OVG Schleswig 26. Juni 2019
9 A 241/16
BauGB § 11; BGB § 155; LVwG SH §§ 126, 129

Unwirksamkeit eines Erschließungsvertrages

letzte Aktualisierung: 06.02.2020
VG Schleswig, Urt. v. 26.6.2019 – 9 A 241/16

BauGB § 11; BGB § 155; LVwG SH §§ 126, 129
Unwirksamkeit eines Erschließungsvertrages

1. Ein Erschließungsvertrag, in dem sich die Beteiligten über wesentliche Punkte tatsächlich nicht
geeinigt haben, ist aufgrund eines offenen Dissenses nach § 11 BauGB i. V. m. §§ 126, 129 LVwG
und § 155 BGB schon nicht wirksam zustande gekommen.

2. Dies ist der Fall, wenn dem Erschließungsunternehmer auch die Herstellung des
Schmutzwasserkanals obliegt, der dafür zuständige Zweckverband jedoch nicht beteiligt wird und
der eigentlich vorgesehene gesonderte Vertrag nicht abgeschlossen wird. Im Übrigen wäre der
Erschließungsvertrag auch nichtig, weil die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung nicht
festgestellt werden kann, wenn nicht geregelt ist, zu welchen Bedingungen die Herstellung der
Schmutzwasserkanäle erfolgt.

3. Ein offener Dissens besteht auch dann, wenn eine Vertragserfüllungsbürgschaft mit einer
Gesamtsumme vereinbart wird, aber beide Beteiligte grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen
über die Zusammensetzung des Betrages und die Höhe vereinbarter Sicherheitszuschläge haben.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Soweit die Beteiligten die Klage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben, wird das Verfahren analog § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.

II. Im Hinblick auf den Klageantrag zu Ziff. 3. erweist sich die beantrage Klageänderung in
Form einer Klageerweiterung als unzulässig. Es handelt sich hierbei um eine unzulässige
Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO. Eine Klageänderung liegt vor, wenn der
Streitgegenstand eines anhängigen Verfahrens nach Erhebung der Klage durch
klägerische Erklärung geändert wird. Dies kann durch Austausch, aber auch - wie hier -
durch Erweiterung des Klagebegehrens im Sinne des § 88 VwGO erfolgen (vgl. BVerwG,
U. v. 18.08.2005 - 4 C 13/04 -, NVwZ 2006, 87; Peters/Kujaht, in: Sodan/Ziekow, 5. Aufl.
2018, § 91 VwGO, Rdnr. 18). Die Beklagte hat ihre Zustimmung zu der nachträglichen
Klageänderung mit Schriftsatz vom 29.06.2017 verweigert, § 91 Abs. 1, 1. Alt. VwGO. Die
Klageänderung ist auch nicht sachdienlich im Sinne des § 91 Abs. 1, 2. Alt. VwGO, soweit
die Klägerin mit dem Klageantrag zu Ziff. 3. die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten
zur Leistung von Schadensersatz begehrt. Eine Klageänderung ist dann sachdienlich, wenn
für die geänderte Klage der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und die
Klageänderung die endgültige Beilegung des Rechtsstreits fördert. Sachdienlichkeit ist in
der Regel zu verneinen, wenn durch die Klageänderung ein gänzlich neuer Prozessstoff
eingeführt wird, der die Grundlagen des bisherigen Rechtsstreits ändert oder wenn der
Rechtsstreit ohne Berücksichtigung der Klageänderung bereits entscheidungsreif wäre (vgl.
BVerwG, U. v. 27.02.1970 - IV C 28/67 -, NJW 1970, 1564 <1565>; VGH Mannheim, U. v.
16.09.1993 - 2 S 559/92 -, VBlBW 1994, 147; Kopp/Schenke, 25. Auflage 2019, § 91 VwGO,
Rdnr. 19, mit weiteren Nachweisen). Gemessen daran steht der Annahme einer
Sachdienlichkeit hinsichtlich des Klageantrages zu Ziff. 3. der Umstand entgegen, dass
durch diese Klageänderung ein gänzlich neuer Prozessstoff, der die Grundlagen des
bisherigen Rechtsstreits ändert, in das Verfahren eingeführt würde. Die Frage, ob die
Beklagte die Erschließung bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erklären müssen bzw.
diese (schuldhaft) zu spät erklärt hat, bedarf der Klärung anhand eines Streitstoffes, der
nicht - im Wesentlichen - mit dem bisherigen Streitstoff übereinstimmt. Der bisherige
Streitstoff hat nichts gemein mit der von der Klägerin begehrten Feststellung des Bestehens
von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Beklagten. Es bestehen damit wesentliche
Unterschiede zwischen den Streitgegenständen, weshalb durch die Klageänderung auch
kein weiterer Prozess vermieden, sondern nur ein neuer Prozess unter einem alten
Aktenzeichen fortgeführt werden würde (vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, U. v. 25.09.2015
- 13 K 7604/14 -, juris, Rdnr. 22 unter Bezugnahme auf VG Bremen, U. v. 20.11.1997 - 2 A
65/96 -, juris, Rdnr. 18; VGH München, U. v. 21.06.1993 - 20 B 92.1949 -, BeckRS 1993,
11447; OVG Münster, B. v. 30.09.2002 - 6 A 1106/99 -, juris, Rdnr. 8). Unter diesen
Umständen erweist sich die Klageänderung als nicht sachdienlich und daher vorliegend als
unzulässig. Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich der erfolgten Klageerweiterungen im
Übrigen. Der Streitstoff bleibt im Wesentlichen derselbe. Dem Klageerweiterungsbegehren
liegt praktisch derselbe Streitstoff zugrunde, weil es auch insofern auf die Frage ankommt,
ob die notarielle Vereinbarung wirksam geschlossen wurde bzw. sich einzelne Regelungen
als unwirksam erweisen und wie einzelne Regelungen der Vereinbarung auszulegen sind
bzw. die Beklagte zur (Teil-)Freigabe der Bürgschaft verpflichtet ist. Auch wird insofern die
endgültige Beilegung des Rechtsstreits zwischen den Beteiligten gefördert.

