Ermittlungspflichten des Notars bei Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses hinsichtlich fiktivem Nachlass
letzte Aktualisierung: 27.8.2024
OLG Hamm, Beschl. v. 21.12.2023 – 5 W 94/23
Ermittlungspflichten des Notars bei Errichtung eines notariellen Nachlassverzeichnisses
hinsichtlich fiktivem Nachlass
Zu den Ermittlungspflichten des Notars zum fiktiven Nachlass bei titulierter Verpflichtung des Schuldners
zur Angabe aller lebzeitigen unentgeltlichen oder teilunentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers
innerhalb von zehn Jahren vor dessen Todestag gehört die Einsichtnahme in die vollständigen Kontounterlagen
bzw. Kontoauszüge des Erblassers.
(Leitsätze der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Der Gläubiger macht gegen die Schuldnerin vor dem Landgericht Bochum im Wege der
Stufenklage Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des am ~.#.2018 verstorbenen Herrn F.
B., der von der Schuldnerin allein beerbt wurde, geltend.
Mit Anerkenntnisteilurteil vom 15.09.2021 wurde die Schuldnerin durch das Landgericht
Bochum entsprechend dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Tenor verurteilt.
Mit Beschluss des Landgerichts Bochum vom 17.03.2022 wurde gegen die Schuldnerin
zur Vollstreckung der titulierten Pflicht zur Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses
ein Zwangsgeld in Höhe von 500 € festgesetzt. Die dagegen eingelegte Beschwerde blieb
ohne Erfolg. Das Zwangsgeld wurde seitens der Schuldnerin gezahlt.
Der von der Schuldnerin beauftragte Notar I. R. mit dem Amtssitz in G. errichtete unter
dem 24.01.2023 ein notarielles Nachlassverzeichnis zu dessen Darstellung auf die zur
Akte gereichte Abschrift (Bl. 482-497 e.A. LG) verwiesen wird.
Der Gläubiger trägt vor, durch das Nachlassverzeichnis vom 24.01.2023 sei der titulierte
Anspruch nicht erfüllt.
Einige Passagen des Nachlassverzeichnisses seien nicht übersichtlich und in sich
verständlich. In dem Verzeichnis würden die Aktiva nicht hinreichend von den Passiva bzw.
dem fiktiven Nachlass getrennt und es seien Aktiva aufgeführt, die zum Stichtag nicht
mehr im Vermögen des Erblassers vorhanden gewesen seien. So seien auf S. 4 des
Verzeichnisses als Aktiva Lebensversicherungen aufgeführt, die tatsächlich dem fiktiven
Nachlass zuzuordnen seien bzw. eine Lebensversicherung die zum Stichtag nicht mehr
bestanden habe.
Das Verzeichnis genüge nicht der Vorgabe, alle lebzeitigen unentgeltlichen oder
teilunentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn Jahren vor dessen
Todestag anzugeben. Es fehlten Angaben zu den Konten des Erblassers betreffend den
Zeitraum 2008 bis 2010. Die Angabe des Notars, er habe die Konten des Erblassers im
Rahmen eigener Ermittlungen erst ab dem 01.02.2012 gesichtet, passe nicht dazu, dass
als mögliche ausgleichspflichtige Schenkung eine Transaktion auf dem Konto Nr. N01 vom
29.07.2011 angegeben sei. Aus diesem Grund sei die Angabe, es seien Kontounterlagen
erst ab dem 01.02.2012 gesichtet worden, ernsthaft zu bezweifeln. Ggf. habe der Notar
angeben müssen, dass die Position vom 29.07.2011 ausschließlich auf Angaben der
Auskunftsschuldnerin beruhe. Gleiches gelte, soweit bezüglich des Kontos Nr. N02
Zahlungsvorgänge aus dem Jahre 2011 erfasst worden seien.
