Auslegung einer Finanzierungsvollmacht
Auslegung einer Finanzierungsvollmacht
1. Vollmachten, die sowohl zum Abschluß eines materiell-rechtlichen Geschäfts als auch zur Abgabe
von Grundbucherklärungen ermächtigen, können im Rechtsbeschwerdeverfahren nur beschränkt
nachgeprüft werden.
2. Eine Vollmacht, durch die der Veräußerer eines Grundstücks den Erwerber ermächtigt, ihn bei der
Bestellung von Grundpfandrechten zu vertreten, und die nur unter der Einschränkung steht, daß sie
an eine Notarstelle gebunden ist, berechtigt zur Bestellung von Grundschulden in unbeschränkter
Höhe.
BayObLG, Beschl. v. 11.05.1995 - 2Z BR 32/95
Kz.: L I 1 -
Problem
Häufig will der Käufer eines Grundstücks zur Finanzierung des Kaufpreises Fremdmittel aufnehmen, die auf
dem Kaufgrundstück dinglich gesichert werden sollen. In der Praxis wird daher in diesen Fällen dem Käufer
vom Verkäufer eine Vollmacht zur Bestellung von Grundpfandrechten erteilt (vgl. im einzelnen zu diesem
Verfahren Reithmann/Röll/Geßele, Handbuch der notariellen Vertragsgestaltung, 6. Aufl. 1991, S. 213 f.). Zur
Sicherung des Verkäufers muß darauf geachtet werden, daß die zur Kaufpreisfinanzierung bestellten
Grundpfandrechte nur zu diesem Zweck valutiert werden. Um dies sicherzustellen, wird im Sicherungsvertrag
eine einschränkende Zweckbestimmung aufgenommen (vgl. Reithmann/Röll/Geßele, a.a.O., S. 215 f.).
Weiterhin muß eine etwaige Finanzierungsvollmacht diese Einschränkung enthalten. Im vorliegenden Fall war
eine solche Beschränkung in der Vollmacht enthalten und außerdem vereinbart, daß nach außen die
Vollmacht nur unter der Bedingung erteilt ist und unter der Einschränkung steht, daß sie nur vor einem Notar
in M verwendet werden darf. Der Käufer erwarb das Grundstück zum Preis von 220.000,-- DM und bestellte
aufgrund dieser eingeschränkten Vollmacht Grundpfandrechte im Gesamtbetrag von 750.000,-- DM. Das
Grundbuchamt war der Auffassung, daß eine Genehmigung des Verkäufers erforderlich sei, weil die in der
Kaufvertragsurkunde erteilte Vollmacht nur die Belastung mit Grundpfandrechten bis zur Höhe des
Kaufpreises decke.
Lösung
Das BayObLG ist der Auffassung, daß diese Auslegung wesentliche Gesichtspunkte außer Betracht lasse.
Bei den in der Praxis üblichen Vertragsbestimmungen über die Finanzierung des Grundstückskaufpreises
unter Mitwirkung des Verkäufers sei grundsätzlich zu unterscheiden einerseits zwischen der Vollmacht zur
Bestellung der Grundschulden und der Frage, ob die Vollmacht inhaltlich begrenzt sei, und andererseits der
sog. Sicherungsabrede. Zwar werde in der Vollmacht nicht ausdrücklich geregelt, ob die Vollmacht
berechtige, Grundschulden in beliebiger Höhe oder nur bis zur Höhe des Kaufpreises zu bestellen. Aus
Wortlaut und Sinn ergebe sich jedoch, daß die Vollmacht hinsichtlich der Höhe der zu bestellenden Grundschulden nicht eingeschränkt sei. Es
DNotIDeutsches Notarinstitut
DNotI-Report - Rechtsprechung
DNotI-Report 15/1995 August 1995 142
DNotI-Report 15/1995 August 1995 143
heißt dort nämlich, daß die Vollmacht nach außen nur unter einer einzigen Bedingung und Einschränkung
stehe, nämlich daß sie nur vor einem Notar in M verwendet werden dürfe. Alle anderen Einschränkungen
beträfen nicht die Vollmacht zur Bestellung der Grundschulden, sondern die Sicherungsabrede. Dieses
Ergebnis widerspreche auch nicht der Interessenlage des Verkäufers. Den Interessen des Verkäufers sei
durch die eingeschränkte Sicherungszweckerklärung hinreichend Rechnung getragen. Darüber hinaus
würden die Risiken des Verkäufers auch dadurch gemindert, daß die Vollmacht nur vor dem Notar in M
verwendet werden dürfe. Dies diene auch der Kontrolle der Finanzierungsabwicklung durch den Notar und
damit dem Schutz des Verkäufers.
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Entscheidung, Urteil
Gericht:BayObLG
Erscheinungsdatum:11.05.1995
Aktenzeichen:2Z BR 32/95
Erschienen in:
DNotI-Report 1995, 142-143
DNotZ 1996, 295-297
NJW-RR 1995, 1167-1168
BGB §§ 133, 164; GBO §§ 19, 78