Anwendungsbereich des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen; väterliche Abstammung bei Kindern von Mehrstaatern
letzte Aktualisierung: 25.5.2023
BGH, Beschl. v. 8.3.2023 – XII ZB 565/20
Anwendungsbereich des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommen; väterliche
Abstammung bei Kindern von Mehrstaatern
a) Mehrstaater mit sowohl deutscher als auch iranischer Staatsangehörigkeit fallen nicht in den
persönlichen Anwendungsbereich des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens.
b) Ist unter deutschem Sachrecht als Abstammungsstatut bei der Anwendung von § 1592 Nr. 1
BGB die Frage zu klären, ob der Vaterschaftsprätendent zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter
verheiratet war, wird die Vorfrage nach der formellen und materiellen Wirksamkeit dieser Ehe
grundsätzlich selbständig angeknüpft und richtet sich daher nach dem von
13 EGBGB berufenen Sachrecht (Fortführung des Senatsbeschlusses
2016, 1251).
c) Stellt sich in diesem Zusammenhang bei der Prüfung von Ehehindernissen die weitere Vorfrage
nach dem Fortbestand der früheren Ehe eines der beiden Verlobten, wird diese grundsätzlich
unselbständig angeknüpft, d. h. aus der Sicht der Rechtsordnung (einschließlich ihres
Kollisionsrechts) beantwortet, deren Sachrecht über die materiellen Voraussetzungen für die
wirksame Eingehung der neuen Ehe entscheidet.
d) Kommt es dabei auf die wirksame Auflösung der Vorehe eines Verlobten durch eine im Ausland
durchgeführte Scheidung an, ist eine solche Scheidung nur dann beachtlich, wenn sie in Deutschland
im Verfahren vor der Landesjustizverwaltung nach
wird das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis vom verfahrensrechtlichen Anerkennungserfordernis
überlagert (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 10. Januar 2001 – XII ZR 41/00 –
e) Leidet die Ehe nach beiden durch
Verlobten unter dem Mangel der Doppelehe, bestimmt sich die Fehlerfolge grundsätzlich nach dem
ärgeren Recht, d. h. nach dem Recht, welches die schärferen Rechtsfolgen an die Mangelhaftigkeit
der Ehe knüpft (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 4. Oktober 1990 – XII ZB 200/87 –
Heranziehung des milderen Rechts, d.h. des Rechts, welches an den Mangel der Doppelehe die am
wenigsten schädlichen Rechtsfolgen für die bigamische Ehe knüpft, geboten sein, wenn die
Anwendung der strengeren Fehlerfolge zu einem Ergebnis führt, welches keiner der beiden
beteiligten Rechtsordnungen bei deren isolierter Betrachtung entspricht.
f) Besteht infolge einer Doppelehe der Mutter nach
für zwei Ehemänner, ist
Ehemann der späteren Ehe zugeordnet wird.
Gründe:
A.
Das Verfahren betrifft die Berichtigung der Geburtenregistereinträge für
die beiden betroffenen Kinder in Bezug auf ihre väterliche Abstammung.
Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Kindesmutter) ist die Mutter der betroffenen
Kinder und besaß ursprünglich nur die iranische Staatsangehörigkeit.
Im Februar 1996 heiratete sie in Iran den Beteiligten zu 2, der zu diesem Zeitpunkt
ebenfalls ausschließlich iranischer Staatsangehöriger und in Deutschland
als Asylberechtigter anerkannt war. Die Ehegatten lebten seit der Eheschließung
in Deutschland und erwarben durch Einbürgerung im Jahr 2002 beide zusätzlich
auch die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Ehe wurde im März 2006 in Iran
durch eine vom Scheidungsnotariat registrierte Verstoßung (talaq) geschieden.
Nachdem ein von dem Beteiligten zu 2 bei der Landesjustizverwaltung im März
2012 gestellter Antrag, die in Iran erfolgte Privatscheidung im Verfahren gemäß
Entscheidung im gerichtlichen Verfahren im Dezember 2012 rechtskräftig abgelehnt
worden war, wurde die Ehe zwischen der Kindesmutter und dem Beteiligten
zu 2 im Juli 2014 durch ein deutsches Amtsgericht geschieden.
Bereits im Mai 2009 hatte die Kindesmutter in Iran in zweiter Ehe den Beteiligten
zu 3, einen ausschließlich iranischen Staatsangehörigen, geheiratet. Anschließend
gebar sie in den Jahren 2010 und 2013 die betroffenen Kinder, die
seit ihrer Geburt in Deutschland leben. Als Vater der Kinder wurde der Beteiligte
zu 3 in den deutschen Geburtenregistern eingetragen.
Das Standesamt (Beteiligte zu 4) hat in dem vorliegenden Verfahren beantragt,
die Geburtseinträge für die betroffenen Kinder dahingehend zu berichtigen,
dass anstelle des Beteiligten zu 3 jeweils der Beteiligte zu 2 als deren Vater
eingetragen wird. Das Amtsgericht hat die Anträge, denen die Standesamtsaufsicht
(Beteiligter zu 5) beigetreten ist, zurückgewiesen. Die dagegen gerichteten
Beschwerden des Standesamts und der Standesamtsaufsicht sind ohne Erfolg
geblieben. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Standesamtsaufsicht.
B.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
Das Beschwerdegericht hat seine in
wie folgt begründet:
Die Geburtseinträge für die Kinder seien nicht zu berichtigen. Der Beteiligte
zu 3 sei darin nach Maßgabe des von
Rechts zutreffend als deren Vater eingetragen.
