OLG Saarbrücken 19. Mai 2023
5 W 12/23
BGB § 1093

Zulässiger Inhalt eines dinglichen Wohnungsrechts: Kosten der Versicherung und Grundsteuer

letzte Aktualisierung: 27.7.2023
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 19.5.2023 – 5 W 12/23

BGB § 1093
Zulässiger Inhalt eines dinglichen Wohnungsrechts: Kosten der Versicherung und
Grundsteuer

Ein als beschränkte persönliche Dienstbarkeit vereinbartes Wohnungsrecht kann nicht mit dem
Inhalt bestellt werden, dass der Wohnungsberechtigte – auch – mit dinglicher Wirkung dazu
verpflichtet sein soll, die anfallenden Kosten der Versicherungen sowie die Grundsteuer zu tragen.
Gründe

I.
Der Antragsteller zu 1) ist als Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Flur
1, Flurstück ..., S. in P., in das Grundbuch von H. eingetragen. Bei dem Antragsteller zu 2)
handelt es sich um den Sohn des Antragstellers zu 1). Durch notarielle Urkunde vom
6. Dezember 2022 des Notariats ... (Urk.-Nr. 1976/2022 J, Bl. 22 GA) übertrug der Antragsteller
zu 1) dem Antragsteller zu 2) das eingangs bezeichnete Grundstück zu Alleineigentum. Als
Gegenleistung wurde dem Antragsteller zu 1) und dessen – vor dem Notar ebenfalls
anwesenden – Ehefrau ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht
unter Ausschluss des jeweiligen Eigentümers sowohl für das Wohnhaus als auch für das
unbebaute Grundstück bewilligt. Des Weiteren sieht der notarielle Vertrag vor:

„(…) Die berechtigte Person trägt die Kosten für Strom, Wasser, Gas und Heizung, für
Müllabfuhr-, Straßenreinigungs- und Kaminkehrergebühren, die für den gesamten
Vertragsgegenstand anfallenden Versicherungen, die Grundsteuer, die sonstigen laufenden
Hauskosten sowie den gewöhnlichen Erhaltungsaufwand. (…)“

Mit Antrag vom 6. Dezember 2022 begehrten die Antragsteller die Eigentumsumschreibung, die
Eintragung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts sowie die Eintragung einer im notariellen
Vertrag ebenfalls vorgesehenen Rückübereignungsvormerkung (Bl. 21 GA). Mit Verfügung vom
12. Dezember 2022 sowie angegangener Zwischenverfügung 16. Januar 2023 (Bl. 39 GA) lehnte
das Grundbuchamt die Eintragung des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts mit der
Begründung ab, dieses könne nicht mit dem Inhalt bestellt werden, dass der
Wohnungsberechtigte die auf den Vertragsgegenstand anfallenden Versicherungen und die
Grundsteuer zu tragen habe. Eine solche Regelung sei nur schuldrechtlich, nicht aber dinglich
möglich.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsteller hat dagegen mit Schriftsatz vom 19. Januar
2023 (Bl. 44 GA) bei dem Saarländischen Oberlandesgericht Beschwerde eingelegt.

II.
Der Senat hat davon abgesehen, das unmittelbar bei ihm als Beschwerdegericht eingelegte
Rechtsmittel dem Grundbuchamt vorab zur Durchführung des Abhilfeverfahrens nach § 75
GBO zuzuleiten, sondern im Beschleunigungsinteresse von seiner Befugnis Gebrauch gemacht,
in der Sache sogleich selbst zu entscheiden (vgl. Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt,
Beschluss vom 6. November 2013 – 12 Wx 26/13, FGPrax 2014, 56; OLG Köln, Beschluss
vom 3. Januar 2011 – I-2 Wx 197/10, FGPrax 2011, 172 m.w.N.).

Die gemäß §§ 71 ff. GBO zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des
Grundbuchamts vom 16. Januar 2023 (§ 18 Abs. 1 GBO) ist aus den zutreffenden Gründen der
angefochtenen Entscheidung, auf die der Senat vorab zur Vermeidung von Wiederholungen
Bezug nimmt und die durch das Beschwerdevorbringen nicht ausgeräumt werden, unbegründet.

