LG Düsseldorf 13. November 2001
25 T 822/01
BNotO §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 39

Geltung der Notarvollmacht für Notarvertreter

5. BGB § 129 Abs. 1, HGB § 12, BeurkG §§ 39, 40 (Nachträgliche Textänderung in unterschriftsbeglaubigter Handelsregisteranmeldung)
Nachträgliche Änderungen im Text einer unterschriftsbeglaubigten Handelsregisteranmeldung durch den Notar
sind mit Zustimmung des Unterzeichnenden möglich und
beeinträchtigen nicht die Form der Unterschriftsbeglaubigung.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Kassel, Beschluss vom 11.1.2002 – 13 T 9/01 –, mitgeteilt
von Andreas Kersten, Hofgeismar
Zum Sachverhalt:
Die Kommanditistin S ist aus der Gesellschaft ausgeschieden. Die
Übertragung ihrer Kommanditeinlage von 500,00 DM erfolgte im
Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den Kommanditisten J. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin beglaubigte als Notar unter dem 26.3.2001 die Erklärungen der Beteiligten S und J. Eine weitere Beglaubigung gleichen Inhaltes erfolgte unter dem 29.6.2001 durch
das Ortsgericht W. Beide Urkunden enthalten folgende Erklärung:
„Diese Kommanditistin (S) hat ihre Kommanditeinlage von 500,00 DM
im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den Kommanditisten J übertragen, dessen Einlage dadurch auf 25.300,00 DM erhöht worden ist.“
Unter dem 13.7.2001 legte die Beschwerdeführerin dem Amtsgericht
die beiden Urkunden vor und beantragte die Eintragung der angemeldeten Veränderungen in das Handelsregister. Mit Zwischenverfügung
vom 18.7.2001 wies die Rechtspflegerin die Antragstellerin darauf
hin, dass sich die Einlage des Kommanditisten J nicht auf 25.300,00
DM erhöht habe, erforderlich sei eine berichtigte Anmeldung. Mit
Schreiben vom 24.7.2001 bat der Notar um Rücksendung der beiden
Originalurkunden, damit nach Absprache mit den Unterzeichnern
eine Berichtigung auf den Originalen vorgenommen werden könne.
Dies lehnte die Rechtspflegerin ab, weil es sich um unterschriftsbeglaubigte Urkunden des Notars und des Ortsgerichtes handele und
eine nachträgliche Änderung in diesen Urkunden nicht zulässig sei.
Der Notar erwiderte hierauf in einem Schreiben vom 9.8.2001, in
dem er unter Hinweis auf ein Gutachten des Deutschen Notarinstituts
ausführte, dass die nachträgliche Textänderung bei einer Unterschriftsbeglaubigung selbst dann möglich sei, wenn sie über die Berichtigung eines offensichtlichen Schreibversehens hinausgehe. Unter dem 13.8.2001 teilte die Rechtspflegerin der Beschwerdeführerin
mit, die Verfügung vom 18.7.2001 bleibe aufrechterhalten.
Auf erneutes Schreiben der Antragstellerin vom 24.8.2001 händigte
das Amtsgericht die Originalurkunde des Notars aus, nicht hingegen
die Originalurkunde des Ortsgerichtes. Mit Schreiben vom 10.1.2001
bestätigte der Notar den Eingang und forderte das Amtsgericht erneut
auf, die von dem Ortsgericht beglaubigte Urkunde zur Berichtigung
herauszugeben. Falls das Gericht diesem Antrag nicht folge, bleibe
die bereits erhobene Erinnerung und Beschwerde aufrechterhalten.
Mit Verfügung vom 17.9.2001 erklärte das Amtsgerichts die Aufrechterhaltung der Verfügung vom 18.7.2001 hinsichtlich der vom Ortsgericht beglaubigten Urkunde. Zur Begründung führte das Amtsgericht
aus, dass nach einer nachträglichen Änderung des Textes – durch wen
auch immer – die Urkunde nicht mehr der Form des § 12 HGB entspreche.
Aus den Gründen:
Die zulässige Beschwerde musste auch in der Sache erfolgreich sein. Zu Unrecht verweigert das Amtsgericht die Herausgabe der Originalurkunde des Ortsgerichts, weil es die
Auffassung vertritt, eine nachträgliche Änderung in unterschriftsbeglaubigten Urkunden sei unzulässig. Diese Auffassung steht nicht in Einklang mit der Rechtsprechung und herrschenden Meinung. Es geht um die Frage, ob die Änderungen
