BGH 17. Januar 2023
II ZR 76/21
BGB § 709

GbR; Stimmverbot; Richten in eigener Sache

letzte Aktualisierung: 9.3.2023
BGH, Beschl. v. 17.1.2023 – II ZR 76/21

BGB § 709
GbR; Stimmverbot; Richten in eigener Sache

a) Ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist wegen des Grundsatzes, dass
niemand Richter in eigener Sache sein darf, von der Abstimmung über die Kündigung eines Vertrags
ausgeschlossen, wenn der Beschluss darauf abzielt, das Verhalten des Gesellschafters zu missbilligen.
b) Auch bei der konkludenten Beschlussfassung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist der einem
Stimmverbot unterliegende Gesellschafter an der Willensbildung der Gesellschaft zu beteiligen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Klägers führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung,
soweit die Berufung des Klägers hinsichtlich der Klageanträge 3 und
4 zurückgewiesen worden ist, und zur Zurückweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Die Anschlussrevision der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen.

I. Das Berufungsgericht hat, soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung,
zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Den Klageantrag 3 könne der Kläger als beherrschender Gesellschafter
der F. zwar im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft für die F. geltend
machen. Der zwischen der K. GbR und der F. geschlossene
Lizenzvertrag und die damit vereinbarte Gestattung zum Vertrieb der mit
K. -Bezeichnung versehenen Brillen sei nicht durch die E-Mail des Klägers
vom 12. September 2014, aber mit dem anwaltlichen Schreiben vom
17. September 2014 gekündigt worden. Der Kündigung liege eine wirksame konkludente
Beschlussfassung der K. GbR zugrunde. Für die Beschlussfassung
gebe es im Gesellschaftsvertrag der K. GbR weder im Hinblick auf
die Beschlussfassung an sich noch auf eine Gesellschafterversammlung und deren
Einberufung zu beachtende Förmlichkeiten. Der Kläger habe bei der Beschlussfassung
der Beklagten einem Stimmrechtsausschluss wegen Interessenkollision
unterlegen und habe deshalb nicht beteiligt werden müssen. Jedenfalls
sei der mit der F. geschlossene Lizenzvertrag mit Schreiben der Beklagten
vom 24. Januar 2017 beendet worden.

Den Klageantrag 4 könne der Kläger zwar im Wege der actio pro socio für
die K. GbR geltend machen. Die K. GbR habe indes kein berechtigtes
Interesse an der Feststellung. Selbst wenn man eine unwirksame Kündigung
des Lizenzvertrags unterstelle, sei ein Schaden der K. GbR nicht
ersichtlich. Auf einen Schaden der F. komme es aus Rechtsgründen nicht an,
weil der Kläger mit dem Klageantrag einen der K. GbR entstandenen
Schaden geltend mache.

Über die Anschlussberufung sei nach § 524 Abs. 4 ZPO nicht zu entscheiden.

II. Die Revision des Klägers ist begründet. Die Beurteilung des Berufungsgerichts
hält hinsichtlich der Klageanträge 3 und 4 der revisionsrechtlichen Nachprüfung
nicht in allen Punkten stand.

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wurde der zwischen
der K. GbR und der F. geschlossene Lizenzvertrag nicht mit anwaltlichem
Schreiben vom 17. September 2014 wirksam gekündigt.

a) Das Berufungsgericht hat allerdings ohne Rechtsfehler das anwaltliche
Schreiben vom 17. September 2014 als Kündigungserklärung ausgelegt. Mit diesem
Schreiben haben die Beklagten dem Kläger und der F. im Namen der
K. GbR untersagen lassen, die Marke "K. " zu nutzen und/oder
Brillen oder sonstige Waren unter der Marke "K. " in den Verkehr zu bringen.
Damit sei, so das Berufungsgericht, der Wille der K. GbR darauf
gerichtet gewesen, eine zuvor eingeräumte Gestattung der Markennutzung zu
beenden.

