OLG München 25. September 2015
34 Wx 121/15
BGB §§ 1094, 1097; GBO §§ 19, 22

Keine grundbuchliche Löschung eines Vorkaufsrechts ohne Bewilligung des Berechtigten bei Anhaltspunkten für Umgehungsgeschäft

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 4.12.2015
OLG München , 25.9.2015 - 34 Wx 121/15

BGB §§ 1094, 1097; GBO §§ 19, 22
Keine grundbuchliche Löschung eines Vorkaufsrechts ohne Bewilligung des Berechtigten
bei Anhaltspunkten für Umgehungsgeschäft

1. Zum Unrichtigkeitsnachweis bei eingetragenem Vorkaufsrecht für einen Verkaufsfall.
2. Kann wegen auf Tatsachen begründeter Umstände derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit
die Möglichkeit ausgeschlossen werden, dass die nicht durch Kaufvertrag erfolgte Übertragung
der Eigentümerstellung den Teilakt eines zeitlich gestreckten Umgehungsgeschäfts darstellt,
welches nach der erstrebten Löschung des Vorkaufsrechts im Grundbuch auf der Grundlage
erst dann abzuschließender Rechtsgeschäfte vollendet werden soll, so hat eine Löschung
ohne Bewilligung des Vorkaufsberechtigten zu unterbleiben.

OLG München 34. Zivilsenat, Beschluss vom 25.09.2015, 34 Wx 121/15
§ 1094 BGB, § 1097 BGB, § 19 GBO, § 22 GBO

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1 wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Laufen -
Grundbuchamt - vom 17. März 2015 insoweit aufgehoben, als das Grundbuchamt dem Beteiligten
zu 1 aufgegeben hat, Übernahmeerklärungen der aktuellen Eigentümer vorzulegen.
II. Im Übrigen wird die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die Zwischenverfügung des
Amtsgerichts Laufen - Grundbuchamt - vom 17. März 2015 zurückgewiesen.
III. Der Beschwerdeführer hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die
notwendigen Auslagen des Beschwerdegegners zu tragen.
IV. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 26.336 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten zu 1, 5 und 6 sind Geschwister. Deren Vater teilte bereits zu Lebzeiten sein
Immobilienvermögen im Weg der vorweggenommenen Erbfolge unter seinen Kindern auf. In
diesem Zusammenhang übertrug er zunächst die im Grundbuch gebuchten Flurstücke xxx/1 und
xxx/2 gemäß notariellem Schenkungsvertrag vom 15.10.1982 auf den Beteiligten zu 6. Der
Eigentumsübergang wurde am 27.12.1982 im Grundbuch vollzogen.
Nachfolgend kamen die Familienmitglieder überein, die Aufteilung gemäß notariellem Vertrag vom
17.5.1988 zu ändern. Im Tausch gegen ein gleichwertiges Grundstück übertrug der Beteiligte zu 6
das Eigentum am oben genannten Grundbesitz auf den Vater zurück. Gleichzeitig veräußerte der
Beteiligte zu 5 ein Grundstück entgeltlich an den Vater. Dieser übertrug die von den Beteiligten zu
5 und 6 zurückerlangten Grundstücke im Tausch gegen ein gleichwertiges Grundstück auf den
Beteiligten zu 1. Das vom Beteiligten zu 1 im Austausch erworbene Grundstück wiederum
veräußerte der Vater an den Beteiligten zu 5 unter Verrechnung der wechselseitigen
Kaufpreisansprüche und zinsloser Stundung der Restforderung.
Unter Ziff. VI der Urkunde vom 17.5.1988 (nebst klarstellender Erklärung vom 9.5.1990)
bewilligten die Vertragsparteien
die Eintragung eines vererblichen Vorkaufsrechts für ... (den Beteiligten zu 5) und ... (den
Beteiligten zu 6) als Gesamtberechtigte nach § 513 BGB im Grundbuch von ... Blatt ... .
Sie stellten klar, dass die Vereinbarung, wonach die Vorkaufsberechtigten
bei Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr als das 6-fache des jetzigen Einheitswertes zu
zahlen brauchen, lediglich schuldrechtlichen Charakter habe.