Aufgrund der Verurteilung unbefristet Auskunft zu erteilen u.a. über Zuwendungen an den
Ehegatten, habe es dem Notar oblegen, von der Erbin sämtliche noch im Nachlass
vorhandenen Kontoauszüge, und zwar auch über den Zeitraum von 10 Jahren hinaus,
anzufordern, was offensichtlich nicht erfolgt sei. Im Übrigen entbinde allein der Ablauf der
gesetzlichen Aufbewahrungsfristen eine Bank nicht davon, dem Erben Kontoauszüge
vorzuenthalten, wenn die Bank die zur Auskunftserteilung benötigten Unterlagen über den
Fristablauf hinaus aufbewahrt habe.
Der Erblasser habe offensichtlich für eine seiner Tochter D. Q. lebzeitig übertragene
Immobilie die diesbezüglichen laufenden Kosten wie Grundsteuer, Versicherungsbeiträge
etc. getragen, ohne dass diese als fiktive Schenkungen auf S. 12 oben des Verzeichnisses
näher spezifiziert worden wären.
Die Angabe des Notars, im Ergebnis ließen sich den Umsatzübersichten zum Konto N03
keine Anhaltspunkte entnehmen, die Anlass böten anzunehmen, die Angaben der Erbin,
der restliche Kaufpreis aus dem Verkauf von Immobilien sei zum Bestreiten des
Lebensunterhalts genutzt worden, könne nicht zutreffen, halte einer einfachen
Plausibilitätsberechnung nicht stand. Dem unbefangenen Leser könne sich der Eindruck
aufdrängen, die Einsichtnahme in die Kontoauszüge sei nicht in dem vom Gesetz
geschuldeten Umfang vorgenommen worden. Die Angabe in dem Verzeichnis, die
monatlich regelmäßigen Geldeingänge des Erblassers und seiner Ehefrau seien geringer
gewesen als die Ausgaben, sei kaum zu glauben, da der Erblasser und seine Ehefrau
stets ein bescheidenes Leben geführt hätten.
Der Gläubiger hat beantragt,
gegen die Schuldnerin erneut ein Zwangsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des
Gerichts gestellt wird, festzusetzen.
Die Schuldnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat vorgetragen, der titulierte Anspruch sei erfüllt.
Dass die Konten erst ab dem 01.02.2012 eingesehen worden seien liege letztendlich darin
begründet, dass die Volksbank keine weiteren Kontoauszüge habe zur Verfügung stellen
können.
Der Notar habe die Konten hinreichend auf Anhaltspunkte für Schenkungen überprüft und
das Ergebnis seiner Ermittlung plausibel und vollständig dargestellt. Auf mehr habe der
Gläubiger keinen Anspruch.
Im Übrigen scheitere ein weiterer Auskunftsanspruch daran, dass ihr, der Schuldnerin, ein
Leistungsverweigerungsrecht aus § 2328 BGB zustehe und Ansprüche des Gläubigers
gegen die Beschenkte aus
Auskunftsanspruchs sei, dass auch der Hauptanspruch noch bestehen könne.
Mit Beschluss vom 04.10.2023 hat das Landgericht Bochum den Antrag des Gläubigers
vom 20.06.2023 mit der Begründung zurückgewiesen, der titulierte Anspruch sei erfüllt.
Gegen diesen Beschluss hat der Gläubiger fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt,
mit der er seinen Vollstreckungsantrag weiterverfolgt.
Er trägt ergänzend vor, das Nachlassverzeichnis enthalte nicht die erforderliche
Schlusserklärung des Notars.
Bezüglich des Lebensversicherungsvertrags Nr. N04 sei der Erblasser
Versicherungsnehmer gewesen. Nach seinem Tod sei der Vertrag auf seine Ehefrau
umgeschrieben und die Lebensversicherungssumme im September 2019 an diese
ausgezahlt worden. Der mathematische Wert der Lebensversicherung im Zeitpunkt des
Todes des Erblassers falle somit in den Nachlass, sei im Nachlassverzeichnis indessen
nicht angegeben.
