Einsetzung des Urkundsnotars als Testamentsvollstrecker
letzte Aktualisierung: 18.3.2022
BGH, Beschl. v. 23.2.2022 – IV ZB 24/21
BeurkG §§ 7, 27;
Einsetzung des Urkundsnotars als Testamentsvollstrecker
Zur Einsetzung des Urkundsnotars als Testamentsvollstrecker in einem eigenhändigen Testament
im Anschluss an die Beurkundung einer letztwilligen Verfügung.
Gründe:
I. Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers. Die Beteiligten
zu 2 und 3 sind die Kinder des Erblassers und der Beteiligten zu 1.
Der Erblasser und die Beteiligte zu 1 errichteten am 15. Oktober
2001 einen Erbvertrag, der vom Beteiligten zu 4 unter UR-Nr. 5424/2001
beurkundet wurde. Am selben Tag setzten die Eheleute ein von beiden
unterzeichnetes handschriftliches Schreiben auf, das wie folgt lautet:
"Nachtrag zu dem Erbvertrag vom 15/10.01. (UR Nr. 5423 für
2001)
Ordnet jeder von uns Testamentsvollstreckung an.
Testamentsvollstrecker soll Notar [Beteiligter zu 4] sein."
Nach dem Tod des Erblassers hat der Beteiligte zu 4 die Erteilung
eines Testamentsvollstreckerzeugnisses beantragt. Das Nachlassgericht
hat den Antrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 4
hat das Oberlandesgericht diese Entscheidung aufgehoben und das Nachlassgericht
angewiesen, von den geäußerten Bedenken gegen die Erteilung
des Testamentsvollstreckerzeugnisses abzusehen und über den Antrag
auf dessen Erteilung unter Berücksichtigung der Ausführungen im Beschwerdebeschluss
erneut zu entscheiden.
Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene
Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 3, mit der sie die Zurückweisung
der Beschwerde des Beteiligten zu 4 gegen die Entscheidung des
Nachlassgerichts beantragen.
II. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung unter anderem in
durch die letztwillige Verfügung des Erblassers und der Beteiligten zu 1,
den privatschriftlichen "Nachtrag", wirksam zum Testamentsvollstrecker
ernannt worden ist. Der Wirksamkeit des "Nachtrags" stünden die §§ 7, 27
BeurkG in Verbindung mit
habe in Bezug darauf keine Beurkundungstätigkeit entfaltet. In der Vorgehensweise
sei auch keine Umgehung der
Die handschriftliche Erklärung nehme zwar in ihrer Überschrift auf den notariellen
Erbvertrag Bezug, umgekehrt enthalte die notarielle Urkunde jedoch
keine Bezugnahme auf eine zu erwartende privatschriftliche Erklärung,
so dass der Notar insoweit nicht tätig geworden sei. Es sei auch
durch Verbindung des Erbvertrages und des Nachtrages keine Urkundstätigkeit
begründet worden. Hingen Urkunden mit anderen Urkunden inhaltlich
zusammen, seien sie nicht gemäß
könnten allerdings nach § 18 Abs. 2 Dienstordnung für Notarinnen und
Notare (im Folgenden: DONot) mit der Haupturkunde verwahrt oder dieser
angeheftet werden. Eine solche Verbindung führe nicht dazu, dass sodann
eine einheitliche Urkunde vorliege und sich die Urkundstätigkeit des Notars
auch auf die der Haupturkunde angeklebte oder angeheftete und mit
ihr verwahrte Urkunde erstrecke.
III. Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Zwar ist sie nicht fristgerecht eingelegt und begründet worden, aber den
Beteiligten zu 1 und 3 ist insoweit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
zu gewähren. Sie waren ohne eigenes oder diesem gleichgestelltes Verschulden
ihrer Verfahrensbevollmächtigten an der Einhaltung der Fristen
verhindert.