Im Grundbuch wurden am 13.6.1990 der Eigentumsübergang auf den Beteiligten zu 1 vollzogen
und das Vorkaufsrecht zugunsten der Beteiligten zu 5 und 6 eingetragen.
Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 16.10.2014 übertrug der Beteiligte zu 1 das Eigentum an
dem Grundbesitz auf seine beiden Kinder, die Beteiligten zu 3 und 4, zu je hälftigem Miteigentum
bei gleichzeitiger Bestellung eines lebenslangen Nießbrauchs zu Gunsten des Beteiligten zu 1
sowie seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2. Die vertragliche Bestimmung (Ziff. III der Urkunde)
lautet wie folgt:
Nießbrauch, Schenkung
1. Herr ... (Beteiligter zu 1) behält sich auf seine Lebensdauer einen Nießbrauch an allen
Vertragsgegenständen vor, kraft dessen Nutzungen und Lasten grundsätzlich bei ihm
verbleiben.
Für diesen Nießbrauch gelten die gesetzlichen Bestimmungen mit folgenden
Besonderheiten:
a) Der Berechtigte schuldet bei Ausübung seines Nießbrauchs nur die Sorgfalt, die er in
eigenen Dingen anzuwenden pflegt.
b) Der Berechtigte hat für die Dauer des Nießbrauchs alle Lasten der
Nießbrauchsgegenstände zu tragen, ...
...
2. Für die Zeit ab Erlöschen des in Abs. 1. bestellten Nießbrauchs erhält Frau ... (Beteiligte
zu 2) auf ihre Lebensdauer einen Nießbrauch, der denselben Inhalt hat wie der in Abs. 1.
vorbehaltene Nießbrauch.
...
3. Im Übrigen erhalten die ... (Beteiligten zu 3 und 4) die heutige Zuwendung als
Schenkung, deren Wert die Beteiligten nicht beziffern möchten und die sie sich auch nicht
auf ihren gesetzlichen Pflichtteil gegenüber ihrem Vater anrechnen lassen müssen.
Unter Ziff. XI vereinbarten die Vertragsparteien eine bedingte Rückübereignungspflicht folgenden
Inhalts:
1. Der Veräußerer kann die Rückübereignung eines heute überlassenen Miteigentumsanteils
ganz oder teilweise verlangen, wenn zu Lebzeiten der Eltern oder eines Elternteils der
heutigen Erwerber eine der folgenden Voraussetzungen eintritt:
a) Der betreffende Miteigentumsanteil ist ganz oder teilweise durch Rechtsgeschäft,
Erbfolge oder in anderer Weise auf andere Personen übergegangen als den Erwerber des
betreffenden Miteigentumsanteils oder den Erwerber des anderen Miteigentumsanteils.
b) Der Inhaber des betreffenden Miteigentumsanteils hat rechtsgeschäftlich eine
Übereignungspflicht im Sinne des Buchst. a) begründet.
c) Der überlassene Miteigentumsanteil ist ganz oder teilweise oder einzeln in ein
Insolvenzverfahren geraten oder länger als drei Monate von einem
Zwangsvollstreckungsverfahren betroffen.
d) Der Wert des heute überlassenen Miteigentumsanteils wird in einen Zugewinnausgleich
oder einen ähnlichen Ausgleich einbezogen.
...
4. Der Veräußerer tritt hiermit den Rückübereignungsanspruch mit Wirkung ab seinem Tod
an seinen überlebenden Ehegatten ab; dieser kann Rückübereignung an sich allein gemäß
den in Abs. 2. festgelegten Bestimmungen verlangen.
Zur Sicherung des bedingten Rückübertragungsanspruchs bewilligten die Vertragsparteien die
Eintragung einer Vormerkung an jedem überlassenen Miteigentumsanteil.
Unter Vorlage der Urkunde beantragte der Notar unter dem 5.11.2014 - neben der inzwischen
vollzogenen Eintragung des Eigentumsübergangs, der Nießbrauchsrechte und der
Rückauflassungsvormerkungen - auch die Löschung des im Grundbuch zu Gunsten der Beteiligten
zu 5 und 6 eingetragenen Vorkaufsrechts wegen Gegenstandslosigkeit.