Die tatrichterliche Auslegung einer Individualerklärung kann vom
Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein
anerkannte Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist
oder die Auslegung auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht
(BGH, Urteil vom 9. November 2022 - VIII ZR 272/20, juris Rn. 71 mwN). Einer
an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Auslegung des Schreibens
vom 17. September 2014 durch das Berufungsgericht stand. Die Auslegung des
Berufungsgerichts ist möglich und daher für das Revisionsgericht bindend.

b) Die bisherigen Feststellungen tragen indes nicht die Annahme des Berufungsgerichts,
die mit anwaltlichem Schreiben vom 17. September 2014 im
Namen der K. GbR erklärte Kündigung beruhe auf einer wirksamen Beschlussfassung
ihrer Gesellschafter.

aa) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Beklagten
als Gesellschafter der K. GbR auch konkludent einen Beschluss
über die Kündigung des Lizenzvertrags fassen konnten.
Wenn der Gesellschaftervertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts
eine formale Beschlussfassung nicht vorsieht, kann die zur Beschlussfassung
erforderliche Stimmabgabe grundsätzlich jederzeit und auf beliebige Weise erfolgen,
sei es schriftlich oder mündlich, gleichzeitig oder nacheinander (RGZ 128,
172, 177 f.; RGZ 163, 3 - II ZR 42/89,
ZIP 1990, 505, 507; MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl., § 709 Rn. 72; BeckOK
BGB/Schöne, Stand: 1.5.2022, § 709 Rn. 46; Erman/Westermann, BGB,
16. Aufl., § 709 Rn. 18a). Regelmäßig genügt auch eine durch übereinstimmendes
schlüssiges Verhalten dokumentierte konkludente Willensübereinstimmung
der Gesellschafter (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
BGHZ 232, 375 Rn. 38; MünchKommBGB/Schäfer, 8. Aufl., § 709 Rn. 72;
BeckOK BGB/Schöne, Stand: 1.5.2022, § 709 Rn. 46; Staudinger/Habermeier,
BGB, Neubearb. 2003, § 709 Rn. 16).

bb) Der Beschluss leidet nicht deshalb an einem Mangel, weil der Kläger
an der Beschlussfassung nicht mitgewirkt hat, obwohl der Gesellschaftsvertrag
der K. GbR in Ziffer 3.4 entsprechend der gesetzlichen Regelung in
§ 709 BGB vorsieht, dass Gesellschafterbeschlüsse nur einstimmig gefasst werden
können. Denn der Kläger unterlag bei der Beschlussfassung über die Kündigung
des mit der F. geschlossenen Lizenzvertrags einem Stimmverbot.

(1) Nach § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1 GmbHG unterliegt der Gesellschafter
einer GmbH bei einer Beschlussfassung, welche die Vornahme eines Rechtsgeschäfts
der Gesellschaft mit ihm betrifft, einem Stimmverbot. Ob diese Fallgestaltung
auch in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, für die das Gesetz eine solche
Regelung nicht enthält, in Analogie zu § 34 BGB, § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 1
GmbHG oder unter Berücksichtigung der Wertung des § 181 BGB zu einem
Stimmverbot des am Rechtsgeschäft beteiligten Gesellschafters führt, hat der
Senat bislang offengelassen (BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09,
ZIP 2012, 917 Rn. 30). Die Frage muss auch hier nicht entschieden werden.

(2) Ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist wegen
des Grundsatzes, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, von der Abstimmung
über die Kündigung eines Vertrags ausgeschlossen, wenn der Beschluss
darauf abzielt, das Verhalten des Gesellschafters zu missbilligen.

Bei Beschlussfassungen der Gesellschafter über die Entlastung eines Gesellschafters,
die Einleitung eines Rechtsstreits oder die außergerichtliche Geltendmachung
von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter sowie die Befreiung
eines Gesellschafters von einer Verbindlichkeit unterliegt der betroffene Gesellschafter
auch im Personengesellschaftsrecht einem Stimmverbot. Dem liegt der
allgemein geltende Grundsatz (vgl. § 712 Abs. 1, §§ 715, 737 Satz 2 BGB; § 34
BGB, § 47 Abs. 4 Satz 1 Fall 1 GmbHG und § 47 Abs. 4 Satz 2 Fall 2 GmbHG,
§ 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG) zugrunde, dass niemand Richter
in eigener Sache sein darf (BGH, Urteil vom 9. Mai 1974 - II ZR 84/72, NJW 1974,
1555, 1556; Urteil vom 4. November 1982 - II ZR 210/81, WM 1983, 60; Urteil
vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 16; Urteil vom
11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024 Rn. 26; ebenso bereits
RGZ 136, 236, 245; RGZ 162, 370, 372 f.).

