Kammergericht 17. April 2020
1 W 262/19
GBO §§ 13, 19, 22, 23

Sterbeurkunde als Nachweis des Erlöschens einer auf Lebenszeit befristeten Reallast

letzte Aktualisierung: 21.4.2021
KG, Beschl. v. 17.4.2020 – 1 W 262/19

GBO §§ 13, 19, 22, 23
Sterbeurkunde als Nachweis des Erlöschens einer auf Lebenszeit befristeten Reallast

Zum Nachweis des Erlöschens einer subjektiv-persönlichen Reallast kann die Vorlage der
Sterbeurkunde des Berechtigten genügen, wenn eine Befristung der Belastung – auf die Lebenszeit
des Berechtigten – im Grundbuch zwar selbst nicht vermerkt ist, sich durch Auslegung der
Eintragungsbewilligung aber ergibt, dass die Reallast ein Leibrentenversprechen dinglich sichern
sollte.

Gründe

I.
Ursprünglich war – soweit hier von Interesse – die am 25. September 1901 geborene A H
als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Sie veräußerte am 20. Dezember 1965 einen
hälftigen Miteigentumsanteil an ihren Ehemann F... H..., den sie am 8. Juli 1965 geheiratet
hatte. Die zur UR-Nr. 2... /1... des Notars G... A... in B... erklärte Auflassung wurde am 26.
April 1966 im Grundbuch vollzogen. Die Eheleute bewilligten zugleich für den jeweils
anderen einen Nießbrauch an ihrem hälftigen Miteigentumsanteil, was in Abt. II lfd. Nr. 4
und 5 gebucht wurde.

Am 20. März 1972 erwarb F... H... auch den seiner Ehefrau verbliebenen hälftigen
Miteigentumsanteil – UR-Nr. 4... 1... des Notars A... P... in B... . U.a. heißt es in der
Urkunde wörtlich:

“§ 2

Als Kaufpreis verpflichtet sich der Erschienene zu 1) an die Erschienene zu 2), die jetzt 71
Jahre alt ist, ab 1. April 1972 eine monatliche Rente von 400,-- DM ( in Worten:
Vierhundert Deutsche Mark) zu zahlen.

Die Rente ist für den Unterhalt der Verkäuferin bestimmt. Zugrunde gelegt ist der jetzige
Stand der Lebenshaltungskosten, für die der Preisindex für die Lebenshaltung maßgebend
ist, der vom statistischen Bundesamt jeweils festgesetzt wird.

(…)
§ 3

Die Genehmigung der Landeszentralbank nach § 3 des Währungsgesetzes wird von beiden
Vertragsschließenden hiermit beantragt.

Der Käufer unterwirft sich wegen der Rente von monatlich 400,-- DM der sofortigen
Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Der Erschienene zu 1) beantragt die
Eintragung der Rente als Reallast auf den Gesamtgrundstück zugunsten der Erschienenen
zu 2).”

Am 30. August 1972 wurde die zur UR-Nr. 4... /1... erklärte Auflassung im Grundbuch
vollzogen und zugleich zugunsten der Veräußerin in Abt. II lfd. Nr. 6 eine Reallast sowie
unter lfd. Nr. 7 ein unter § 7 der Urkunde bewilligter Nießbrauch eingetragen.

A... H... verstarb am 5. Februar 1975. Auf Antrag des F... H... wurden die in Abt. II lfd.
Nr. 4, 5 und 7 gebuchten Nießbrauchsrechte am 12. Mai 1975 gelöscht.

Am 19. Januar 1976 wurde die Beteiligte an Stelle ihres am 11. Oktober 1975 verstorbenen
Vaters F... H... als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Zur UR-Nr.... 3... /2... des Notars C... K... in B... hat die Beteiligte u.a. die Löschung der in
Abt. II lfd. Nummer 6 des Grundbuchs eingetragenen Reallast bewilligt und beantragt. Der
Urkundsnotar hat die Urkunde mit Schriftsatz vom 25. Juli 2019 zum Vollzug bei dem
Grundbuchamt eingereicht. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 29. Juli 2019 unter
Fristsetzung darauf hingewiesen, dass es zur Löschung der Reallast der Vorlage einer
Löschungsbewilligung der Erben der Berechtigten unter Nachweis der Erbfolge bedürfe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 14. Oktober 2019, der das Grundbuchamt mit
Beschluss vom 16. Oktober 2019 nicht abgeholfen hat.

