OLG Schleswig 20. März 2023
2 Wx 56/22
GmbHG § 16 Abs. 1

Gesellschafterwechsel; Unverzüglichkeit der Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister; Zeitspanne von über drei Wochen; Unwirksamkeit der durch den Neugesellschafter gefassten Beschlüsse

GmbHG § 16 Abs. 1
Gesellschafterwechsel; Unverzüglichkeit der Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister; Zeitspanne von über drei Wochen; Unwirksamkeit der durch den Neugesellschafter gefassten Beschlüsse

OLG Schleswig, Beschl. v. 20.3.2023 – 2 Wx 56/22
1. Im Rahmen von § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG kommt [es] für die Unverzüglichkeit auf die Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister an.

2. Dabei ist auch die verspätete Einreichung durch die Notarin als schuldhaftes Zögern im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG anzusehen.

3. Unverzüglich im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 [wohl gemeint: S. 2] GmbHG ist eine Einreichung zum Handelsregister allenfalls dann, wenn sie innerhalb einer Frist von höchstens 2 Wochen nach Vornahme der Rechtshandlung erfolgt. Eine Zeitspanne von über 2 Wochen lässt sich schon begrifflich nicht mehr als unverzüglich ansehen und ist weder mit dem Normzweck des § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG noch mit dem Ausnahmecharakter von § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG vereinbar.

Problem
Im Handelsregister ist die A-GmbH eingetragen. Deren alleiniger Gesellschafter war ausweislich der Gesellschafterliste V, der gleichzeitig einziger Geschäftsführer der Gesellschaft war. Mit notarieller Urkunde (Ziff. I.) übertrug V sämtliche Geschäftsanteile an E. In derselben Urkunde (Ziff. II.) hielt E eine Gesellschafterversammlung ab, in der er V vom Amt des Geschäftsführers abberief und sich selbst zum Geschäftsführer bestellte. Zudem beschloss E eine Satzungsänderung und verlegte den Sitz der GmbH. Am Tag der Beurkundung beglaubigte die Notarin die Unterschrift von E unter einer entsprechenden Handelsregisteranmeldung. Diese Anmeldung reichte die Notarin zusammen mit einer Gesellschafterliste, aus der E als Alleingesellschafter hervorging, 27 Tage nach dem Tag der Beurkundung beim Handelsregister ein.

Das Handelsregister verweigerte den Vollzug der Handelsregisteranmeldung (Geschäftsführerwechsel; Satzungsänderung). Zur Begründung führte es aus, dass die Beschlüsse unwirksam seien, da E zum Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht aus der beim Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste als Gesellschafter hervorgehe und die (aktualisierte) Gesellschafterliste auch nicht unverzüglich i. S. v. § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG in das Handelsregister aufgenommen worden sei.

Hiergegen reichte die Notarin Beschwerde ein mit der Begründung, eine zügigere Vorlage zum Handelsregister sei zum einen angesichts der Coronapandemie und des auch im Notariat bestehenden Fachkräftemangels nicht möglich gewesen. Zudem seien die Beschlüsse wirksam, da an der Urkunde, die die Beschlüsse enthalte, auch der Altgesellschafter mitgewirkt habe.
Entscheidung
Das OLG Schleswig hält die Beschwerde für unbegründet und bestätigt die Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse.

Zur Begründug führt es aus, die Beschlüsse (Geschäftsführerwechsel, Satzungsänderung) seien entgegen § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG durch einen nicht in der Gesellschafterliste des Handelsregisters eingetragenen Gesellschafter gefasst worden. E käme gegenüber der Gesellschaft noch keine Gesellschafterstellung zu. Mit dem Argument der Notarin, V sei auch an der Urkunde beteiligt gewesen, die die Beschlüsse enthalten, befasst sich das Gericht nicht ausdrücklich, schließt sich damit aber wohl der Ansicht des Handelsregisters an, wonach V ausweislich des Wortlauts der Urkunde an den Beschlüssen (Ziff. II. der Urkunde) nicht mitgewirkt hat.
Das Gericht führt aus, es reiche auch nicht aus, dass die Übertragung der Geschäftsanteile für das Handelsregister aus der eingereichten Urkunde (Ziff. I.) erkennbar sei, vielmehr sei die Eintragung der Veränderung in die Gesellschafterliste erforderlich.