Der Notar habe es unterlassen, die Verfügungen zusammenzustellen, die einen
bestimmten Betrag überstiegen und möglicherweise Schenkungen darstellen könnten. Die
Angaben des Notars zu erfolgten Bargeldabhebungen seien unzureichend. Auch könnten
schon Beträge von 100,00 € bzw. 200,00 € durchaus pflichtteilsrelevante Schenkungen
darstellen.
Mit Beschluss vom 10.11.2023 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und
die Sache dem Oberlandesgericht Hamm als Beschwerdegericht zur Entscheidung
vorgelegt. Durch die Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 24.01.2023 sei
Erfüllung eingetreten. Soweit der Gläubiger vortrage, dass der Notar seiner
Ermittlungspflicht nicht nachgekommen sei, verfange dies nicht, denn der Notar entscheide
unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nach eigenem Ermessen, welche
Ermittlungen er vornehme. Der Einwand des Gläubigers, dass Angaben zu
Lebensversicherungen unzutreffend verortet seien, vermöge die Erfüllungstauglichkeit
nicht entfallen zu lassen. Dass das Nachlassverzeichnis bezüglich der
Lebensversicherungen keine Rückkaufwerte ausweise, könne die Erfüllung ebenfalls nicht
in Frage stellen. Dieses Defizit könne auch im Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen
Versicherung beseitigt werden. Bezüglich des Einwands, die Kontobewegungen seien nur
für einen unzureichenden Zeitraum geprüft worden, sei zu berücksichtigen, dass die
Volksbank Umsatzübersichten für Zeiten vor dem 01.01.2011 nicht mehr habe zur
Verfügung stellen können.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen für die beantragte Verhängung eines weiteren Zwangsgeldes liegen
vor.
1.
Bei der titulierten Verpflichtung der Schuldnerin zur Auskunftserteilung über den Bestand
des Nachlasses durch Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses handelt es sich
um eine unvertretbare Handlung, die nach
Zwangshaft zu vollstrecken ist (BGH
2.
Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung liegen vor.
Die vollstreckbare Ausfertigung des Anerkenntnisteilurteils wurde bereits mit Schriftsatz
vom 18.11.2021 zur Akte gereicht (Bl. 174 ff. e.A. LG).
3.
Der titulierte Anspruch ist – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht durch die
Vorlage des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 24.01.2023 gem.
erfüllt worden.
Insoweit bedarf es der Abgrenzung zwischen einem unvollständigen Verzeichnis (ohne
Erfüllungswirkung) und einem fehlerhaften bzw. falschen Verzeichnis (mit
Erfüllungswirkung) (Schönenberg-Wessel, Anm. zu BGH
BeckOGK/Blum/Heuser, 1.5.2023,
Der dem Anspruch zugrundeliegende
ermöglichen, sich die notwendigen Kenntnisse zur Bemessung seines
Pflichtteilsanspruchs zu verschaffen. Hierbei soll ein notarielles Nachlassverzeichnis eine
größere Gewähr für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft als das private
Verzeichnis des Erben bieten. Dementsprechend muss der Notar den Bestand des
Nachlasses selbst und eigenständig ermitteln und durch Bestätigung des
Bestandsverzeichnisses als von ihm aufgenommen zum Ausdruck bringen, dass er den
Inhalt verantwortet. Der Notar ist in der Ausgestaltung des Verfahrens weitgehend frei. Er
muss zunächst von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Allerdings darf er
sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung
durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen.