Das Grundbuchamt hat die Vorkaufsberechtigten zum Löschungsantrag angehört. Der Beteiligte zu
5 ist der Löschung entgegen getreten. Das Vorkaufsrecht sei zu seinen und des Beteiligten zu 6
Gunsten zur Erzielung einer gleichmäßigen Vermögensverteilung unter den drei Geschwistern
bestellt worden. Vor diesem Hintergrund erstrecke sich das Vorkaufsrecht auch auf eine
Übertragung, die mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht an die gesetzlichen Erben vorgenommen
werde. Außerdem liege hier ausweislich der Konditionen des Überlassungsvertrags entgegen seiner
Bezeichnung als Schenkung eine entgeltliche Übertragung vor. Im Übrigen sei trotz formaler
Eigentumsübertragung die alleinige wirtschaftliche Einflussnahmemöglichkeit beim Beteiligten zu
1 verblieben; die Befugnisse der Beteiligten zu 3 und 4 entsprächen hingegen nicht denjenigen
eines Eigentümers. Angesichts dieser Umstände verfolge der Vertrag den Zweck, in rechtswidriger
Weise das Vorkaufsrecht der Begünstigten zu vereiteln.
Mit Zwischenverfügung vom 17.3.2015 hat das Grundbuchamt dem Beteiligten zu 1 unter
Fristsetzung bis 17.4.2015 aufgegeben, Löschungsbewilligungen der Berechtigten - andernfalls
Erklärungen der Beteiligten zu 3 und 4 betreffend die Belastungsübernahme - vorzulegen. Zwar sei
das Vorkaufsrecht nur für den ersten Verkaufsfall bestellt und erlösche deshalb, wenn das belastete
Grundstück auf anderem Weg als durch Verkauf auf einen Sonderrechtsnachfolger übertragen
werde. Auch sei die Überlassung als Schenkung bezeichnet. Jedoch seien erhebliche
Gegenleistungen vereinbart. Inwieweit die Übertragung einem Kauf gleichkomme mit der Folge,
dass das Vorkaufsrecht nicht erloschen sei, könne nicht abschließend beurteilt werden. Deshalb
bedürfe es zur Löschung entsprechender Bewilligungen der Berechtigten.
Mit Beschwerde vom 23.3.2015 wendet sich der Beteiligte zu 1 gegen die Zwischenverfügung. Er
beantragt, das Grundbuchamt anzuweisen, die beantragte Löschung des Vorkaufsrechts zu
vollziehen. Spätestens infolge der Eintragung des Eigentumsübergangs auf die Beteiligten zu 3 und
4 als Sonderrechtsnachfolger sei das Vorkaufsrecht erloschen und das Grundbuch deshalb unrichtig
geworden. Die vertraglichen Auflagen würden nicht über die üblichen Regelungen bei
vorweggenommener Erbfolge hinausgehen und stellten sich deshalb weder als Entgelt noch als
Ausdruck einer Vereitelungsabsicht dar. Schon aus Gründen der Rechtssicherheit komme es auf
diese Gesichtspunkte für die Frage, ob das Vorkaufsrecht erloschen sei, ohnehin nicht an.
Außerdem stelle sich die Frage, ob das Recht wegen inhaltlicher Unrichtigkeit von Amts wegen zu
löschen sei, weil ein dingliches Vorkaufsrecht mit Preislimitierung gegen zwingendes Recht
verstoße.
Der Beteiligte zu 5 beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Die für den Fall des
Weiterverkaufs vereinbarte und durch Vormerkung abgesicherte Rückübereignungspflicht habe zur
Konsequenz, dass bei einer künftigen Veräußerung des Grundbesitzes der Vorkaufsverpflichtete
nach Rückübereignung in den Genuss des vollen Gegenwerts der Immobilie gelange und die
ursprünglich zu Gunsten der Vorkaufsberechtigten vereinbarte Einbuße nicht zu tragen habe.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1, § 73 Abs. 1 und 2 sowie § 15 Abs. 2 GBO zulässige
Beschwerde gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung hat mit ihrem
Hauptziel keinen Erfolg, denn die beantragte Löschung der Vorkaufsberechtigung darf mangels
Unrichtigkeitsnachweises im gegenwärtigen Stadium nicht vorgenommen werden. Die mit der
Zwischenverfügung aufgegebene Vorlage einer Übernahmeerklärung der Beteiligten zu 3 und 4 für
den Fall, dass Löschungsbewilligungen der Vorkaufsberechtigten nicht beigebracht werden, kann
jedoch keinen Bestand haben. Insoweit ist die Zwischenverfügung aufzuheben.