im Text der unterschriftsbeglaubigten Urkunde von dem
ursprünglichen Beglaubigungsvermerk gedeckt sind. Dies ist
der Fall. Denn die Unterschriftsbeglaubigung bedeutet nicht
die Beglaubigung des Inhalts der Erklärung, sondern sie ist
das Zeugnis einer Urkundsperson darüber, dass die Unter526 MittBayNot 6/2002Rechtsprechung
schrift in seiner Gegenwart zu dem angegebenen Zeitpunkt
von dem Erklärenden vollzogen oder anerkannt worden ist
(§§ 39, 40 BeurkG). Das bedeutet, dass die Beglaubigung
ohne Rücksicht auf Form und Inhalt des Textes vorgenommen
werden kann. Deshalb vertritt die heute herrschende Meinung
die Auffassung, dass nachträgliche Textänderungen die Form
der Unterschriftsbeglaubigung nach § 129 Abs. 1 S. 1 BGB
i.V.m. §§ 39, 40 BeurkG selbst nicht dann beeinträchtigen,
wenn sie über die Berichtigung eines offensichtlichen
Schreibversehens hinausgehen. Zur Begründung wird darauf
verwiesen, dass die Unterschriftsbeglaubigung lediglich die
Echtheit der Unterschrift bescheinigt, nicht hingegen die
Echtheit des darüber stehenden Textes (vgl. Meikel/Brambring
Grundbuchrecht, 7. Aufl. 1998, § 29 Rdnr. 21; Kehe/Herrmann, Grundbuchrecht, 4. Aufl. 1991, § 29 Rdnr. 98; Haegele/
Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 10. Aufl. 1993 Rdnr. 163).
Aus alledem folgt, dass der Text der zu beglaubigenden Erklärung mit Zustimmung des Unterzeichnenden auch nachträglich geändert werden darf (RGZ 60, 392).
Im Übrigen hat das Amtsgericht durch die Herausgabe der
Originalurkunde des Notars eingeräumt, dass es eine nachträgliche Änderung für zulässig erachtet. Einen Unterschied
zwischen dem Beglaubigungsvermerk des Notars und dem
Beglaubigungsvermerks des Ortsgerichtes gibt es nicht; sowohl
der Beglaubigungsvermerk des Notars als auch der Beglaubigungsvermerk des Ortsgerichtes sind öffentliche Urkunden,
die die Echtheit der Unterschrift bezeugen. Nach alledem ist
der Notar befugt, mit ausdrücklicher Zustimmung der Erklärenden auch nachträglich im Text Änderungen vorzunehmen,
nämlich den Einlagebetrag von 25.300,00 DM auf 25.250,00
DM als offensichtliche Unrichtigkeit zu korrigieren.
6. BNotO §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 39 (Geltung der Notarvollmacht für Notarvertreter)
Der Notarvertreter ist nach § 39 BNotO berechtigt, von einer dem vertretenen Notar erteilten Durchführungsvollmacht Gebrauch zu machen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2001 – 25 T 822/01 –
Zum Sachverhalt:
Die Beteiligten schlossen vor der Notarin B den Kaufvertrag vom
23.6.2000. Darin heißt es in Nr. 13.1:
„Die Beteiligten erteilen der Notarin Vollmacht, sie im Grundbuchverfahren uneingeschränkt zu vertreten, im besonderen, die Umschreibung des Kaufgegenstandes auf den Käufer und die Löschung
der Vormerkung des Käufers zu bewilligen.“
Diese Erklärungen hat mit Schreiben vom 27.8.2001 der Notarvertreter T abgegeben. In der Zwischenverfügung desAmtsgerichts Düsseldorf vom 3.9.2001 wird dies beanstandet. Die Notarin persönlich sei
bevollmächtigt worden. Deren Bewilligung sei vorzulegen. Gegen
die Zwischenverfügung haben die Beteiligten Beschwerde eingelegt,
der das Amtsgericht nicht abgeholfen hat.
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Jede Amtstätigkeit des Notars ist öffentlich-rechtlich zu qualifizieren. Privatrechtliche Vertretung ist ausgeschlossen. Auch
die Tätigkeit der notariellen Rechtsbetreuung (§ 24 Abs. 1
Satz 2 BNotO) ist Amtstätigkeit, für welche die Bestellung
des Vertreters nach § 39 BNotO gilt. Die Aufspaltung der Person der Notarin in eine die Urkundstätigkeit durchführende
Rechtsprechung


