BGH 07. Mai 2025
II ZB 2/24
AktG §§ 112 S. 1, 278 Abs. 2 u. 3

Vertretung einer atypischen KGaA bei Geschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft; Vertretung durch den Aufsichtsrat

letzte Aktualisierung: 4.7.2025
BGH, Beschl. v. 7.5.2025 – II ZB 2/24

AktG §§ 112 S. 1, 278 Abs. 2 u. 3
Vertretung einer atypischen KGaA bei Geschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft;
Vertretung durch den Aufsichtsrat

Die Kommanditgesellschaft auf Aktien, deren einzige persönlich haftende Gesellschafterin keine
natürliche Person ist (atypische Kommanditgesellschaft auf Aktien), wird bei Rechtsgeschäften mit
ihrer Komplementärgesellschaft von ihrem Aufsichtsrat vertreten (Fortführung von BGH, Urteil
vom 29. November 2004 – II ZR 364/02, ZIP 2005, 348).

Gründe:

I.
Die Antragstellerin ist eine Kommanditgesellschaft auf Aktien. Ihre einzige
persönlich haftende Gesellschafterin ist die M. KGaA, die gleichzeitig mittelbar
über eine 100%-ige Tochtergesellschaft sämtliche Kommanditaktien der
Antragstellerin hält. Zwischen der Antragstellerin und ihrer persönlich haftenden
Gesellschafterin besteht ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag.
Über die Antragstellerin betreibt die persönlich haftende Gesellschafterin in
Deutschland ihren Geschäftsbereich "Healthcare". Die weiteren von dieser in
Deutschland unterhaltenen Geschäftsbereiche unterliegen einer nämlichen Unternehmensstruktur.

Am 14. Februar 2023 meldete die Antragstellerin verschiedene Änderungen
der Satzung zur Eintragung in das Handelsregister an, darunter auch
Ziffer III., die auszugsweise wie folgt lautet:

"[…] 2. § 8 Absätze 2 und 3 der Satzung der Gesellschaft wurden
geändert und lauten nunmehr:

(2) Solange die M. KGaA persönlich haftende Gesellschafterin
der Gesellschaft ist, gelten die folgenden Absätze 2 a.
und 2 b.:
a. Die persönlich haftende Gesellschafterin ist bei der Vertretung
der Gesellschaft von den Beschränkungen des
§ 181 Alt. 1 BGB (Verbot des In-Sich-Geschäfts) und des
§ 181 Alt. 2 BGB (Verbot der Mehrfachvertretung) befreit.
b. Gegenüber den Mitgliedern der Geschäftsleitung der persönlich
haftenden Gesellschafterin wird die Gesellschaft
durch den Aufsichtsrat vertreten. […]
3. Die Vertretungsbefugnis ist wie folgt geregelt:
Allgemeine Vertretungsregelung: Jeder persönlich haftende
Gesellschafter vertritt die Gesellschaft einzeln.
Konkrete Vertretungsregelung:
Persönlich haftende Gesellschafterin ist die M. KGaA,
D. (Amtsgericht Darmstadt, HRB ). Sie vertritt
die Gesellschaft allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft
mit sich im eigenen Namen (Befreiung von der Beschränkung
des § 181 Alt. 1 BGB) oder als Vertreter eines
Dritten (Befreiung von der Beschränkung des § 181 Alt. 2
BGB) Rechtsgeschäfte abzuschließen."

Das Registergericht hat die Eintragung von Ziffer III. abgelehnt. Das Beschwerdegericht
hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde
verfolgt die Antragstellerin ihren Eintragungsantrag weiter.

II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt,
die zur Eintragung im Handelsregister angemeldete Befreiung der persönlich
haftenden Gesellschafterin von den Beschränkungen des § 181 Fall 1
BGB sei rechtlich unzulässig, weil die Antragstellerin jener gegenüber gemäß
§ 278 Abs. 3 AktG, § 112 Satz 1 AktG zwingend von ihrem Aufsichtsrat vertreten
werde.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom
29. November 2004 - II ZR 364/02, ZIP 2005, 348 f.) sei § 112 AktG auf die typische
Kommanditgesellschaft auf Aktien anwendbar. Es gebe keinen Grund, die
atypische Kommanditgesellschaft auf Aktien vom Anwendungsbereich des § 112
AktG auszunehmen, was im Einklang mit der obergerichtlichen Rechtsprechung
stehe.