Dabei hat er diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage
des Gläubigers für erforderlich halten würde (BGH
Liegt – wie hier – ein notarielles Nachlassverzeichnis vor, so kann der
Pflichtteilsberechtigte zwar grundsätzlich nicht dessen Berichtigung oder Ergänzung
verlangen. Vielmehr ist er in diesem Fall, soweit die Voraussetzungen des § 260 Abs. 2
BGB vorliegen, auf den Weg der eidesstattlichen Versicherung verwiesen. Von diesem
Grundsatz sind allerdings verschiedene Ausnahmen anerkannt. So kann ein Anspruch auf
Ergänzung bzw. Berichtigung eines Nachlassverzeichnisses bestehen, wenn in diesem
eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines
Rechtsirrtums des Pflichtigen – nicht aufgeführt ist, wenn Angaben über den fiktiven
Nachlass oder Schenkungen fehlen, wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des
Verpflichteten entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht
verschafft hat oder wenn sich ein Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben
ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt (BGH a.a.O., Rn. 10, beck-online). Eine
ergänzungsbedürftige Unvollständigkeit, die einer Erfüllung des Anspruchs entgegensteht,
kann auch dann vorliegen, wenn mangels Mitwirkung des Auskunftsschuldners
umfassende Angaben über die Geschäftsbeziehung zu einer bestimmten Bank fehlen
(BGH a.a.O., Rn. 11).
Ausgehend von diesen Maßstäben kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden,
dass der titulierte Anspruch bereits erfüllt ist.
a.
Soweit der Gläubiger allerdings rügt, das Verzeichnis genüge in einigen Passagen schon
nicht den an ein Bestandsverzeichnis im Sinne von
Anforderungen, etwa weil unter Ziffer II.3.a. als Aktiva Lebensversicherungen angegeben
seien, die zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr bestanden oder allein den fiktiven
Nachlass berührten, begründen diese (vereinzelten) Unrichtigkeiten noch keinen Anspruch
auf eine Neuerstellung oder Ergänzung des Verzeichnisses.
b.
Dem Nachlassverzeichnis fehlt – entgegen dem Vortrag des Gläubigers – auch nicht die
erforderliche „Schlusserklärung“ des Notars, denn oberhalb der Unterschrift des Notars
heißt es in dem Verzeichnis: „Für die Vollständigkeit und Richtigkeit“. Damit hat der Notar –
wie erforderlich – zum Ausdruck gebracht, dass das Verzeichnis von ihm aufgenommen
wurde und er den Inhalt verantwortet.
c.
Unvollständig und ergänzungsbedürftig ist das Nachlassverzeichnis jedoch bezüglich der
Angaben zum fiktiven Nachlass.
Gemäß dem Anerkenntnisteilurteil vom 15.09.2021 sind in dem Verzeichnis alle lebzeitigen
unentgeltlichen oder teilunentgeltlichen Zuwendungen des Erblassers innerhalb von zehn
Jahren vor dessen Todestag anzugeben (
Schenkungen, gemischte Schenkungen, unbenannte Zuwendungen unter Ehegatten usw.
Diese Angaben sind u.a. dann unabhängig von einer Frist zu erteilen, wenn der Erblasser
seinen Ehegatten begünstigt hat.
aa.
Insoweit beanstandet der Gläubiger zu Recht, dass sich aus dem Nachlassverzeichnis
keine hinreichenden Ermittlungen zu Zuwendungen innerhalb von zehn Jahren vor dem
Todestag des Erblassers ergeben.
Ausgehend von dem Maßstab, dass der Notar diejenigen Ermittlungen durchzuführen hat,
die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde, gehört zu
der Ermittlung von Zuwendungen, dass der Notar Einsicht in die vollständigen
Kontounterlagen bzw. Kontoauszüge des Erblassers nimmt (vgl. etwa: OLG Hamm ZEV
2021, 576 Rn. 10, beck-online m.w.Nw.; Münchener Anwaltshandbuch (2024) ErbR, § 29
Pflichtteilsrecht Rn. 367, beck-online).
