BGH 04. April 2019
III ZR 338/17
BeurkG § 17 Abs. 1 u. 2

Reichweite notarieller Belehrungspflichten im Hinblick auf verdecktes Geschäft

BeurkG § 17 Abs. 1 u. 2
Reichweite notarieller Belehrungspflichten im Hinblick auf verdecktes Geschäft

a) Die notariellen Belehrungspflichten gemäß § 17 Abs. 1 und 2 BeurkG beschränken sich grundsätzlich auf das konkret zu beurkundende Geschäft. Ein – für die Schadenszurechnung erforderlicher – innerer Zusammenhang einer durch die Verletzung dieser Pflichten geschaffenen Gefahrenlage kann daher nur mit einem Schaden bestehen, der im Bereich des beurkundeten Geschäfts entstanden ist. Die notariellen Belehrungspflichten beziehen sich dagegen nicht auf ein verdecktes Geschäft, das nicht Gegenstand der Beurkundung ist, das der Notar nicht kennt und das für ihn auch nicht erkennbar ist. Ein Schaden, der in dem Bereich eines solchen Geschäfts entsteht, fällt daher nicht in den Schutzbereich der verletzten Belehrungspflichten (Anschluss und Fortführung von BGH, Urteil vom 6. Oktober 2011 – III ZR 34/11, NJW-RR 2012, 300 Rn. 17).

b) Die Interventionswirkung nach § 74 Abs. 3, § 68 ZPO gilt grundsätzlich nur zulasten des Streitverkündeten und nicht zulasten der unterstützten Hauptpartei. Sie ist jedoch nicht teilbar und kann dem Streitverkündeten nicht lediglich hinsichtlich ihm ungünstiger Umstände unter Weglassung günstiger Teile entgegengehalten werden
(Bestätigung BGH, Urteil vom 19. Januar 1989 – IX ZR 83/88, NJW-RR 1989, 766, 767).
BGH, Urt. v. 4.4.2019 – III ZR 338/17
Problem
Der unternehmerisch tätige Verkäufer beauftragte den beklagten Zentralnotar mit dem Entwurf für das Kaufangebot eines Verbrauchers bzgl. einer sanierten Eigentumswohnung. Der Entwurf enthielt eine sog. unbefristete Fortgeltungsklausel: Nach Ablauf einer kurzen Mindestbindungsfrist sollte das Angebot bis zu einem etwaigen Widerruf durch den Anbietenden fortgelten.

Nach Abgabe des Angebots durch den Verbraucher und Ablauf der Mindestbindungsfrist beurkundete der Zentralnotar die Annahmeerklärung des Verkäufers. Der Käufer hatte zuvor mit der Verkäuferin außerhalb der notariellen Urkunde eine Eigenprovisionsvereinbarung getroffen, wonach ihm aus dem zu beurkundenden Kaufpreis eine Eigenprovision zustehen sollte. Von der verdeckten Provisionsabrede hatte der Notar keine Kenntnis.

Nach vollständigem Vollzug des Kaufvertrags wurde der Verkäufer im Rahmen eines Zivilverfahrens zwischen ihm und dem Käufer – dem der beklagte Notar als Streithelfer aufseiten des Verkäufers beitrat – zur Rückabwicklung des Vertrags verurteilt. Der BGH bestätigte dies im Revisionsverfahren (MittBayNot 2016, 394 = NJW-RR 2017, 114): Das notariell beurkundete Angebot des Käufers sei nichtig gem. § 117 Abs. 1 BGB gewesen, das gleichzeitig abgegebene und – abgesehen von Kaufpreis und Eigenprovisionsabrede – inhaltsidentische verdeckte Kaufangebot mangels Beurkundung nichtig gem. § 125 BGB. Ein weiteres Wirksamkeitshindernis für den Kaufvertrag ergebe sich daraus, dass das (Schein-)Angebot bei der Annahmeerklärung bereits erloschen gewesen sei, weil es sich bei der unbefristeten Fortgeltungsklausel um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gehandelt habe und diese den Käufer gem. § 308 Nr. 1 BGB unangemessen benachteilige. Demzufolge habe es im Zeitpunkt der Beurkundung der Annahme an einem wirksamen Angebot gefehlt. Mangels vertraglicher Einigung sei auch durch die Eigentumsumschreibung im Grundbuch keine Heilung eingetreten.

Der Verkäufer warf dem Notar vor diesem Hintergrund vor, dass dieser die Unwirksamkeit des Kaufangebots wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 1 BGB hätte erkennen und ihn hierüber hätte aufklären müssen. Der Notar habe den durch die erzwungene Rückabwicklung entstandenen Schaden beim Verkäufer verursacht.

Entscheidung
Nach Ansicht des BGH steht dem Verkäufer gegen den Notar kein Amtshaftungsanspruch aus § 19 BNotO zu.