Eine Anknüpfung der Vaterschaft an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts
der betroffenen Kinder nach
deutschen Sachrechts. Danach gelte der Beteiligte zu 3 aufgrund
seiner Ehe mit der Kindesmutter nach
Kinder. Dies setze das Bestehen einer wirksamen Ehe voraus, wobei sich diese
Vorfrage für die Feststellung der Abstammung nach dem hierfür maßgeblichen
deutschen Kollisionsrecht beurteile. Die Eheschließung der Kindesmutter mit
dem Beteiligten zu 3 sei in Iran nach dem gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB
anwendbaren iranischen Ortsrecht formal wirksam erfolgt. Die materielle Wirksamkeit
der Eheschließung (
deutsch-iranische Kindesmutter wegen
Sachrecht. Aus Sicht des deutschen Rechts sei ihre erste Ehe mit dem
Beteiligten zu 2 nicht geschieden worden, weil die in Iran durchgeführte Verstoßungsscheidung
in Deutschland nicht anerkannt worden sei. Daher liege ein Verstoß
gegen das Verbot der Doppelehe (
iranischen Staatsangehörigkeit des Beteiligten zu 3 sei für die Frage
der Wirksamkeit der Eheschließung demgegenüber das iranische Eheschließungsrecht
maßgeblich. Dieses Recht verbiete - allerdings nur bezogen auf die
Ehefrau - zwar auch eine mehrfache Eheschließung. Aus Sicht des iranischen
Rechts sei die Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 2 im Jahr 2006 aber
wirksam in Iran geschieden worden. Selbst wenn die Scheidung der Vorehe aus
Sicht des ausländischen Heimatrechts des Verlobten wirksam erfolgt sei, müsse
eine Berücksichtigung der im Ausland erfolgten Scheidung durch deutsche Gerichte
und Behörden aber in jedem Fall ausscheiden, solange diese nicht gemäß
dass die Kindesmutter bei Eheschließung mit dem Beteiligten zu 3 im Jahr 2009
noch mit dem Beteiligten zu 2 verheiratet gewesen sei und deshalb ein Ehehindernis
nach iranischem Recht bestanden habe.
Die Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3 sei aber trotzdem wirksam
und begründe deshalb seine Vaterschaft. Denn die Fehlerfolge der Doppelehe
richte sich vorliegend nicht nach iranischem, sondern nach deutschem
Recht, weil die Wirkung des
als sie die deutsche Rechtsordnung vorsehe. Nach deutschem Recht sei
die Doppelehe nach
nach iranischem Recht - nichtig. Die Kindesmutter sei damit im Zeitpunkt der Geburt
der betroffenen Kinder sowohl mit dem Beteiligten zu 2 als auch mit dem
Beteiligten zu 3 verheiratet gewesen. Dies führe gemäß
einer doppelten Vaterschaftsvermutung, die entsprechend
dahingehend aufzulösen sei, dass lediglich der Beteiligte zu 3 - als Ehemann der
neueren Ehe - als rechtlicher Vater der beiden Kinder gelte.
Auch eine Anknüpfung der Vaterschaft an das Heimatrecht der Elternteile
nach
In diesem Fall sei aufgrund der iranischen Staatsangehörigkeit der Beteiligten
zu 2 und 3 das iranische Abstammungsrecht anwendbar. Nach Art. 1158 des
iranischen Zivilgesetzbuches gelte als Vater eines Kindes der Mann, der mit der
Mutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet gewesen sei. Auch insoweit richte
sich die Vorfrage der Wirksamkeit der Ehe - wie bereits im Rahmen der Anknüpfung
an das Aufenthaltsstatut nach Satz 1 des
Kindesmutter mit den Beteiligten zu 2 und 3 zum Zeitpunkt der Geburt der Kinder
auszugehen. In diesem Fall gelte entsprechend Art. 1160 des iranischen Zivilgesetzbuches
nur der Beteiligte zu 3 - als zweiter Ehemann - als Vater der Kinder.
Schließlich führe auch eine Anknüpfung der Vaterschaft an das Recht des
Ehewirkungsstatuts nach
Vaterschaft. Denn in diesem Fall gelange ebenfalls nur deutsches oder
iranisches Sachrecht zur Anwendung.
II.
Dies hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis und auch in den wesentlichen
Punkten der Begründung stand. Die Geburtenregister sind nicht unrichtig
im Sinne des
zweiter Ehemann der Kindesmutter der rechtliche Vater der betroffenen Kinder
ist.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht das für die
Frage nach der rechtlichen Abstammung maßgebliche Sachrecht anhand der
Kollisionsnormen des autonomen Rechts bestimmt, mithin nach Art. 19 Abs. 1
EGBGB.
Einer Anwendung von
zwischen dem Deutschen Reich und dem Kaiserreich Persien
vom 17. Februar 1929 (RGBl. 1930 II S. 1006; im Folgenden: Abkommen) und
das Schlussprotokoll hierzu (RGBl. II 1930 S. 1012) trotz der iranischen Staatsangehörigkeit
aller beteiligten Personen hier nicht entgegen. Zwar enthält Art. 8
Abs. 3 des Abkommens eine eigenständige staatsvertragliche Kollisionsregel,
die wegen
deutschen Kollisionsrecht - und damit auch
Senatsurteil
Umständen ist indessen nur der sachliche, nicht aber auch der persönliche
Anwendungsbereich des Abkommens eröffnet.
a) Art. 8 Abs. 3 Satz 1 des Abkommens bestimmt, dass die Angehörigen
jedes der vertragschließenden Staaten in -, Familienund
Erbr grundsätzlich den Vorschriften ihrer
heimischen Gesetze unterworfen bleiben. Das Abkommen sichert damit - im
Gegenzug zur Unterstellung der in Iran lebenden Deutschen unter deutsches
Recht - die Behandlung von Iranern in Deutschland nach ihrem iranischen Heimatrecht
zu. Zu den familienrechtlichen Materien, die in sachlicher Hinsicht von
dieser Zusicherung erfasst werden, gehören ausweislich des Schlussprotokolls,
dessen Erklärung en wesentlichen Teil des Abkommens selbst bildet insbesondere
Angelegenheiten der er .
b) Im Bereich des Familienrechts ist Art. 8 Abs. 3 des Abkommens in personaler
Hinsicht nur dann anwendbar, wenn sämtliche Beteiligten des maßgeblichen
Rechtsverhältnisses gemeinsam entweder die iranische oder die deutsche
Staatsangehörigkeit besitzen (vgl. Senatsurteile
1952, 1954 und vom 15. Januar 1986 - IVb ZR 75/84 -
mwN). Allerdings fallen Mehrstaater mit sowohl deutscher als auch iranischer
Staatsangehörigkeit nach zutreffender Ansicht nicht in den persönlichen Anwendungsbereich
von Art. 8 Abs. 3 des Abkommens (vgl. OLG Hamburg FamRZ
2020, 741, 742; OLG München
BGB [2019] Anhang zu
in der Notar- und Gestaltungspraxis 4. Aufl. § 11 Rn. 14; NK-BGB/Kroiß
4. Aufl.
aus Art. 3 Abs. 1 (Gewerbe- und Berufsfreiheit), Art. 5 (Steuergleichheit)
und Art. 8 Abs. 1 (Rechtsschutzgleichheit) des Abkommens ergibt, verfolgt das
gesamte Abkommen den primären Zweck, den Staatsangehörigen eines Vertragspartners
im Staatsgebiet des jeweils anderen Vertragsstaates bezüglich des
vom Abkommen geregelten Bereichs des Niederlassungsrechts grundsätzlich
die gleichen Rechte und den gleichen Schutz wie den eigenen Staatsangehörigen
zukommen zu lassen. Besitzt die betroffene Person aber sowohl die deutsche
als auch die iranische Staatsangehörigkeit, genießt sie bereits aufgrund dieser
doppelten Staatsangehörigkeit Rechte und Schutz beider Staaten und bedarf
deshalb keines besonderen Schutzes durch das Abkommen mehr. Als
rige der vertrag im Sinne des Abkommens sind daher nur
ausschließlich deutsche oder ausschließlich iranische Staatsangehörige anzusehen.