Eine Einsicht von Kontounterlagen ist dem Nachlassverzeichnis indessen nur für den
Zeitraum ab dem 01.01.2011 zu entnehmen (S. 11 des Nachlassverzeichnisses; soweit auf
S. 8 angegeben ist, es seien die Umsätze für die Zeit ab dem 01.02.2012 gesichtet
worden, bezieht sich dies allein auf die Überprüfung des Verbleibs des Erlöses aus dem
Verkauf der Immobilien A.-straße 00 und 0).
Da aus dem Nachlassverzeichnis nicht ersichtlich ist, dass der Notar die Angaben der
Schuldnerin zu Zuwendungen im Zeitraum vor dem 01.01.2011 anderweitig überprüft
hätte, beschränkt sich das Verzeichnis insoweit auf die Wiedergabe der Bekundung der
Schuldnerin, ihr würden keine weiteren Zuwendungen des Verstorbenen einfallen bzw.
Schenkungen, die über die gewöhnlichen Gelegenheitsgeschenke hinausgingen, seien ihr
nicht erinnerlich, was für die Erfüllung des Anspruchs nicht ausreicht.
Dass gemäß den Angaben im Nachlassverzeichnis Übersichten aus früherer Zeit von der
Volksbank nicht mehr zur Verfügung gestellt werden konnten, begründet kein anderes
Ergebnis, denn daraus folgt nicht, dass der Notar Kontoauszüge aus früherer Zeit nicht
anderweitig, insbesondere von der auskunftspflichtigen Schuldnerin, hätte erlangen
können. Dass auch die Schuldnerin keinen Zugriff auf ältere Kontounterlagen mehr hätte
oder dass der Notar die Schuldnerin erfolglos zur Herausgabe von älteren
Kontounterlagen aufgefordert hätte, ist dem Nachlassverzeichnis nicht zu entnehmen.
Vielmehr heißt es auf S. 2 des Verzeichnisses, der Bevollmächtigte der Erbin habe die vom
Notar schriftlich erbetenen weiteren und ergänzenden Informationen / Unterlagen zur
Verfügung gestellt; Kontounterlagen aus der Zeit vor dem 01.01.2011 wurden mithin -
ausgehend vom Inhalt des Nachlassverzeichnisses - nicht angefordert.
bb.
Entsprechendes gilt, soweit – wegen
Auskunft über Zuwendungen an den Ehegatten zu erteilen ist.
Jedenfalls dann, wenn Angaben zu Zuwendungen an den Ehegatten ohne zeitliche
Befristung ausdrücklich verlangt werden bzw. – wie vorliegend – der Anspruch
entsprechend tituliert ist, kann die Ermittlungspflicht des Notars nicht auf einen 10-Jahers-
Zeitraum beschränkt werden. Unabhängig davon, ob es zwingend bzw. immer geboten ist,
dass der Notar – soweit noch möglich – die Kontoauszüge für den gesamten Zeitraum
sichtet, während dessen die Ehe bestand (vgl.: LG Bielefeld Teilurteil v. 30.9.2020 – 3 O
21/20,
Staudinger/Herzog (2021)
Nachlassverzeichnis jedenfalls keine Gründe zu entnehmen, aus denen davon hätte
abgesehen werden können. Aus dem Verzeichnis ergibt sich lediglich, dass ältere
Übersichten von der Volksbank nicht mehr hätten zur Verfügung gestellt werden können.
Es ist anhand des Verzeichnisses schon unklar, inwiefern Zuwendungen außerhalb des
10-Jahres-Zeitraum überhaupt in Betracht gezogen wurden und zumindest die Schuldnerin
ausdrücklich nach solchen befragt wurde. Erst recht fehlt es an Ermittlungen seitens des
Notars, die über die Wiedergabe der Auskunft der Schuldnerin hinausgehen.
d.
Unvollständig ist das Nachlassverzeichnis auch betreffend die dargestellten
Lebensversicherungen.
Insofern ist zunächst zu beanstanden, dass anhand der Angaben in dem
Nachlassverzeichnis die Relevanz der Versicherungen für den Pflichtteil des Gläubigers
nicht eindeutig zu beurteilen ist.