Die Beschlüsse gälten auch nicht nach § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG als wirksam. Demnach gelte eine vom Erwerber (E) in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung als von Anfang an wirksam, wenn die (aktuelle) Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung (hier: Fassung der Beschlüsse) in das Handelsregister aufgenommen werde. Es fehle vorliegend an der geforderten Unverzüglichkeit.

Für die Unverzüglichkeit komme es auf die Einreichung der Liste an. Es sei umstritten, ob die unverzügliche Aufnahme zu verlangen sei (so der Wortlaut) oder ob die Einreichung genüge. Das OLG Schleswig folgt hierbei der Ansicht, die die Einreichung genügen lässt. Zur Begründug führt es aus, eine etwaige verzögerte Bearbeitung durch Handelsregister könne – gerade angesichts der Rechtswirkungen von § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG – nicht zulasten des neuen Gesellschafters gehen.

Die verzögerte Einreichung durch die Notarin wirke auch zu Ungunsten von E. Einerseits sei die Notarin tatsächlich für E aufgetreten, zum anderen gelte sie nach § 378 Abs. 2 FamFG als ermächtigt, im Namen von E Eintragung im Handelsregister zu beantragen.

Die Einreichung sei schließlich nicht „unverzüglich“ i. S. v. § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG erfolgt, da die Liste erst knapp vier Wochen nach der vorgenommenen Rechtshandlung eingereicht worden sei. Das OLG Schleswig begründet ausführlich, weshalb es eine Zeitspanne von über zwei Wochen als nicht mehr unverzüglichansieht:
Zum einen sei eine Einreichung bei Überschreitung dieser Zeitspanne bereits begrifflich nicht mehr als unverzüglich anzusehen. Unverzüglich i. S. v. „ohne schuldhaftes Zögern“ bedeute zeitnah. Da die Einreichung einer neuen Gesellschafterliste einen überschaubaren Vorgang darstelle, der durch ein Notariat routiniert und schnell binnen weniger Werktage erledigt werden könne, müsse er, um dem Erfordernis der Unverzüglichkeit zu genügen, auch in einem solchen Zeitraum abgewickelt werden.

Des Weiteren sei § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG eng auszulegen. Hierfür spreche, dass die Aufnahme der Liste als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Ausübung von Gesellschafterrechten (§ 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG) dem Transparenzprinzip diene und auch Geldwäsche verhindern solle. Durch § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG solle gewissermaßen Druck erzeugt werden, den Gesellschafterbestand stets aktuell, lückenlos und einfach nachvollziehbar in der Gesellschafterliste ersehen zu können. Schließlich spreche der Ausnahmecharakter von § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG für eine enge Auslegung. Zwar solle der Neugesellschafter nach Wirksamwerden des Erwerbs der Geschäftsanteile seine Gesellschafterrechte sogleich ausüben können, aber gerade dann müsse den Anforderungen des § 16 Abs. 1 S. 2 GmbHG – als Ausnahme zu § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG – auch genüge getan werden.

Das OLG Schleswig deutet zuletzt noch an, dass Ausnahmefälle denkbar seien, in denen bei außergewöhnlichen Umständen auch die Einreichung einer Gesellschafterliste nach mehr als zwei Wochen noch als „unverzüglich“ angesehen werden könnte. Kriterien hierfür benennt das Gericht jedoch nicht. Der offenbar nur schlagwortartige Hinweis der Notarin auf die Coronapandemie und den Fachkräftemangel genüge „schon im Ansatz nicht“.

Konsequenz der fehlenden Unverzüglichkeit der Einreichung sei die endgültige Unwirksamkeit der gefassten Beschlüsse.

Praxishinweis
Die Entscheidung verdeutlicht den wichtigen Zusammenhang zwischen der in der Praxis allseits bekannten Pflicht des Notars zur unverzüglichen Einreichung einer Gesellschafterliste nach Anteilsabtretung nach § 40 Abs. 2 GmbHG und den – möglicherweise nicht stets gegenwärtigen – u. U. gravierenden Konsequenzen im Falle der Verzögerung, die sich aus § 16 Abs. 1 S. 1 GmbHG ergeben. Hilfreich wäre im zugrundeliegenden Fall eine Beschlussfassung ausdrücklich durch Veräußerer (V) und Erwerber (E) gewesen, mithin ein erkennbares Mitwirken von V an Ziff. II. der Urkunde.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

20.03.2023

Aktenzeichen:

2 Wx 56/22

Rechtsgebiete:

GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

DNotI-Report 2023, 69-70
NJW-RR 2023, 1014-1016

Normen in Titel:

GmbHG § 16 Abs. 1