Soweit aus seiner Zuständigkeit eine besondere Beanspruchung mit
eigentlichen Geschäftsführungsaufgaben für den Aufsichtsrat folge, sei dies Konsequenz
der getroffenen Rechtsformwahl und begründe keine gesetzeswidrige
Kompetenzerweiterung zugunsten des Aufsichtsrats. Gleiches gelte für die tatsächlichen
und praktischen Schwierigkeiten, die sich für die Gesellschaft aus der
Anwendung des § 112 AktG ergäben.

Es handele sich bei der vorliegenden Gestaltung auch nicht um einen Fall
der Mehrfachvertretung im Sinne des § 181 Fall 2 BGB, die durch eine satzungsmäßige
Befreiung zugelassen werden könne und von § 112 Satz 1 AktG nicht
erfasst werde. Das Schutzanliegen des § 112 AktG bestehe bei der Kommanditgesellschaft
auf Aktien unabhängig davon, ob die persönlich haftende Gesellschafterin
eine natürliche Person oder eine Gesellschaft sei.

Die Gefahr eines Interessenkonflikts bestehe auch in der konkreten Fallgestaltung.
Daran ändere weder der Umstand etwas, dass die Komplementärgesellschaft
gleichzeitig mittelbare Alleinkommanditaktionärin der Antragstellerin
sei, noch die unternehmensvertragliche Verbindung der Gesellschaften. So verfüge
die eigenwirtschaftlich tätige Komplementärgesellschaft über weitere Konzerntöchter,
mit denen sie den Interessen der Antragstellerin zuwiderlaufende
Ziele verfolgen könne. Auch der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit lege es
nahe, bei der Anwendung des § 112 AktG nicht nach der Ausgestaltung der Gesellschaft
als typischer oder atypischer Kommanditgesellschaft auf Aktien zu differenzieren.

2. Die vom Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde ist gemäß
§ 70 Abs. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Rechtsbeschwerdebefugnis
der Antragstellerin ergibt sich bereits daraus, dass ihre Beschwerde
zurückgewiesen wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2011
II ZB 17/10, BGHZ 191, 84 Rn. 5; Beschluss vom 17. Januar 2023 - II ZB 6/22,
BGHZ 236, 54 Rn. 10 mwN).

3. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Prüfung
stand. Das Registergericht hat die Eintragung der verfahrensgegenständlichen
Satzungsänderungen zu Recht abgelehnt.

a) Im Gesetz ist eine Pflicht des Registergerichts zur Prüfung, ob die
Satzungsänderung wirksam zustande gekommen und ordnungsgemäß angemeldet
worden ist, anders als bei der Gründung der Gesellschaft (§ 278 Abs. 3, § 38
Abs. 1 Satz 1 AktG), nicht ausdrücklich vorgeschrieben. Nach allgemeiner Meinung
ist das Registergericht aber dazu verpflichtet, die angemeldete Satzungsänderung
zu überprüfen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17. Juli 2001
14 Wx 62/00, juris Rn. 14; Bergmann in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 181
Rn. 42; Grigoleit/Ehmann, AktG, 2. Aufl., § 181 Rn. 8; Haberstock/Greitemann in
Hölters/Weber, AktG, 4. Aufl., § 181 Rn. 15; BeckOGK AktG/Holzborn,
Stand 1.2.2024, § 181 Rn. 21; Koch, AktG, 19. Aufl., § 181 Rn. 12; König in
Bürgers/Lieder, AktG, 6. Aufl., § 181 Rn. 14; MünchKommAktG/Poelzig, 6. Aufl.,
§ 181 Rn. 43; Seibt in K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 181 Rn. 22; Wachter in
Wachter AktG, 4. Aufl., § 181 Rn. 25; KK-AktG/Zetzsche, 3. Aufl., § 181 Rn. 107).
Die Prüfungspflicht betrifft in formeller Hinsicht die Ordnungsmäßigkeit der Anmeldung,
in materieller Hinsicht hat das Gericht zu überprüfen, ob die Satzungsänderung
als solche eintragungsfähig ist und ob der Satzungsänderungsbeschluss
sowie etwaige Sonderbeschlüsse oder Zustimmungen wirksam zustande
gekommen sind. Daher ist die Eintragung unwirksamer sowie nichtiger satzungsändernder
Beschlüsse abzulehnen (BGH, Beschluss vom 2. Juni 2008
II ZB 1/06, ZIP 2008, 1627 Rn. 8 mwN zur GmbH; König in Bürgers/Lieder,
AktG, 6. Aufl., § 181 Rn. 14; Wachter in Wachter AktG, 4. Aufl., § 181 Rn. 27 ff.;
KK-AktG/Zetzsche, 3. Aufl., § 181 Rn. 107; BeckOGK GmbHG/Born,
Stand 1.12.2024, § 54 Rn. 141 f. [zur GmbH]).