1. Obwohl der Beschwerdeführer geltend macht, der beanstandete Grundbucheintrag sei
gegenstandslos geworden (§ 84 GBO), handelt es sich bei seinem Begehren in der Sache um einen
Antrag auf Grundbuchberichtigung (§ 22 GBO).
Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung - auch die Eintragung einer Löschung (Demharter GBO
29. Aufl. § 19 Rn. 3) -, wenn der von der Eintragung Betroffene sie bewilligt. Liegt eine
Bewilligung nicht vor, so ist eine berichtigende Eintragung im Grundbuch nur möglich, wenn die
Grundbuchunrichtigkeit nachgewiesen ist, § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO. An den Nachweis sind strenge
Anforderungen zu stellen; ein gewisser Grad von Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Der
Antragsteller muss - in der Form des § 29 GBO - lückenlos ausräumen, was der begehrten
berichtigenden Eintragung, hier also der begehrten Löschung des zugunsten der Beteiligten zu 5
und 6 als Gesamtberechtigte eingetragenen Vorkaufsrechts, entgegenstehen könnte. Freilich
brauchen ganz entfernt liegende, nur theoretische Möglichkeiten nicht ausgeräumt zu werden
(BayObLGZ 1988, 102/107; 1995, 413/416). Keiner Nachweisführung bedarf es dann, wenn sich
die materielle Unrichtigkeit aus der Eintragung im Grundbuch selbst - einschließlich zulässiger
Bezugnahmen (vgl. § 874 BGB) - ergibt. Auch was offenkundig ist, braucht nicht bewiesen zu
werden (vgl. Demharter § 22 Rn. 37; Hügel/Holzer GBO 2. Aufl. § 22 Rn. 59, 61).
Nach diesen Maßstäben ist die Unrichtigkeit des Grundbuchs nicht nachgewiesen. Denn aus dem
Inhalt des Grundbuchs und dem Inhalt der in Bezug genommenen Bewilligungsurkunden ergibt
sich nicht zuverlässig, dass „causa des Eigentumsübergangs“ auf die Beteiligten zu 3 und 4 (siehe
Kohler in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 22 Rn. 225) eine Vereinbarung ist, welche das
materiell-rechtliche Erlöschen des Vorkaufsrechts und damit die Unrichtigkeit des Grundbuchs
bewirkte. Vielmehr lassen die aus der Grundakte bekannten Begleitumstände der
Eigentumsübertragung Zweifel daran bestehen, dass mit der Übertragung der (formalen)
Eigentümerstellung auf die Beteiligten zu 3 und 4 das Vorkaufsrecht in Fortfall geriet; denn der
vom Beschwerdeführer geäußerte Verdacht, die Urkunde vom 16.10.2014 sei Teil eines - den
Vorkaufsfall auslösenden - Umgehungsgeschäfts, stützt sich auf konkrete Tatsachen. Die
Unrichtigkeit des Grundbuchs kann in dieser Situation mit der Urkunde allein nicht nachgewiesen
werden. Hierzu ist Folgendes auszuführen:
2. Ein - wie hier - für einen Verkaufsfall bestelltes (dingliches) Vorkaufsrecht, § 1094 BGB,
beschränkt sich auf den Fall des Verkaufs durch den Eigentümer, welchem das Grundstück zur Zeit
der Bestellung gehört, oder durch dessen Erben, die im Weg der Gesamtrechtsnachfolge, § 1922
BGB, in die Eigentümerstellung hinsichtlich des Grundbesitzes nachgerückt sind, § 1097 Halbsatz
1 BGB. Da von der Möglichkeit, gemäß § 1097 Halbsatz 2 BGB ein Vorkaufsrecht für mehrere
oder alle Verkaufsfälle einzuräumen, kein Gebrauch gemacht wurde, steht den Beteiligten zu 5 und
6 nur ein Vorkaufsrecht gemäß obiger Beschränkung zu. Diese Beschränkung bewirkt, dass das
Vorkaufsrecht erlischt, wenn das belastete Grundstück auf andere Weise als durch Verkauf in das
Eigentum eines Sonderrechtsnachfolgers des Verpflichteten übergeht (Senat vom 18.12.2009,
34 Wx 81/09 = Rpfleger 2010, 260; OLG Zweibrücken NJW-RR 2000, 94; Palandt/Bassenge BGB
74. Aufl. § 1097 Rn. 5; MüKo/Westermann BGB 6. Aufl. § 1097 Rn. 5; Schöner/Stöber
Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 1432a; Kohler in Bauer/von Oefele AT III Rn. 191 sowie § 22 Rn. 151).