Das Stimmrecht ist allerdings nicht schon dann ausgeschlossen, wenn
sich der Gesellschafter in einem irgendwie gearteten Konflikt zwischen seinen
außergesellschaftlichen Interessen und denen der Gesellschaft befindet. Eine
solche Lösung ginge auf Kosten der Rechtssicherheit und könnte ein sachgerechtes
Zusammenwirken der Gesellschafter entsprechend dem Gewicht ihrer
Beteiligungen in Frage stellen (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85,
BGHZ 97, 28, 33; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018, 2024
Rn. 26). Als Richter in eigener Sache ist der Gesellschafter einer GmbH nach
§ 47 Abs. 2 Satz 1 GmbHG von der Abstimmung ausgeschlossen, wenn es um
seine Entlastung, also die Billigung oder Missbilligung seiner Geschäftsführung
geht. Das an diesen Fall einer Interessenkollision geknüpfte Stimmverbot ist über
den Gesetzeswortlaut hinaus für alle Gesellschafterbeschlüsse verallgemeinerungsfähig,
die darauf abzielen, das Verhalten eines Gesellschafters zu billigen
oder zu missbilligen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 1974 - II ZR 84/72, NJW 1974,
1555, 1556; Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33; Urteil
vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 19; Urteil vom 4. April
2017 - II ZR 77/16, ZIP 2017, 1065 Rn. 10; Urteil vom 20. November 2018
- II ZR 12/17, BGHZ 220, 207 Rn. 54).

(3) Nach diesen Maßstäben unterlag der Kläger bei der Beschlussfassung
über die Kündigung des mit der F. geschlossenen Lizenzvertrags einem
Stimmverbot, denn in der Kündigung liegt zugleich eine persönliche Missbilligung
des Klägers.

Dem Kündigungsschreiben vom 17. September 2014, auf das das Berufungsgericht
Bezug nimmt, lässt sich der Vorwurf entnehmen, dass der Kläger
und die F. massiv gegen die der K. GbR zustehenden Markenrechte
verstoßen haben sollen, indem sie wider besseren Wissens behauptet haben,
Brillen unter der Bezeichnung "K. " in den Verkehr bringen zu dürfen.

Auch ergibt sich aus dem Kündigungsschreiben, dass der Kläger bzw. die F.
aus dem für die K. GbR produzierten Warenbestand Brillen in erheblichem
Umfang nachproduziert und abgezweigt und damit einen Parallelbetrieb
eröffnet haben sollen. Die Kündigung wird danach auf Pflichtverletzungen gestützt,
die der Kläger persönlich und in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer
der F. gegenüber der Gesellschaft begangen haben soll. Damit zielt der Beschluss
darauf ab, das Verhalten des Klägers zu missbilligen und durch den Entzug
der mit dem Lizenzvertrag der F. eingeräumten Nutzungsrechte zu sanktionieren.
Diese Sanktion richtete sich bei wirtschaftlicher Betrachtung auch gegen
den Kläger selbst, weil dieser unmittelbar oder mittelbar nahezu sämtliche
Anteile an der F. hielt.

cc) Nicht frei von Rechtsfehlern ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts,
der Kläger habe wegen des bestehenden Stimmverbots an der Beschlussfassung
nicht beteiligt werden müssen.

Auch bei der konkludenten Beschlussfassung einer Gesellschaft bürgerlichen
Rechts ist der einem Stimmverbot unterliegende Gesellschafter an der Willensbildung
der Gesellschaft zu beteiligen. Der von der Stimmabgabe ausgeschlossene
Gesellschafter soll kraft seiner Mitgliedschaft bei der Beschlussfassung
in einer Versammlung die Möglichkeit haben, seine Ansicht über die zur
Beratung oder Abstimmung anstehenden Tagungsordnungspunkte darzulegen
und Einwendungen geltend zu machen (BGH, Urteil vom 12. Juli 1971
- II ZR 127/69, WM 1971, 1150 f.; Urteil vom 13. Februar 2006 - II ZR 200/04,
ZIP 2006, 707 Rn. 13). Zudem soll er die Möglichkeit haben, darüber zu wachen,
ob alle nach Gesetz und Satzung zur Beschlussfassung notwendigen Förmlichkeiten
eingehalten werden (BGH, Urteil vom 12. Juli 1971 - II ZR 127/69,
NJW 1971, 2225; Urteil vom 28. Januar 1985 - II ZR 79/84, WM 1985, 567, 568).