Dies gilt insbesondere auch für die Kollisionsregel in Art. 8 Abs. 3 des Abkommens,
weil nicht davon auszugehen ist, dass die Vertragsparteien innerhalb
ein und desselben Abkommens und dort sogar innerhalb ein und derselben Vorschrift
(Art. 8 Abs. 1 und Abs. 3 des Abkommens) unterschiedliche Staatsangehörigkeitsbegriffe
verwenden wollten (vgl. Schotten/Wittkowski FamRZ 1995,
264, 266). Ob Doppelstaater dann unter den persönlichen Anwendungsbereich
des Abkommens fallen, wenn sie neben der (effektiven) deutschen oder iranischen
Staatsangehörigkeit noch die (ineffektive) Staatsangehörigkeit eines
Nichtvertragsstaats besitzen (vgl. AG Hamburg-St. Georg
671; MünchKommBGB/Dutta 8. Aufl.
2016, 447, 449), bedarf vorliegend keiner Erörterung, weil dies hier bei keiner der
beteiligten Personen der Fall ist.
c) Gemessen daran kommt die Kollisionsregel in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 des
Abkommens bereits dann nicht zur Anwendung, wenn nur eine der am maßgeblichen
Rechtsverhältnis - hier der rechtlichen Eltern-Kind-Zuordnung - beteiligten
Personen sowohl die deutsche als auch die iranische Staatsangehörigkeit besitzt.
So liegt der Fall hier, weil die Kindesmutter, an deren Ehe die rechtliche
Vaterschaft für die betroffenen Kinder angeknüpft werden soll, deutsch-iranische
Doppelstaaterin ist und die betroffenen Kinder aufgrund der auch deutschen
Staatsangehörigkeit ihrer Mutter nach § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG ebenfalls (auch)
die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt haben dürften.
2. Nach
Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt
hat (Aufenthaltsstatut). Sie kann gemäß
zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden,
dem dieser Elternteil angehört (Personalstatut), oder, wenn die Mutter verheiratet
ist, gemäß Art. 19 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 1 EGBGB nach dem Recht, dem die
allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach
(Ehewirkungsstatut). Das Personalstatut und das Ehewirkungsstatut sind
nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dem Aufenthaltsstatut grundsätzlich
gleichwertige Zusatzanknüpfungen (vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 215,
271 =
a) Zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass eine Anknüpfung
der Vaterschaft an das Aufenthaltsstatut nach
zu einer rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 3 als dem zweiten Ehemann
der Kindesmutter führt.
Bei dieser Anknüpfungsalternative richtet sich die Abstammung nach deutschem
Sachrecht, so dass es gemäß
des Beteiligten zu 3 auf dessen wirksame Ehe mit der Kindesmutter ankommt.
Die zweite Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3 ist formwirksam
in Iran zustande gekommen. Sie verstößt zwar in materiell-rechtlicher Hinsicht
sowohl aus Sicht des für die Kindesmutter maßgeblichen deutschen Rechts
als auch aus Sicht des für den Beteiligten zu 3 maßgeblichen iranischen Rechts
gegen das Verbot der Doppelehe. Die Ehe ist aber lediglich als aufhebbar und
demnach als wirksam anzusehen und begründet deshalb die rechtliche Vaterschaft
des Beteiligten zu 3. Hingegen führt die Vorehe der Kindesmutter mit dem
Beteiligten zu 2 trotz Bestehens einer doppelten Vaterschaftsvermutung in analoger
Anwendung von
aa) Nach dem Aufenthaltsstatut unterliegt die Abstammung vorliegend
dem deutschen Sachrecht, weil die betroffenen Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt
in Deutschland haben. Nach
Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter verheiratet gewesen ist. Dies
setzt eine wirksame Ehe zum Zeitpunkt der Geburt voraus. Diese Vorfrage ist
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich selbständig anzuknüpfen
(vgl. Senatsbeschluss
mwN) und richtet sich daher nach dem von
berufenen Sachrecht. Soweit teilweise in der Literatur eine unselbständige An-
knüpfung dieser Vorfrage befürwortet wird, wonach es genügend, aber auch erforderlich
sei, dass die Elternehe dem von
Recht einschließlich dessen Kollisionsrecht entspricht (vgl. Staudinger/Henrich
BGB [2019]
EGBGB Rn. 49 ff.), bedarf dies vorliegend keiner abschließenden Erörterung.
Denn auch hiernach würde die Vorfrage nach der formellen und materiellen Wirksamkeit
der Ehe zwischen der Kindesmutter und dem Beteiligten zu 3 aus Sicht
des deutschen Kollisionsrechts und damit nach Maßgabe von
und
Recht maßgeblich ist.
bb) Die formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für die in Iran erfolgte
Eheschließung zwischen der Kindesmutter und dem Beteiligten zu 3 liegen vor.
Hierfür ist nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB ausreichend, dass die Eheschließung
die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt, in dem sie vorgenommen
worden ist. Nach den vom Beschwerdegericht zum ausländischen Recht
getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen
sind die nach iranischem Ortsrecht geltenden Formerfordernisse der Eheschließung
eingehalten worden.
cc) Die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung unterliegen gemäß
bei Eingehung der Ehe (vgl. Senatsbeschluss vom 14. November 2018 - XII ZB
292/16 -
rechtsfehlerfrei erkannt, dass sowohl in Bezug auf die Kindesmutter als
auch in Bezug auf den Beteiligten zu 3 ein Verstoß gegen das Verbot einer Doppelehe
vorliegt.