b) Das Beschwerdegericht hat zutreffend angenommen, dass § 112 Satz 1
AktG auch im Fall einer atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien, bei welcher
die persönlich haftende Gesellschafterin keine natürliche Person ist (vgl.
dazu BGH, Beschluss vom 24. Februar 1997 II
ZB 11/96, BGHZ 134, 392,
394 ff.) im Verhältnis zwischen der Kommanditgesellschaft auf Aktien und ihrer
Komplementärgesellschaft anwendbar ist. Daher verstößt § 8 Abs. 2 a. der Satzung
der Antragstellerin in der zur Eintragung angemeldeten Fassung gegen
§ 112 Satz 1 AktG i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG (aa)) und ist gemäß § 241 Nr. 3 AktG
nichtig. Die von der Antragstellerin angemeldete Satzungsregelung ist auch nicht
deswegen eintragungsfähig, weil § 112 AktG bei einer Kommanditgesellschaft
auf Aktien insoweit satzungsdispositiv wäre, als sie eine Verlagerung der Vertretungskompetenz
des Aufsichtsrats auf den Komplementär gestattete (bb)).

aa) Es ist umstritten, ob § 112 Satz 1 AktG bei der atypischen Kommanditgesellschaft
auf Aktien bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft
Anwendung findet.

(1) Für Rechtsgeschäfte der Kommanditgesellschaft auf Aktien mit ihrer
Komplementärgesellschaft wird teilweise vertreten, dass diese vom Anwendungsbereich
des § 112 Satz 1 AktG ausgenommen sind (BeckOGK AktG/
Bachmann, Stand 1.2.2025, § 287 Rn. 24; Bachmann, AG 2019, 581, 591;
Fiebelkorn, ZGR 2020, 782, 792 ff.; differenzierend Blaurock in Wachter, AktG,
4. Aufl., § 287 Rn. 8).

Die überwiegende Meinung befürwortet demgegenüber eine Anwendung
von § 112 Satz 1 AktG auf Rechtsgeschäfte der atypischen Kommanditgesellschaft
auf Aktien mit ihrer Komplementärgesellschaft (OLG München, AG 2022,
413, 414; A. Arnold in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 287 AktG Rn. 3; Förl/Fett
in Bürgers/Lieder, AktG, 6. Aufl., § 287 Rn. 4; Koch, AktG, 19. Aufl., § 278 Rn. 16;
Sethe in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 287 Rn. 73; K. Schmidt in K. Schmidt/Lutter,
AktG, 5. Aufl., § 278 Rn. 45, § 287 Rn. 20; Grigoleit/Servatius, AktG, 2. Aufl.,
§ 278 Rn. 14; Heidel/Wichert, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., § 287
AktG Rn. 2; A. Arnold, Die GmbH & Co. KG, 2001, S. 129; MünchHdbGesR
IV/Hoffmann-Becking, 6. Aufl., § 75 Rn. 42; MünchHdbGesR IV/Herfs, 5. Aufl.,
§ 75 Rn. 72; Illert/de Vries in Ghassemi-Tabar/Cordes, Handbuch Vorstand und
Aufsichtsrat, 2. Aufl., § 8 B. II. 3. b); Goette/M. Arnold AR-HdB/Roßkopf, 2. Aufl.,
§ 9 Rn. 35; Otte, Die AG & Co. KGaA, 2011, S. 137 f., 140; Verse in Lutter/
Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, 7. Aufl., § 18 Rn. 1320 f.
und 1332; Dirksen/Möhrle, ZIP 1998, 1377, 1384; Habersack ZIP 2019, 1453,
1456; Herfs, AG 2005, 589, 590 ff.; Sethe, AG 2021, 78 Rn. 33 ff.; vgl. auch OLG
Frankfurt, AG 2015, 448 Rn. 44; offen Bürgers in Bürgers/Fett, KGaA, 3. Aufl.,
§ 5 Rn. 514).