Ein Rechtsanwalt muss Posteingänge selbst vollständig daraufhin
durchsehen, ob der Ablauf von Fristen droht, und daher durch eine allgemeine
Anweisung an sein Büropersonal sicherstellen, dass ihm Posteingänge
gesondert vorgelegt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Februar
1994 - VII ZB 25/93,
glaubhaft gemachten Vortrag der Beteiligten zu 1 und 3 entsprach die
Kanzleiorganisation ihrer Verfahrensbevollmächtigten zweiter Instanz diesen
Anforderungen. Danach bestand die allgemeine Anweisung, eingehende
Telefaxe und E-Mails sofort an einen Anwalt weiterzuleiten, damit
dieser überprüfen kann, ob Fristen oder Termine zu notieren sind. In diesem
Fall hat dem weiteren Vortrag zufolge eine Mitarbeiterin weisungswidrig
den per Telefax übersandten und in der Kanzlei über ein E-Mail-
Programm eingegangenen Beschwerdebeschluss in einen Ablageordner
verschoben, ohne ihn einem Anwalt vorzulegen. Legt eine sonst zuverlässige
Büroangestellte des Verfahrensbevollmächtigten entgegen dessen
Anweisung Eingänge nicht unmittelbar gesondert zur Weiterbearbeitung
vor, trifft den Rechtsanwalt kein Vorwurf, dass er seine Sorgfaltspflicht
verletzt hätte.
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht
hat rechtsfehlerfrei angenommen, dass dem Beteiligten zu 4 das
beantragte Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen ist, da er durch
letztwillige Verfügung des Erblassers zum Testamentsvollstrecker ernannt
worden ist. Der Wirksamkeit seiner Ernennung stehen die §§ 27, 7 Nr. 1
BeurkG nicht entgegen.
a) Nach
Verfügung insoweit unwirksam, als darin der Urkundsnotar zum Testamentsvollstrecker
ernannt wird. Der Beteiligte zu 4 hat jedoch die Verfügung,
durch die der Erblasser ihn zum Testamentsvollstrecker ernannt hat,
nicht beurkundet. Wie das Beschwerdegericht zutreffend entschieden hat,
ist dieser Teil der letztwilligen Verfügungen des Erblassers nicht gemäß
aa) Der vom Beteiligten zu 4 nach § 2232 Satz 1 Alt. 1 BGB i.V.m.
eines Testamentsvollstreckers. Der so bezeichnete "Nachtrag zu
dem Erbvertrag", in dem der Beteiligte zu 4 entsprechend benannt wird,
wurde dagegen eigenhändig als Testament errichtet. Wie das Beschwerdegericht
zutreffend angenommen hat, ist dieser Nachtrag auch nicht gemäß
§ 2232 Satz 1 Alt. 2 BGB durch eine Übergabe an den Beteiligten
zu 4 zum öffentlichen Testament geworden; es wurde keine notarielle Niederschrift
über eine Übergabe erstellt (anders dagegen der Sachverhalt in
OLG Bremen
unter II 2 a [juris Rn. 19]). Es ist daher für die Entscheidung ohne Bedeutung,
auf welche Weise der "Nachtrag" in das Notariat des Beteiligten zu 4
gelangte.
bb) Das Beschwerdegericht hat außerdem zutreffend angenommen,
dass sich die Urkundstätigkeit des Beteiligten zu 4 auch nicht deswegen
auf das eigenhändige Testament erstreckte, weil dieses mit dem Erbvertrag
verbunden und zusammen verwahrt wurde. Entgegen der Ansicht der
Rechtsbeschwerde wird ein Schriftstück allein durch die feste Verbindung
mit einer notariellen Urkunde durch Schnur und Prägesiegel nicht ein Teil
dieser Urkunde, der dann vom Mitwirkungsverbot der §§ 27, 7 Nr. 1
BeurkG erfasst würde. Daher kann offenbleiben, ob der handschriftliche
"Nachtrag", wie die Rechtsbeschwerde unter Verweis auf den Vortrag in
der Vorinstanz geltend macht, mit dem notariellen Erbvertrag durch
Schnur und Prägesiegel fest verbunden worden ist. Auch nach der Rechtsansicht
des Beschwerdegerichts, das jedenfalls von einer Verbindung der
beiden Schriftstücke ausging, war die genaue Ausgestaltung der Verbindung
nicht entscheidungserheblich, so dass die Entscheidung auch nicht,
wie die Rechtsbeschwerde rügt, auf einer Gehörsverletzung beruht.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich nicht aus
Schriftstücke eine einheitliche Urkunde geschaffen hätte. Nach § 44
Satz 1 BeurkG sollen Urkunden, die aus mehreren Blättern bestehen, mit
Schnur und Prägesiegel miteinander verbunden werden. Der Anwendungsbereich
dieser Regelung setzt also voraus, dass es sich bei den
Blättern bereits um eine einheitliche Urkunde handelt. Beigefügte Unterlagen
gelten nur dann als Teil der notariellen Niederschrift, wenn in der Niederschrift
auf sie verwiesen wird, § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3, § 37 Abs. 1
Satz 2 und 3 BeurkG; unter diesen Voraussetzungen sind auch sie nach
Verweisung des Erbvertrages auf den handschriftlichen Nachtrag
fehlt es hier aber. Die Verbindung von Unterlagen durch den Notar hat
dagegen als solche keine Folgen für die rechtliche Einordnung der verbundenen
Unterlagen.