(1) Die Kindesmutter unterliegt in Bezug auf die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen
dem deutschen Sachrecht, weil sie nach den vom Beschwerdegericht
getroffenen Feststellungen bei Eingehung ihrer Ehe mit dem
Beteiligten zu 3 im Jahr 2009 neben der iranischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit
besaß und diese gemäß
der insoweit maßgeblichen Sicht der deutschen Rechtsordnung bestand für sie
allerdings das Ehehindernis der Doppelehe (
dem Beteiligten zu 2 galt zu diesem Zeitpunkt aus Perspektive des deutschen
Rechts noch nicht als geschieden. Die in Iran durchgeführte und beurkundete
Verstoßung (talaq) im Februar 2006 hätte im deutschen Rechtsbereich als behördlich
registrierte Privatscheidung nur im Fall ihrer Anerkennung durch die Landesjustizverwaltung
im Verfahren nach
können, weil die Kindesmutter und der Beteiligte zu 2 bei der Scheidung
ihrer Ehe in Iran auch die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und deshalb
nicht von einer privilegierten (iranischen) Heimatstaatsentscheidung im
Sinne von
der ersten Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 2 ist im Verfahren nach
Zwar wurde diese Ehe zusätzlich durch ein deutsches Gericht geschieden; diese
im August 2014 rechtskräftig gewordene Scheidung lässt das Ehehindernis der
Doppelehe für die Kindesmutter aber nicht rückwirkend entfallen und beseitigt
den der bigamischen Ehe anhaftenden Mangel nicht (vgl. BGH Urteil vom 22. April
1964 - IV ZR 189/63 -
(2) Hinsichtlich des Beteiligten zu 3 verweist
materiellen Voraussetzungen der Eheschließung auf das iranische Recht, weil
der Beteiligte zu 3 bei Eingehung der Ehe mit der Kindesmutter ausschließlich
iranischer Staatsangehöriger war. Insoweit handelt es sich nach Art. 4 Abs. 1
Satz 1 EGBGB um eine Gesamtverweisung (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Oktober
1990 - XII ZB 200/87 -
auch auf das Internationale Privatrecht Irans bezieht. Nach den Feststellungen
des Beschwerdegerichts nimmt das iranische Kollisionsrecht diese Verweisung
an, indem sich aus Art. 963 des iranischen Zivilgesetzbuchs (abgedruckt
bei Bergmann/Ferid/Henrich Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand:
1. Oktober 2002] Länderteil Iran; im Folgenden iranZGB) ableiten lässt, dass auf
die Eheschließungsvoraussetzungen das materielle Recht desjenigen Landes
angewendet wird, dessen Staatsangehöriger der Mann ist (vgl. Enayat in Bergmann/
Ferid/Henrich Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober
2002] Länderteil Iran S. 24). Hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde
nichts. Zum Inhalt des iranischen Sachrechts hat das Beschwerdegericht festgestellt,
dass es den Ehegatten gemäß Art. 1050 f. iranZGB als zweiseitiges Ehehindernis
verboten ist, bei bestehender Vorehe der Ehefrau eine weitere Ehe zu
schließen. Ob die im Mai 2009 geschlossene Zweitehe zwischen Kindesmutter
und dem Beteiligten zu 3 nach iranischem Eheschließungssachrecht wirksam ist
oder ob ihr das Ehehindernis nach Art. 1050 f. iranZGB entgegensteht, hängt
- wie das Beschwerdegericht richtig erkannt hat und die Rechtsbeschwerde nicht
in Zweifel zieht - von der Beantwortung der ab, ob die
im März 2006 in Iran erfolgte Privatscheidung der ersten Ehe der Kindesmutter
mit dem Beteiligten zu 2 beachtlich ist.
(a) Stellt sich im Zusammenhang mit dem Vorhandensein von Ehehindernissen
die Vorfrage nach dem Fortbestand einer früheren Ehe, wird diese grundsätzlich
unselbständig angeknüpft, d.h. aus der Sicht der Rechtsordnung (einschließlich
ihres Kollisionsrechts) beantwortet, deren Sachrecht über die materiellen
Voraussetzungen für die wirksame Eingehung der neuen Ehe entscheidet
(vgl. Senatsurteil vom 27. November 1996 - XII ZR 126/95 -
543 und BGH Urteil vom 7. April 1976 - IV ZR 70/74 -
Beurteilung wird schon durch den Umkehrschluss zu
Der Gesetzgeber ist ersichtlich davon ausgegangen, dass die Frage
nach der wirksamen Auflösung einer Vorehe durch einen deutschen Scheidungsbeschluss
im ersten Schritt aus der Sicht der Heimatrechtsordnung des ausländischen
Verlobten beantwortet - also unselbständig angeknüpft - werden muss.
Denn
deutsches Recht zur Beseitigung einzelner Eheschließungshindernisse die
grundsätzliche Obliegenheit auf, ein nach dem Recht ihres Heimatstaates vorgesehenes
Anerkennungsverfahren für eine Auslandsscheidung zu durchlaufen
(vgl. dazu BT-Drucks. 10/504 S. 53); zudem hätte die spezielle Vorbehaltsklausel
in Art. 13 Abs. 2 Nr. 3 Halbsatz 2 EGBGB ansonsten keinen Regelungsbereich
(vgl. MünchKommBGB/Coester 8. Aufl.
KommBGB/von Hein 8. Aufl. Einl. IPR Rn. 214; Staudinger/Mankowski BGB
[2010]
Rn. III-312; Wall [Fachausschuss Nr. 4137]
Anknüpfung ist auch sachlich gerechtfertigt, denn sie trägt dem Umstand
Rechnung, dass die Vorfrage nach der Auflösung der früheren Ehe eines
Partners in solchen Rechtsordnungen, die - wie hier das iranische Recht - das
Ehehindernis der Doppelehe kennen, zum Tatbestandsmerkmal einer Sachnorm
des materiellen Eheschließungsrechts gehört und es deshalb konsequent ist, dieser
