Grundstückskaufvertrag mit Ratenzahlungsvereinbarung; Reichweite eines vertraglich vereinbarten Rücktrittsrecht des Verkäufers; Vertragsauslegung
letzte Aktualisierung: 4.4.2025
BGH, Urt. v. 28.2.2025 – V ZR 246/23
BGB §§ 133, 157
Grundstückskaufvertrag mit Ratenzahlungsvereinbarung; Reichweite eines vertraglich
vereinbarten Rücktrittsrecht des Verkäufers; Vertragsauslegung
Ein in einem Grundstückskaufvertrag mit Ratenzahlungsvereinbarung vorgesehenes Rücktrittsrecht
des Verkäufers für den Fall, dass der Antrag gestellt wird, dass der Erwerber eine
Vermögensauskunft zu erteilen und deren Vollständigkeit an Eides statt zu versichern hat, besteht
im Zweifel nur bis zur vollständigen Erfüllung der dem Käufer nach dem Kaufvertrag obliegenden
Pflicht zur Zahlung der Kaufpreisraten nebst etwaiger Forderungen, die – wie etwa Verzugszinsen –
mit der Hauptleistungspflicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe einen Anspruch auf Bewilligung
der Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkungen
gemäß
20. Dezember 2022 gemäß der Regelung in Ziffer III. 1. lit. e) wirksam von dem
Kaufvertrag zurückgetreten, so dass die Auflassungsvormerkungen erloschen
seien. Er habe am 27. Mai 2022 die Gerichtsvollzieherin beauftragt, eine Vermögensauskunft
des Beklagten abzunehmen und deren Richtigkeit an Eides statt
versichern zu lassen. Dass es nicht zur Abgabe der Vermögensauskunft gekommen
sei, hindere die Wirksamkeit des Rücktritts nicht. Der Kaufvertrag sehe auch
nicht vor, dass sich der Antrag auf Abgabe des Vermögensverzeichnisses auf
rückständige Kaufpreisraten aus dem Vertrag beziehen müsse. Der Rücktritt sei
ferner nicht deshalb ausgeschlossen, weil der schuldrechtliche Teil des Kaufvertrags
womöglich vollständig erfüllt gewesen sei. Selbst bei einem vollständig abgewickelten
Kaufvertrag schließe die Eintragung des Erwerbers als Eigentümer
in das Grundbuch ein schuldrechtlich vereinbartes oder gesetzliches Rücktrittsrecht
nicht aus. Weder eine Verwirkung des Rücktrittsrechts noch ein Rechtsmissbrauch
des Klägers seien ersichtlich. Da jedenfalls der Rücktritt vom 20. Dezember
2022 wirksam sei, komme es auf die Wirksamkeit der vorangegangenen
Rücktrittserklärungen ebenso wenig an wie auf die Frage der Nichtigkeit des
Kaufvertrags gemäß
II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der von dem
Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch des Klägers auf
Bewilligung der Löschung der zugunsten des Beklagten eingetragenen Auflassungsvormerkungen
nach
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Der
Kläger könnte von dem Beklagten nach
der Auflassungsvormerkungen verlangen, wenn der Auflassungsanspruch des
Beklagten aus dem abgeschlossenen Kaufvertrag (
dessen Wirksamkeit im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen
des Berufungsgerichts zu unterstellen ist, wegen eines wirksamen Rücktritts
des Klägers erloschen wäre (vgl. Senat, Urteil vom 10. Juli 1998 - V ZR 360/96,
die akzessorische Vormerkung; das Grundbuch wird unrichtig (vgl. Senat, Urteil
vom 22. November 2013 - V ZR 161/12,
2. Zu beanstanden sind jedoch die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht
die Wirksamkeit des mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 erklärten
Rücktritts des Klägers bejaht.
