BFH 06. Mai 2020
II R 34/17
ErbStG §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 7 S. 1; AO §§ 39 Abs. 2, 174 Abs. 5 S. 2

Keine Schenkungsteuer für verbleibende Gesellschafter einer GmbH nach Veräußerung des Geschäftsanteils eines Gesellschafters an Pooltreuhänder

letzte Aktualisierung: 11.11.2020
BFH, Urt. v. 6.5.2020 – II R 34/17

ErbStG §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 7 S. 1; AO §§ 39 Abs. 2, 174 Abs. 5 S. 2
Keine Schenkungsteuer für verbleibende Gesellschafter einer GmbH nach Veräußerung
des Geschäftsanteils eines Gesellschafters an Pooltreuhänder

Veräußert ein Gesellschafter einem vorformulierten Vertragswerk entsprechend seinen
Geschäftsanteil an einen Pooltreuhänder, der diesen bis zur Aufnahme eines neuen Gesellschafters
treuhänderisch für die verbleibenden Gesellschafter hält, unterliegt der Vorgang bei den
verbleibenden Gesellschaftern nicht der Schenkungsteuer.

Gründe:

II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht erkannt, dass die Übertragung des Geschäftsanteils an der W GmbH von X auf den Pooltreuhänder bei dem Kläger nicht der Schenkungsteuer unterliegt.

1. Der Vorgang ist nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG schenkungsteuerbar.

a) Als Schenkung unter Lebenden i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG gilt nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG auch der auf dem Ausscheiden eines Gesellschafters beruhende Übergang des Anteils oder des Teils eines Anteils eines Gesellschafters einer Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft auf die anderen Gesellschafter oder die Gesellschaft, soweit der Wert, der sich für seinen Anteil zur Zeit seines Ausscheidens nach § 12 ErbStG ergibt, den Abfindungsanspruch übersteigt.

b) Die Voraussetzungen des § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG sind schon deshalb nicht erfüllt, weil der Geschäftsanteil nicht auf den Kläger übergegangen ist, sondern auf den Pooltreuhänder.

aa) Die Frage, ob und auf wen ein Geschäftsanteil übergeht, ist nach dem Zivilrecht zu beurteilen. Die Erbschaft- und Schenkungsteuer knüpft grundsätzlich an bürgerlich-rechtliche Vorgänge an. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist daher regelmäßig nicht anwendbar. So kommt es auch bei anderen Tatbeständen der Schenkungsteuer für die Prüfung, wer als Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist, grundsätzlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist, denn die Schenkungsteuer ist eine Verkehrsteuer (grundlegend BFH-Urteil vom 22.09.1982 - II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179; ferner etwa BFH-Urteile vom 25.01.2001 - II R 39/98, BFH/NV 2001, 908, unter II.1., und vom 21.05.2001 - II R 10/99, BFH/NV 2001, 1404, unter II.1.). Im Regelfall bleibt es bei der Anknüpfung an die zivilrechtlichen Verhältnisse.

bb) Für Treuhandverhältnisse an jedwedem Treugut, mithin auch an gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen, gilt nichts anderes. Geht es im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer um die Frage der Rechtszuständigkeit an dem Treugut, so bleibt maßgebend, wer zivilrechtlicher Rechtsinhaber ist. Das ist regelmäßig der Treuhänder. Die abweichende Zurechnungsvorschrift des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Alternative 1 AO betrifft eine besondere Form wirtschaftlichen Eigentums und ist im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht grundsätzlich ebenso wenig anwendbar wie § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO insgesamt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2001, 908, unter II.1.).

cc) § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG bietet keine Grundlage, für den Übergang eines Gesellschaftsanteils nicht --wie regelmäßig-- an den Erwerb zivilrechtlichen Eigentums, sondern --ausnahmsweise-- an den Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums anzuknüpfen. Die Wortwahl "Übergang des Anteils" ist eine originär zivilrechtliche. Eine den Prinzipien der Erbschaft- und Schenkungsteuer zuwiderlaufende rein wirtschaftliche Betrachtung, die die bei allen Vertragsbeteiligten eintretenden wirtschaftlichen Vor- und Nachteile beleuchtete, hätte einer besonderen gesetzlichen Anordnung bedurft. Insbesondere gibt § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG für die Besteuerung einer etwaigen bei einem Dritten eingetretenen Bereicherung keine Handhabe, da die Vorschrift nicht an die Bereicherung, sondern an den Anteilserwerb anknüpft.