III. Darüber hinaus ist die Klage, soweit nach den übereinstimmenden
Erledigungserklärungen den Beteiligten noch über sie zu entscheiden war, zulässig (dazu
unter 1.) und begründet (dazu unter 2.).

1. Die Klage ist zulässig. Das beschließende Gericht ist für die streitgegenständliche
Verwaltungsrechtssache sachlich zuständig (§ 45 VwGO). Denn der Verwaltungsrechtsweg
ist eröffnet. Dieser ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO in allen öffentlich-rechtlichen
Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch
Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Diese
Voraussetzungen sind erfüllt. Dies gilt insbesondere auch, soweit die Klägerin eine
Herausgabe der Bürgschaftsurkunde begehrt. Ein derartiger Leistungsanspruch ist
öffentlich-rechtlicher Natur, weil der geltend gemachte Erstattungsanspruch als gleichsam
umgekehrter Leistungsanspruch dem öffentlichen Recht angehört bzw. die Vereinbarung
als öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 121 LVwG SH nach seinem Zweck und
Gegenstand einen vom öffentlichen Recht geordneten Sachbereich betrifft (vgl. dazu VGH
Mannheim, U. v. 31.03.2015 - 3 S 2016/14 -, juris, Rdnr. 40; BVerwG, U. v. 16.05.2000
- 4 C 4/99 -, juris, Rdnr. 15; VG Augsburg, Urteil vom 10.10.2013 - Au 5 K 10.2056 -, juris,
Rdnrn. 167 ff.; OVG Lüneburg, U. v. 18.02.2016 - 1 LC 28/12 -, juris, Rdnrn. 95 f.; vgl. in
diesem Zusammenhang auch BVerwG vom 12.03.2018 -10 B 25.17 -, juris, betreffend die
Frage, wann ein Sicherungsgeschäft öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Art
ist).

Auch ist im Hinblick auf die Feststellungsanträge das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche
Feststellungsinteresse der Klägerin gegeben. Ein solches Interesse kann rechtlicher,
wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Die gerichtliche Entscheidung muss geeignet sein,
die Rechtsposition des Klägers zu verbessern (vgl. nur BVerwG, U. v. 27.01.2010
- 8 C 38.09 -, juris, Rdnr. 52; U. v. 13.09.2017 - 10 C 6/16 -, juris, Rdnr. 13). So liegt der
Fall hier. Über die zwischen den Beteiligten bestehenden Meinungsverschiedenheiten kann
mit der begehrten Feststellung des Nichtbestehens einer wirksamen Vereinbarung bzw. der
Nichtigkeit einzelner Regelungen eine Klärung herbeigeführt und die Rechtsposition der
Klägerin in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht verbessert werden.

Für das Herausgabe- bzw. Freigabebegehren (Klageantrag zu Ziff. 2. und Hilfsantrag zu
Ziff. 6.) ist die allgemeine Leistungsklage statthaft. Hieraus resultierend ist bei der Klägerin
auch die Klagebefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO gegeben. Auch das allgemeine
Rechtsschutzbedürfnis ist zu bejahen.

2. Die Klage ist auch begründet.

a) Dies gilt zunächst im Hinblick auf die mit dem Hauptantrag zu Ziff. 1. begehrte
Feststellung. Die zwischen den Beteiligten geschlossene notarielle Vereinbarung vom 7.
Juni 2016 ist nicht wirksam zustande gekommen. Hierbei handelt es sich um einen
städtebaulichen Vertrag im Sinne des § 11 BauGB, weshalb die darin normierten
Voraussetzungen gewahrt werden müssen. Zusätzlich findet, soweit hier relevant, § 126
LVwG SH Anwendung. Dazu im Einzelnen:

aa) Die Regelungen in der Vereinbarung sind zunächst in wesentlichen Punkten
unvollständig (dazu unter (a)). Diese Unvollständigkeit führt dazu, dass zwischen den
Beteiligten keine Vereinbarung geschlossen wurde (dazu unter (b)) bzw. die Vereinbarung
insgesamt unwirksam ist (dazu unter c)).

(a) Nach II. § 2 Abs. 2 c) der Vereinbarung umfasst die seitens der Klägerin eingegangene
Verpflichtung zur Erschließung des Erschließungsgebietes auch die Herstellung des
Schmutzwasserkanals. Einzelne Regelungen zu einer Verpflichtung der Klägerin zur
Übereignung dieser Erschließungsanlage an den für die Abwasserbeseitigung zuständigen
ZVO (vgl. § 3 Ziff. 1. c) der Verbandssatzung des ZVO) bzw. einer Übernahme durch diesen
enthält die Vereinbarung hingegen nicht. Zwar regelt II. § 2 Abs. 5 der Vereinbarung, dass
für die Wasserversorgung sowie die Schmutzwasserentsorgung ein separater Vertrag mit
dem ZVO als Ver- und Entsorgungsträger in Abstimmung mit der Beklagten abzuschließen
ist. Auch enthält II. § 3 Abs. 5 der Vereinbarung eine Regelung zur Herstellung der
erforderlichen Ver- und Entsorgungsleitungen. Nähere (konkrete) Einzelheiten sind der
zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung jedoch nicht zu entnehmen.
Insbesondere ergibt sich aus der Vereinbarung nicht, unter welchen Bedingungen die
Klägerin zu einer Übertragung der Leitungen auf den ZVO verpflichtet ist bzw. diese von
dem ZVO eine Übernahme verlangen kann. Auch ist unklar, ob die Beklagte zu einer
Freigabe der Bürgschaft bzw. einer Abnahme im Sinne des II. § 7 der Vereinbarung auch
dann verpflichtet ist, sofern eine Abnahme und Übernahme der Schmutzwasserleitungen
durch den ZVO noch nicht erfolgt ist. Gerade diese Gesichtspunkte sind zwischen den
Beteiligten bzw. der Klägerin und dem ZVO streitig.