Rechtsordnung auch die grundsätzliche Entscheidung darüber zu überlassen,
wann dieser Tatbestand erfüllt ist (vgl. Andrae Internationales Familienrecht
4. Aufl. § 1 Rn. 47).
Im vorliegenden Fall unterlag die Auflösung der Ehe zwischen der Kindesmutter
und dem Beteiligten zu 2 aus Sicht der iranischen Rechtsordnung dem
iranischen Scheidungsstatut. Das iranische Kollisionsrecht der Scheidungsvoraussetzungen
knüpft das anwendbare Sachrecht entsprechend Art. 963
iranZGB an die Staatsangehörigkeit des Mannes und somit an die Staatsangehörigkeit
des Beteiligten zu 2 an (vgl. Enayat in Bergmann/Ferid/Henrich Internationales
Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober 2002] Länderteil Iran
S. 25). Der Umstand, dass der Beteiligte zu 2 im Zeitpunkt der im Jahr 2006
durchgeführten Privatscheidung deutsch-iranischer Doppelstaater war, ist dabei
unerheblich, weil davon ausgegangen werden kann, dass das iranische Recht
Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung mit internationalen Bezügen grundsätzlich
zulasten des ausländischen Rechts löst (vgl. Enayat in Bergmann/
Ferid/Henrich Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober
2002] Länderteil Iran S. 23) und deshalb bei iranisch-ausländischen Doppelstaatern
stets der iranischen Staatsangehörigkeit den Vorzug gibt (vgl. Wall [Fachausschuss
Nr. 4137]
Scheidungsnotariat registrierte Privatscheidung der Ehe zwischen der Kindesmutter
und dem Beteiligten zu 2 im März 2006 entsprach offensichtlich den Anforderungen
des iranischen Scheidungsrechts, so dass bei unselbständiger Anknüpfung
der Vorfrage nach dem Fortbestand der Vorehe die im Mai 2009 geschlossene
Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3 nicht gegen das Bigamieverbot
für Frauen nach Art. 1050 f. iranZGB verstoßen würde.
(b) Indessen ist das Beschwerdegericht ebenfalls zutreffend davon ausgegangen,
dass es seiner Rechtsanwendung das bei unselbständiger Anknüpfung
der Vorfrage gefundene Ergebnis - nämlich die wirksame Auflösung der Vorehe
durch die iranische Privatscheidung - nicht zugrunde legen kann. Durch die
rechtskräftige Entscheidung der Landesjustizverwaltung im Verfahren nach
FamFG) für alle deutschen Gerichte und Behörden fest, dass die in Iran registrierte
Privatscheidung aus dem Jahr 2006 nicht anerkannt werden und deshalb
in Deutschland keine Rechtswirkungen entfalten kann. Das Feststellungs-
monopol der Landesjustizverwaltung greift auch dann, wenn es auf die Beachtlichkeit
einer ausländischen Scheidung - wie hier - nur als Vorfrage ankommt.
Insoweit wird das kollisionsrechtliche Verweisungsergebnis vom verfahrensrechtlichen
Anerkennungserfordernis überlagert (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar
2001 - XII ZR 41/00 -
Mankowski BGB [2010]
8. Aufl.
Prütting/Helms/Hau FamFG 6. Aufl. § 107 Rn. 65; jurisPK-BGB/Mäsch [Stand:
5. Oktober 2020]
2020]
Rn. 31; Hepting/Dutta Familie und Personenstand 4. Aufl. Rn. III-316 ff.; Hausmann
Internationales und Europäisches Familienrecht 2. Aufl. A Rn. 595; Wall
[Fachausschuss Nr. 4137]
Auch wenn das Postulat des verfahrensrechtlichen Vorrangs faktisch zu
einer (zusätzlichen) selbständigen Anknüpfung der Vorfrage nach der Auflösung
der früheren Ehe eines Verlobten aus Sicht des deutschen Rechts führt, die sich
gegenüber der sich aus
des Gesetzgebers für eine unselbständige Anknüpfung der Vorfrage im
Konfliktfall stets durchsetzt, lassen sich dagegen gleichwohl keine grundlegenden
dogmatischen Bedenken erheben (zweifelnd von Hein
962). Zum einen wird die Fallkonstellation einer im Ausland durchgeführten, aber
in Deutschland nicht anerkannten Scheidung von
unmittelbar erfasst. Zum anderen handelt es sich bei der Frage nach dem Fortbestand
einer früheren Ehe des Verlobten um eine Statusfrage, die sich im öffentlichen
Recht, im Erbrecht und im gesamten Bereich des Familienrechts stellt.
Der Fortbestand der Vorehe kann von deutschen Behörden und Gerichten nicht
begrenzt auf den Teilaspekt der Wiederverheiratungsfähigkeit des Verlobten verneint
und in allen anderen rechtlichen Zusammenhängen bejaht werden, denn
dieser Widerspruch würde die Einheit der inländischen Rechtsordnung in Frage
stellen, die
BGB [2010]
4. Aufl. § 1 Rn. 51). Wie
der deutsche Gesetzgeber auch das entsprechende Bestreben ausländischer
Rechtsordnungen, indem er den Verlobten die Obliegenheit auferlegt, wegen
einer in Deutschland ausgesprochenen Vorehen-Scheidung ein in ihrem
ausländischen Heimatstaat möglicherweise vorgesehenes Anerkennungsverfahren
anzustreben, bevor zur Beseitigung des Ehehindernisses der Doppelehe
subsidiär auf deutsches Recht zurückgegriffen werden kann. Der Wahrung des
inneren Entscheidungseinklangs ist jedenfalls dann der Vorzug einzuräumen,
wenn der Sachverhalt einen starken Inlandsbezug aufweist. Davon kann vorliegend
schon deshalb ausgegangen werden, weil die Kindesmutter und der Beteiligte
zu 2 jeweils auch deutsche Staatsangehörige sind und ihren gewöhnlichen
Aufenthalt in Deutschland haben. Ob anders zu entscheiden wäre, wenn es an
einem ausreichenden Inlandsbezug des Sachverhalts fehlt, der den Zwang zur
Anerkennung einer ausländischen Vorehen-Scheidung in Deutschland rechtfertigen
könnte (vgl. dazu Staudinger/Mankowski BGB [2010]
Rn. 311 ff.; MünchKommBGB/Coester 8. Aufl.
BeckOGK/Rentsch [Stand: 1. August 2022]
Internationales Familienrecht 4. Aufl. § 1 Rn. 50), bedarf daher hier keiner weiteren
Erörterung.