dd) Nach diesen Maßstäben hat nicht der Kläger, sondern der Pooltreuhänder den Geschäftsanteil des X an der W GmbH erworben, so dass der Vorgang bei dem Kläger nicht nach § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG steuerbar ist. Der Pooltreuhänder ist zivilrechtlicher Eigentümer geworden. Die Annahme des FA, in Wahrheit sei lediglich der über die verbleibenden Gesellschafter verlaufende Leistungsweg abgekürzt worden, findet in dem Poolvertrag, der von vornherein den tatsächlich gewählten Übertragungsweg vorsah, keine Stütze. Es kann deshalb offenbleiben, ob dem Grunde nach die Rechtsfigur des abgekürzten Leistungswegs im Rahmen von § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG einen tatsächlich nicht stattgefundenen Übergang des Geschäftsanteils zu fingieren geeignet ist. Es ist auch nicht mehr von Bedeutung, ob den verbleibenden Gesellschaftern der W GmbH aus dem Vorgang ein vermögenswerter Vorteil zugekommen ist oder ob sie sogar als wirtschaftliche Eigentümer dieses Geschäftsanteils zu betrachten sein könnten.

c) Ungeachtet dessen ist der Vorgang auch deshalb nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 7 Satz 1 ErbStG steuerbar, weil es sich um einen von dieser Vorschrift nicht erfassten derivativen Erwerb handelt.

aa) Nachdem die frühere Fassung des Gesetzes ausdrücklich nach einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage verlangt hatte (dazu BFH-Urteile vom 01.07.1992 - II R 70/88, BFHE 168, 380, BStBl II 1992, 921, und vom 01.07.1992 - II R 12/90, BFHE 168, 390, BStBl II 1992, 925; BFH-Beschluss vom 24.01.1990 - II B 132/89, BFH/NV 1990, 675), fehlt es nach der Rechtsprechung des BFH auch unter der neueren Fassung an einem "Ausscheiden eines Gesellschafters" sowie einer "Abfindung", wenn --wie im Streitfall-- der Gesellschaftsanteil unter Lebenden veräußert und dafür ein Kaufpreis entrichtet wird (vgl. BFH-Urteil vom 20.01.2016 - II R 40/14, BFHE 252, 453, BStBl II 2018, 284, Rz 26 bis 29).

bb) Es kann offenbleiben, unter welchen Voraussetzungen ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S. des § 42 AO angenommen werden könnte, wenn das Ausscheiden eines Gesellschafters gegen Abfindung allein der äußeren Form nach in das Rechtskleid eines Kaufvertrags gehüllt wird, ohne dass dieser inhaltlich von einem Ausscheiden gegen Abfindung zu unterscheiden wäre. In der Veräußerung eines Geschäftsanteils an einen Treuhänder, damit dieser den Geschäftsanteil interimsweise bis zum Eintritt eines neuen Gesellschafters hält und verwaltet, vermag der Senat jedenfalls keinen Missbrauch zu erkennen. Das gilt erst recht, wenn der Geschäftsanteil zu demselben Preis veräußert werden muss, zu dem er erworben wurde, ohne dass ein Anspruch auf Abfindung stiller Reserven oder eines Goodwills bestünde.

2. Der Vorgang ist auch nicht nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steuerbar.

a) Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, vgl. § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Erforderlich hierfür ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Bedachten (vgl. BFH-Urteile vom 09.12.2009 - II R 28/08, BFHE 228, 169, BStBl II 2010, 566, unter II.1., und vom 30.01.2013 - II R 38/11, BFHE 240, 287, BStBl II 2018, 656, Rz 16).

b) In subjektiver Hinsicht ist ein (einseitiger) Wille des Zuwendenden zur (Teil-)Unentgeltlichkeit seiner Leistung erforderlich. Der "Wille zur Unentgeltlichkeit" liegt vor, wenn und soweit der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende (gleichwertige) Gegenleistung zu erhalten (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2009 - II R 32/08, BFH/NV 2010, 893, unter II.3.a).

c) In dem Poolvertrag war das Schicksal des Geschäftsanteils des jeweiligen Gesellschafters --hier des X-- bei Erreichen der Altersgrenze bereits im Einzelnen geregelt. Alle Vermögensverschiebungen beruhten auf vertraglicher Verpflichtung, die ihrerseits angesichts der Verknüpfung mit dem ursprünglichen Erwerb des Geschäftsanteils schon objektiv eine Unentgeltlichkeit nicht erkennen lässt. Erst recht fehlt es an dem Willen zur Unentgeltlichkeit.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

06.05.2020

Aktenzeichen:

II R 34/17

Rechtsgebiete:

Erbschafts- und Schenkungsteuer
Sonstiges Steuerrecht

Normen in Titel:

ErbStG §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 7 Abs. 1 Nr. 1 u. Abs. 7 S. 1; AO §§ 39 Abs. 2, 174 Abs. 5 S. 2