1.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet allein das vom Grundbuchamt angenommene
Eintragungshindernis, auf das sich die angefochtene Zwischenverfügung bezieht. Insoweit ist
das Grundbuchamt zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Verpflichtung der
Wohnungsberechtigten, die auf den Vertragsgegenstand entfallende Versicherung und
Grundsteuer zu tragen, nicht zum Inhalt des dinglichen Wohnungsrechts gemacht werden kann.

a)
Der Inhalt einer beschränkten persönlichen Dienstbarkeit in der Form des Wohnungsrechts
gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB ist durch die Verweisung in § 1090 Abs. 2 BGB auf bestimmte
Vorschriften der Grunddienstbarkeit und durch weitere Verweisung in § 1093 Abs. 1 Satz 2
BGB auf Vorschriften des Nießbrauchsrechts gekennzeichnet. Dieser Inhalt kann grundsätzlich
nicht durch Vertrag abweichend bestimmt werden, weil auf dem Gebiet des Sachenrechts die
Gestaltungsfreiheit weitgehend ausgeschlossen ist. Das Gesetz bestimmt nicht nur die Zahl der
dinglichen Rechte abschließend, sondern schreibt auch ihren Inhalt zwingend vor (BayObLG,
Beschluss vom 29. Juli 1988 – BReg. 2 Z 76/88, NJW-RR 1989, 14; BayObLG, Beschluss vom
18. Juni 1980 – BReg. 2 Z 28/80, MDR 1980, 385).

Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Abweichende Vereinbarungen über den
Inhalt eines dinglichen Rechts sind dann nicht nur mit schuldrechtlicher, sondern auch mit
dinglicher Wirkung möglich, wenn entweder das Gesetz selbst die Abänderbarkeit vorsieht oder
zulässt oder wenn bei einer Änderung des Inhalts eines Rechts nicht gegen tragende und
zwingende Grundprinzipien verstoßen wird, die das Recht prägen (BayObLG, jeweils a.a.O.).
Hieraus folgt dann die Eintragungsfähigkeit der entsprechenden Vereinbarung im Grundbuch
(BayOblG, Beschluss vom 18. Juli 1980, a.a.O.).

b)
Diese Grundsätze gelten auch für das im Streit stehende dingliche Wohnungsrecht des § 1093
BGB. Dies bedeutet, dass der Inhalt des Wohnungsrechts im Einzelnen durch Vereinbarung der
Parteien auch mit dinglicher Wirkung (und damit im Grundbuch eintragungsfähig) insoweit
geregelt werden kann, als das Wesen dieser dinglichen Belastung nicht geändert und nicht gegen
als zwingend anzusehende gesetzliche Vorschriften (insbesondere hinsichtlich der
Wesensmerkmale der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit, der grundsätzlichen
Nichtübertragbarkeit des Wohnungsrechts sowie des Ausschlusses des Eigentümers) verstoßen
wird (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 18. Juni 1980 a.a.O.).

Soweit vorliegend das Wohnungsrecht jedoch mit dinglicher Wirkung dahingehend vereinbart
wurde, dass die Wohnungsberechtigten – auch – die für den Vertragsgegenstand anfallenden
Kosten der Versicherungen sowie die Grundsteuer zu tragen haben, verstößt diese Regelung
gegen als zwingend anzusehende gesetzliche Vorschriften.

Hauptinhalt des Wohnungsrechts ist die Nutzung des Gebäudes oder eines Teils davon als
Wohnung. Diese Nutzung ist grundsätzlich unentgeltlich (BayObLG, jeweils a.a.O.). Bei der
Verweisung in § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB auf einzelne Vorschriften über das Nießbrauchsrecht
fehlt eine Verweisung sowohl auf § 1045 BGB als auch auf § 1047 BGB. Den
Wohnungsrechtsinhaber trifft danach zwar die Unterhaltungspflicht aus § 1041 BGB, nicht aber
die Versicherungspflicht aus § 1045 BGB und nicht die Lastentragungspflicht aus § 1047 BGB
(vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. April 1997 – 15 W 334/96 –, Rn. 13, juris).

§ 1045 Abs. 1 BGB regelt die Pflicht des Nießbrauchers, die Sache für die Dauer seines
Nießbrauchs auf seine Kosten zu versichern. Dementsprechend bestimmt § 1047 BGB, dass der
Nießbraucher grundsätzlich die öffentlichen und privatrechtlichen Grundstückslasten zu tragen
hat. Zu den ersteren gehören Abgabeverpflichtungen, die auf dem öffentlichen Recht beruhen,
durch wiederkehrende oder einmalige Geldleistungen zu erfüllen sind und nicht nur die
persönliche Haftung des Schuldners voraussetzen, sondern auch die dingliche Haftung des
Grundstücks (BGH, Urteil vom 22. Mai 1981 – V ZR 69/80; NJW 1981, 2127). Öffentliche
Last in diesem Sinne ist danach auch die Grundsteuer (vgl. § 436 Abs. 2 BGB, Staudinger/
Matusche-Beckmann, BGB § 436, Rn. 14).

