Kammergericht 16. Mai 2023
1 W 94/23
GBO § 135

Kein elektronischer Zugang zu den Grundbuchämtern in Berlin

letzte Aktualisierung: 17.7.2023
KG, Beschl. v. 16.5.2023 – 1 W 94/23

GBO § 135
Kein elektronischer Zugang zu den Grundbuchämtern in Berlin

Die Berliner Justiz hat den elektronischen Zugang zu den Grundbuchämtern bislang nicht eröffnet.
Wird dennoch ein (Vollstreckungs-)Antrag unter Beifügung des Vollstreckungstitels über das
besondere elektronische Anwaltspostfach bei dem Grundbuchamt eingereicht, ersetzt der von dem
Amtsgericht gefertigte Ausdruck jedenfalls nicht die Ausfertigung des Titels. Insoweit fehlt es an
einer Voraussetzung der Zwangsvollstreckung. Das Grundbuchamt hat hierauf nicht durch –
rangwahrende – Zwischenverfügung, sondern mit einer Aufklärungsverfügung hinzuweisen.

Gründe

I.
Der Beteiligte erwirkte in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter am 15. Juli 2022 vor dem
Landgericht Berlin den Erlass eines Versäumnisurteils, durch das der Beklagte (im folgenden:
Schuldner) zur Zahlung von 262.878,77 EUR an den Beteiligten verurteilt wurde. Mit
Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 19. Oktober 2022 wurden die von
dem Schuldner an den Beteiligten zu erstattenden Kosten auf 12.272,00 EUR festgesetzt.
Der Schuldner war seit dem 27. August 2020 als Miteigentümer zu ½ in dem im
Beschlusseingang bezeichneten Grundbuch eingetragen. Weiterer Miteigentümer zu ½ war sein
Vater.

Am 15. Februar 2023 veräußerte der Schuldner zur UVZ-Nr. 2xx/2xxx des Notars Kxxx Hxxx
in Bxxx seinen Anteil an dem Grundstück an seinen Vater. Für den Erwerber wurde am 16.
März 2023 in Abt. II lfd. Nr. 3 eine Eigentumsvormerkung eingetragen.

Mit Schriftsatz vom 17. März 2023, elektronisch bei dem Amtsgericht Mitte am 21. März 2023
eingereicht und der Grundbuchrechtspflegerin am 22. März 2023 vorgelegt, hat der
Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten auf der Grundlage des Versäumnisurteils und des
Kostenfestsetzungsbeschlusses die Eintragung einer Zwangshypothek auf dem hälftigen
Miteigentumsanteil des Schuldners beantragt. Das Grundbuchamt hat den Verfahrensbevollmächtigten
des Beteiligten mit Verfügung vom 23. März 2023 unter Bestimmung
einer Frist von einem Monat darauf hingewiesen, dass im Grundbuchverfahren in Berlin der
elektronische Rechtsverkehr nicht zugelassen sei und die Vollstreckungsunterlagen im Original
vorgelegt werden müssten.

Mit am 6. April 2023 bei dem Grundbuchamt eingegangenem Antrag hat Notar Hxxx die
Umschreibung des hälftigen Miteigentumsanteils des Schuldners auf den Erwerber beantragt.
Das Grundbuchamt hat diesen Antrag am selben Tag im Grundbuch vollzogen und zugleich
den Antrag auf Eintragung einer Zwangshypothek zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die
bei dem Grundbuchamt am 20. April 2023 eingegangene Beschwerde des Beteiligten vom 18.
April 2023, der die vollstreckbaren Ausfertigungen der Vollstreckungstitel beigefügt sind. Das
Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24. April 2023 nicht abgeholfen.

II.

1. Das Rechtsmittel ist als (Grundbuch-)Beschwerde statthaft, § 71 Abs. 1 GBO. Gegen
Entscheidungen des Grundbuchamts im Zusammenhang mit der Eintragung einer
Zwangshypothek sind die Rechtsmittel der Grundbuchordnung gegeben, auch wenn die
Eintragung einer Zwangshypothek zugleich eine Maßregel der Zwangsvollstreckung ist.
Maßgeblich ist der Vollzug dieser Maßregel durch ein Grundbuchgeschäft, § 867 Abs. 1 S. 1
ZPO (Senat, Beschluss vom 3. Februar 1987 - 1 W 5441/86 - OLGZ 1987, 257, 258).

2. Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Bei der Eintragung einer Sicherungshypothek nach § 867 Abs. 1 ZPO müssen sowohl die
vollstreckungsrechtlichen als auch die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen vorliegen (Senat,
Beschluss vom 7. Januar 2016 - 1 W 1039/15 - ZIP 2016, 227). An beidem mangelt es hier, so
dass die Zurückweisung des Antrags durch das Grundbuchamt nicht zu beanstanden ist.

a) Die Zwangsvollstreckung wird aufgrund einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen
Ausfertigung des Urteils durchgeführt, § 724 ZPO. Die Ausfertigung dient dem Nachweis, dass
die Vollstreckungsvoraussetzungen - noch - gegeben sind. Sie ist von dem Gläubiger an den
Schuldner herauszugeben, wenn er wegen des titulierten Anspruchs befriedigt worden ist, § 757
Abs. 1 ZPO (OLG Köln, NJW-RR 2000, 1580). Da somit an den Besitz der Urkunde
Rechtsfolgen geknüpft sind, genügt die Vorlage einer Abschrift, selbst wenn sie beglaubigt
worden wäre, nicht (Demharter, GBO, 32. Aufl., 2021, § 29, Rdn. 59).

Vor diesem Hintergrund war es deshalb nicht zu beanstanden, dass das Grundbuchamt am
23. März 2023 lediglich eine - nicht rangwahrende (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16.
Aufl., 2020, Rdn. 2179) - Aufklärungsverfügung erlassen hatte (Demharter, a.a.O., Anhang zu
§ 44, Rdn. 67). Dabei kam es nicht darauf an, ob der über das besondere elektronische
Anwaltspostfach eingereichte Antrag vom 17. März 2023 wenigstens durch den Ausdruck bei
dem Amtsgericht Mitte eine der Schriftform entsprechende Form erlangt hatte (vgl. OLG
München, FGPrax 2022, 252, 253). Die Vorlage der Ausfertigungen der Vollstreckungstitel
konnte damit jedenfalls nicht geheilt werden. Sie sind in der erforderlichen Form erst mit der
Beschwerde vorgelegt worden.

b) Auch wenn die Beschwerde auf neue Tatsachen und Beweise gestützt werden kann, § 75
GBO, kommt die Eintragung der beantragten Zwangshypothek trotz zwischenzeitlicher Vorlage
der vollstreckbaren Ausfertigungen der Vollstreckungstitel nicht - mehr - in Betracht.
Gegenstand der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen ist das Vermögen des Schuldners
(Seibel, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl., 2022, vor § 704, Rdn. 18). Im Grundbuch soll eine
Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als der
Berechtigte eingetragen ist, § 39 Abs. 1 GBO. Der Vollstreckungsschuldner muss deshalb als
Eigentümer des Grundstücks eingetragen sein, das mit der Zwangshypothek belastet werden soll
(Wilsch, in: BeckOK GBO, Zwangssicherungshypothek, Stand Januar 2023, Rdn. 119;
Demharter, a.a.O., Anhang zu § 44, Rdn. 69) und zwar noch im Zeitpunkt der Eintragung (vgl.
Demharter, a.a.O., § 18, Rdn. 4).

Das ist hier nicht der Fall, weil der Miteigentumsanteil des Schuldners inzwischen nicht mehr
besteht, sondern durch dessen Einigung mit seinem Vater und seiner Eintragung im Grundbuch
als alleiniger Eigentümer auf ihn übergegangen ist, §§ 873, 925 BGB.

3. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus §§ 61, 36 Abs. 1, 53 Abs. 1 GNotKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 78 Abs. 2 S. 1 GBO, besteht nicht.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

16.05.2023

Aktenzeichen:

1 W 94/23

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

GBO § 135