Keinen Vorkaufsfall stellt nach der gesetzlichen Regelung des § 1098 Abs. 1, § 470 BGB ein mit
Rücksicht auf das künftige Erbrecht vorgenommener Verkauf an die gesetzlichen Erben dar. Die
Eigentumsübertragung auf der Grundlage eines nach dieser Vorschrift privilegierten
Rechtsgeschäfts führt deshalb grundsätzlich - wie die Nichtausübung eines für nur einen
Verkaufsfall eingeräumten Vorkaufsrechts - zum Erlöschen desselben (OLG Düsseldorf DNotZ
2002, 203; OLG Stuttgart Rpfleger 1997, 473; Staudinger/Schermaier BGB (2009) § 1097 Rn. 6;
Schöner/Stöber Rn. 1432a).
3. Ob ein den Verkaufsfall auslösender Kaufvertrag, § 1098 Abs. 1, § 463 BGB, abgeschlossen
wurde, beurteilt sich allerdings nicht nach der Vertragsbezeichnung, sondern nach dem
wirtschaftlichen Gehalt und Ergebnis der Vereinbarungen. Gaben der Vorkaufsverpflichtete und der
Dritte ihrem Geschäft eine Gestalt, die eine Ausübung des Vorkaufsrechts durch Meidung eines
formalen Kaufvertrags verhindern soll, obwohl nach materieller Betrachtungsweise und
interessengerechtem Verständnis das Ergebnis einer kaufvertraglichen Veräußerung herbeigeführt
werden soll, dann liegt eine Umgehung des Vorkaufsrechts vor (BGHZ 115, 335/340; BGH NJW
1998, 2136 je m. w. N.; Staudinger/Schermaier BGB (2013) § 463 Rn. 27 ff. mit (2009) § 1097
Rn. 4; Soergel/Stürner BGB 13. Aufl. vor § 1094 Rn. 8). Ein solchermaßen „verschleierter
Kaufvertrag“ löst das Vorkaufsrecht dennoch aus (BGHZ 115, 335/342; OLG Nürnberg NJW-RR
1992, 461). Denn obgleich der Vorkaufsberechtigte keinen Anspruch auf Eintritt des Vorkaufsfalls
hat, so gilt doch in dem zwischen ihm und dem Vorkaufsverpflichteten bestehenden
Sonderrechtsverhältnis der Grundsatz von Treu und Glauben, §§ 162, 242 BGB. Nach diesem
Grundsatz kann sich der Vorkaufsverpflichtete, der sich für den Fall eines Verkaufsentschlusses
einer vertraglichen Bindung unterworfen hat, nicht auf eine rechtsgeschäftliche Gestaltung berufen,
die ihren Grund in der Verhinderung der Vorkaufsrechtsausübung hat, wenn er in Wahrheit
verkaufen will und dem Dritten in wirtschaftlicher Hinsicht die Stellung eines Eigentümers im
Gegenzug für die versprochenen Zahlungen verschafft (BGH NJW 1998, 2136/2137; NJW 2012,
1354; Schermaier AcP 196, 256/264). Auf Sittenwidrigkeit (so noch BGH NJW 1964, 540; Kohler
in Bauer/ von Oefele AT III Rn. 144) kommt es dabei genauso wenig an wie auf eine subjektive
Umgehungsabsicht (BGH NJW 1998, 2136/2138; Schermaier AcP 196, 256/266, 275). In diesen
(Umgehungs-)Fällen erlischt das Vorkaufsrecht erst durch seine Nichtausübung.