a) Nach Ziffer III. 1. lit. e) des Kaufvertrags kann der Veräußerer bzw. dessen
Rechtsnachfolger von dem schuldrechtlichen Teil der Kaufvertragsurkunde
zurücktreten, wenn der Antrag gestellt wird, dass der Erwerber ein Vermögensverzeichnis
abzugeben und dessen Richtigkeit an Eides statt zu versichern hat,
und der Antrag nicht innerhalb von zwei Monaten zurückgenommen wird. Das
Berufungsgericht lässt offen, ob der schuldrechtliche Teil des Kaufvertrags im
Zeitpunkt des Rücktritts vollständig erfüllt war. Für das Revisionsverfahren ist
deshalb zugunsten des Beklagten davon auszugehen, dass jedenfalls die Forderung
gegen den Beklagten auf Zahlung des Kaufpreises nebst etwaig aufgelaufener
Verzugszinsen erloschen war.
b) Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, dass gleichwohl
ein Rücktrittsrecht des Klägers wegen des Vollstreckungsauftrags besteht.
aa) Die Auslegung von Willenserklärungen ist allerdings grundsätzlich Angelegenheit
des Tatrichters. Die tatrichterliche Würdigung ist in der Revisionsinstanz
nur beschränkt daraufhin zu überprüfen, ob gesetzliche oder allgemein
anerkannte Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze
verletzt sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist und
die der Auslegung zugrunde liegenden Tatsachen ohne Verfahrensfehler festgestellt
wurden (st. Rspr., vgl. nur Senat, Urteil vom 12. Mai 2017 - V ZR 210/16,
zählt der Grundsatz der beiderseits interessengerechten Vertragsauslegung (vgl.
Senat, Urteil vom 27. September 1991 - V ZR 191/90,
Urteil vom 31. August 2017 - VII ZR 5/17,
bb) Mit diesem Grundsatz ist die von dem Berufungsgericht vorgenommene
Auslegung des Kaufvertrags unvereinbar.
(1) Bei der Auslegung sind in erster Linie der von den Parteien gewählte
Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu
berücksichtigen. Weiter gilt das Gebot der nach beiden Seiten hin interessengerechten
Auslegung und der Berücksichtigung des durch die Parteien beabsichtigten
Zwecks des Vertrags (vgl. BGH, Beschluss vom 29. September 2022 - I ZB
15/22,
(2) Vereinbaren die Vertragsparteien eines Grundstückskaufvertrags eine
ratenweise Kaufpreiszahlung, entspricht es ihrer typischen Interessenlage, dass
die Erfüllung der zunächst gestundeten Zahlungspflichten des Käufers abgesichert
wird. In der Vertragspraxis geschieht dies regelmäßig dadurch, dass dem
Verkäufer bei Eintritt solcher Voraussetzungen, die bei abstrakter Betrachtung
sein Gegenleistungsinteresse gefährden, ein vertragliches Rücktrittsrecht von
dem schuldrechtlichen Teil des Kaufvertrags vorbehalten wird (vgl. BeckOF Vertrag/
Salzig [1.1.2025], Form. 8.1.4 Anm. 10). Der Verkäufer kann nach seiner
Lösung von dem Kaufvertrag die Immobilie anderweitig veräußern oder selbst
nutzen. Entfällt das Sicherungsinteresse mit Kaufpreiszahlung, besteht allerdings
kein berechtigtes Interesse des Verkäufers mehr, sich im Fall drohender Insolvenz
des Käufers durch Rücktritt von dem Kaufvertrag zu lösen; dann genießt im
Zweifel das Interesse des Käufers an dem Fortbestand des von seiner Seite aus
erfüllten Vertrags Vorrang. Ein in einem Grundstückskaufvertrag mit Ratenzahlungsvereinbarung
vorgesehenes Rücktrittsrecht des Verkäufers für den Fall,
dass der Antrag gestellt wird, dass der Erwerber eine Vermögensauskunft zu erteilen
und deren Vollständigkeit an Eides statt zu versichern hat, besteht daher
im Zweifel nur bis zur vollständigen Erfüllung der dem Käufer nach dem Kaufvertrag
obliegenden Pflicht zur Zahlung der Kaufpreisraten nebst etwaiger Forderungen,
die - wie etwa Verzugszinsen - mit der Hauptleistungspflicht in einem
unmittelbaren Zusammenhang stehen. Derartige Maßnahmen der Zwangsvollstreckung
sind ein Hinweis auf mangelnde Zahlungsfähigkeit des Käufers und
werden vielfach eine Vorstufe zur Insolvenz darstellen. Denn die Abnahme der
Vermögensauskunft ist je nach Antrag des Gläubigers erst nach vorheriger erfolgloser
Zahlungsaufforderung des Gerichtsvollziehers gegenüber dem Schuldner
(
Abs. 1 ZPO) zulässig. Mit vollständiger Erfüllung der Zahlungspflichten des Erwerbers
trägt der Verkäufer nicht länger das Risiko einer Insolvenz des Käufers,
so dass das vertraglich vereinbarte Rücktrittsrecht im Zweifel erlischt.