(c) Das Beschwerdegericht ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass
die in Iran erfolgte Privatscheidung der Ehe zwischen der Kindesmutter und dem
Beteiligten zu 2 unbeachtet bleiben muss und die zweite Ehe der Kindesmutter
mit dem Beteiligten zu 3 deshalb nach iranischem Eheschließungsrecht gegen
das Bigamieverbot nach Art. 1050 f. iranZGB verstößt. Dies hält auch die Rechtsbeschwerde
für richtig.
dd) Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde indessen dagegen,
dass das Beschwerdegericht die nach den Heimatrechten beider Partner unzulässige
bigamische Ehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 3 lediglich als
(nach deutschem Recht) aufhebbar und nicht als (nach iranischem Recht) nichtig
behandelt hat.
(1) Allerdings trägt die dafür gegebene Begründung des Beschwerdegerichts
nicht. Die Frage, welche Rechtsfolgen sich an den Fehler einer bigamischen
Ehe knüpfen, beurteilt sich gemäß
Ehegatten nach seinem Heimatrecht (vgl. Senatsurteil
2002, 604). Dies gilt entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts auch dann,
wenn sich - wie hier - die Mangelhaftigkeit der Ehe gerade daraus ergibt, dass
eine ausländische Scheidung in Deutschland nicht anerkannt worden ist (vgl. Senatsbeschluss
vom 10. Januar 2001 - XII ZR 41/00 -
§ 1 FamRÄndG; vgl. auch von Hein
der Fehlerfolge einer Doppelehe hinsichtlich des Beteiligten zu 3 dessen
iranisches und hinsichtlich der Kindesmutter wegen
deren deutsches Heimatrecht maßgeblich.
(2) Die Beurteilung des Beschwerdegerichts erweist sich im Ergebnis
gleichwohl als richtig.
(a) Dem Wortlaut des
Vorgabe dazu entnehmen, welche der beteiligten Rechtsordnungen in einem
Fall, in dem - wie hier - die Ehe von beiden Heimatrechten der Partner als mangelhaft
angesehen wird, den Ausschlag für die Bestimmung der Fehlerfolge gibt.
Stimmen diese Mangelfolgen nicht überein, so können sie nicht zugleich eingreifen.
Es ist in diesem Fall zu entscheiden, ob diejenige Mangelfolge Anwendung
findet, die der Ehe am stärksten entgegensteht (Anwendung des ärgeren Rechts)
oder die der Ehe am wenigsten schadet (Anwendung des milderen Rechts). Da
die kumulative Anknüpfung der Eheschließungsvoraussetzungen an die Heimatrechte
beider Partner in
Ehe in allen beteiligten Rechtsordnungen anstrebt (vgl. auch BT-Drucks. 10/504
S. 52) und die Wirksamkeit versagt, wenn auch nur eine der Rechtsordnungen
dies anordnet (vgl. bereits
des ärgeren Rechts (vgl. Rauscher Internationales Privatrecht 5. Aufl.
Rn. 332 f.). Diesem Grundsatz folgend entspricht es allgemeiner Ansicht, dass
die Fehlerfolge beim Ehehindernis der Doppelehe regelmäßig dem Recht zu entnehmen
ist, welches die schärferen Rechtsfolgen an die Mangelhaftigkeit der
Ehe knüpft (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Oktober 1990 - XII ZB 200/87 - FamRZ
1991, 300, 303; vgl. auch Staudinger/Mankowski BGB [2010]
Rn. 443 mwN). Dies wäre nach den vom Beschwerdegericht zum ausländischen
Recht getroffenen Feststellungen das iranische Heimatrecht des Beteiligten zu 3,
denn danach wäre die bigamische Ehe gemäß Art. 1050 iranZGB nichtig und
nicht lediglich aufhebbar, wie es nach dem deutschen Heimatrecht der Kindesmutter
gemäß
(b) Bei der Anwendung des ärgeren Rechts würde im vorliegenden Fall
mit der Annahme der Nichtigkeit der Ehe freilich ein Ergebnis erzielt werden, welches
bei isolierter Betrachtung keiner der beiden beteiligten Rechtsordnungen
entspricht und deshalb (vgl. Wall [Fachausschuss Nr. 4137] StAZ
2018, 256, 262) erscheinen muss: Aus Sicht der als Heimatrecht der Kindesmutter
berufenen deutschen Rechtsordnung wäre ihre bigamische Zweitehe mit dem
Beteiligten zu 3 zwar aufhebbar, bis zu ihrer Aufhebung aber wirksam und daher
geeignet, eine abstammungsrechtliche Zuordnung der betroffenen Kinder zum
Beteiligten zu 3 nach Maßgabe von
Brandenburg
Rn. 28). Aus der isolierten Sicht der als Heimatrecht des Beteiligten zu 3 berufenen
iranischen Rechtsordnung wäre diese Ehe schon deshalb wirksam, weil die
Vorehe der Kindesmutter aufgrund der nach iranischem Recht wirksamen Privatscheidung
als aufgelöst anzusehen ist, so dass die betroffenen Kinder gemäß
Art. 1158 iranZGB als eheliche Kinder des Beteiligten zu 3 gelten würden. Dieser
teleologische Widerspruch legt - vergleichbar den Fällen, in denen das international-
privatrechtliche Institut der Anpassung zur Anwendung gelangt (vgl. dazu
MünchKommBGB/von Hein 8. Aufl. Einl. IPR Rn. 266 und
Junker Internationales Privatrecht 4. Aufl. § 11 Rn. 29) - eine wertende Korrektur
dergestalt nahe, dass ausnahmsweise nicht das ärgere, sondern das mildere
Recht über die Fehlerfolge entscheidet (im Ergebnis ebenso von Hein FamRZ
2021, 961, 963).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist darin kein Verstoß
gegen das Feststellungsmonopol der Landesjustizverwaltung (§ 107 Abs. 9
FamFG) zu sehen. Denn es wird nicht in Zweifel gezogen, dass die in Iran ausgesprochene
Privatscheidung der Vorehe der Kindesmutter mangels Anerkennung
in Deutschland keine Rechtswirkungen entfalten kann und ihre zweite Ehe
mit dem Beteiligten zu 3 deshalb nach den Heimatrechten beider Partner als bigamisch
zu behandeln ist. Lediglich auf der Fehlerfolgenebene wird zur Vermeidung
eines Wertungswiderspruchs ausnahmsweise nicht das der bigamischen
Ehe am stärksten entgegenstehende, sondern das dieser Ehe am wenigsten
schädliche Recht herangezogen, um damit eine abstammungsrechtliche Zuordnung
der betroffenen Kinder zum Beteiligten zu 3 zu ermöglichen, die bei isolierter
Betrachtung von keiner der beiden beteiligten Rechtsordnungen in Frage gestellt
worden wäre.
ee) Zutreffend ist das Beschwerdegericht auch davon ausgegangen, dass
die Vorehe der Kindesmutter mit dem Beteiligten zu 2 nicht zu dessen rechtlicher
Vaterschaft führt.