Der letztgenannte Gedanke mag bei zulässiger konkludenter Beschlussfassung
in den Hintergrund treten, weil diese keinen Förmlichkeiten unterliegt.
Gleichwohl muss der von der Abstimmung ausgeschlossene Gesellschafter auch
in diesem Fall die Willensbildung der Gesellschaft nachvollziehen können und
die Möglichkeit haben, auf die Meinungsbildung der anderen Gesellschafter Einfluss
zu nehmen.

dd) Das Berufungsgericht hat von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig
keine Feststellungen dazu getroffen, ob gemessen an diesen Grundsätzen bei
der konkludenten Beschlussfassung der Beklagten über die Kündigung des mit
der F. geschlossenen Lizenzvertrags der Kläger die Möglichkeit hatte, seine
Ansicht über den zu fassenden Kündigungsbeschluss darzulegen, Einwendungen
geltend zu machen und das Verfahren der Willensbildung nachzuvollziehen.

c) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich in diesem Punkt
auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Mit der Erwägung,
die der F. eingeräumte Gestattung zum Vertrieb mit "K. "-Bezeichnung
versehener Brillen sei seitens der K. GbR jedenfalls mit dem
Schreiben der Beklagten vom 24. Januar 2017 beendet worden, kann die vollständige
Abweisung des Klageantrags 3, soweit er vom Kläger weiterverfolgt
wurde, nicht begründet werden.

aa) Die revisionsrechtlich in vollem Umfang nachprüfbare Auslegung des
Klageantrags darf, wie allgemein im Prozessrecht, nicht am buchstäblichen Sinn
des Ausdrucks haften, sondern hat den wirklichen Willen der Partei zu erforschen.
Dabei ist der Grundsatz zu beachten, dass im Zweifel dasjenige gewollt
ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen
Interessenlage entspricht. Nur wenn sich das Rechtsschutzziel des
Klägers auch durch die gebotene Auslegung nicht eindeutig ermitteln lässt, gehen
die verbleibenden Unklarheiten zu seinen Lasten (vgl. BGH, Urteil vom
12. Dezember 2014 - V ZR 53/14, NZM 2015, 218 Rn. 9 mwN; Urteil vom
15. November 2019 - V ZR 9/19, WuM 2020, 235 Rn. 6).

bb) Mit dem Klageantrag 3 begehrt der Kläger neben der Feststellung,
dass der zwischen der K. GbR und der F. geschlossene Lizenzvertrag
über die Nutzung der Marke "K. " nicht durch die Kündigung des Klägers
vom 12. September 2014 beendet wurde zudem die Feststellung, dass der
Vertrag ungekündigt fortbesteht. Nach seiner Auffassung folgerichtig hat das
Landgericht daher dem Antrag teilweise stattgegeben und festgestellt, dass der
Lizenzvertrag nicht durch die Kündigung des Klägers vom 12. September 2014
beendet worden sei. Das Landgericht hat, was die begehrte Feststellung der Fortdauer
des Vertrags anbelangt, die Klage im Übrigen abgewiesen, weil der Lizenzvertrag
durch das anwaltliche Schreiben vom 17. September 2014 beendet worden
sei. Würde dieser Ausspruch in Rechtskraft erwachsen, stünde zwischen den
Parteien fest, dass der Lizenzvertrag nicht ungekündigt fortbesteht, weil er mit
Schreiben vom 17. September 2014 gekündigt wurde. Denn der Umfang der
Rechtskraft eines Urteils ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zwar in erster Linie der Urteilsformel zu entnehmen. Reicht die Urteilsformel allein
nicht aus, den Umfang der Rechtskraft zu bestimmen, sind zur Auslegung der
Urteilsformel der Tatbestand und die Entscheidungsgründe, erforderlichenfalls
auch das Parteivorbringen, heranzuziehen (BGH, Urteil vom 14. Februar 2008
- I ZR 135/05, NJW 2008, 2716, 2717 - Schmiermittel; Urteil vom 24. Juli 2014
- I ZR 27/13, GRUR 2015, 269 Rn. 19 - K-Theory; BGH, Urteil vom 28. Mai 2020
- I ZR 7/16, NJW 2020, 2540 Rn. 21 - Cookie-Einwilligung II).
Das Berufungsbegehren des Klägers, die für ihn nachteilige Feststellung
zu beseitigen, der Vertrag sei mit Schreiben vom 17. September 2014 beendet
worden, kann nicht mit der Begründung zurückgewiesen werden, der Vertrag sei
mit Schreiben vom 24. Januar 2017 beendet worden. Rechtsschutzziel des Klägers
ist, schon im Hinblick auf von der Vertragsdauer abhängigen Sekundäransprüchen,
nicht nur die Feststellung, dass der Lizenzvertrag ungekündigt fortbesteht,
sondern auch bis wann. Die Berufung des Klägers wäre daher teilweise
erfolgreich, wenn der Lizenzvertrag nicht im September 2014, sondern erst im
Januar 2017 beendet worden wäre.

2. Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Annahme des Berufungsgerichts,
der im Wege der actio pro socio für die K. GbR geltend gemachte
Klageantrag 4 habe keinen Erfolg. Dem Antrag, festzustellen, dass die Beklagten
als Gesamtschuldner der K. GbR "wegen der unwirksamen Kündigung
des Lizenzvertrages ... vom 12. September 2014" entstandenen Schadens dem
Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet seien, kann nicht das Feststellungsinteresse
abgesprochen werden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein rechtliches
Interesse an einer alsbaldigen Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens
eines Rechtsverhältnisses im Sinne des § 256 ZPO gegeben, wenn dem
Recht oder der Rechtsposition eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht
und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen. Eine solche
Gefahr besteht in der Regel schon dann, wenn der Beklagte das Recht des Klägers
ernstlich bestreitet (BGH, Urteil vom 22. Januar 2019 - II ZR 59/18, ZIP 2019,
414 Rn. 12 mwN). Da die Beklagten Schadensersatzansprüche in Abrede stellen,
ist das Rechtsschutzinteresse des Klägers gegeben.

b) Das Feststellungsinteresse lässt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
im Hinblick auf etwaige, von der Revision angeführte Regress-
ansprüche der F. gegen die K. GbR nicht mit der Begründung verneinen,
bei einem Schadensersatzanspruch der K. GbR komme es auf
einen Schaden der F. bereits aus Rechtsgründen nicht an.
Soweit der Antrag unklar sein sollte, weil er ausdrücklich auf eine "unwirksame
Kündigung des Lizenzvertrags vom 12. September 2014" abstellt, es sich
hierbei aber um eine E-Mail des Klägers handelt, hat das Berufungsgericht auf
eine sachdienliche Antragstellung hinzuwirken, § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO.

III. Die Anschlussrevision der Beklagten, mit der sie die Aufhebung des
Berufungsurteils erreichen wollen, soweit die Anschlussberufung der Beklagten
nach § 522 Abs. 2, § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung verloren hat, ist unzulässig.
Die Feststellung der Wirkungslosigkeit einer Anschlussberufung (§ 524
Abs. 4 ZPO) unterliegt nicht der Anfechtung, wenn sie sich darauf beschränkt,
eine kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge deklaratorisch auszusprechen (vgl.
BGH, Beschluss vom 22. Mai 1984 - III ZB 9/84, NJW 1986, 852; Beschluss vom
12. Oktober 1989 - VII ZB 4/89, BGHZ 109, 41, 46; Urteil vom 14. Mai 1998
- III ZR 182/97, BGHZ 139, 12, 15; Beschluss vom 6. Juli 2000 - VII ZB 29/99,
NJW 2000, 3215; Beschluss vom 29. März 2011 - VIII ZB 25/10, NJW 2011, 1455
Rn. 6). Etwas anderes hat zwar zu gelten, wenn der Ausspruch über die Feststellung
der Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung erfolgt ist, obwohl die gesetzlichen
Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, so dass ihm konstitutive Wirkung
zukommt (BGH, Beschluss vom 12. Oktober 1989 - VII ZB 4/89, BGHZ 109,
41, 46; Beschluss vom 29. März 2011 - VIII ZB 25/10, NJW 2011, 1455 Rn. 6).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich und die Revision macht auch
nicht geltend, dass der Ausspruch des Berufungsgerichts über die Feststellung
der Wirkungslosigkeit der Anschlussberufung auf der Verkennung der gesetzlichen
Voraussetzungen beruht. Der Rechtsschutz der Beklagten wird durch die
Verwerfung ihres Rechtsmittels auch nicht verkürzt, denn durch die Zurückverweisung
der Sache an das Berufungsgericht lebt die Anschlussberufung der Beklagten
wieder auf.

IV. Die Sache ist zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 562 Abs. 1,
§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

17.01.2023

Aktenzeichen:

II ZR 76/21

Rechtsgebiete:

Genossenschaft
Verein
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
In-sich-Geschäft
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB § 709