Der BGH bejaht einen fahrlässigen Verstoß des Notars gegen die ihm obliegende Hinweis- und Belehrungspflicht nach § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, § 14 Abs. 1 S. 2 BNotO. Der Notar habe die Verkäuferin vor der Beurkundung ihrer Annahmeerklärung im Rahmen seiner Amtspflichten darauf hinweisen müssen, dass das Angebot des Käufers infolge der Unwirksamkeit der unbefristeten Fortgeltungsklausel bereits erloschen gewesen sein könnte (vgl. dazu bereits BGH DNotZ 2016, 711 Tz. 12 ff. = DNotI-Report 2016, 36). Die Fortgeltungsklausel sei ungeachtet der Widerrufsmöglichkeit des Käufers wegen des nicht begrenzten Zeitraums, in dem die Verkäuferin das Angebot noch hätte annehmen können, nach § 308 Nr. 1 BGB unwirksam (vgl. bereits BGH DNotZ 2013, 923 Tz. 21 ff. = DNotI-Report 2013, 116).

Eine Amtspflichtverletzung lasse sich auch nicht mit dem Argument verneinen, dass zugleich ein nichtiges Scheingeschäft (§ 117 BGB) vorgelegen habe.

Eine Amtshaftung des Notars nach § 19 BNotO sei vorliegend aber gleichwohl ausgeschlossen, weil der beim Verkäufer eingetretene Schaden nicht in den Schutzbereich der verletzten Amtspflichten falle.

Eine Haftung des Notars für kausal verursachte Schäden komme nur in Betracht, wenn ihm die Schäden bei wertender Betrachtung auch zugerechnet werden könnten. Ersatz könne nur für solche Schadensfolgen verlangt werden, die innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm lägen.

Zur Herstellung des haftungsrechtlich erforderlichen inneren Zusammenhangs zwischen einer vom Notar (pflichtwidrig) geschaffenen Gefahrenlage und einem Schaden sei es für sich genommen jedoch nicht ausreichend, dass die Gefahrenlage im Allgemeinen geeignet sei, den eingetretenen Schaden herbeizuführen. Erforderlich sei darüber hinaus vielmehr stets, dass der Schaden in den Bereich der Gefahren falle, um derentwillen die verletzte Rechtsnorm erlassen worden sei.

Die notarielle Belehrungspflicht gem. § 17 Abs. 1 u. 2 BeurkG beschränke sich dabei grundsätzlich auf das konkret zu beurkundende Geschäft (vgl. BGH NJW-RR 2012, 300 Tz. 17). Ein innerer Zusammenhang einer durch Verletzung dieser Pflichten geschaffenen Gefahrenlage könne daher nur mit einem Schaden bestehen, der im Bereich des beurkundeten Geschäfts entstanden sei. Die notarielle Belehrungspflicht beziehe sich dagegen nicht auf ein verdecktes Geschäft, das nicht Gegenstand der Beurkundung sei, das der Notar nicht kenne und das für ihn auch nicht erkennbar sei. Ein Schaden, der im Bereich eines solchen verdeckten Geschäfts entstehe, weise daher keinen inneren Zusammenhang mit der Verletzung der Belehrungspflicht gem. § 17 Abs. 1 u. 2 BeurkG auf, die dem Notar im Zusammenhang mit einem beurkundeten Geschäft unterlaufen sei.

Aus diesem Grund falle auch der vorliegend geltend gemachte Schaden des Verkäufers nicht in den Schutzbereich der verletzten Belehrungspflicht. Denn dieser sei gerade nicht im Bereich des beurkundeten Kaufvertrags (bzw. der hierauf bezogenen Annahmeerklärung), sondern im Bereich eines verdeckten Kaufvertrags entstanden, den der Beklagte weder gekannt habe noch habe kennen müssen. Die das verdeckte Geschäft betreffende (unheilbare) Unwirksamkeit sei keine Folge, die in den Bereich der Gefahren falle, um derentwillen der Beklagte zur Belehrung gem. § 17 Abs. 1 u. 2 BeurkG hinsichtlich des beurkundeten Geschäfts verpflichtet gewesen sei. Zwischen dem durch sie entstandenen Schaden und der Pflichtverletzung des Beklagten bestehe daher kein innerer Zusammenhang.

Etwas anderes ergebe sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht aus der gesetzlichen Wertung, einen formnichtigen Immobilienkaufvertrag durch Auflassung und Eintragung zu heilen (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB). Denn die Belehrungspflicht beziehe sich grundsätzlich nur auf das zu beurkundende Geschäft und jedenfalls nicht auf ein verdecktes Geschäft, das der Notar nicht kenne und das für ihn nicht erkennbar sei.
An die Feststellungen des zivilrechtlichen Vorverfahrens über die Eigenprovisionsabrede und ihre Beurteilung sei die Klägerin aufgrund der Interventionswirkung des Vorprozesses, in dem der beklagte Notar ihr als Streithelfer beigetreten sei, gebunden. Die von Amts wegen zu berücksichtigende Interventionswirkung nach §§ 74 Abs. 3, 68 ZPO erstrecke sich dabei nicht nur auf die im Tenor der Entscheidung ausgesprochenen Rechtsfolgen, sondern auch auf die Richtigkeit der Entscheidung und damit die Feststellung und rechtliche Beurteilung der Tatsachen einschließlich der präjudiziellen Rechtsverhältnisse.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

04.04.2019

Aktenzeichen:

III ZR 338/17

Rechtsgebiete:

Unternehmenskauf
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

DNotI-Report 2019, 85-86
NJW 2019, 1748-1751
NotBZ 2019, 426-429

Normen in Titel:

BeurkG § 17 Abs. 1 u. 2