(2) Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Die atypische Kommanditgesellschaft
auf Aktien wird bei Rechtsgeschäften mit ihrer Komplementärgesellschaft
von ihrem Aufsichtsrat vertreten.

Wer zur Vertretung einer Kommanditgesellschaft auf Aktien berufen ist,
bestimmt sich nach § 278 AktG. Nach dessen Absatz 2 sind grundsätzlich die
Vorschriften des Handelsgesetzbuchs über die Kommanditgesellschaft anwendbar,
so dass nach § 161 Abs. 2, §§ 124, 170 HGB die Komplementäre Vertreter
der Gesellschaft sind. Dies gilt aber nicht, wenn die Gesellschaft gegenüber dem
persönlich haftenden Gesellschafter vertreten werden muss. Nicht anders als bei
der Kommanditgesellschaft auf Aktien mit natürlichen Personen als persönlich
haftenden Gesellschaftern (hierzu BGH, Urteil vom 29. November 2004
II ZR 364/02, ZIP 2005, 348) ist bei der atypischen Kommanditgesellschaft auf
Aktien insoweit der Aufsichtsrat nach § 278 Abs. 3, § 112 Satz 1 AktG zur Vertretung
der Gesellschaft befugt.

(a) Nach dem Wortlaut des § 112 Satz 1 AktG i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG
vertritt der Aufsichtsrat die Kommanditgesellschaft auf Aktien nicht nur gegenüber
persönlich haftenden Gesellschaftern, die natürliche Personen sind. Ersetzt
man das Tatbestandsmerkmal Vorstandsmitglied in § 112 Satz 1 AktG durch persönlich
haftenden Gesellschafter (§ 278 Abs. 3 AktG), erfasst der Anwendungsbereich
des § 112 Satz 1 AktG i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG ohne Weiteres Rechtsgeschäfte
zwischen der Kommanditgesellschaft auf Aktien und ihrer Komplementärgesellschaft.

(b) Sinn und Zweck des § 112 Satz 1 AktG i.V.m. § 278 Abs. 3 AktG sprechen
für die Anwendung der Vorschrift auf Geschäfte der Kommanditgesellschaft
auf Aktien mit ihrer Komplementärgesellschaft.
(aa) § 112 AktG dient der Sicherstellung einer unbefangenen, von sachfremden
Erwägungen unbeeinflussten Vertretung der Gesellschaft und der Verhinderung
von Interessenkollisionen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1988
II ZR 159/87, BGHZ 103, 213, 216; Beschluss vom 17. Januar 2023 - II ZB 6/22,
BGHZ 236, 54 Rn. 49 mwN). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gesellschaft
im Einzelfall nicht auch von dem Vorstand angemessen vertreten werden könnte.
Im Interesse der Rechtssicherheit ist vielmehr auf eine typisierende Betrachtungsweise
abzustellen (BGH, Urteil vom 23. September 1996 II
ZR 126/95, ZIP 1996, 2071 f.; Urteil vom 16. Oktober 2006 - II ZR 7/05, ZIP 2006, 2213 Rn. 5;
Urteil vom 16. Februar 2009 - II ZR 282/07, ZIP 2009, 717 Rn. 7; Urteil vom
15. Januar 2019 - II ZR 392/17, BGHZ 220, 377 Rn. 23; Urteil vom 17. September
2024 - X ZR 39/23, BGHZ 241, 238 Rn. 48). Die dieser gesetzlichen Regelung
zugrundeliegende Gefahr einer Interessenkollision ist ebenso gegeben, wenn
eine Kommanditgesellschaft auf Aktien bei einem Geschäft mit einem ihrer Komplementäre
vertreten werden soll. Auch dann kann es, wie der Senat bereits für
die typische Kommanditgesellschaft auf Aktien entschieden hat, zu einer Vernachlässigung
der Gesellschaftsinteressen kommen (BGH, Urteil vom
29. November 2004 - II ZR 364/02, ZIP 2005, 348 f.).

(bb) Entgegen der Rechtsbeschwerde besteht jene Gefahr der Vernachlässigung
von Gesellschaftsinteressen bei Rechtsgeschäften zwischen der Kommanditgesellschaft
auf Aktien und ihren persönlich haftenden Gesellschaftern
ohne Rücksicht darauf, ob es sich bei diesen um natürliche Personen oder Gesellschaften
handelt.