(3) So liegt es auch hier.
(a) Nach der Regelung in Ziffer III. 1. lit. e) des Kaufvertrags kann der Veräußerer
von dem Kaufvertrag zurücktreten, wenn der Käufer eine Vermögensauskunft
zu erteilen und deren Richtigkeit an Eides statt zu versichern hat
und der Antrag nicht innerhalb von zwei Monaten zurückgenommen wird. Ob und
wann das Rücktrittsrecht endet, lässt sich der Klausel nicht entnehmen. Das Berufungsgericht
bejaht, entgegen dem Gebot des
Wortlaut der Vertragsurkunde haftend, den Fortbestand dieses Rücktrittsrechts
auch für den Fall, dass der Beklagte seine vertraglichen Zahlungspflichten erfüllt
haben sollte. Da die Parteien dies nicht ausdrücklich vereinbart haben, erweist
sich die Auslegung - wie ausgeführt (Rn. 13) - nicht als beidseitig interessengerecht.
Insbesondere der Umstand, dass die dem Vollstreckungsauftrag des Klägers
zugrunde liegende Forderung nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang
mit dem Kaufvertrag steht, führt nicht dazu, dass das Rücktrittsrecht trotz der
Erfüllung der kaufvertraglichen Verpflichtungen des Käufers fortbesteht; es dient
in Ermangelung dahingehender Absprachen nicht der Absicherung solcher anderweitigen
Forderungen des Verkäufers gegen den Käufer.
(b) Bestätigt wird das Erlöschen des Rücktrittsrechts des Klägers mit vollständiger
Erfüllung der vertraglichen Zahlungsverpflichtungen des Beklagten hier
zudem dadurch, dass der Vertrag dem Verkäufer neben dem Rücktrittsrecht
wahlweise das Recht zur Gesamtfälligstellung des Restkaufpreises nebst etwaiger
Verzugszinsen einräumt. Dieses Recht geht ins Leere, sobald die genannten
Zahlungsansprüche des Verkäufers gemäß
erloschen sind. Da beide Rechte der Sicherung der Restkaufpreisforderung dienen
und von denselben Voraussetzungen abhängen, muss auch das Rücktrittsrecht
erlöschen, wenn das Recht zur Gesamtfälligstellung infolge der Erfüllung
der gesicherten Forderung gegenstandslos geworden und das Sicherungsbedürfnis
des Verkäufers weggefallen ist.
III.
Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (
zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,
da die Sache nicht entscheidungsreif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3
ZPO). Das Berufungsgericht hat nämlich - von seinem rechtlichen Standpunkt
aus folgerichtig - weder Feststellungen zur Erfüllung der dem Beklagten nach
dem Kaufvertrag obliegenden Zahlungspflichten noch zur Wirksamkeit des Kaufvertrags
sowie der weiteren Rücktrittserklärungen des Erblassers bzw. des Klägers
getroffen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:28.02.2025
Aktenzeichen:V ZR 246/23
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Kaufvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 133, 157