Danach erscheint es nicht hinreichend sicher, dass das Vorkaufsrecht erloschen ist.
a) Zwar kann der Überlassungsvertrag vom 16.10.2014 nicht wegen der vereinbarten Konditionen
als kaufähnlich angesehen werden. Ein Kaufvertrag ist geprägt vom Synallagma der
Hauptleistungspflichten (vgl. § 433 Abs. 1 und Abs. 2 BGB; BGH NJW 1998, 2136/2137 a. E.).
Hier jedoch liegt nicht nur nach dem Wortlaut der getroffenen Vereinbarungen (Schenkung unter
Vorbehalt des Nießbrauchs am Vertragsgegenstand), sondern auch nach dem Sinn und Zweck des
Vertrags eine Rechtsübertragung vor, bei der der Übertragende von vornherein bestimmte
Nutzungsziehungsrechte, nämlich die eines Nießbrauchers (§§ 1030 ff. BGB), an dem Grundstück
weiterhin für sich beansprucht, sie also nicht mitüberträgt. Eine - einem Kaufpreis vergleichbare -
„Gegenleistung“ für die Übertragung der Eigentümerstellung kann hierin regelmäßig nicht gesehen
werden; einem entgeltlichen Erwerb steht der Erwerb unter Nutzungsauflage nicht ohne weiteres
gleich.
Entsprechendes gilt für die Vereinbarung des bedingten Rückkaufsrechts.
Die zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 vereinbarten Rechte stellen sich als zulässige
Vertragsgestaltung im Rahmen vorweggenommener Erbfolge dar. Die Regelungen sind für sich
genommen unverdächtig und nicht geeignet, eine Umgehung wegen verschleierten Kaufs
anzunehmen (vgl. auch BGH NJW 2003, 3769 zur Bestellung einer beschränkten persönlichen
Dienstbarkeit).
Einen Vorkaufsfall hat die Übertragung auf die Beteiligten zu 3 und 4 mithin - unabhängig vom
betragsmäßigen „Wert“ der zugunsten der Beteiligten zu 1 und 2 bestellten Rechte - nicht ausgelöst.
Deshalb kommt auch ein Erlöschen wegen unterlassener Ausübung des Vorkaufsrechts nicht in
Betracht.
b) Jedoch derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit als ausgeräumt angesehen werden kann die
Behauptung des Beteiligten zu 5, die Übertragung der Eigentümerstellung auf die Beteiligten zu 3
und 4 stelle den ersten Teilakt eines zeitlich gestreckten Umgehungsgeschäfts dar, welches nach der
erstrebten Löschung des Vorkaufsrechts im Grundbuch auf der Grundlage erst dann
abzuschließender Rechtsgeschäfte vollendet werden solle.
(1) Grundlage der Beurteilung, ob Vertragsgestaltungen einem Kaufvertrag nahezu gleichkommen
und nach Treu und Glauben den Vorkaufsfall auslösen, bildet die Gesamtheit der geschlossenen
Vereinbarungen (BGHZ 115, 335/342; NJW 2012, 1354/1355). Dies gilt auch dann, wenn diese
Vereinbarungen formal in getrennten Verträgen getroffen wurden.
Nichts anderes gilt, wenn mehrere Teilakte eines Umgehungsgeschäfts in einen zeitlich gestreckten
Vorgang aufgespalten werden. Erst mit dem letzten Teilakt, der auch in einer Veräußerung durch die
Beteiligten zu 3 und 4 liegen könnte (vgl. Staudinger/Schermaier § 463 Rn. 53), ist dann das
Umgehungsgeschäft vollendet. Ist in diesem Zeitpunkt der Vorkaufsverpflichtete (erneut)
rechtlicher Eigentümer des Grundstücks oder kann er die rechtliche Eigentümerposition durch
Rückerwerb erlangen (siehe BGH NJW 2012, 1354/1355), so kann dessen Vorkaufsverpflichtung -
trotz der zwischenzeitlichen Auslagerung der (formalen) Eigentümerstellung auf
Sonderrechtsnachfolger - als fortbestehend und (erst) mit dem letzten Teilakt des
Umgehungsgeschäfts der Vorkaufsfall als eingetreten anzusehen sein.