(1) Zwar galt diese Ehe zum Zeitpunkt der Geburt der betroffenen Kinder
als fortbestehend, weil die in Iran durchgeführte Privatscheidung der Ehe in
Deutschland nicht nach
somit nach
die in Deutschland nach der Geburt der Kinder durchgeführte Scheidung dieser
Ehe keinen Einfluss hat (vgl. Senatsbeschluss
1251 Rn. 46). Mithin führt die bigamische Ehe der Kindesmutter im vorliegenden
Fall zu einer doppelten Vaterschaftsvermutung für die Beteiligten zu 2 und 3. Das
Beschwerdegericht hat indessen richtig erkannt, dass diese doppelte Vaterschaftsvermutung
in analoger Anwendung von
ist, indem als Vater der beteiligten Kinder lediglich der Beteiligte zu 3 als Ehemann
der späteren Ehe angesehen wird.
(2) Die Vorschrift des
Kind des neuen Ehemanns anzusehen ist, wenn von einer Frau, die nach dem
Tod ihres ersten Ehemanns eine weitere Ehe geschlossen hat, ein Kind geboren
wird, das sowohl nach
(aufgrund Überschneidung der Ehezeit mit der gesetzlichen Empfängniszeit) als
auch nach
während bestehender Ehe) wäre. Es entspricht allgemeiner Ansicht in der obergerichtlichen
Rechtsprechung und Literatur, dass diese Vorschrift auf bigamische
Ehen entsprechend anwendbar ist (vgl. OLG Zweibrücken
1924; Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1592 Rn. 28 und § 1593 Rn. 36;
MünchKommBGB/Wellenhofer 8. Aufl. § 1593 Rn. 16; BeckOGK/Balzer [Stand:
1. Februar 2023]
Rn. 4; jurisPK-BGB/Di Cato [Stand: 15. Oktober 2022] § 1593 Rn. 15; Erman/
Hammermann BGB 16. Aufl. § 1593 Rn. 9; Zöller/Geimer ZPO 34. Aufl. § 107
FamFG Rn. 18).
Diese Auffassung trifft zu. Die analoge Anwendung einer Gesetzesvorschrift
erfordert zum einen eine planwidrige Regelungslücke. Zum anderen muss
die Vergleichbarkeit der zur Beurteilung stehenden Sachverhalte gegeben, also
der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem gesetzlich
geregelten Tatbestand vergleichbar sein, dass angenommen werden kann, der
Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung - bei der er sich von den gleichen
Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen
Gesetzesvorschrift - zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (vgl. Senatsurteil
vom 16. Dezember 2020 - XII ZR 28/20 -
mwN). Beide Voraussetzungen sind erfüllt.
(a) Das Gesetz enthält für den Fall einer Doppelehe mit Blick auf das Abstammungsrecht
eine planwidrige Regelungslücke. Bis zur Reform des Abstammungsrechts
durch das Gesetz zur Reform des Kindschaftsrechts vom 16. Dezember
1997 (BGBl. I S. 2942) war die Konkurrenz mehrerer Vaterschaftsvermutungen
infolge einer bigamischen Ehe von der Regelung des
in der Fassung des Gesetzes zur Vereinheitlichung und Änderung familienrechtlicher
Vorschriften vom 11. August 1961 (BGBl. I S. 1221) umfasst. Nach § 1600
Abs. 1 BGB aF galt ein Kind nur als eheliches Kind des zweiten Mannes, wenn
von einer Frau, die eine zweite Ehe geschlossen hatte, ein Kind geboren worden
ist, das nach den
als auch des zweiten Mannes gegolten hätte. Diese Regelung war auf bigamische
Ehen anwendbar (vgl. Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1593 Rn. 36) mit
der Folge, dass nur der zweite Ehemann als rechtlicher Vater des Kindes anzusehen
war.
Der Gesetzgeber hat im Zuge der 1997 erfolgten Kindschaftsrechtsreform
auf eine
davon ausgegangen ist, dass infolge der Neuregelung der §§ 1591,
1592 BGB eine mehrfache rechtliche Vaterschaft kraft Ehe nur noch im Fall der
Eheauflösung durch Tod in Betracht kommen würde. Aus den Gesetzesmaterialien
ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber den Fall einer bigamischen
Ehe in den Blick genommen hätte. Dementsprechend hat der Gesetzgeber
eine gesetzliche Regelung, mit der eine doppelte rechtliche Vaterschaft
kraft Ehe ausgeschlossen wird, in
Eheauflösung durch Tod vorgesehen, welche mit der Zuweisung der Vaterschaft
an den Ehemann der zweiten Ehe an den Regelungsgehalt von § 1600 Abs. 1
BGB aF anknüpfen sollte (vgl. BT-Drucks. 13/4899 S. 84). Es spricht nichts für
die Annahme, dass darüber hinaus mit der Streichung des
aF bewusst eine Änderung der Rechtslage dahingehend beabsichtigt gewesen
ist, im Fall einer Doppelehe zukünftig eine doppelte rechtliche Vaterschaft für ein
Kind begründen zu wollen (vgl. BeckOGK/Balzer [Stand: 1. Februar 2023] BGB
§ 1593 Rn. 53.1). Deshalb scheidet auch im Fall einer Doppelehe nach dem im
deutschen Abstammungsrecht geltenden Ein-Vater-Prinzip (vgl. BeckOGK/
Balzer [Stand: 1. Februar 2023]
Wellenhofer 8. Aufl. Vorbem. § 1591 Rn. 15; vgl. dazu auch Senatsbeschluss
Kindes zu zwei Vätern aus.
(b) Auch eine Vergleichbarkeit der Interessenlagen ist gegeben.