Sollvorschrift dient nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. V/3282
S. 38) nur dem Zweck, einem Verlust einzelner Blätter vorzubeugen, da
sich andere Arten der Verbindung als nicht ausreichend zuverlässig erwiesen
haben (vgl. BGH, Urteil vom 24. September 1997 - XII ZR 234/95,
Sind mehrere Schriftstücke durch Schnur und Prägesiegel miteinander
verbunden worden, kann daraus auch nicht geschlossen werden, dass
es sich dabei bereits um eine einheitliche Urkunde gehandelt hätte. Ein
Notar kann auch andere Unterlagen, die keine einheitliche Urkunde sind,
auf diese Weise verbinden. Dieselbe feste Verbindung erlaubte § 18
Abs. 2 DONot (in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung) in
bestimmten Fällen auch zwischen Urkunden und anderen Urkunden oder
Unterlagen, so etwa wenn diese die Haupturkunde ergänzen (§ 18 Abs. 2
Satz 1 Spiegelstrich 3 DONot a.F.) oder für die Durchführung des darin
beurkundeten Rechtsvorgang von Bedeutung sind (§ 18 Abs. 2 Satz 1
Spiegelstrich 2 DONot a.F.). Auch wenn aufgrund der Regelung in § 44
BeurkG die fehlende feste Verbindung eines formlosen Dokuments mit einer
notariellen Urkunde als Indiz dafür gewertet werden kann, dass es sich
bei dem Dokument nicht um einen Teil der beurkundeten Niederschrift
handelt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. März 2019 - XII ZB 310/18, BGHZ
221, 308 Rn. 24), lässt dies daher entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde
nicht den Umkehrschluss zu, dass die Verbindung von Schriftstücken
mit Schnur und Prägesiegel das Bestehen einer einheitlichen Urkunde
belegt.
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde liegt in der hier vorgenommenen
Gestaltung keine Umgehung des Mitwirkungsverbots aus
den
Rechtsgrundsätzen über Umgehungsgeschäfte entsprechend
auf die Ernennung des Testamentsvollstreckers im eigenhändigen Testament
anzuwenden und können nicht zur Unwirksamkeit dieser Verfügung
führen.
