen einverstanden waren. (vgl. OLG Frankfurt, a.a.O.).

cc) Der Beteiligte zu 2) ist entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 3) nicht
aufgrund der Pflichtstrafklausel selbst enterbt worden. Der Senat vermag der Auffassung
des Beteiligten zu 3), der Beteiligte zu 2) habe sein Erbe dadurch verwirkt, dass er in dem
beim Amtsgericht Hamm geführten Erbscheinsverfahren betreffend den Nachlass des
Ehemannes der Erblasserin beantragt hatte, den seinerzeit von der Erblasserin gestellten
Erbscheinsantrag zurückzuweisen und die Ansicht vertreten hatte, es sei eine Vor- und
Nacherbschaft gewollt gewesen. Nach ihrem Wortlaut sollte die testamentarische Klausel
eingreifen, wenn eines der Kinder den gemeinsamen Willen der Erblasser nicht
„anerkennt“. Dass der Beteiligte zu 2) den Willen der Eltern nicht „anerkennen“ wollte, lässt
sich seinem Verhalten im Erbscheinsverfahren indessen nicht entnehmen. Bei einem
Berliner Testament ist stets durch Auslegung zu ermitteln, ob die Eheleute Vor- und
Nacherbfolge angeordnet haben oder ob sie sich wechselseitig zu Vollerben eingesetzt
haben (Palandt-Weidlich, BGB, § 2269 Rn. 5 ff.). Offensichtlich ging es dem Beteiligten zu
2) in dem Verfahren lediglich um die rechtliche Klärung der Frage, welche der beiden
Auslegungsmöglichkeiten vorzuziehen war. Dass der Beteiligte zu 2) den vom Amtsgericht
in dem Feststellungsbeschluss vom 30.06.2016 ermittelten Willen des Erblassers sodann
nicht anerkannt hat, so dass von einem treuwidrigen Verhalten des Beteiligten zu 2)
auszugehen wäre, ist für den Senat jedenfalls nicht erkennbar.

b) Die Schlusserbeneinsetzung in dem Testament vom 26.10.2012 ist nicht durch
das notarielle Testament der Erblasserin vom 25.11.2016 widerrufen worden, § 2258 BGB,
auch wenn darin anstelle der ehegemeinschaftlichen Kinder ausdrücklich der Beteiligte zu
1) als Schwiegersohn zum Alleinerben bestimmt und zugunsten des Beteiligten zu 2)
lediglich ein Vermächtnis entsprechend der Teilungsanordnung in dem gemeinschaftlichen
Testament angeordnet worden ist.

aa) Es bestehen bereits Zweifel an der Testierfähigkeit der Erblasserin zum
Zeitpunkt der Beurkundung des notariellen Testaments. Diese ergeben sich aus dem
Beschluss des Landgerichts Arnsberg vom 05.04.2018, in dem festgestellt worden ist,
dass die Erblasserin zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung geschäftsunfähig gewesen
sei. Die Erblasserin sei aufgrund einer progredienten demenziellen Entwicklung nicht mehr
in der Lage gewesen, die am selben Tag dem Beteiligten zu 1) ausgestellte Vollmacht
wirksam zu erteilen. Ob die Erblasserin deshalb auch testierunfähig im Sinne des § 2229
BGB gewesen ist, braucht der Senat indessen nicht weiter aufzuklären, § 26 FamFG. Die
Unwirksamkeit des notariellen Testaments steht zur Überzeugung des Senats bereits aus
Rechtsgründen fest.

bb) Das Recht zum Widerruf des gemeinschaftlichen Testaments war mit dem Tod
des Ehemanns der Erblasserin bereits erloschen, § 2271 Abs. 2 BGB, so dass die
Erblasserin das notarielle Testament nicht mehr wirksam beurkunden lassen konnte. Bei
der die Schlusserbeneinsetzung beinhaltenden Pflichtteilsstrafklausel in dem
gemeinschaftlichen Testament handelt es sich um eine wechselbezügliche und damit
erbrechtlich bindende Verfügung im Sinne des § 2270 BGB.

Erbrechtlich bindet eine Pflichtteilsstrafklausel den Überlebenden immer dann, wenn sie
neben der negativen Komponente (Verlust der Erbenstellung) eine positive Verfügung
hinsichtlich des frei gewordenen Erbteils in Gestalt einer erbrechtlich bindenden Verfügung
von Todes wegen enthält (z.B. Erbeinsetzung). Gelangt man bei der Auslegung des
gemeinschaftlichen Testaments – wie im vorliegenden Fall - zu dem Ergebnis, dass sich
hinter der Pflichtteilsstrafklausel auch eine Schlusserbeneinsetzung der
gemeinschaftlichen Kinder verbirgt, so kann diese Schlusserbeneinsetzung
gegebenenfalls als wechselbezügliche Verfügung im Sinne der §§ 2270, 2271 BGB
auszulegen sein. In diesem Fall geht die Pflichtteilsstrafklausel in der
(wechselbezüglichen) „Schlusserbeneinsetzung“ auf (Reymann in: Herberger/Martinek
/Rüßmann /Weth/ Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 2270 BGB (Stand: 03.04.2020) Rn.
62).

Hiervon ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Bei der Schlusserbeneinsetzung
handelt es sich um wechselbezügliche Verfügungen beider Ehegatten nach § 2270 Abs. 1
BGB. Denn bei einem sog. Berliner Testament nach § 2269 BGB – wie es hier, was die
Auslegung ergeben hat, in Rede steht – ist die Einsetzung des Schlusserben durch den
Überlebenden im Verhältnis zu seiner Einsetzung als Alleinerben durch den
Erstverstorbenen regelmäßig wechselbezüglich, denn die Auslegungsregel des § 2270
Abs. 2, 2. Fall BGB umfasst auch gemeinsame Kinder (statt aller Palandt/Weidlich, BGB, §
2270 Rz. 5, 8, m. N.). Anhaltspunkte, dass die Testierenden hier Gegenteiliges gewollt
haben könnten, sind nicht ersichtlich (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2019, 484). Schließlich
steht dem nicht entgegen, dass die Tochter D Q vorverstorben ist und ihr Erbteil dem
Beteiligten zu 2) angewachsen ist, denn die Bindungswirkung wechselbezüglicher
Verfügung in einem gemeinschaftlichen Ehegattentestament erstreckt sich auch auf die
Anwachsung für Miterben in der Schlusserbfolge, die sich aus einem Pflichtteilsverlangen
nach dem erstverstorbenen Ehegatten aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel ergibt (OLG
Hamm, FamRZ 2013, 1066-1067).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Voraussetzungen für die Zulassung
der Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 FamFG liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

27.01.2021

Aktenzeichen:

10 W 71/20

Rechtsgebiete:

Gemeinschaftliches Testament
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testierfähigkeit
Testamentsform

Erschienen in:

ZEV 2021, 570-575

Normen in Titel:

BGB §§ 2087, 2094, 2270, 2271