(aaa) Bei der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien ist die Komplementärgesellschaft
das geborene Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan
(BGH, Beschluss vom 24. Februar 1997 - II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 394).
Diese kann ihre Geschäftsführungs- und Vertretungsfunktion nicht selbst, sondern
nur mittels ihrer Organe wahrnehmen, die wiederum, ohne ihrerseits Organe
der Kommanditgesellschaft auf Aktien zu sein, in deren Organzuständigkeit handeln.
Diese gestufte Vertretungsstruktur ändert nichts daran, dass die Komplementärgesellschaft
als Quasi-Vorstandsmitglied bei Rechtsgeschäften mit der
Kommanditgesellschaft auf Aktien selbst betroffen ist (vgl. auch Habersack
ZIP 2019, 1453, 1456; Bürgers in Bürgers/Fett, KGaA, 3. Aufl., § 5 Rn. 514; aA
Bachmann, AG 2019, 581, 591; Fiebelkorn, ZGR 2020, 782, 792 ff.). Die Komplementärgesellschaft
kann nämlich mit dem Rechtsgeschäft ein eigenes, von
ihren Vertretungsorganen unabhängiges und vor allem mit den Belangen der
Kommanditgesellschaft auf Aktien in Konflikt stehendes Eigeninteresse verfolgen
(vgl. Blath, Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, 2018, S. 405, 409;
Höpfner, NZG 2014, 1174, 1177; aA Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 219 [jeweils
für die GmbH & Co. KG]). Insoweit existieren mit den Interessen der Kommanditgesellschaft
auf Aktien, ihrer Komplementärgesellschaft und deren Organe drei
voneinander zu trennende Interessensphären, aus denen sich jeweils spezifische
Konflikte ergeben können. Könnte die Komplementärgesellschaft bei Rechtsge-
schäften mit der Kommanditgesellschaft auf Aktien auch diese vertreten, bestünde
im Verhältnis zwischen Gesellschaft und persönlich haftender Gesellschafterin
die abstrakte Gefahr einer von sachfremden Eigeninteressen beeinflussten
Vertretung.

(bbb) Auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, bei der vorliegenden Gestaltung
handele es sich um eine von § 112 Satz 1 AktG nicht erfasste Mehrfachvertretung
(hierzu Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 112 Rn. 37; Koch,
AktG, 19. Aufl., § 78 Rn. 6), greift nicht durch. Zwar stellen sich Rechtsgeschäfte
zwischen der Kommanditgesellschaft auf Aktien und ihrer Komplementärgesellschaft
aus Sicht des Organs der Komplementärgesellschaft wertungsmäßig als
eine Mehrfachvertretung im Sinne von § 181 Fall 2 BGB dar (vgl. Bachmann, AG
2019, 581, 591; Fiebelkorn, ZGR 2020, 782, 792 ff.; Habersack ZIP 2019, 1453,
1456). Aus der Perspektive der Komplementärgesellschaft liegt aber gleichzeitig
ein Selbstkontrahieren gemäß § 181 Fall 1 BGB vor, weil die Komplementärgesellschaft
einerseits die Kommanditgesellschaft auf Aktien vertritt und anderseits
für sich selbst handelt (vgl. Blath, Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut,
2018, S. 405, 408 [für die GmbH & Co. KG]). Dass die Komplementärgesellschaft
dabei durch ihre Organe agiert, ändert daran nichts. Für das Eingreifen
des § 112 Satz 1 AktG in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich genügt es
anerkanntermaßen, dass die Rechtsfolgen des Rechtsgeschäfts das Vorstandsmitglied
treffen. Dementsprechend steht es seiner Anwendbarkeit nicht entgegen,
dass sich das Vorstandsmitglied beim Rechtsgeschäft mit der Aktiengesellschaft
durch einen Dritten vertreten lässt (MünchKommAktG/Habersack, 6. Aufl.,
§ 112 Rn. 9; Hopt/Roth in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 112 Rn. 16). Nichts Anderes
kann gelten, wenn die Komplementärgesellschaft als Quasi-Vorstandsmitglied
kraft ihrer Organisationsform darauf angewiesen ist, sich im Rechtsverkehr
durch ihre Organe vertreten zu lassen.