Obliegt - wie hier - der Klägerin die Herstellung von Teilen des Wasserleitungs- bzw.
Kanalnetzes und ist dafür nicht die Beklagte, sondern der ZVO zuständig, hätte entweder
mit dem ZVO eine eigenständige vertragliche Vereinbarung getroffen werden oder diese
hätte als weitere Vertragspartei an dem Erschließungsvertrag beteiligt werden müssen (so
ausdrücklich Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, 13. Auflage 2016, § 11 BauGB, Rdnr. 23;
in diese Richtung auch Grziwotz, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger,
Baugesetzbuch, Werkstand: 131. EL Oktober 2018, § 11 BauGB, Rdnr. 426). Es muss
nämlich sichergestellt sein, dass neben der Herstellungsverpflichtung des
Erschließungsunternehmers hinreichende Regelungen betreffend die Übertragung der
Leitungen auf den ZVO vorhanden sind, um insbesondere den späteren ordnungsgemäßen
Betrieb der Ver- und Entsorgungsanlagen abzusichern. Daran mangelt es vorliegend.
Dabei erweist sich auch als unerheblich, dass durch die Aufnahme der Regelung in II. § 2
Abs. 5 der Vereinbarung die Regelung weiterer Einzelheiten einem zwischen der Klägerin
und dem ZVO zu schließenden Vertrag vorbehalten sein sollte. Durch diese Regelung war
nämlich nicht gewährleistet, dass es auch tatsächlich zu einem derartigen Vertragsschluss
kommt.

An vorgenannter Betrachtung vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der ZVO
zwischenzeitlich eine Genehmigung zu der zwischen den Beteiligten geschlossenen
Vereinbarung erklärt hat. Zwar kann sich auch eine derartige Zustimmung im Sinne von
§ 125 Abs. 1 LVwG SH als ausreichend erweisen (Birk, Städtebauliche Verträge, 5. Auflage
2013, Rdnr. 218; VG Gera, U. v. 25.11.1999 - 4 K 1838/97 GE -, BeckRS 1999, 31331112).

Voraussetzung ist dann jedoch, dass hinsichtlich der grundsätzlich in die Zuständigkeit des
ZVO fallenden Herstellung der Schmutzwasserleitungen hinreichende vertragliche
Regelungen, die die Anforderungen des § 11 Abs. 3 BauGB wahren, erfolgt sind. Soweit
vorliegend daher der ZVO eine „Genehmigungserklärung“ abgegeben hat, konnte dieser
seine Zustimmung zu der Vereinbarung nur insoweit erklären, soweit darin Regelungen, die
in seine Rechte eingreifen, auch tatsächlich getroffen wurden. Dies betrifft vorliegend
jedoch im Wesentlichen nur die Herstellungsverpflichtung hinsichtlich der
Schmutzwasserleitungen. Weitere wesentlichen Regelungen sind - wie dargelegt - in
diesem Zusammenhang gerade nicht vereinbart worden. Auch die erteilte Genehmigung
vermag daher an der Unvollständigkeit der Vereinbarung nichts zu ändern.

Die Lücke in der Vereinbarung kann auch nicht - durch dispositives Recht oder - im Wege
der (ergänzenden) Vertragsauslegung (§ 129 Satz 2 LVwG SH in Verbindung mit §§ 133,
157 BGB) geschlossen werden. Bei der ergänzenden Auslegung ist darauf abzustellen was
die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben
als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall
bedacht hätten. Dabei ist zunächst an den Vertrag selbst anzuknüpfen; die darin
enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der
Vertragsergänzung. Sie findet ihre Grenze an dem im - wenn auch lückenhaften - Vertrag
zum Ausdruck gekommenen Parteiwillen; sie darf daher nicht zu einer Abänderung oder
Erweiterung des Vertragsgegenstandes führen und muss in dem Vertrag eine Stütze finden
(vgl. BGH, U. v. 12.10.2012 - V ZR 222/11 -, juris, Rdnr. 12, mit weiteren Nachweisen).
Vorliegend fehlt es an einer Basis, um eine derartige ergänzende Vertragsauslegung
vornehmen zu können. Es ist nicht erkennbar, was die Beteiligten vereinbart hätten, wenn
sie bei Abschluss der Vereinbarung bedacht hätten, dass es weiterer Regelungen bedurft
hätte, zumal auch der ZVO hätte beteiligt werden müssen. Eine ergänzende
Vertragsauslegung scheitert dann jedoch. Denn kann eine Regelungslücke in
verschiedener Weise geschlossen werden und bestehen keine Anhaltspunkte dafür, für
welche Alternative sich die Parteien entschieden hätten, ist eine ergänzende
Vertragsauslegung ausgeschlossen (vgl. nur BGH, U. v. 20.07.2005 - VIII ZR 397/02 -, juris,
Rdnr. 19; LG Bonn, U. v. 25.01.2012 - 5 S 230/11 -, juris, Rdnr. 24).