Zu den Versicherungen LV N05 und LV N06 ist jeweils angegeben, es sei nach dem Tod
des Erblassers eine Zahlung „auf das Konto der versicherten Person, Frau D. Q.“ erfolgt.
Dass Frau D. Q., die Tochter des Erblassers, die versicherte Person war – d.h. die Person,
auf die sich das versicherte Risiko bezieht (BeckOK VVG/Binz, 21. Ed. 1.11.2023, VVG §
150 Rn. 19) – dürfte indessen unzutreffend sein, denn offenbar ist diese nicht verstorben.
Stellt es sich tatsächlich so dar, dass die versicherte Person der Erblasser war und Frau D.
Q. die Bezugsberechtigte, kommen – je nachdem, ob es sich um ein widerrufliches oder
unwiderrufliches Bezugsrecht handelte (vgl. dazu im Einzelnen: Schönenberg-Wessel
Rückkaufswert der Lebensversicherung im Zeitpunkt des Erbfalls oder (bei einem
unwiderruflichen Bezugsrecht) die seitens des Erblassers gezahlten Versicherungsprämien
einschließlich eines bei Einräumung des unwiderruflichen Bezugsrechts bereits
vorhandenen Rückkaufswertes der Versicherung in Betracht. Zu beiden
Berechnungsgrößen finden sich in dem Nachlassverzeichnis keine Angaben.
Hinsichtlich der dritten zum Zeitpunkt des Erbfalls noch vorhandenen Lebensversicherung
(LV N04), die nach dem Erbfall auf die Schuldnerin umgeschrieben und dann im
September 2019 in Höhe von 17.386,23 € zur Auszahlung gekommen sein soll, weist der
Gläubiger zu Recht darauf hin, dass es an einer auf den maßgeblichen Stichtag
bezogenen Wertangabe fehlt.
Auch bezüglich dieser Unvollständigkeiten ist es nicht ausreichend, den Gläubiger auf
einen Anspruch aus
fehlenden Angaben; eine eidesstattliche Versicherung ist – entgegen der Auffassung des
Landgerichts – nicht geeignet, hier Abhilfe zu schaffen.
e.
Für nicht durchgreifend erachtet der Senat demgegenüber die Beanstandung, der
Erblasser habe offensichtlich für die der Tochter lebzeitig übertragene Immobilie Y.-straße
000 die diesbezüglichen laufenden Kosten wie Grundsteuer, Versicherungsbeiträge etc.
getragen, ohne dass diese als Schenkungen auf S. 12 oben des Verzeichnisses näher
spezifiziert worden wären.
Aus den Angaben in dem Verzeichnis, insbesondere auf S. 12 oben, ergibt sich nicht, dass
Kosten für die Immobilie noch nach der Übertragung des Eigentums von dem Konto des
Erblassers abgeführt wurden. Das Verzeichnis enthält insoweit eine formal vollständige
Darstellung der etwaig von dem Konto erfolgten Zuwendungen, deren Richtigkeit bzw.
tatsächliche Vollständigkeit ggf. Gegenstand einer eidesstattlichen Versicherung sein kann.
f.
Auch den Einwand, der Notar habe den Verbleib der Einnahmen aus den Verkäufen der
Immobilien A.-straße 00 und 0 nicht hinreichend ermittelt, erachtet der Senat für
unbegründet.
Der Notar hat festgestellt, dass der nach Abzug noch offener Verbindlichkeiten verbliebene
Kaufpreis in Höhe von 170.190,05 € auf dem Konto Nr. N03 am 21.03.2012 eingegangen
sei und er hat die Kontoauszüge für die Zeit ab dem 01.02.2012 gesichtet, um den
Verbleib des Kaufpreises zu ergründen. Im Ergebnis hat er dazu ausgeführt, den
Umsatzübersichten zum Konto N03 ließen sich keine Anhaltspunkte entnehmen, die einen
Anlass für die Annahme gäben, die Angaben der Erbin, der restliche Kaufpreis sei zum
Bestreiten des Lebensunterhalts genutzt worden, könnte nicht zutreffen. Die diesbezüglich
in dem Nachlassverzeichnis gegebene Begründung erachtet der Senat zur Erfüllung des
titulierten Anspruchs für ausreichend.