II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Insbesondere ist die Beteiligte
beschwerdeberechtigt. Die Löschung eines eingetragenen Rechts setzt regelmäßig einen
darauf gerichteten Antrag voraus, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 46,
Rdn. 6). Im Antragsverfahren deckt sich die Beschwerdeberechtigung mit dem Antragsrecht
(Demharter, a.a.O., § 71 Rdn. 63). Bei Erlass einer Zwischenverfügung ist deshalb derjenige
beschwerdeberechtigt, der den Antrag hätte stellen können. Antragsberechtigt ist jeder,
dessen Recht von der Eintragung betroffen wird oder zu dessen Gunsten die Eintragung
erfolgen soll, § 13 Abs. 1 S. 2 GBO. Das ist hier die Beteiligte, deren Eigentum an dem
Grundstück durch die in Abt. II lfd. Nr. 6 gebuchte Reallast beschränkt wird.

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die angefochtene Zwischenverfügung ist
nicht nach § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO veranlasst, weil das von dem Grundbuchamt
aufgezeigte Eintragungshindernis nicht besteht.

a) Die Eintragung eines Löschungsvermerks erfordert neben einem darauf gerichteten
Antrag, § 13 GBO, die Bewilligung desjenigen, dessen Recht von der Löschung betroffen
ist, § 19 GBO. Da die Berechtigte der zur Löschung beantragten Reallast verstorben ist,
müsste die Löschungsbewilligung von ihren Rechtsnachfolgern erklärt worden sein. Hier
hat die Beteiligte die Bewilligung erklärt, hingegen nicht in genügender Form nachgewiesen,
Rechtsnachfolgerin der Berechtigten zu sein. Das wäre dann der Fall, wenn ihr Vater
alleiniger Erbe seiner Ehefrau geworden war. Zwar hat die Beteiligte dies so vortragen
lassen, hingegen kann diese – gesetzliche - Erbfolge nur durch einen Erbschein
nachgewiesen werden, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO. Ein solcher Erbschein liegt nicht vor.

b) Zur Berichtigung des Grundbuchs bedarf es der (Löschungs-)Bewilligung hingegen nicht,
wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen wird, § 22 Abs. 1 S. 1 GBO. Dieser Nachweis, für den
die Form des § 29 GBO gilt, liegt in Bezug auf das Erlöschen der in Abt. III lfd. Nr. 6 des
Grundbuchs eingetragenen Reallast vor.

aa) Zur Belastung eines Grundstücks mit einer Reallast, § 1105 BGB, ist die Einigung des
Eigentümers und des anderen Teils über den Eintritt der Rechtsänderung und die
Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlich, § 873 Abs. 1 BGB. Bei der
Eintragung kann zur näheren Bezeichnung des Inhalts der Reallast auf die
Eintragungsbewilligung Bezug genommen werden, § 874 BGB.

Nach weit verbreiteter Meinung muss die Tatsache, dass ein Recht befristet oder bedingt ist,
als solche aus dem Grundbuch selbst ersichtlich sein, weil die Befristung oder Bedingung
nicht zum Inhalt des Rechts gehört (OLG München, FamRZ 2013, 733; OLG Hamm,
NZM 2012, 318, 319; FGPrax 2011, 10, 11; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl.,
Rdn. 266, 1306a; Demharter, a.a.O., § 44, Rdn. 20; Palandt/Bassenge, BGB, 79. Aufl.,
§ 874, Rdn. 5). Der Eintragungsvermerk in Abt. III lfd. Nr. 6 des Grundbuchs verhält sich
weder zu einer Befristung noch zu einer Bedingung. Dort ist lediglich die Reallast als solche
mit dem Hinweis “Geldrente” sowie die Berechtigte bezeichnet. Ein Hinweis, dass die
Reallast lediglich auf die Lebenszeit der Berechtigten beschränkt sein sollte, ist dem
Eintragungsvermerk selbst nicht zu entnehmen. Ansonsten wird dort auf die
Eintragungsbewilligung vom 20. März 1972 verwiesen.