Im Übrigen trifft auch der Ausgangspunkt der Rechtsbeschwerde, § 112
Satz 1 AktG erfasse ausnahmslos Fälle des Selbstkontrahierens iSv § 181 Fall 1
BGB, schon nicht zu. Einem derart formalen Verständnis steht bereits entgegen,
dass § 112 Satz 1 AktG in seinem unmittelbaren Anwendungsbereich nicht nur
diejenigen Vorstandsmitglieder von der Vertretung der Gesellschaft ausschließt,
die an dem Rechtsgeschäft beteiligt sind, sondern den Vorstand insgesamt. Insoweit
geht § 112 Satz 1 AktG über § 181 Fall 1 BGB hinaus (vgl. BGH, Urteil
vom 17. September 2024 - X ZR 39/23, BGHZ 241, 238 Rn. 52). Das Schutzanliegen
des § 112 Satz 1 AktG ist im Übrigen nicht formal auf die Vermeidung des
Selbstkontrahierens im Sinne von § 181 Fall 1 BGB begrenzt. Denn andernfalls
ließe sich nicht erklären, warum § 112 Satz 1 AktG es ausschließt, dass der Vorstand
namens der Aktiengesellschaft mit einer in seinem Alleinbesitz befindlichen
Gesellschaft als deren (organschaftlicher) Vertreter kontrahiert (hierzu BGH,
Urteil vom 15. Januar 2019 - II ZR 392/17, BGHZ 220, 377 Rn. 10 ff.), was unter
den Tatbestand der Mehrfachvertretung im Sinne von § 181 Fall 2 BGB fiele.

(ccc) Eine Anwendung von § 112 Satz 1 AktG scheidet entgegen der Ansicht
der Rechtsbeschwerde auch nicht deswegen aus, weil die Komplementärgesellschaft
mittelbar sämtliche Kommanditaktien der Antragstellerin hält bzw.
dieser aufgrund eines Beherrschungsvertrags Weisungen erteilen kann. Für die
Anwendung von § 112 Satz 1 AktG kommt es im Interesse der Rechtssicherheit
auf eine typisierende Betrachtungsweise an. Die danach erforderliche
- abstrakte - Gefahr eines Interessenkonflikts besteht auch in Konzernsachverhalten.
Dies gilt erst recht, wenn die Komplementärgesellschaft, wie hier, durch
weitere Tochtergesellschaften unternehmerisch tätig ist, mit denen sie den Interessen
der Antragstellerin widersprechende Ziele verfolgen kann.

Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 112 Satz 1 AktG wird die
Aktiengesellschaft auch dann durch den Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand
vertreten, wenn letzterer sämtliche Aktien der Aktiengesellschaft hält bzw. diese
über einen Unternehmensvertrag beherrscht (vgl. nur BeckOGK BGB/Krafka,
Stand 1.1.2025, § 181 Rn. 125; Bachmann, NZG 2001, 961, 965). Im Interesse
der Rechtssicherheit kommt in einer solchen Fallgestaltung eine teleologische
Reduktion von § 112 Satz 1 AktG nicht in Betracht (vgl. allgemein zur restriktiven
Anwendung der teleologischen Reduktion von § 112 AktG BGH, Urteil vom
17. September 2024 - X ZR 39/23, BGHZ 241, 238 Rn. 36 ff.).
Soweit die Rechtsbeschwerde meint, bei einer Zuständigkeit des Aufsichtsrats
liefe dessen Prüfungspflicht (§ 314 AktG) in Bezug auf den von der
persönlich haftenden Gesellschafterin nach § 312 AktG zu erstellenden Abhängigkeitsbericht
ins Leere, weil er so auf Grundlage des Abhängigkeitsberichts
seine eigene Transaktionen prüfen müsste, ist dies unabhängig davon, dass eine
solche Berichtspflicht im Vertragskonzern, wie hier, schon nicht besteht (vgl.
§ 312 Abs. 1 Satz 1 AktG), kein Gesichtspunkt, der gegen die vom Senat vertretene
Ansicht spricht. Denn wäre insoweit nicht der Aufsichtsrat, sondern die Komplementärgesellschaft
zur Vertretung der Kommanditgesellschaft auf Aktien berufen,
müsste die Komplementärgesellschaft (im faktischen Konzern) nach § 312
AktG über Geschäfte Bericht erstatten, an denen sie auf beiden Seiten beteiligt
ist. Bei Zugrundelegung der Rechtsansicht der Rechtsbeschwerde ließe sich der
Schutzzweck der Abhängigkeitsberichterstattung nach §§ 312 ff. AktG jedenfalls
nicht besser erreichen. Denn die Gefahr der nicht unvoreingenommenen Prüfung
des Abhängigkeitsberichts würde in das Stadium der Berichtserstellung vorverlagert.