(2) Ernst zu nehmende Indizien dafür, dass in diesem Sinne die formale Rechtsstellung eines
(Mit-)Eigentümers auf die Beteiligten zu 3 und 4 nur vorübergehend ausgelagert wurde, ergeben
sich zwar nicht allein aus den vereinbarten Vertragskonditionen, die - wie unter a) ausgeführt -
grundsätzlich nicht verdächtig sind.
Jedoch bestehen Anhaltspunkte für die Behauptung des Beteiligten zu 5, mit der Übertragung (nur)
der rechtlichen Eigentümerposition auf die Beteiligten zu 3 und 4 solle verhindert werden, dass der
vorkaufsverpflichtete Beteiligte zu 1 bei einer künftigen Veräußerung der wirtschaftlich in seinem
Vermögen verbleibenden Immobilie die Nachteile aus den mit schuldrechtlicher Wirkung
vereinbarten und für den Beteiligten zu 1 ungünstigen Konditionen des Vorkaufsrechts zu tragen
habe. Der Beteiligte zu 5 hat einen Urkundsentwurf betreffend die Neubestellung eines
Vorkaufsrechts vorgelegt. Danach haben die Beteiligten zu 3 und 4, vertreten jeweils durch den
Beteiligten zu 1, den Beteiligten zu 5 und 6 ein schuldrechtliches und nicht vererbliches
Vorkaufsrecht zu veränderten Bedingungen angeboten. Während im Ursprungsvertrag ein
vererbliches Vorkaufsrecht eingeräumt und der Preis bei Ausübung auf den sechsfachen
Einheitswert des Jahres 1988 limitiert war, was unter Zugrundelegung der im Vertrag vom
22.11.1982 gemachten Angaben einen Betrag von rund 215.000 € ergeben würde, soll nach den
neuen Konditionen nur ein unvererbliches Vorkaufsrecht bestellt werden und der bei Ausübung zu
zahlende Kaufpreis mit 350.000 € geschuldet sein.
Diese Umstände können indiziell die Behauptung des Beteiligten zu 5 stützen, der Beteiligte zu 1
gestalte zu seinen eigenen Gunsten und im eigenen wirtschaftlichen Interesse seine rechtliche
Position, aus der heraus ihm eine wirtschaftliche Verwertung des Grundstücks unter Meidung der
Nachteile möglich wird, die mit der nicht mehr als angemessen erachteten Preislimitierung
verbunden sind. Angesichts dessen kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beteiligte zu 1 mit
dem vorliegenden Vertrag die Umgehung des Vorkaufsrechts bei einer erst nachfolgenden
Verwertung des Grundbesitzes in einem ersten Teilschritt bereitet. Dann aber ist der
Übertragungsvertrag in seinen Rechtswirkungen nicht isoliert, sondern in Zusammenschau mit
etwaigen die Umgehung erst vollendenden Vereinbarungen zu würdigen. In dieser Situation besagt
die formale Eigentümerposition der Beteiligten zu 3 und 4 mithin gegenwärtig nicht zuverlässig,
dass das Vorkaufsrecht der Beteiligten zu 5 und 6 erloschen ist.
Im Hinblick darauf, dass der Beteiligte zu 1 letztlich nur die rechtliche Eigentümerstellung, das
„nudum dominium“, auf die Beteiligten zu 3 und 4 übertragen hat, erscheint das Vorbringen des
Beteiligten zu 5 jedenfalls schlüssig und geeignet, derzeit ernst zu nehmende Zweifel am Erlöschen
des Vorkaufsrechts infolge der Singularrechtsnachfolge der Beteiligten zu 3 und 4 zu begründen.
Diese Zweifel gehen im Berichtigungsverfahren nach § 22 GBO zu Lasten des Beteiligten zu 1,
denn er hat eine - nicht ganz entfernt liegende oder bloß theoretische - Möglichkeit des
Fortbestands des eingetragenen Rechts nicht ausgeräumt. Darauf, wie sich die Beweislast in einem
über einen etwaigen Berichtigungsanspruch (§ 894 BGB) geführten zivilprozessualen
Erkenntnisverfahren verteilt, kommt es im Grundbuchverfahren nicht an (BayObLG DNotZ 1989, 166).