Amtsperson und eine die Rechtsbetreuung durchführende,
privatrechtlich bevollmächtigte Privatperson, kann nicht vorgenommen werden. Ist somit vorliegend der Wille der Beteiligten auf die Besorgung der ganzen Grundbuchangelegenheit
durch den Notar gerichtet, geschieht diese als öffentlich-rechtliche Tätigkeit der Notarin, was das Tätigwerden eines Vertreters nach § 39 BNotO gestattet.
Anmerkung:
Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen. Die kurze
Begründung, die die Zivilkammer der Entscheidung gibt, bedarf jedoch der Ergänzung.
Zu Recht geht die Entscheidung davon aus, dass jede Amtstätigkeit des Notars öffentlich-rechtlicher Natur ist: § 24 Abs. 1
BNotO zählt auch die „Betreuung der Beteiligten auf dem
Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege“ zum Amt des Notars.
Was darunter fällt, hängt von der Definition dieses Begriffes1
ab. M.E. kommt es auf den Zweck an, mit der Einrichtung des
Notariats gebietsdeckend ein Netz von unparteiischen Rechtskundigen zur Verfügung zu stellen zur Bezeugung von wahrgenommenen Tatsachen (Urkundstätigkeit), aber auch darüber
hinaus zur Sicherung und Erleichterung des Rechtsverkehrs.
Dazu gehören neben den in § 24 BNotO genannten Tätigkeiten der (planenden) Beratung2 und der Entwurfsfertigung
auch die unbenannten Tätigkeiten, die als Vollzugs- und Treuhandtätigkeit große praktische Bedeutung gewonnen haben.
Im vorliegenden Fall handelte es sich um die Einschaltung
des Notars zur Sicherung von Leistung und Gegenleistung bei
der Abwicklung eines Grundstückskaufvertrags. Dass dies zu
den Treuhandtätigkeiten im Rahmen der vorsorgenden Rechtspflege gehört, steht außer Frage. Der Notar ist dafür zuständig
nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BNotO (der in der Entscheidung genannte Satz 2 betrifft andere Tätigkeiten des Notars).
Für die Haftung des Notars gilt § 19 BNotO. Das Verfahren
des Notars ist gesetzlich nicht geregelt.
Die Praxis hat aber zur Sicherung des Verkäufers drei Verfahren entwickelt:
1. Vorlagesperre
2. Vorbehalt der Eintragungsbewilligung
3. Vorbehalt der Eigentumsumschreibung3.
Wie jede notarielle Tätigkeit setzen auch die Tätigkeiten der
notariellen Rechtsbetreuung einen Antrag voraus, wozu bei
Treuhandtätigkeiten eine gemeinsame Treuhandanweisung
der Beteiligten gehört (im Falle des Anderkontenverfahrens
„Verwahrungsanweisung“ genannt).
Der Antrag zur Eröffnung des Verfahrens wird an den Notar
als Träger, eines öffentlichen Amts gerichtet, meist im Zusammenhang mit der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags an den diesen Vertrag beurkundenden Notar. Es kann
aber auch sein, dass dieser Antrag an einen anderen Notar
gerichtet ist, z.B. bei Baumodellen an den Zentralnotar, der
die weit verstreut von den Ortsnotaren beurkundeten Erwerbsverträge zentral durchführen soll.
Wird für den so beauftragten Notar ein Vertreter bestellt, so
tritt dieser an Stelle des ursprünglich beauftragten Notars.
Alle vom ursprünglich beauftragten Notar begonnenen Verfahren sind vom Notarvertreter fortzuführen. Das Gesetz
bringt dies mit dem Begriff der „Amtsbefugnis“ in § 44 BNotO
Schippel/Reithmann BNotO, 7. Aufl. 2000, § 24 Rdnr. 7 ff.
BGH vom 18.4.2002, DNotZ 2002, 773.
Reithmann/Albrecht, Notarielle Vertragsgestaltung, 8. Aufl. 2001,
Rdnr. 299 ff.; Verfahren zur Sicherung des Käufers, Rdnr. 322 ff.
Rechtsprechung
zum Ausdruck. Dass die Amtsbefugnis des Vertreters von der