(ddd) Auch der Einwand der Rechtsbeschwerde, eine Erstreckung
des § 112 Satz 1 AktG auf das Verhältnis zwischen Komplementärgesellschaft
und Kommanditgesellschaft auf Aktien stelle einen übermäßigen Eingriff in das
gesetzliche Kompetenzgefüge dar und weise dem Aufsichtsrat entgegen § 111
Abs. 4 AktG Geschäftsleitungsmaßnahmen zu, gibt keinen Anlass zu einer anderen
Beurteilung. Dieses Ergebnis ist in § 278 Abs. 3, § 112 Satz 1 AktG angelegt
und in Abwägung mit dem Schutzzweck der Norm hinzunehmen (vgl. BGH,
Urteil vom 15. Januar 2019 - II ZR 392/17, BGHZ 220, 377 Rn. 28 [bei der AG]).
Dass die Komplementärgesellschaft gleichzeitig in ihrer Funktion als Konzernobergesellschaft
in vielfachen Rechtsbeziehungen zur Antragstellerin stehen
mag und deren Aufsichtsrat daher über das gewöhnliche Maß hinaus in die Leitung
der Geschäfte eingebunden ist, stellt sich als Folge der von der Antragstellerin
gewählten Unternehmensstruktur dar und rechtfertigt schon im Interesse der
Rechtssicherheit keine Ausnahme von § 278 Abs. 3, § 112 Satz 1 AktG.
Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 24. Februar 1997
(II ZB 11/96, BGHZ 134, 392, 401) festgestellt hat, die Akzeptanz der Gesellschaftsform
der atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien könne der Praxis
überlassen bleiben, folgt daraus entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde
nicht, dass die Ausgestaltung dieser Mischrechtsform frei von rechtlichen Bindungen
allein im Gutdünken ihrer Gesellschafter liege. Vielmehr bezieht sich die
Aussage des Senats darauf, dass ein generelles Verbot dieser Rechtsform einen
unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsrechtlich geschützte privatautonome
Gestaltungsfreiheit und die Vielfalt rechtlich möglicher Assoziationsformen
darstellen würde.

(eee) Die Erwägungen, die den Senat veranlasst haben, § 112 Satz 1
AktG auf die Selbstbestellung des Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft
zum Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft nicht anzuwenden (BGH,
Beschluss vom 17. Januar 2023 - II ZB 6/22, BGHZ 236, 54 Rn. 43 ff.), sind auf
den Streitfall nicht übertragbar. Im Rahmen der Geschäftsführerbestellung begegnen
sich Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft nicht auf der Ebene der
Gesellschaft, sondern in deren Funktion als Alleingesellschafterin der Tochtergesellschaft.
Der spezifische Schutzzweck des § 112 Satz 1 AktG, der Interessenkollisionen
vorbeugen und eine unbefangene, von sachfremden Erwägungen unbeeinflusste
Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern
sicherstellen soll (BGH, Urteil vom 8. Februar 1988 - II ZR 159/87, BGHZ 103,
213, 216; Urteil vom 26. Juni 1995 - II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 111; Urteil
vom 18. September 2018 - II ZR 152/17, BGHZ 219, 356 Rn. 45; Urteil vom
15. Januar 2019 - II ZR 392/17, BGHZ 220, 377 Rn. 23), ist in einer solchen Fallgestaltung
nicht in einem solchen Maß berührt, dass die Anwendung der Norm
geboten erscheint. Anders liegen die Dinge hier. Bei den betroffenen Rechtsgeschäften
zwischen der Antragstellerin und ihrer Komplementärgesellschaft treten
sich die Vertragsparteien auf der Ebene der Gesellschaft gegenüber, also im typischen
Anwendungsbereich von § 112 Satz 1 AktG.