Demgegenüber hat der Wohnungsberechtigte nach der gesetzlichen Ausgestaltung des
Wohnungsrechts – in Ermangelung einer Verweisung in § 1093 Abs. 1 Satz 2 BGB auf §§ 1045,
1047 BGB – im Gegensatz zum Nießbraucher weder diese Grundstückslasten noch die Kosten
der Versicherung zu tragen. Durch die Bestimmung in der Bestellungsurkunde jedoch, wonach
die Wohnungsberechtigten sowohl die Kosten der anfallenden Versicherungen als auch die
Grundsteuer zu tragen haben, wird von dieser gesetzlichen Ausgestaltung des Wohnungsrechts
abgewichen. Die Bestimmung stellt sich ihrem Wesen nach damit als Vereinbarung eines
Entgelts dar. Eine solche ist zwar mit schuldrechtlicher Wirkung zulässig; zum dinglichen Inhalt
des Wohnungsrechts kann sie aber nicht gemacht werden (BayOblG, Beschluss vom 29. Juli
1988, a.a.O. siehe auch; BGH, Urteil vom 10.Mai 1968 – V ZR 221/64, BeckRS 1968,
31172089; Riedel/Volmer/Wilsch (vormals Schöner/ Stöber) Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020,
Rn. 1252; Staudinger/Reymann (2017) BGB § 1093, Rn. 47; a.A. LG Gießen, Beschluss vom 10.
Januar 1986 – 7 T 6/86; Rpfleger 1986, 174, LG Traunstein, Beschluss vom 1. Juli 1986 – 4 T
1210/86, Rpfleger 1986, 365). Denn damit würde von der Unentgeltlichkeit als einem tragenden
Grundsatz des Wohnungsrechts abgewichen.

2.
Die gegenteilige Auffassung lässt sich auch aus den Gründen des von den Antragstellern
vorgelegten Beschlusses des Landgerichts Saarbrücken vom 15. September 2003 – 5 T 408/03
(Bl. 30 GA) nicht begründen.

In Abweichung von der hier in Streit stehenden notariellen Vereinbarung über das
Wohnungsrecht ging es im dort zu entscheidenden Fall nicht um die Übernahme öffentlicher
oder privater Lasten im Sinne des § 1047 BGB bzw. der Versicherungskosten im Sinne des
§ 1045 BGB, sondern vielmehr um die Übernahme von Verbrauchs- bzw. Betriebskosten durch
den Wohnungsberechtigten. Ebenso stellt sich die Situation in dem durch das Oberlandesgericht
Nürnberg entschiedenen Fall (Beschluss vom 6. Oktober 2020 – 15 W 2130/20, NZM 2021,
327) dar, auf welchen die Beschwerde Bezug nimmt. Auch dort waren nach der notariellen
Vereinbarung die Verbrauchskosten streitgegenständlich, die zudem nicht von dem
Wohnungsberechtigten, sondern vielmehr von dem zukünftigen Eigentümer des Grundstücks
zu tragen waren.

Bei den Verbrauchskosten handelt es sich indes nicht um auf der Sache ruhende Lasten im
Sinne des § 1047 BGB; vielmehr hat der Wohnungsberechtigte – ebenso wie der Nießbraucher –
die verbrauchsabhängigen Kosten als Aufwendungen in eigener Sache zu tragen (OLG
München, Hinweisbeschluss vom 23. August 2022 – 8 U 1186/22, BeckRS 2022, 35529;
MüKoBGB/Pohlmann, 8. Aufl. 2020, BGB § 1047 Rn. 5; Staudinger/Heinze (2017) BGB
§ 1047, Rn. 3, 9). Einer entsprechenden Regelung mit dinglicher Wirkung steht daher der
gesetzliche Grundgedanke des Wohnungsrechts nicht entgegen.

3.
Einer ausdrücklichen Kostenentscheidung bedurfte es im Hinblick auf die gesetzlich geregelte
Kostenfolge (§ 22 Abs. 1 GNotKG) nicht.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf den §§ 52 Abs. 1, Abs. 4
Satz 1, Abs. 4 Satz 2, 61 GNotKG und orientiert sich an dem in der notariellen Urkunde
erwähnten Jahreswert. Dieser war im Hinblick auf das im notariellen Vertrag angegebene
Lebensalter des jüngsten Wohnungsberechtigten von 70 Jahren (Bl. 23R GA) mit 10 Jahren zu
multiplizieren (§ 52 Abs. 4 Satz 2, Satz 1 GNotKG).

Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen (§ 78 Abs. 2
Satz 1 GBO) nicht zuzulassen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Saarbrücken

Erscheinungsdatum:

19.05.2023

Aktenzeichen:

5 W 12/23

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Kaufvertrag
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Normen in Titel:

BGB § 1093