bb) Ein fehlender Hinweis auf eine Befristung oder Bedingung des Rechts im
Eintragungsvermerk schließt hingegen nicht aus, dass materiell-rechtlich doch nur ein solch
beschränktes Recht entstanden ist (BGH, FGPrax 2011, 163, 164; OLG München,
MittBayNot 2017, 248, 249; C. Heinze, in: Staudinger, BGB, 2018, § 874, Rdn. 27). Im
Verfahren auf Löschung der Reallast gem. § 22 Abs. 1 GBO muss sich die Befristung dann
aber wenigstens aus der im Eintragungsvermerk in Bezug genommenen
Eintragungsbewilligung ergeben (OLG Hamm, NZM 2012, 318, 319). Das ist hier der Fall.

Die Bewilligung ist vorliegend zu § 3 der UR-Nr. 4... /1... erklärt worden. Von einer
Befristung der Reallast ist dort nicht ausdrücklich die Rede. Gleichwohl ist der Erklärung
mit der im Grundbuchverfahren erforderlichen Sicherheit durch Auslegung, § 133 BGB, ein
auf die Lebenszeit der Gläubigerin beschränktes Recht zu entnehmen.

Im Grundbuchverfahren kann im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und das
Erfordernis urkundlich belegter Eintragungsgrundlagen eine Auslegung nur erfolgen, wenn
sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn
der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende
Bedeutung ergibt. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen nur insoweit
herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, NJW-RR
2015, 645, 646; NJW 1995, 1081,1082, Schöner/Stöber, a.a.O., Rdn. 172; Demharter, a.a.O.,
§ 19, Rdn. 28). Ist die in dem Eintragungsvermerk im Grundbuch in Bezug genommene
Eintragungsbewilligung in einer notariellen Urkunde enthalten, können zur Auslegung der
Eintragung nur die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen herangezogen werden, die
durch zulässige Bezugnahme zum Grundbuchinhalt geworden sind (Demharter, a.a.O.
m.w.N.).

Im Grundbuch eingetragen ist eine subjektiv-persönliche Reallast, § 1111 BGB, denn die
Berechtigung hieraus hängt nicht von dem Eigentum an einem Grundstück ab, vgl. § 1110
BGB. Berechtigte war die verstorbene A... H... . Die subjektiv-persönliche Reallast ist
grundsätzlich vererblich (Grziwotz, in: Erman, BGB, 15. Aufl., § 1111, Rdn. 4), sie kann
aber auch auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt werden (OLG Düsseldorf,
OLGreport 2003, 1; Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., §§ 23, 24, Rdn. 9; Wilsch, in:
Hügel, GBO, 4. Aufl., § 23, Rdn. 21). Das ist etwa der Fall, wenn die Reallast –
ausschließlich - eine Leibrente, § 759 BGB, sichern soll. Die Leibrente ist ein einheitlich
nutzbares Recht, das dem Berechtigten für die Lebensdauer eines Menschen eingeräumt ist
und dessen Erträge aus fortlaufend wiederkehrenden gleichmäßigen Leistungen in Geld
oder vertretbaren Sachen bestehen (BGH, Urteil vom 13. März 1980 – III ZR 179/78 –
juris; Urteil vom 16. Dezember 1965 – II ZR 274/63 – juris; RGZ 67, 204, 208).