(b) Vorgenannte Unvollständigkeit führt nach § 129 Satz 2 LVwG SH in Verbindung mit
§ 155 BGB dazu, dass eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten schon nicht zu Stande
gekommen ist. Denn eine hinreichend bestimmte Einigung über die wesentlichen
Vertragsbestandteile fehlt bzw. diese lassen sich der schriftlichen Vereinbarung nicht
entnehmen. Die Regelung des § 155 BGB greift ein, wenn die Parteien glauben, sich über
den gesamten Vertragsinhalt geeinigt zu haben, obwohl sie in Wirklichkeit einen
regelungsbedürftigen Punkt vergessen oder übersehen haben. Dabei ist erforderlich, dass
die Parteien den Punkt überhaupt bedacht haben und ihn regeln wollten (H.-W. Eckert, in:
BeckOK BGB, Bamberger/Roth/Hau/Poseck, 50. Edition, Stand: 01.05.2019, § 155 BGB,
Rdnr. 7, mit weiteren Nachweisen). So liegt der Fall hier. Den Beteiligten war durchaus
bewusst, dass hinsichtlich der Herstellung der Schmutzwasserleitungen weitere
Regelungen mit dem ZVO erforderlich sind, wie II. § 2 Abs. 5 der Vereinbarung zeigt. Sie
gingen jedoch irrtümlich davon aus, dass vorgenannte Regelung ausreichend ist und es in
der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung keine weiteren Regelungen
mehr bedarf.

Vorliegend lässt sich nicht annehmen, dass die Beteiligten die Vereinbarung auch nur zur
Herstellung einer Teilerschließung abgeschlossen hätten. Insbesondere die Klägerin hätte
eine vertragliche Bindung nicht gewollt, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die
Unvollständigkeit der Vereinbarung erkannt hätte. Die fehlende Einigung der Beteiligten
über die näheren Einzelheiten betreffend die Übertragung der Schmutzwasserleitungen auf
den ZVO erfasst damit die gesamte Vereinbarung.

Gestützt wird dieses Ergebnis von dem Umstand, dass bereits die fehlende Zustimmung
eines Zweckverbandes zu der zwischen den Vertragspartnern eines
Erschließungsvertrages erfolgten Vereinbarung - jedenfalls in der Regel - für sich betrachtet
zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung führt (Birk, Städtebauliche Verträge, 5. Auflage
2013, Rdnr. 218). Das muss vorliegend dann jedoch erst Recht gelten, sofern die
Vereinbarung nicht nur an einem formellen Fehler leider, sondern - in wesentlicher Hinsicht
- materiell unvollständig ist.

(c) Selbst für den Fall, dass vorgenannten Erwägungen nicht gefolgt werden würde, liegt
vorliegend jedenfalls ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BauGB vor, der nach
§ 126 Abs. 1, 4 LVwG SH in Verbindung mit §§ 125, 134 BGB zur Gesamtnichtigkeit der
Vereinbarung führt.

Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde städtebauliche Verträge schließen.
§ 11 Abs. 1 Satz 2 BGB enthält eine beispielhafte („insbesondere“) Konkretisierung
möglicher Inhalte städtebaulicher Verträge. Grenzen städtebaulicher Verträge ergeben sich
aus § 11 Abs. 2 BauGB. Hiernach müssen die vereinbarten Leistungen den gesamten
Umständen nach angemessen sein (Satz 1). Die Vereinbarung einer vom Vertragspartner
zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf die
Gegenleistung hätte (Satz 2). Trägt oder übernimmt der Vertragspartner Kosten oder
sonstige Aufwendungen, ist unbeschadet des Satzes 1 eine Eigenbeteiligung der
Gemeinde nicht erforderlich (Satz 3). Nach § 11 Abs. 3 BauGB bedarf ein städtebaulicher
Vertrag, wie bereits dargelegt, der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschriften eine
andere Form vorgeschrieben ist.

Das Gebot der Angemessenheit der Gegenleistung im Sinne von § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB
verlangt in materiell-rechtlicher Hinsicht, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des
Gesamtvorgangs die Gegenleistung des Vertragspartners der Behörde nicht außer
Verhältnis zu dem wirtschaftlichen Wert der von der Behörde zu erbringenden Leistung
stehen darf und dass auch sonst keine Anhaltspunkte dafür gegeben sind, dass die
Gegenleistung eine unzumutbare Belastung bedeutet (vgl. BVerwG, U. v. 25.11.2005
- 4 C 15.04 -, juris, Rdnr. 22, unter Bezugnahme auf das U. v 06.07.1973 - 4 C 22.72 -,
juris). § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB enthält dabei nicht nur Anforderungen materiell-rechtlicher,
sondern auch formell-rechtlicher Natur (Krautzberger, in:
Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Werkstand: 131. EL Oktober 2018, § 11 BauGB,
Rdnr. 110).

Die Formvorschrift des § 11 Abs. 3 BauGB (vgl. vorliegend zur Ersetzung § 126 Abs. 4
BGB) wiederum hat Klarstellungs-, Beweis- und Warnfunktionen im Verhältnis der
Beteiligten untereinander und soll insbesondere die Beweisbarkeit getroffener Abreden
sicherstellen (vgl. in diesem Zusammenhang BVerwG, B. v 08.07.2016 - 2 B 56.15 -, juris,
Rdnr. 7, 18). Insofern wird diesem Formerfordernis inhaltlich nur Genüge getan, wenn alle
vertraglichen Vereinbarungen in der Urkunde enthalten sind. Daher gehören zu den in die
Urkunde aufzunehmenden Vereinbarungen nicht nur alle essentialia negotii, sondern auch
sämtliche weiteren Abreden, die nach dem Willen der Vertragsparteien von wesentlicher
Bedeutung sind (vgl. in diesem Zusammenhang zu § 550 BGB OLG Düsseldorf, U. v.
21.11.2013 - I-10 U 55/13 -, BeckRS 2014, 1866; vgl. zu § 126 BGB Dörner, in: Schulze,
10. Auflage 2019, § 126 BGB, Rdnr. 11, siehe zu § 57 VwVfG Mann, in:
Mann/Sennekamp/Uechtritz, 1. Auflage 2014, § 57 VwVfG, Rdnr. 15, mit weiteren
Nachweisen). Unklare oder unvollständige Regelungen in einer Vereinbarung führen nur
dann nicht zu einem Verstoß gegen das Schriftformerfordernis, solange der Vertragsinhalt
durch Auslegung festgestellt werden kann (Birk, Städtebauliche Verträge, 5. Auflage 2013,
Rdnr. 133).