des vertretenden Notars abgeleitet ist, ist so selbstverständlich, dass sich im Gesetz nur Andeutungen dazu finden4. Der
Vertreter hat nicht nur die Rechte des Vertretenen (er verwendet das Amtssiegel des vertretenen Notars); den Vertreter treffen auch die Pflichten des vertretenen Notars.
Im Treuhandverfahren bedient sich der Notar unterschiedlicher Instrumente zur Durchführung seines öffentlich-rechtlichen Auftrags. Im Verfahren der Vollzugssperre ist dies, die
Eintragungsbewilligung (meist in der Kaufurkunde enthalten), die der Notar, wenn die Voraussetzungen des Treuhandverfahrens gegeben sind, dem Grundbuchamt vorlegt. Im hier
vorliegenden Verfahren des Vorbehalts der Bewilligung gibt
der Notar die Eintragungsbewilligung in Form einer Eigenurkunde5 ab, und zwar aufgrund Vollmacht der Beteiligten.
Ob diese Vollmacht öffentlich-rechtlicher oder privatrechtlicher Natur ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist
diese Vollmacht Instrument zur Durchführung des notariellen
Treuhandverfahrens. Wenn die Vollmacht vom „beurkundenden Notar“ spricht, ist der Notar gemeint, der das Treuhandverfahren im Vollzug des beurkundeten Kaufvertrags durchführen soll. Als notwendiges Instrument im Treuhandverfahren geht die Vollmacht auch auf den Notarvertreter, der dieses
Verfahren durchführt, über.
Auch wenn, wie im vorliegenden Fall, die „Notarin“ persönlich genannt ist, ist die Vollmacht doch als Instrument des notariellen Treuhandverfahrens so auszulegen, dass sie sich an
die Amtsperson richtet, die mit dem Treuhandverfahren beauftragt ist. Dies ist in jedem Fall auch der Notarvertreter,
m.E. aber auch der Notariatsverwalter.6
Notar a.D. Dr. Christoph Reithmann, Wolfratshausen
Eylmann/Vaasen/Wilke, 2000, BNotO § 44 Rdnr. 3.
Reithmann/Albrecht a.a.O. Rdnr. 347, 353.
In Gebieten des hauptberuflichen Notariats mit „faktischer Ämterkontinuität“ (Wilke a.a.O. § 56 Rdnr. 1) gilt dies wohl auch für den
„Amtsnachfolger“.
7. BGB § 164 (Umfang der Vollzugsvollmacht für Notarangestellte)
Die in einem Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung
der Notariatsangestellten erteilte Vollmacht, zur Durchführung und etwaigen Ergänzung des Vertrags erforderlichen Erklärungen für die Vertragsparteien abzugeben,
berechtigt nicht dazu, die vereinbarte Verpflichtung des
Verkäufers zur Verschaffung eines dinglich wirkenden
Sondernutzungsrechts durch die Pflicht zur Verschaffung
eines obligatorischen Sondernutzungsrechts zu ersetzen.
BGH, Urteil vom 17.5.2002 – V ZR 149/01 –, mitgeteilt von
Wolfgang Wellner, Richter am BGH
Zum Sachverhalt:
Der Beklagte war Eigentümer eines Hausgrundstücks in L., das er
1993 in Wohnungseigentum aufteilte. Hierdurch entstand u.a. ein
Miteigentumsanteil von 22/100 an dem Grundstück, der mit dem Sondereigentum an der im Teilungsplan als Nr. 1 bezeichneten Wohnung
verbunden ist.
Mit Notarvertrag vom 29.3.1994 verkaufte der Beklagte die Wohnung dem Kläger. Nach § 6 des Vertrages waren sich die Vertragsparteien einig, dass dem Kläger „an dem Wohnraum auf halber Höhe
über der von ihm gekauften Wohnung (im Folgenden: Wohnraum) ...
ein Sondernutzungsrecht“ zustehen solle. In der Vertragsurkunde
Rechtsprechung
MittBayNot 6/2002

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

13.11.2001

Aktenzeichen:

25 T 822/01

Erschienen in:

MittBayNot 2002, 526-527
RNotZ 2002, 60

Normen in Titel:

BNotO §§ 24 Abs. 1 Satz 1, 39