Eine Gesetzesumgehung bildet dann einen Nichtigkeitsgrund, wenn
durch die gewählte rechtliche Gestaltung der Zweck einer Rechtsnorm vereitelt
wird; dem liegt die Erwägung zugrunde, dass ein vom Gesetz missbilligter
Erfolg nicht durch die Umgehung des Gesetzes erreicht werden
darf (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 1990 - IX ZR 44/90, NJW 1991,
1060 unter II 2 c aa [juris Rn. 25]). Das Geschäft ist daher grundsätzlich
nur dann nichtig, wenn das Verbot die Verwirklichung des beabsichtigten
praktischen Erfolges überhaupt verhindern, nicht dagegen, wenn es nur
eine bestimmte Geschäftsform untersagen will (vgl. BGH, Urteil vom
30. November 1955 - VI ZR 95/54,
Nach diesem Maßstab liegt hier keine Umgehung vor. Das Gesetz
verbietet weder die Ernennung des Urkundsnotars zum Testamentsvollstrecker
noch dessen Tätigwerden in diesem Amt, also das vom Erblasser
mit seiner letztwilligen Verfügung angestrebte Ziel. Die
schließen lediglich einen bestimmten Weg zur Erreichung dieses Zieles
aus, nämlich eine Beurkundung der Ernennungserklärung durch den
betreffenden Notar (vgl. OLG Köln
Bengel/Reimann, Handbuch der Testamentsvollstreckung 7. Aufl. § 2
Rn. 223). Eine materielle Einschränkung der Testierfreiheit ist diesen Vorschriften
nicht zu entnehmen; vielmehr handelt es sich bei den §§ 27, 7
BeurkG (nur) um eine verfahrensrechtliche Regelung über Mitwirkungsverbote
bei der Beurkundung (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Dezember
1996 - IV ZB 9/96,
Dies entspricht dem Zweck der
von Interessenkonflikten freizuhalten. Es gilt zu verhindern,
dass der Notar durch die Einräumung ihm ansonsten nicht zustehender
rechtlicher Vorteile in der Urkunde in die Gefahr eines Konflikts zu seinen
sonstigen Pflichten kommt, insbesondere zu den Prüfungs- und Belehrungspflichten
nach
2012 - IV ZB 14/12,
zwischen den Interessen des Erblassers sowie möglichen Eigeninteressen
des Notars ist in solchen Fällen nicht von vornherein auszuschließen.
Einen derartigen möglichen Interessengegensatz wollte der
Gesetzgeber durch
vom 10. Oktober 2012 aaO Rn. 12). Diesem Rechtsgedanken hat
der Gesetzgeber dagegen im materiellen Erbrecht keinen Vorzug vor de r
Testierfreiheit des Erblassers eingeräumt (vgl. auch OLG Bremen, FamRZ
2016, 1505, 1506 [juris Rn. 13]; Staudinger/Dutta, BGB (2021) § 2197
Rn. 91).
Die
vor einer Beeinflussung durch den als Testamentsvollstrecker vorgesehenen
Notar bei der Errichtung eines eigenhändigen Testaments zu
schützen. Wenn der Erblasser durch falsche Beratung zu einer überflüssigen
Testamentsvollstreckung bewogen worden ist, kann das Testament
gemäß
1996 - IV ZB 9/96,
eine Testamentsvollstreckung dagegen sachgerecht, ist es erfahrungsgemäß
meist ein Anliegen des Erblassers, dass der Notar, dem er zu Lebzeiten
seine Angelegenheiten anvertraut hat, auch seinen letzten Willen
vollziehen soll (Senatsbeschluss vom 18. Dezember 1996 aaO).
Der Wirksamkeit der Testamentsvollstreckerernennung in einem eigenhändigen
Testament steht es daher nicht entgegen, wenn dieses in
den Räumen des Notars in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit
der Beurkundung einer letztwilligen Verfügung vom Erblasser abgefasst
wurde (vgl. OLG Köln
Handbuch der Testamentsvollstreckung 7. Aufl. § 11 Rn. 28a; Reimann
aaO § 2 Rn. 223: "in zeitlicher Nähe"; a.A. Zimmermann, Die Testamentsvollstreckung
5. Aufl. Kap. D. Rn. 94a) oder der Notar den Text des
eigenhändigen Testaments entworfen hat (vgl. BeckOK-BeurkG/Seebach,
§ 27 Rn. 45.10 (Stand: 1. November 2021); Fröhler in Langenfeld/Fröhler,
Testamentsgestaltung 5. Aufl. Kap. 3 Rn. 364; a.A. BeckOGK/Grziwotz,
Urkundsnotars").
Es kann daher offenbleiben, ob - wie die Rechtsbeschwerde unter
Verweis auf den Vortrag in der Vorinstanz geltend macht - der Erblasser
im Anschluss an die Beurkundung des Erbvertrages den handschriftlichen
Nachtrag im Notariat des Beteiligten zu 4 mit einem von diesem diktierten
Text erstellt hat. Da dies auch nach der Rechtsansicht des Beschwerdegerichts
nicht entscheidungserheblich war, ist die diesbezügliche Gehörsrüge
unbegründet.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:23.02.2022
Aktenzeichen:IV ZB 24/21
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Notarielles Berufsrecht
Testamentsvollstreckung
Beurkundungsverfahren
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Testamentsform
BeurkG §§ 7, 27; BGB § 2197