Gemessen an den vorstehenden Ausführungen gilt Folgendes:

Vorliegend enthält die Vereinbarung in wesentlicher Hinsicht - wie dargelegt -
unvollständige Regelungen. Diese hätten in formeller Hinsicht in der Vereinbarung getroffen
werden müssen. Dies gilt nicht nur vor dem Hintergrund des in § 11 Abs. 3 BauGB
geregelten Schriftformgebotes, sondern auch und maßgeblich deshalb, weil für - hier - die
Klägerin maßgeblich erkennbar sein muss, zu welchen Leistungen und unter welchen
Bedingungen sie verpflichtet ist. Nur dann ist auch dem Gericht eine Überprüfung
dahingehend möglich, ob diese dem Angemessenheitserfordernis im Sinne des § 11 Abs.
2 Satz 1 BauGB Rechnung tragen.

Die dadurch vorhandene Lücke kann nicht durch eine Auslegung geschlossen werden.
Folge ist damit ein Verstoß gegen § 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BauGB, der nach § 126 Abs. 1
LVwG SH in Verbindung mit §§ 125, 134 BGB zur Nichtigkeit führt, soweit die Beteiligten
die Herstellung der Schmutzwasserleitungen durch die Klägerin vereinbart haben. Daraus
folgt vorliegend aus § 126 Abs. 4 LVwG SH zugleich, dass die Vereinbarung insgesamt
nichtig ist.

bb) Zwischen den Beteiligten ist eine wirksame Vereinbarung auch aus einem weiteren
Grund nicht zustande gekommen. Es mangelt sowohl in formeller und materieller Hinsicht
an einer Vereinbarung eines Sicherheitszuschlages bezogen auf die nach II. § 10 Abs. 1
der Vereinbarung zu leistende Vertragserfüllungsbürgschaft (dazu unter (a)). Dieser
Umstand führt gleichfalls dazu, dass die Beteiligten keine Vereinbarung geschlossen haben
(dazu unter (b)) bzw. diese unwirksam ist (dazu unter (c)).

(a) Gemäß II. § 10 Abs. 1, UAbs. 1 der Vereinbarung ist zur Sicherung der sich aus diesem
Vertrag für die Erschließungsträgerin ergebenden Verpflichtungen eine Sicherheit in Höhe
der zu erwartenden Erschließungskosten einschließlich eines Sicherheitszuschlages und
einschließlich Honorar und Arbeiten der Ver- und Entsorgungsträger gemäß genehmigter
Ausbauplanung durch Übergabe einer Vertragserfüllungsbürgschaft zu leisten, und zwar
nach Abschluss dieses Vertrages, spätestens vor Erschließungsbaubeginn und zwar in
Höhe von 2.500.000 €.

Soweit hier die Urkunde davon ausgeht, dass sich die Beteiligten konsensual über einen -
rechtfertigungsbedürftigen (vgl. hierzu Birk, Städtebauliche Verträge, 5. Auflage 2013,
Rdnr. 317 und Fn. 499) - Sicherheitszuschlag geeinigt haben, lässt sich eine derartige
Einigung tatsächlich nicht feststellen. Zwischen den Beteiligten herrschten bzw. herrschen
vollständig unterschiedliche Vorstellungen über die Zusammenstellung der
Bürgschaftssumme in Höhe von 2.500.000 € und darüber, worauf sich die
Sicherheitszuschläge beziehen. Während die Berechnung der Beklagten einen
Sicherheitszuschlag von 20 % aufweist, enthält die Anlage zur Bürgschaftsurkunde eine
Auflistung, wonach von Sicherheitszuschlägen in Höhe von 40 % bzw. 17 % auszugehen
wäre. Eine Einigung hierüber haben die Beteiligten jedoch nicht getroffen. Vielmehr haben
sie mit der objektiv mehrdeutigen Erklärung („einschließlich eines Sicherheitszuschlages“)
subjektiv Unterschiedliches gewollt. Insbesondere lagen zum Zeitpunkt des Abschlusses
der Vereinbarung die seitens der Beteiligten angestellten Berechnungen der jeweils
anderen Vertragspartei nicht vor. Sie konnten daher schon nicht Grundlage der
Vereinbarung sein. Losgelöst davon haben die Beteiligten auch in der Folgezeit zum
Ausdruck gebracht, dass sie die Berechnung der jeweils anderen Vertragspartei als nicht
korrekt ansehen, damit einhergehend auch die Höhe des Sicherheitszuschlages (vgl. hierzu
Bl. 196, 208 und Bl. 555 der Gerichtsakte).

Auf Grundlage der vorstehenden Erwägungen folgt zugleich, dass sich auch eine
ergänzende Vertragsauslegung als nicht zielführend erweist. Außerhalb der Urkunde
liegende, zur Auslegung geeignete Umstände sind weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich.

(b) Die unterschiedlichen Vorstellungen der Beteiligten haben gleichfalls einen
Einigungsmangel nach § 129 Satz 2 LVwG SH in Verbindung mit § 155 BGB zur
Konsequenz, der dazu führt, dass die Vereinbarung insgesamt nicht geschlossen wurde
(vgl. in diesem Zusammenhang auch VG Trier, U. v. 30.11.2016 - 5 K 4249/16.TR -, n. v.).
Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beteiligten auch ohne
Einigung über die Höhe des Sicherheitszuschlages eine Vereinbarung geschlossen hätten.

