OLG Hamm 23. Juli 2019
25 W 146/19
FamFG §§ 80, 81, 84, 85; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1 u. 2

Außergerichtliche Kosten bei Zurückweisung des Erbscheinsantrags

letzte Aktualisierung: 13.12.2019
OLG Hamm, Beschl. v. 23.7.2019 – 25 W 146/19

FamFG §§ 80, 81, 84, 85; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1 u. 2
Außergerichtliche Kosten bei Zurückweisung des Erbscheinsantrags

Weist das Nachlassgericht einen Erbscheinsantrag "kostenpflichtig" zurück, ohne dass sich im
Übrigen aus der Entscheidung ergibt, dass oder inwiefern das Gericht auch eine Kostenregelung
über die außergerichtlichen Kosten treffen wollte, ist zur Auslegung der Kostenentscheidung auf
§ 80 FamFG zurückzugreifen. Danach gehören zu den Kosten sowohl die Gerichtskosten als auch
die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten, die in dem
betreffenden Fall dann auch von der Gegenseite zu ersetzen sind.

G r ü n d e

I.

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten im Rahmen eines
Erbscheinsverfahrens.

Die Beteiligten stritten um die Erbfolge nach der Erblasserin. Mit Beschluss vom
23.07.2018 wies das Amtsgericht Hattingen den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1)
„kostenpflichtig“ zurück, gegen den sich die Beteiligten zu 2) bis 4) gewandt hatten. Die
gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde nahm der Beteiligte zu 1) nach
Hinweisen durch den Beschwerdesenat zurück. Der Senat beschloss daraufhin, dass der
Beteiligte zu 1) sowohl die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren zu tragen habe
als auch den Beteiligten zu 2) und 4) die diesen in der Beschwerdeinstanz entstandenen
außergerichtlichen Kosten zu erstatten habe.

Der Beteiligte zu 4) hat daraufhin die Festsetzung der ihm entstandenen
außergerichtlichen Kosten gegen den Beteiligten zu 1) beantragt, und zwar sowohl
hinsichtlich der ersten als auch der zweiten Instanz, weil das Amtsgericht den
Erbscheinsantrag „kostenpflichtig“ zurückgewiesen habe. Der Beteiligte zu 1) hat die
Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens für nicht erstattungsfähig gehalten, weil es
insoweit an einer Kostengrundentscheidung fehle.

Mit Beschluss vom 10.05.2019 hat die Rechtspflegerin des Amtsgericht angeordnet, dass
der Beteiligte zu 1) dem Beteiligten zu 4) lediglich die außergerichtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens (2.885,51 € nebst Zinsen), nicht hingegen die für das
erstinstanzliche Verfahren angemeldeten 4.495,23 € zu erstatten habe. Es fehle insoweit
an einer Kostenentscheidung, nach welcher der Beteiligte zu 1) auch die
außergerichtlichen Kosten der I. Instanz des Beteiligten zu 4) zu tragen habe. Die von
Amts wegen zu treffende Kostenentscheidung betreffe die Kosten i.S.d. § 80 FamFG,
wobei explizit zum Ausdruck zu bringen sei, dass auch die außergerichtlichen Kosten von
der Entscheidung mit umfasst sein sollten, denn § 80 S. 2 FamFG erkläre nur § 91 I 2 ZPO
für entsprechend anwendbar. Die in § 91 I 1 ZPO geregelte automatische
Kostentragungspflicht der unterlegenen Partei auch hinsichtlich der außergerichtlichen
Kosten des Gegners solle für die Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerade nicht
gelten.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 4) mit seiner sofortigen
Beschwerde. Er meint weiterhin, mit der „kostenpflichtigen“ Zurückweisung des
Erbscheinsantrags habe das Amtsgericht eine uneingeschränkte
Kostengrundentscheidung zu seinen Gunsten erlassen, die auch seine außergerichtlichen
Kosten umfasse, gerade weil das Gericht insoweit keine Differenzierung vorgenommen
habe.

Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde aus den Gründen der angefochtenen
Entscheidung nicht abgeholfen und die Sache dem zuständigen Senat zur Entscheidung
vorgelegt.

Der Senat hat den Beteiligten unter dem 28.06.2019 folgenden Hinweis erteilt:

„Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4) dürfte begründet sein.

