Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers
letzte Aktualisierung: 9.2.2022
OLG Naumburg, Beschl. v. 23.2.2021 – 2 Wx 31/20
Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers
1. Etwaige in einem vorangegangenen Entlassungsverfahren festgestellten Pflichtverletzungen eines
Testamentsvollstreckers sind in einem späteren Entlassungsverfahren nicht verbraucht.
2. Die fehlende Entrichtung der Erbschaftsteuer stellt eine grob fahrlässige Pflichtverletzung des
Testamentsvollstreckers dar.
Gründe
A.
Die Erblasserin war verheiratet mit dem am 21.05.2007 vorverstorbenen R. O. . Die
Ehegatten hatten keine leiblichen Kinder und jeweils keine Geschwister. Die Beteiligten zu
2) und zu 3) waren ihre Pflegetöchter.
Am 10.09.2002 errichteten die Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament zu UR Nr.
1119/2002 des Notars T. Sch. in S. . Darin setzten sie sich wechselseitig zu Alleinerben des
Erstversterbenden ein und befreiten den Letztlebenden von allen Beschränkungen in der
Verfügung über den Nachlass. Für den Fall, dass der Letztlebende von der Möglichkeit der
letztwilligen Verfügung keinen Gebrauch macht, setzten sie die Beteiligten zu 2) und zu 3)
je zur Hälfte als Schlusserbinnen ein. Zugleich bestimmten sie verschiedene Vermächtnisse,
teilweise unter Auflagen, und den Beteiligten zu 1) zu ihrem Testamentsvollstrecker. Das
Testament wurde nach dem Ableben der Erblasserin vom Nachlassgericht am 01.07.2015
(nochmals) eröffnet (vgl. Beiakte IV 337/02 AG Sangerhausen, Bl. 30).
Auf Antrag des Beteiligten zu 1) und nach Anhörung der Beteiligten zu 2) und zu 3) wurde
dem Beteiligten zu 1) vom Nachlassgericht am 02.09.2015 ein
Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt; der Beteiligte zu 1) nahm seine Tätigkeit auf.
Ein Antrag der hiesigen Beteiligten zu 2) vom 18.07.2017 auf Entlassung des Beteiligten zu
1) als Testamentsvollstrecker blieb erfolglos. Das Nachlassgericht stellte zwar mehrere
Pflichtverletzungen des Beteiligten zu 1) bei der Testamentsvollstreckung fest, weil einzelne
Maßnahmen eine nicht mehr tolerierbare zeitliche Dauer in Anspruch nahmen und auch die
Auskunftserteilung gegenüber dem Nachlassgericht erheblich verzögert erfolgt war; es sah
hierin jedoch noch nicht die Qualität eines wichtigen Grundes, welcher eine Entlassung
rechtfertigt, erreicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Beschlusses des
erkennenden Senats vom 24.05.2018 (2 Wx 13/18 OLG Naumburg) Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 13.12.2019 hat die Beteiligte zu 2) erneut die Entlassung des Beteiligten
zu 1) als Testamentsvollstrecker beantragt. Hierzu hat der Beteiligte zu 1) innerhalb der ihm
gesetzten Anhörungsfrist keine Stellung genommen.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 09.03.2020 die Entlassung des
Beteiligten zu 1) aus seinem Amt als Testamentsvollstrecker angeordnet. Es hat zunächst
auf das vorangegangene Verfahren Bezug genommen und festgestellt, dass inzwischen die
Grenze zum wichtigen Grund i.S.v.
offensichtlich unfähig, das Amt des Testamentsvollstreckers ohne grobe Pflichtverletzungen
zu führen. Der Nachlass sei noch immer nicht vollständig abgewickelt, ohne dass der
Beteiligte zu 1) hierfür eine Erklärung abgeben könne oder wolle. Wegen der Einzelheiten
wird auf die Gründe dieser Entscheidung verwiesen.
Gegen diese, ihm am 11.03.2020 zugestellte Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1)
mit seiner am 14.04.2020 (Dienstag nach Ostern) vorab per Fax beim Nachlassgericht
eingegangenen Beschwerde. Der Beteiligte zu 1) trägt vor, dass eine erforderliche
Richtigstellung im erbschaftssteuerrechtlichen Verwaltungsverfahren inzwischen erfolgt und
dass das Verfahren im Übrigen noch anhängig sei. Hinsichtlich des noch nicht ausgekehrten
Betrages von ca. 43.000,00 € handele es sich um eine grundpfandrechtlich gesicherte
Forderung, hinsichtlich derer bereits ein Zwangsversteigerungsverfahren (8 K 3/18 AG
Sangerhausen) geführt werde.
Die Beteiligte zu 2) hat hierzu mit Schriftsatz vom 03.06.2020 ausführlich Stellung
genommen und erklärt, dass sich beide Erbinnen darin einig seien, dass der Nachlass nicht
weiter auseinandergesetzt werden solle. Die Beteiligte zu 3) hat mit Schreiben vom
30.05.2020 ebenfalls die Zurückweisung der Beschwerde begehrt.
Das Nachlassgericht hat mit seinem Beschluss vom 10.06.2020 dem Rechtsmittel nicht
abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Naumburg zur Entscheidung vorgelegt.
B.
I. Die Beschwerde ist nach
1 FamFG notwendige Mindestbeschwer überschritten. Die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1
FamFG ist gewahrt worden.
II. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Nach
Beteiligten entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund kann
insbesondere in einer groben Pflichtverletzung oder in der Unfähigkeit zur
ordnungsgemäßen Geschäftsführung begründet sein. Dabei müssen die tatsächlichen
Umstände in ihrer Gesamtheit die Merkmale des unbestimmten Rechtsbegriffs des
wichtigen Grundes erfüllen (vgl. Weidlich in: Palandt, BGB, 80. Aufl. 2021, § 2227 Rn. 2
m.w.N.). Das Nachlassgericht hat zur Feststellung des Vorliegens eines wichtigen Grundes
eine eigenständige Beurteilung vorzunehmen. Selbst wenn ein wichtiger Grund vorliegt, hat
das Nachlassgericht in Ausübung eines pflichtgemäßen Ermessens darüber zu entscheiden,
ob es den Testamentsvollstrecker entlässt (vgl. Weidlich a.a.O., § 2227 Rn. 11 m.w.N.).
2. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.
a) Das Nachlassgericht hat zunächst zu Recht darauf verwiesen, dass mit der Entscheidung
des Senats im vorangegangenen Beschwerdeverfahren nicht etwa sämtliche dort als
Pflichtverletzungen angeführten Umstände "verbraucht" worden seien, sondern dass die
Entscheidung so zu verstehen war, dass die tatsächlichen Umstände gerade noch nicht für
eine Entlassung genügten, aber tendenziell im Falle der Fortführung dieser pflichtwidrigen
Art der Testamentsvollstreckung eine Entlassung unmittelbar bevorsteht. Das hat der
Beteiligte zu 1) grundlegend verkannt.
b) Aus den eigenen Angaben des Beteiligten zu 1) ist darauf zu schließen, dass es im
Rahmen der von ihm geführten Testamentsvollstreckung immer wieder monatelange
Phasen der vollständigen Untätigkeit gab. Unabhängig davon verletzte der Beteiligte zu 1)
die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Testamentsvollstreckung jedenfalls im Hinblick auf
die Entrichtung der Erbschaftssteuer grob fahrlässig. Nach etwa fünfeinhalb Jahren ist das
Erbschaftssteuerverfahren noch immer nicht abgeschlossen; im Nachlass müssen – nach
Angaben des Beteiligten zu 1) – noch immer Rückstellungen für diese Steuerlast
vorgenommen werden, was einer Abwicklung entgegensteht. Der Beteiligte zu 1) vermochte
nicht zu erklären, weswegen die Erbschaftssteuererklärung noch immer nicht vollständig
abgegeben werden konnte bzw. was einer endgültigen Steuerfestsetzung im Wege steht.
Darüber hinaus gibt es seit mehr als drei Jahren keine aktualisierte Aufstellung des vom
Beteiligten zu 1) verwalteten Nachlasses, etwa mit Informationen über Erträgnisse aus
Vermögensanlagen oder über den aktuellen Bestand der offenen, grundpfandrechtlich
gesicherten Forderung bzw. über etwaige Kontakte zum Schuldner.
c) Dies wiegt umso schwerer, als der Beteiligte zu 1) die vom Nachlassgericht sowohl in
seiner angefochtenen Entscheidung als auch in seinem Nichtabhilfebeschluss benannten
Pflichtverletzungen auch während des Verlaufes des Beschwerdeverfahrens nicht abgestellt
hat. Es fehlt weiter an einer regelmäßigen Unterrichtung des Nachlassgerichts und der
beiden Erbinnen; insoweit wäre eine unverzügliche Fertigung und Übersendung eines
umfassenden Zwischenberichts zu erwarten gewesen. Das ist nicht geschehen, so dass sich
die vom Nachlassgericht herangezogenen Umstände im Verlaufe des Beschwerdeverfahrens
bestätigt und noch verfestigt haben. Der Beteiligte zu 1) hat es auch nicht vermocht, den
gegen ihn geäußerten Verdacht eines eigennützigen Verhaltens durch eine entsprechende
Berichterstattung auszuräumen.
d) Schließlich ist auch die Feststellung des Nachlassgerichts nicht zu beanstanden, dass der
gesamte Verlauf der Testamentsvollstreckung den Schluss auf eine Unfähigkeit des
Beteiligten zu 1) zu einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung i.S.e. subjektiven
Unvermögens zulässt. Der Beteiligte zu 1) hat mit seinem Beschwerdevorbringen keine
andere hinreichende Erklärung für die ungewöhnlich lange, mehrjährige Dauer der
Abwicklung gegeben. Insoweit handelt es sich um einen verschuldensunabhängigen
Entlassungsgrund.
3. In der Gesamtschau der massiven Pflichtverletzungen des Beteiligten zu 1) hält sich die
nunmehr vorgenommene Entlassung aus dem Amt des Testamentsvollstreckers nicht nur
im Rahmen des dem Nachlassgericht nach dem Gesetz eingeräumten Ermessensspielraums,
sondern ist nur folgerichtig und konsequent.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Die Festsetzung des Kostenwerts des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus §§ 36 Abs. 1, 40
Abs. 1 und 79 Abs. 1 Satz 1 GNotKG. Der Senat hat dabei den vom Beteiligten zu 1) selbst
ermittelten Nachlasswert zugrunde gelegt.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Naumburg
Erscheinungsdatum:23.02.2021
Aktenzeichen:2 Wx 31/20
Rechtsgebiete:
Testamentsvollstreckung
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
BGB § 2227