Die Vereinbarung eines Sicherheitszuschlages bzw. die damit verknüpfte Regelung der
Verpflichtung der Klägerin zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft stellt vorliegend
- insbesondere für die Beklagte - einen „wesentlichen Vertragsinhalt“ dar. Dies wird
zunächst aus dem Vertragstext selbst deutlich. Gemäß I. § 1 Abs. 3 der Vereinbarung
werden nämlich der städtebauliche Vertrag, sowie der nachfolgende Erschließungsvertrag
erst rechtsgültig mit Übergabe der unter II. § 10 vereinbarten Bürgschaft. Insofern haben
die Beteiligten die Wichtigkeit der Vertragserfüllungsbürgschaft, aber auch der
Vereinbarung eines Sicherheitszuschlages, zum Ausdruck gebracht. Dafür spricht auch der
Umstand, dass nach den Berechnungen der Beteiligten ein erheblicher Anteil der
Vertragserfüllungsbürgschaft (2.500.000 €) nur auf den Sicherheitszuschlag (Klägerin:
645.000 €; Beklagte: 426.323,74 €) entfällt. Hinzu kommen die Umstände des
Zustandekommens der Vereinbarung. Die Höhe der zu leistenden
Vertragserfüllungsbürgschaft war Gegenstand mehrfacher Korrespondenz zwischen den
Beteiligten. Auch spricht für die Wesentlichkeit der Regelung in II. § 10 der Vereinbarung
bzw. der Vereinbarung eines Sicherheitszuschlages der Sicherungszweck, den die
Beklagte insofern verfolgt hat. Die Vereinbarung einer Leistung einer
Vertragserfüllungsbürgschaft bzw. eines Sicherheitszuschlages ist bewusst vor dem
Hintergrund erfolgt, die Erschließung zu sichern. Es bestand zudem seitens der Beklagten
ein gesteigertes Sicherungsinteresse, weil der städtebauliche Vertrag nicht nur dem
unmittelbaren Interesse der Beklagten dient, sondern auch den durch sie zu wahrenden
Interessen der Eigentümer bzw. Erwerber der im Vertragsgebiet gelegenen Grundstücke,
die durch die herzustellenden Erschließungsanlagen erschlossen werden sollen (vgl. in
diesem Zusammenhang auch Walter, Der Erschließungsvertrag im System des
Erschließungsrechts, Berlin 2010, Seite 123). Hinzu kommt, dass die Beklagte im Falle des
Scheiterns des Erschließungsvertrages, etwa infolge Insolvenz der Klägerin, regelmäßig
verpflichtet ist, die gesamte oder fehlende restliche Erschließung auf eigene - und ggf.
höhere - Kosten durchzuführen. Derartige (Mehr-)Kosten wollte die Beklagte keinesfalls
tragen, weshalb für sie die Vereinbarung des Sicherheitszuschlages für das
Zustandekommen einer Vereinbarung zwingend war, zumal ihr - so auch ihr ausdrücklicher
Vortrag - das Leistungsverzeichnis nicht bekannt gewesen sei, sodass sie nicht habe
feststellen können, ob alle zur Erschließung gehörenden Maßnahmen beauftragt worden
waren (Bl. 251 der Gerichtsakte). Insofern steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest,
dass die Vereinbarung mit der Regelung über einen Sicherheitszuschlag „stehen und fallen“
sollte und die Vereinbarung ohne einen Sicherheitszuschlag (insgesamt) nicht geschlossen
worden wäre.

(c) Darüber hinaus folgt eine Nichtigkeit II. § 10 Abs. 1, UAbs. 1 der Vereinbarung jedenfalls
daraus, dass diese Regelung gegen § 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 BauGB verstößt. Dieser
Verstoß hat nach § 126 Abs. 1 LVwG SH in Verbindung mit §§ 125, 134 BGB die
Teilnichtigkeit und nach § 126 Abs. 4 LVwG SH die Gesamtnichtigkeit zur Folge.
Entscheidend ist auch in diesem Zusammenhang, dass es – in formeller Hinsicht -
zwingend einer Regelung zur Höhe der Sicherheitsleistung der Beteiligten bedurft hätte.
Dieses Ergebnis folgt auch hier nicht nur vor dem Hintergrund des in § 11 Abs. 3 BauGB
geregelten Schriftformgebotes, sondern auch deshalb, weil sich auch die Vereinbarung
eines Sicherheitszuschlages am Maßstab des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB messen lassen
muss. In der Regel erweist sich nämlich eine Vertragserfüllungsbürgschaft nur in der Höhe
von 100 % der voraussichtlichen Erschließungskosten als angemessen (Birk,
Städtebauliche Verträge, 5. Auflage 2013, Rdnr. 317 und Fn. 499). Zwar kann auch
ausnahmsweise die Vereinbarung eines Sicherheitszuschlages gerechtfertigt sein. Die
Höhe eines solchen Sicherheitszuschlages muss sich dann jedoch aus der Vereinbarung,
die das Formerfordernis im Sinne des § 11 Abs. 3 BauGB wahren muss, bzw. jedenfalls
aus Unterlagen, auf die ausdrücklich Bezug genommen wird, hervorgehen. Anderenfalls ist
es auch dem Gericht nicht möglich, zu überprüfen, ob sich der vereinbarte
Sicherheitszuschlag bzw. damit einhergehend die zu leistende
Vertragserfüllungsbürgschaft - hier in Höhe von 2.500.000 € - noch innerhalb der Grenzen
des § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB bewegt bzw. aus welchen Einzelpositionen sich die
berechnete Bürgschaftssumme zusammensetzt. Diesen Anforderungen trägt die
Vereinbarung nicht Rechnung. Daraus folgt, dass II. § 10 Abs. 1, UAbs. 1 der Vereinbarung
nach § 126 Abs. 1 LVwG SH in Verbindung mit §§ 125, 134 BGB nichtig ist, jedenfalls im
Hinblick auf den „vereinbarten“ Sicherheitszuschlag. Hieraus ergibt sich gleichfalls die
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung nach § 126 Abs. 4 LVwG SH.