Insofern ist der Senat – nach vorläufiger Beratung – der Auffassung, dass in einem Fall
wie dem vorliegenden, in dem sich weder aus der Kostenentscheidung noch den
Beschlussgründen eindeutige Anhaltspunkte dafür ergeben, dass oder inwiefern das
Gericht (auch) eine Kostenregelung über die außergerichtlichen Kosten treffen wollte, zur
Auslegung auf § 80 FamFG zurückzugreifen ist. Danach gehören zu den Kosten sowohl
die Gerichtskosten als auch die zur Durchführung des Verfahrens notwendigen
Aufwendungen der Beteiligten. Soweit das Nachlassgericht vorliegend also den
Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1) „kostenpflichtig“ zurückgewiesen ist, legt der Senat
diese Regelung dahingehend aus, dass der Beteiligte zu 1) die Kosten i.S.d. § 80 FamFG
zu tragen hat, also sowohl die Gerichtskosten als auch die zur Durchführung des
Verfahrens notwendigen Aufwendungen des Beteiligten zu 4).

Auch wenn die Kostenentscheidung materiellrechtlich möglicherweise unzutreffend ist,
weil das Gericht ggf. von seinem Ermessen nach § 81 FamFG keinen Gebrauch gemacht
hat, ist sie dennoch im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren bindend.

Da das OLG Köln (FGPrax 2012, 282) eine andere Auffassung vertreten hat, ist
beabsichtigt, die Sache gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO zur Entscheidung auf den Senat zu
übertragen und die Rechtsbeschwerde zuzulassen.“

Der Beteiligte zu 1) meint demgegenüber weiterhin, eine Erstattungspflicht
außergerichtlicher Kosten lasse sich aus § 80 I 1 FamFG nicht herleiten, weil dieser
gerade nicht auf § 91 I 1 ZPO verweise. Gerade weil das Amtsgericht seine
Kostenentscheidung nicht weiter begründet habe, sei nicht davon auszugehen, dass auch
außergerichtliche Kosten erstattet werden sollten. Anderenfalls drohe auch ein Ausufern
der Kosten gerade in einem Erbscheinsverfahren, wenn sich mehrere Beteiligte von
unterschiedlichen Verfahrensbevollmächtigten vertreten ließen.

II.

Die nach § 85 FamFG i.V.m. §§ 104 III 1, 567 I Nr. 1, 567 II, 569 I ZPO statthafte und
zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 4) ist begründet.

Zur Begründung und zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst
auf die Ausführungen in seinem Hinweis vom 28.06.2019, an denen er nach erneuter
Prüfung der Sach- und Rechtslage auch unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens
des Beteiligten zu 1) festhält.

Dass § 80 FamFG nur auf § 91 I 2 ZPO verweist, steht der Auffassung des Senats nicht
entgegen, weil sich bereits aus § 80 S. 1 FamFG unmittelbar ergibt, dass Kosten i.S.d. der
§§ 80 ff FamFG sowohl die Gerichtskosten als auch die zur Durchführung des Verfahrens
notwendigen Aufwendungen der Beteiligten sind. Dadurch droht auch – entgegen der
Ansicht des Beteiligten zu 1) – kein unangemessenes Ausufern der Kosten etwa in
Erbscheinsverfahren, denn die Erstattungspflicht bezieht sich ausdrücklich nur auf
„notwendige“ Aufwendungen der Beteiligten. Insofern sind nicht die Kosten jeder
anwaltlichen Vertretung in einem Erbscheinsverfahren erstattungsfähig, sondern nur
solche, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder –verteidigung erforderlich
sind.

Aufgrund der Bedeutung wie auch der rechtlichen Schwierigkeit der vorliegenden
Auseinandersetzung war es für den Beteiligten zu 4) notwendig in diesem Sinne, sich
durch einen Rechtsanwalt im Verfahren vertreten zu lassen. Dagegen hat der Beteiligte zu
1) auch keine Einwände erhoben.

Damit sind die insoweit dem Beteiligten zu 4) entstandenen Kosten, welche er zutreffend
mit 4.495,23 € beziffert hat, von dem Beteiligten zu 1) zu erstatten.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
Im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer 23
einheitlichen Rechtsprechung hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen (§§ 85
FamFG, 104 III, 574 II ZPO).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

23.07.2019

Aktenzeichen:

25 W 146/19

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZEV 2019, 611
Zerb 2019, 260-262

Normen in Titel:

FamFG §§ 80, 81, 84, 85; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1 u. 2