(fff) Die Anwendung des § 112 Satz 1 AktG ist auch nicht deswegen entbehrlich,
weil die Interessen der von der Komplementärgesellschaft vertretenen
atypischen Kommanditgesellschaft auf Aktien ausreichend durch § 181 BGB geschützt
würden. Zwar wird § 181 BGB jedenfalls außerhalb des Anwendungsbereichs
von § 112 AktG nicht verdrängt (BeckOGK AktG/Veil, Stand 1.2.2025,
§ 112 Rn. 4; Möller, Die Beschlussfassung im Recht der Personen- und Kapitalgesellschaften,
2021, S. 214; Wasserbäch, Die Vertretung der Aktiengesellschaft
durch ihren Aufsichtsrat, 2018, S. 132; Bayer/Möller, Festschrift Grunewald,
2021, S. 79, 82; Hermanns, Festschrift E. Vetter, 2019, S. 233, 237 f., 241; Maidl,
DNotZ 2022, 163, 165; Schiller, GWR 2019, 102, 103). Allerdings lassen sich die
vom Senat in der Entscheidung vom 17. Januar 2023 (BGH, Beschluss vom
17. Januar 2023 - II ZB 6/22, BGHZ 236, 54 Rn. 49) angestellten, fallbezogenen
Erwägungen auf den vorliegenden Fall schon deswegen nicht übertragen, weil
es dort, anders als hier, nicht um eine den Wortlaut der Norm einschränkende
(vgl. oben 3. b) aa) (2) (a)), sondern um eine erweiternde Auslegung des § 112
Satz 1 AktG ging.

bb) Die Satzungsregelung ist auch nicht deswegen eintragungsfähig, weil
§ 112 Satz 1 AktG bei einer Kommanditgesellschaft auf Aktien insoweit zur Disposition
der Satzung stünde, als sie eine Verlagerung der Vertretungskompetenz
des Aufsichtsrats auf die persönlich haftende Gesellschafterin gestatten würde.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob und inwieweit der bei der Aktiengesellschaft
aufgrund von § 23 Abs. 5 AktG zwingende § 112 AktG (Koch, AktG, 19. Aufl.,
§ 112 Rn. 1; BeckOGK AktG/Veil, Stand 1.2.2025, § 112 Rn. 4) bei der Kommanditgesellschaft
auf Aktien durch abweichende Satzungsregelungen, nach denen
die Kommanditgesellschaft auf Aktien statt durch den Aufsichtsrat durch einen
Beirat oder ein anderes interessenwahrendes Organ vertreten wird, überlagert
werden kann (ablehnend: Arnold in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl., § 287 AktG
Rn. 3; BeckOGK AktG/Bachmann, Stand 1.2.2025, § 287 Rn. 27;
KK-AktG/Mertens/Cahn, 3. Aufl. § 287 Rn. 21; Sethe in Großkomm. AktG,
5. Aufl., § 287 Rn. 68; zustimmend: Förl/Fett in Bürgers/Lieder, AktG, 6. Aufl.,
§ 287 Rn. 4; MünchKommAktG/Perlitt, 6. Aufl., § 287 Rn. 70; K. Schmidt in
K. Schmidt/Lutter, AktG, 5. Aufl., § 278 Rn. 45; 287, Rn. 20; MünchHdbGesR
IV/Hoffmann-Becking, 6. Aufl., § 75 Rn. 42; Illert/de Vries in Ghassemi-Tabar/
Cordes, Handbuch Vorstand und Aufsichtsrat, 2. Aufl., § 8 B. II. 3. b);
Goette/Arnold AR-HdB/Roßkopf, 2. Aufl., § 9 Rn. 36 f.; Otte, Die AG & Co. KGaA,
2011, S. 138 ff.; Verse in Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats,
7. Aufl., § 18 Rn. 1321 und 1332; Fett/Stütz, NZG 2017, 1121, 1126;
Habersack ZIP 2019, 1453, 1455; vgl. auch OLG München, AG 1996, 86).

Hier steht keine Vertretung durch ein solch interessenwahrendes Ersatzorgan
in Rede, sondern die Vertretung der Antragstellerin gegenüber ihrer geschäftsführungsbefugten
Komplementärgesellschaft durch ebendiese. Insoweit
ist eine Satzungsdispositivität nach nahezu einhelliger Ansicht ausgeschlossen
(aA nur MünchHdbGesR IV/Herfs, 5. Aufl., § 75 Rn. 73; Herfs, AG 2005, 589,
590 ff.).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

07.05.2025

Aktenzeichen:

II ZB 2/24

Rechtsgebiete:

Kommanditgesellschaft (KG)
In-sich-Geschäft
OHG
Aktiengesellschaft (AG)
Konzernrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
KGaA

Normen in Titel:

AktG §§ 112 S. 1, 278 Abs. 2 u. 3