(d) Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung geltend
gemacht, es sei der Klägerin nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 129 Satz 2
LVwG SH in Verbindung mit § 242 BGB) verwehrt, sich auf das Nichtzustandekommen
einer Vereinbarung bzw. deren Gesamtnichtigkeit zu berufen, weil diese für die fehlende
Bestimmbarkeit der voraussichtlichen Gesamterschließungskosten bzw. der
Sicherheitszuschläge verantwortlich sei. Dem ist nicht zu folgen. Denn die Durchsetzung
der Rechtslage stellt grundsätzlich nichts Verwerfliches dar (Kähler, in: beckonline.
GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg: Gsell,
Stand: 15.04.2019, § 242 BGB, Rdnr. 1474, unter Bezugnahme auf BGH, U. v. 05.05.1992
- X ZR 134/90 -). Dabei ist hier insbesondere zu berücksichtigen, dass die vertraglichen
Regelungen durch die Beklagte zum Gegenstand der Vereinbarung gemacht wurden, ohne
ihre Berechnung zur Bürgschaftssumme zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung
offen zu legen bzw. diese zum Gegenstand der Vereinbarung zu machen, obgleich sie
wusste, dass die Klägerin zeitlich und wirtschaftlich unter Druck stand und mehrfach um
Übersendung der Auflistung bzw. Mitteilung der konkreten Berechnung bat. Die Beklagte
hat damit den „vertraglichen Mangel“ jedenfalls im gleichen Maße zu vertreten wie die
Klägerin. Auch konnte bei ihr angesichts der durchgängig aufrechterhaltenen Einwände der
Klägerin zu keinem Zeitpunkt ein Vertrauenstatbestand dahingehend entstanden sein, dass
eine Vereinbarung über einen konkreten Sicherheitszuschlag bzw. die Berechnung der
Bürgschaftssumme tatsächlich erfolgt ist. Jedenfalls ist nicht erkennbar, weshalb
besondere Umstände es rechtfertigten sollten, die Rechtsausübung der Klägerin als
treuwidrig oder widersprüchlich erscheinen zu lassen bzw. einen gesetzwidrigen Zustand
aufrechtzuerhalten.

cc) Selbst wenn man davon ausginge, dass vorgenannte Erwägungen jeweils für sich
betrachtet nicht zur Auffassung führen, dass insgesamt eine Vereinbarung zwischen den
Beteiligten nicht geschlossen wurde bzw. diese nicht insgesamt nichtig ist, rechtfertigen
diese Erwägungen jedenfalls insgesamt das Ergebnis, dass es an einem wirksamen
Vertragsschluss mangelt. Ohne eine Vereinbarung über die Herstellung der
Schmutzwasserleitungen bzw. den Sicherheitszuschlag/die Vertragserfüllungsbürgschaft
wäre eine Vereinbarung zwischen den Beteiligten nicht geschlossen worden. In diesem
Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die in I. § 2 Abs. 3 der Vereinbarung
geregelte Verpflichtung der Klägerin im Hinblick auf die Infrastrukturaufwendungen
gleichfalls nichtig ist, weil sie das Gebot der Ursächlichkeit im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz
1 Ziff. 3 BauGB nicht beachtet (vgl. hierzu auch VG Schleswig, U. v. 27.12.2014
- 9 A 283/09 -; Kukk, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 9. Auflage 2019, § 11 BauGB, Rdnrn.
35, 51). Es mangelt an einer vertraglichen Konkretisierung im Hinblick auf die
Zusammensetzung des vereinbarten Betrages in Höhe von 238.000 €, um diesen in
bestimmter Höhe bestimmten Folgemaßnahmen zuordnen zu können. Zwar führt diese
Teilnichtigkeit nach § 126 Abs. 4 LVwG SH nicht zur Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung
(vgl. in diesem Zusammenhang auch OVG Münster, U. v. 12.07.1988 - 3 A 1207/85 -,
BeckRS 2015, 44796). Erweist sich damit jedoch eine weitere Regelung als unwirksam,
führen diese - zum Teil gravierenden Verstöße - jedenfalls in der Gesamtschau zur
Gesamtnichtigkeit der Vereinbarung.

dd) An vorgenanntem Ergebnis mag auch der Umstand nichts zu ändern, dass die
Beteiligten salvatorische Klauseln (I. § 6 Abs. 2, II. § 11 Abs. 2, IV. § 2 der Vereinbarung)
bzw. eine Heilungsklausel (IV. § 2 der Vereinbarung) aufgenommen haben. Soweit eine
Vereinbarung zwischen den Beteiligten nach §§ 126 Abs. 1, 129 Satz 2 LVwG SH in
Verbindung mit § 155 BGB nicht zustande gekommen ist, sind diese vorliegend schon nicht
anwendbar. Insofern erweist sich eine Bestimmung der Vereinbarung nämlich weder als
„unwirksam“ - Regelfolge des § 155 BGB ist, dass kein Rechtsgeschäft zustande kommt,
nicht jedoch, dass einzelne Bestimmungen „unwirksam“ sind (vgl. hierzu auch Möslein, in:
beck-online.GROSSKOMMENTAR, GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann, Hrsg:
Hager, Stand: 01.02.2018, § 155 BGB, Rdrnr. 25; Busche, in: Münchener Kommentar zum
BGB, 8. Auflage 2018, § 155 BGB, Rdnr. 14) -, noch kann eine Bestimmung in diesem
Sinne nicht „durchgeführt“ werden. Darüber hinaus entbinden das Gericht solche Klauseln
nicht von der Prüfung, ob die Beteiligten den Vertrag auch ohne die unwirksame
Vereinbarung abgeschlossen hätten (BGH, U. v. 11.10.1995 - VIII ZR 25/94 -, juris, Rdnrn.
39 ff.). Sind - wie hier - die nicht festgehaltenen bzw. unwirksamen Regelungen von
grundsätzlicher Bedeutung für den Vertragsschluss, ist regelmäßig - so auch hier - die
Aufrechterhaltung der Vereinbarung im Übrigen trotz einer entsprechenden Klausel vom
Willen der Beteiligten nicht mehr gedeckt (vgl. VG Augsburg, U. v. 10.10.2013 - Au 5 K
10.2056 -, juris, Rdnr. 196, mit weiterem Nachweis).

ee) Nach alledem erweist sich die zwischen den Beteiligten geschlossene Vereinbarung
schon nicht als zustande gekommen und wäre darüber hinaus auch nichtig.

b) Die Klage ist auch hinsichtlich des Klageantrages zu Ziff. 2. begründet. Die Klägerin hat
einen Anspruch auf die begehrte Herausgabe.