Die Klärung der Streitfrage, ob das Vorkaufsrecht schon erloschen und die Beteiligten zu 5 und 6
zur Abgabe einer Löschungsbewilligung verpflichtet sind, muss - gerade auch unter dem
Gesichtspunkt der Rechtssicherheit - diesem gerichtlichen Erkenntnisverfahren, § 899 BGB,
vorbehalten bleiben (vgl. Staudinger/Schermaier § 1097 Rn. 14).
4. Zweifel am wirksamen Zustandekommen des für die Beteiligten zu 5 und 6 als
Gesamtberechtigte (vgl. Kohler in Bauer/von Oefele AT Rn. III 134) eingetragenen dinglichen
Vorkaufsrechts (§ 1094 Abs. 1, § 1103 Abs. 2 BGB) bestehen nicht. Die Preislimitierung ist nur mit
schuldrechtlicher Wirkung vereinbart. Das dingliche Recht hat hierdurch keinen von § 1098 BGB
abweichenden und deshalb unzulässigen Inhalt erhalten. Die gewählte rechtliche Gestaltung ist
zulässig (Senat vom 29.10.2007, 34 Wx 105/07 = FGPrax 2008, 11; RGZ 104, 122/123; vgl.
Erman/ Grziwotz BGB 14. Aufl. § 1098 Rn. 1 m. w. N.).
5. Aus diesen Gründen bedarf es zur Löschung des gegenständlichen Vorkaufsrechts einer
Bewilligungserklärung der Beteiligten zu 5 und 6, § 22 Abs. 1, § 19 GBO. Deren Vorlage kann mit
Zwischenverfügung aufgegeben werden (Senat vom 29.10.2007; OLG Zweibrücken NJW-RR
2000, 94).
6. Allerdings kann vom Beteiligten zu 1 nicht verlangt werden, Übernahmeerklärungen der
Beteiligten zu 3 und 4 vorzulegen. Die Verpflichtung aus dem zugunsten der Beteiligten zu 5 und 6
bestellten Vorkaufsrecht wurde nicht auf die Beteiligten zu 3 und 4 übertragen. Das Vorkaufsrecht
belastet nur den Beteiligten zu 1. Die derzeit fehlende Löschungsreife beruht darauf, dass es - wie
dargestellt - nach materiellem Recht trotz Sonderrechtsnachfolge im Eigentum und Beschränkung
des Vorkaufsrechts auf den ersten Verkaufsfall möglicherweise nicht erloschen ist und
Bewilligungen der Berechtigten nicht vorliegen. Gegenüber den Beteiligten zu 3 und 4 hat die
Eintragung gemäß § 1098 Abs. 2 BGB die Wirkung einer Vormerkung, § 883 Abs. 2 und 3, § 888
BGB, zur Sicherung des durch eine künftige Ausübung des Vorkaufsrechts entstehenden und gegen
den Beteiligten zu 1 gerichteten Eigentumsübertragungsanspruchs der Vorkaufsberechtigten,
§ 1098 Abs. 1, § 464 Abs. 2, § 433 Abs. 1 BGB.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 84, 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Beschwerde ist mit dem
verfolgten Beschwerdeziel erfolglos geblieben. Die Teilaufhebung der Zwischenverfügung fällt
demgegenüber nicht ins Gewicht.
Den Geschäftswert für die begehrte Löschung des Vorkaufsrechts bestimmt der Senat mit einem
Bruchteil von 10 % des in der notariellen Urkunde bezeichneten Grundstückswerts (§ 79 Abs. 1
Satz 1 i. V. m. § 36 Abs. 1 GNotKG; vgl. BayObLG JurBüro 1997, 605).
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde, § 78 Abs. 2 GBO,
liegen nicht vor. Es handelt sich um die Entscheidung eines Einzelfalls.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

25.09.2015

Aktenzeichen:

34 Wx 121/15

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2016, 319-324
RNotZ 2016, 36-41

Normen in Titel:

BGB §§ 1094, 1097; GBO §§ 19, 22