Eine solche Leibrente ist der Berechtigten der Reallast Abt. II lfd. Nr. 6 zur URNr.
48/1972 als Gegenleistung für die Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an
dem Grundstück versprochen worden. Dagegen spricht nicht, dass in der Bewilligung in § 3
Abs. 2 S. 2 der UR-Nr. 4... /1... lediglich von “der Rente” die Rede ist. Dieser Begriff wird
in der Bewilligung vorausgesetzt und knüpft an die im vorherigen Satz behandelte “Rente
von monatlich 400,-- DM” an, die ihrerseits in § 2 der Urkunde inhaltlich bestimmt worden
ist. Danach verpflichtete sich der Erwerber des Miteigentumsanteils, der Verkäuferin als
Kaufpreis eine monatliche Rente von 400,-- DM zu zahlen, die für deren Unterhalt
bestimmt und wertgesichert sein sollte.

Nach der Verkehrsauffassung (hierzu: BGH, Urteil vom 13. März 1980 – III ZR 179/78 –,
juris) ist dies als Leibrentenversprechen zu werden. Die Veräußerung eines Grundstücks zur
Sicherung einer lebenslangen Versorgung bildet gerade einen Hauptanwendungsfall eines
Leibrentenversprechens (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; Krauß, Immobilienkaufverträge in
der Praxis, 8. Aufl., Rdn. 1481; Holland, in: Würzburger Notarhandbuch, 5. Aufl., Teil 2
Kap. 6, Rdn. 75ff; Herrler, in: Beck'sches Notar-Handbuch, 7. Aufl., Kapitel 1 § 5,
Rdn. 413ff).

Bei der Regelung, dass die Rente für den Unterhalt der Verkäuferin bestimmt sei, handelt es
sich entgegen dem Grundbuchamt nicht lediglich um ein Motiv der Vertragsparteien,
sondern dies bildet ein Element des Leibrentenversprechens, mit dem die Beschränkung des
Bezugs auf die Lebenszeit der Berechtigten zum Ausdruck kommt. Daran ändert die
Bestimmung der Rente als “Unterhalt” nichts. Dass die Eheleute damit einen –
familienrechtlichen - Unterhaltsanspruchs der Berechtigten gegenüber ihrem Ehemann
hätten regeln wollen, ist nicht ersichtlich. Es fehlt bereits jeder Bezug zu den tatsächlichen
Verhältnissen der Eheleute (hierzu: OLG Koblenz, OLGZ 1978, 245, 247). Im Gegenteil
sollte “die Rente” von ihren Verhältnissen gerade nicht abhängig, sondern pauschal indiziert
sein.

cc) Entgegen der angefochtenen Zwischenverfügung ist eine Bewilligung der
Rechtsnachfolger der Berechtigten auch nicht im Hinblick auf § 23 Abs. 1 S. 1 HS 1 GBO
erforderlich. Danach darf ein Recht, das auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkt ist
und bei dem Rückstände von Leistungen nicht ausgeschlossen sind, nach dessen Tod nur
mit Bewilligung des Rechtsnachfolgers gelöscht werden, wenn die Löschung vor dem
Ablauf eines Jahres nach dem Tod des Berechtigten erfolgen soll oder wenn der
Rechtsnachfolger der Löschung bei dem Grundbuchamt widersprochen hat.

Die Berechtigte ist vor mehr als einem Jahr verstorben und Rechtsnachfolger haben der
Löschung gegenüber dem Grundbuchamt nicht widersprochen. In den Grundakten
befindet sich keine Urkunde (zur Form vgl. Demharter, a.a.O., § 23, Rdn. 21), die einen
solchen Widerspruch enthielte, das Grundbuch enthält keine entsprechende Eintragung,
vgl. § 23 Abs. 1 S. 1 HS 2 GBO. Dann aber genügt zur Löschung der Nachweis des Todes
des Berechtigten (Demharter, a.a.O., § 23, Rdn. 15). In der Grundakte befindet sich die
beglaubigte Abschrift der Sterbeurkunde des Standesamts Zehlendorf von Berlin vom
7. Februar 1975, wonach die Berechtigte am 5. Februar 1975 verstorben ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

17.04.2020

Aktenzeichen:

1 W 262/19

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Reallast

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 964-966

Normen in Titel:

GBO §§ 13, 19, 22, 23