Anspruchsgrundlage ist der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch analog § 812 Abs. 1
Satz 1, 1. Alt. BGB. Ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch ist die Kehrseite des
Leistungsanspruchs. Er entspricht in Struktur und Zielsetzung den §§ 812 ff. BGB und
richtet sich auf Herausgabe des rechtsgrundlos Erlangten bzw. auf Wertersatz (vgl. OVG
Schleswig, U. v. 10.12.2008 - 2 LB 9/08 -, n. v.). Nach § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB ist
derjenige, der durch die Leistung eines anderen etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, zur
Herausgabe verpflichtet. „Herausgabe“ meint im vorliegenden Fall die Herausgabe der
gewährten Vertragserfüllungsbürgschaft.

Der Tatbestand des § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB ist vorliegend erfüllt. Denn die Beklagte
hat den Besitz an der Bürgschaftsurkunde rechtsgrundlos erlangt, weil zwischen den
Beteiligten eine Vereinbarung bzw. Sicherungsabrede, die ein Rechtsgrund für das
Behaltendürfen darstellen könnte, - wie dargelegt - nicht wirksam zustande gekommen bzw.
nichtig ist. Sie ist daher analog § 818 Abs. 1 BGB zur Herausgabe verpflichtet.
Auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen einer etwaigen Mangelhaftigkeit der
Erschließungsanlagen kann sich die Beklagten nicht berufen. Ein solches scheitert
jedenfalls an dem Umstand, dass mangels wirksamer Vereinbarung zwischen den
Beteiligten der Beklagten keine Mängelrechte zustehen.

c) Über die hilfsweise gestellten Anträge musste in Anbetracht der erfolgreichen
Hauptanträge nicht mehr entschieden werden. Insofern erweist sich auch als unerheblich,
dass die Beklagte im Schriftsatz vom 22. Mai 2019 erklärt hat, einen Betrag in Höhe von
12.836,88 € anzuerkennen. Sie war nicht im Wege eines Teil-Anerkenntnisurteils nach
§ 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 307 Satz 1 ZPO entsprechend zu verurteilen. Wird
nämlich ein - wie hier - nur hilfsweise geltend gemachter Anspruch von der Beklagten
(teilweise) anerkannt (Klageantrag zu Ziff. 4. bzgl. einer Grünfläche von 5.943 m²), dann
darf nur ein Anerkenntnisurteil ergehen, wenn der Hauptantrag abgewiesen worden ist und
deshalb das Gericht über den Hilfsantrag zu entschieden hat (Musielak, in: Musielak/Voit,
16. Auflage 2019, § 307 ZPO, Rdnr. 7, unter Bezugnahme auf OLG Zweibrücken, U. v.
04.06.1986 - 2 U 65/85 -, OLGZ 1987, 371 <372>). Daran mangelt es. Darüber hinaus ist
eine Partei gemäß § 173 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 307 Satz 1 ZPO dem
Anerkenntnis gemäß nur zu verurteilen, wenn sie den gegen sie „geltend gemachten
Anspruch“ ganz oder zum Teil anerkennt. Anspruch ist dabei der Streitgegenstand, also der
in der Antragsschrift geltend gemachte verfahrensrechtliche Anspruch. Vorliegend hat die
Klägerin mit ihrem Hilfsantrag zu Ziff. 4, soweit hier relevant, einen Anspruch gegenüber
der Beklagten auf Zahlung eines konkreten Ausgleichsbetrages jedoch nicht geltend
gemacht.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich der
für erledigt erklärten Anträge entspricht es billigem Ermessen, die Kosten ebenfalls der
Beklagten aufzuerlegen, weil der Klage vor Eintritt der erledigenden Ereignisse nach
Aktenlage im Wesentlichen stattzugeben gewesen wäre. Offen bleiben kann an dieser
Stelle, wie sich der Umstand auswirkt, dass bereits am 6. Oktober 2016, also vor
Klageerhebung, die Freigabe eines weiteren Betrages in Höhe von 160.650 € erfolgt ist und
dieser Betrag im ursprünglichen Klageantrag enthalten war. Selbst wenn der Klägerin
insofern nämlich kein Anspruch mehr zustand, wäre sie nur mit einem geringen Teil
unterlegen. Die Beklagte hätte daher nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO auch dann
vollumfänglich die Kosten des Verfahrens tragen müssen (vgl. hierzu auch Clausing, in:
Schoch/Schneider/Bier, Werkstand: 36. EL Februar 2019, § 161 VwGO, Rdnr. 25).
Im Rahmen der Kostenentscheidung bleibt der Streitgegenstand, der durch die unzulässige
Klageerweiterung in das Verfahren eingeführt worden ist (Klageantrag zu Ziff. 3.), außer
Betracht. Dieser wirkt sich nämlich nicht streitwerterhöhend aus (vgl. in diesem
Zusammenhang zur Bemessung des Streitwerts OVG B-Stadt, B. v. 05.10. 2011
- 4 So 79/11 -, juris, Rdnr. 10).

V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 709 Satz 2 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OVG Schleswig

Erscheinungsdatum:

26.06.2019

Aktenzeichen:

9 A 241/16

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Öffentliches Baurecht
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BauGB § 11; BGB § 155; LVwG SH §§ 126, 129