Der Einwand, das Ergebnis des Notars passe nicht zu dem bescheidenen Lebensstil des
Erblassers und der Erbin, ist unbehilflich. Der Notar muss in dem Nachlassverzeichnis den
realen und den fiktiven Nachlass darstellen, nicht jedoch, welche Ausgaben der Erblasser
zu Lebzeiten getätigt hat. Es besteht auch keine Verpflichtung, zu Lebzeiten des
Erblassers erfolgte Bargeldabhebungen darzustellen, wenn diese nicht – was der Notar
vorliegend verneint hat – auf eine Zuwendung / Schenkung hindeuten. Diejenigen
Transaktionen, bei denen es sich nach Einschätzung des Notars um Zuwendungen bzw.
Schenkungen gehandelt haben könnte, sind in dem Nachlassverzeichnis dargestellt. Dass
der Notar dabei einen prinzipiell fehlerhaften Maßstab angelegt hätte, etwa, dass er sich
auf Transaktionen beschränkt hätte, die ausdrücklich als „Schenkung“ bezeichnet waren
(vgl. den Fall des OLG Köln,
Auch insoweit ist der Gläubiger auf den Anspruch aus
4.
Der Vollstreckung steht nicht entgegen, dass dem Gläubiger - wie die Schuldnerin meint -
gem. § 2328 BGB kein durchsetzbarer Pflichtteilsergänzungsanspruch zustünde und
Ansprüche gegen Beschenkte aus
Unabhängig davon, ob die Schuldnerin mit diesem Einwand prinzipiell im
Vollstreckungsverfahren gehört werden kann, leitet sich der Auskunftsanspruch nicht von
einem bestehenden Pflichtteilsanspruch, sondern von dem Pflichtteilsrecht ab (BeckOGK/
Blum/Heuser, 1.5.2023,
Feststellung eines etwaigen Pflichtteilsanspruchs bzw. Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
5.
Unter Berücksichtigung der gegebenen Unvollständigkeiten des Verzeichnisses, die
tatsächlich eine Ergänzung erfordern, erachtet der Senat ein nochmaliges Zwangsgeld in
Höhe von 500 Euro für erforderlich aber auch ausreichend um die Schuldnerin zur
Erfüllung der titulierten Pflicht anzuhalten.
Da sich die Schuldnerin einer Erfüllung des titulierten Anspruchs nicht grundsätzlich
verweigert hat und im Einzelnen – wie auch die Entscheidung des Landgerichts zeigt –
Unsicherheiten bezüglich der Frage bestehen, wann der titulierte Anspruch erfüllt ist,
erwartet der Senat, dass die Schuldnerin aufgrund des so bemessenen Zwangsgeldes die
erforderlichen Ergänzungen des Nachlassverzeichnisses veranlassen wird.
III.
Die Entscheidung über die Kosten des Zwangsgeldantrags und der Beschwerde beruht
jeweils auf
Gerichts gestellten – Zwangsgeldes uneingeschränkt zulässig und begründet war, besteht
keine Veranlassung, den Gläubiger teilweise mit Kosten zu belasten. Durch die Vorlage
des unvollständigen Nachlassverzeichnisses wurde der titulierte, antragsgemäß zu
vollstreckende Anspruch nicht etwa teilweise erfüllt (vgl.: BGH Urteil v. 22.10.2014 – XII ZB
385/13,
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:21.12.2023
Aktenzeichen:5 W 94/23
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Pflichtteil
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB § 2314