Sowohl im Fall der Auflösung der ersten Ehe durch den Tod des Ehemannes
als auch in den Fällen der bigamischen Ehe führt eine zweite Ehe der Mutter
zu einer gesetzlichen Vaterschaftsvermutung zweier Ehemänner. In dem gesetzlich
geregelten Fall des
an den zweiten Ehemann sachgerecht und der Lebenserfahrung entsprechend,
weil die schnelle Wiederverheiratung der Mutter gegen den Bestand einer
intakten Ehe mit dem verstorbenen ersten Ehemann und zugleich für die Zeugung
des Kindes mit dem jetzigen Ehemann spricht (vgl. MünchKommBGB/
Wellenhofer 8. Aufl. § 1593 Rn. 14). Diese Erwägungen treffen in vergleichbarer
Weise auch auf Fälle der bigamischen Ehe zu, in denen - wie hier - davon ausgegangen
werden kann, dass die Partner der zweiten Ehe von der lebzeitigen
Auflösung der ersten Ehe der Mutter überzeugt gewesen sind und im gesetzlichen
Empfängniszeitraum eine Lebensgemeinschaft nur noch zwischen ihnen
bestand. Auf solche Sachverhaltskonstellationen ist die Analogie allerdings nicht
zu beschränken, obwohl in anderen Fällen der Doppelehe nicht ohne Weiteres in
jedem Einzelfall eine höhere Wahrscheinlichkeit für den einen oder den anderen
Ehemann als Vater sprechen muss. Denn auch in diesen Fällen bietet die Zuweisung
der Vaterschaft an den zweiten Ehemann eine gleichermaßen sachgerechte
wie rechtssichere Konkurrenzregel, zumal sie zumindest in der Tendenz
den tatsächlichen Abstammungsverhältnissen eher entsprechen dürfte (vgl.
Staudinger/Rauscher BGB [2011] § 1593 Rn. 38; BeckOGK/Balzer [Stand:
1. Februar 2023]
dass der Gesetzgeber hier zu dem gleichen Abwägungsergebnis - nämlich der
Zuordnung der Vaterschaft an den Ehemann der späteren Ehe - gekommen
wäre, hätte er die Möglichkeit konkurrierender Vaterschaften aufgrund bigamischer
Ehe in den Blick genommen.
b) Zu Recht ist das Beschwerdegericht ferner davon ausgegangen, dass
eine alternative Anknüpfung der Vaterschaft an das Personalstatut der beiden
Vaterschaftsprätendenten nach
einer rechtlichen Vaterschaft des Beteiligten zu 3 führt.
aa) Allerdings hat das Beschwerdegericht in diesem Zusammenhang
übersehen, dass in Bezug auf den auch deutschen Beteiligten zu 2 kein iranisches,
sondern gemäß
findet. Dieser Rechtsfehler wirkt sich aber nicht aus, denn ausgehend
von deutschem Abstammungssachrecht besteht, wie im Einzelnen dargelegt, bei
doppelter Vaterschaftsvermutung entsprechend
eine rechtliche Vaterschaft des Beteiligten zu 3.
bb) Hinsichtlich des Beteiligten zu 3 ist das Beschwerdegericht zutreffend
von einer Verweisung in das iranische Recht ausgegangen, weil er nach den getroffenen
Feststellungen ausschließlich die iranische Staatsangehörigkeit besitzt.
Insoweit handelt es sich gemäß
(vgl. Senatsbeschluss vom 12. Januar 2022 - XII ZB 562/20 - FamRZ
2022, 624 Rn. 27). Das iranische Kollisionsrecht nimmt diese Verweisung nach
Art. 964 iranZGB an (vgl. Enayat in Bergmann/Ferid/Henrich Internationales Eheund
Kindschaftsrecht [Stand: 1. Oktober 2002] Länderteil Iran S. 25) und bestimmt
als Vater des Kindes nach Art. 1158 iranZGB den Mann, der mit der Mutter
zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet gewesen ist. Bei selbständiger Anknüpfung
der sich hier ergebenden Vorfrage nach der Wirksamkeit der Ehe bestimmen
sich die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen für den Beteiligten
zu 3 gemäß
mit der dann gebotenen Prüfung des Ehehindernisses des Bigamieverbots
für Frauen gemäß Art. 1050 f. iranZGB stellt sich wiederum die weitere Vorfrage
nach der Beachtlichkeit der im Jahr 2006 durchgeführten, in Deutschland aber
nicht anerkannten Privatscheidung der ersten Ehe der Kindesmutter, die mit Blick
auf die Überlagerung des kollisionsrechtlichen Verweisungsergebnisses durch
das verfahrensrechtliche Anerkennungserfordernis zu verneinen ist. Der Vorrang
des Verfahrensrechts wäre im Übrigen auch dann zu beachten gewesen, wenn
man die Vorfrage nach der Wirksamkeit der Ehe - wie von einem Teil der Literatur
vertreten - unselbständig, d.h. ausgehend von dem vom Internationalen Privatrecht
Irans berufenen Sachrecht angeknüpft hätte und auf diese Weise zum iranischen
Eheschließungssachrecht gelangt wäre (vgl. MünchKommBGB/Helms
8. Aufl.
2018, 256, 263).
Somit wäre auch hier von konkurrierenden Vaterschaftsvermutungen zugunsten
der Beteiligten zu 2 und 3 auszugehen, die beide als Ehemänner der
Kindesmutter gelten. Das iranische Abstammungssachrecht sieht nach den vom
Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen für diesen Fall vor, dass das Kind
gemäß Art. 1160 iranZGB nur dem zweiten Ehemann - hier also dem Beteiligten
zu 3 - rechtlich zugeordnet wird (vgl. auch NK-BGB/Yassari 4. Aufl. Länderbericht
Iran Rn. 55). Gegen diese Feststellungen erinnert die Rechtsbeschwerde
nichts.
c) Schließlich hat das Beschwerdegericht auch zu Recht angenommen,
dass eine alternative Anknüpfung der Abstammung an das Ehewirkungsstatut
nach
Fassung (vgl.
günstigeren Ergebnis führt. Denn eine Bestimmung der Abstammung
nach dem Recht, dem die allgemeinen Wirkungen der Ehe der Kindesmutter
bei der Geburt ihrer Kinder gemäß
28. Januar 2019 geltenden Fassung unterlegen haben, führt im vorliegenden Fall
ebenfalls nur zu einer Anwendbarkeit des deutschen oder iranischen Sachrechts.
Mithin eröffnet dieses Statut hier keine inhaltlich weitergehende Alternative gegenüber
einer Anknüpfung der Abstammung an das Aufenthalts- oder Personalstatut.
-
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:08.03.2023
Aktenzeichen:XII ZB 565/20
Rechtsgebiete:
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Abstammung (incl. künstliche Befruchtung), Adoption
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
EGBGB Art. 13; FamFG § 107; BGB §§ 1592, 1593