Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters vor Nichterbringung der bereits fällig gestellten Einlage
letzte Aktualisierung: 28.1.2021
BGH, Urt. v. 4.8.2020 – II ZR 171/19
GmbHG §§ 34, 19 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 1;
Ausschluss eines GmbH-Gesellschafters vor Nichterbringung der bereits fällig gestellten
Einlage
Der Gesellschafter einer GmbH kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht
vollständig erbracht hat, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, ohne dass zugleich mit dem
Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet: Der angefochtene Gesellschafterbeschluss, mit dem die Klägerin
aus der Beklagten habe ausgeschlossen werden sollen, sei nichtig. Aus dem
Grundsatz der Kapitalerhaltung, auf den ausdrücklich auch für die Einziehung
von Geschäftsanteilen verwiesen werde, folge, dass die Ausschließung eines
Gesellschafters, der seine Stammeinlage noch nicht vollständig erbracht habe,
unzulässig sei.
Zwar sei bei der Ausschließung die Volleinzahlung des Geschäftsanteils
grundsätzlich nicht erforderlich. Da hier die Initiative von den Mitgesellschaftern
ausgehe, könnten sie zugleich beschließen, den nicht voll eingezahlten Geschäftsanteil
selbst zu übernehmen. Möglich sei auch die Übertragung auf einen
Dritten. Entscheidend sei aber, dass "zugleich" mit der Ausschließung das
weitere Schicksal des nicht voll eingezahlten Gesellschaftsanteils geklärt werde.
Unter diesen besonderen Voraussetzungen trete unmittelbar mit dem Ausscheiden
des säumigen Gesellschafters ein anderer Schuldner für die noch
ausstehende Stammeinlage an dessen Stelle, sodass der Grundsatz der Kapitalerhaltung
ohne weiteres gewahrt werde.
Auf dem von der Beklagten beschrittenen Weg, zunächst nur über den
Ausschluss der Klägerin zu entscheiden, die Entscheidung über das weitere
Schicksal dieses Gesellschaftsanteils aber zurückzustellen, würde dagegen
eine Situation entstehen, bei der es vorübergehend keinen Schuldner für die
noch ausstehende Stammeinlage gebe. Die Dauer dieses Zustands wäre dabei
völlig unklar, weil es keinen Zeitpunkt gebe, bis zu dem zwingend über das weitere
Schicksal des Gesellschaftsanteils entschieden werden müsse; eine solche
Entscheidung sei auch nicht zu erzwingen, sondern stünde dann letztlich im
Belieben der verbliebenen Gesellschafter. Eine Stammeinlageforderung ohne
einen entsprechenden Schuldner sei aber offensichtlich mit dem Gebot der Kapitalerhaltung
nicht vereinbar.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Der Gesellschafter einer GmbH kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte
Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, aus der Gesellschaft ausgeschlossen
werden, ohne dass zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über
die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss. Die vom Berufungsgericht
geforderte Gleichzeitigkeit des Ausschlusses und der Entscheidung
über das Schicksal des Geschäftsanteils ist zum Schutz der Kapitalaufbringung
nicht geboten.
1. Das Schrifttum sieht in dem Umstand, dass die Einlage auf den Geschäftsanteil
nicht voll geleistet wurde, keinen Hinderungsgrund für die Ausschließung
eines Gesellschafters (Damrau-Schröter,
Battke,
22. Aufl., Anhang nach § 34 Rn. 7; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG,
20. Aufl., § 34 Rn. 140; Sosnitza in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt,
GmbHG, 3. Aufl., Anhang § 34 Rn. 20; Sandhaus in Gehrlein/Born/Simon,
GmbHG, 4. Aufl., § 34 Rn. 81; Görner in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG,
6. Aufl., § 34 Rn. 88). Ob über die Verwertung des Geschäftsanteils gleichzeitig
mit dem Ausschluss beschlossen werden muss, oder ob später darüber entschieden
werden kann, wird selten erörtert. Zum Teil wird für die Zulässigkeit
der Ausschließung eines nicht voll eingezahlten Geschäftsanteils dessen mögli-
che Abtretung in absehbarer Zeit für erforderlich gehalten (Scholz/Seibt,
GmbHG, 12. Aufl., Anhang § 34 Rn. 36). Zum Teil wird formuliert, bei der Ausschließung
sei die Volleinzahlung des Geschäftsanteils grundsätzlich nicht erforderlich.
Da hier die Initiative von den Mitgesellschaftern ausgehe, könnten sie
zugleich beschließen, den nicht voll eingezahlten Geschäftsanteil selbst zu
übernehmen. Möglich sei auch die Übertragung auf einen Dritten
(MünchKommGmbHG/Strohn, 3. Aufl., § 34 Rn. 112). Diesen Ausführungen
lässt sich indes bereits nicht mit Sicherheit entnehmen, ob mit "zugleich", entsprechend
dem Verständnis des Berufungsgerichts, eine zwingende zeitliche
Verknüpfung hergestellt werden soll.
2. Ist die Einlage bereits vollständig geleistet, wie hier auf den Geschäftsanteil
der Klägerin mit der lfd. Nr. 2, bedarf es nach der Rechtsprechung
des Senats keiner gleichzeitigen Beschlussfassung über die Ausschließung des
Gesellschafters und die Verwertung seines Geschäftsanteils. Ein rechtmäßiger
Ausschließungsbeschluss hat zur Folge, dass der betroffene Gesellschafter
seine Gesellschafterstellung verliert. Der Geschäftsanteil bleibt dagegen bestehen.
Auch wenn die Gesellschaft nicht in angemessener Frist die Einziehung
des Geschäftsanteils beschließt oder seine Abtretung verlangt, lebt die Gesellschafterstellung
des Betroffenen nicht wieder auf. Für die Wirksamkeit der Ausschließung
kommt es daher nicht darauf an, dass lediglich diese beschlossen,
nicht aber über den Geschäftsanteil Beschluss gefasst worden ist (BGH, Urteil
vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59,
3. Der Gesellschafter einer GmbH kann, jedenfalls wenn die Einlageforderung
der Gesellschaft bereits fällig gestellt wurde, auch dann ausgeschlossen
werden, wenn er seine Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, ohne dass
zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils
gefasst werden muss. Hat der auszuschließende Gesellschafter
seine Einlage noch nicht vollständig geleistet, steht dies nur der Einziehung
seines Geschäftsanteils in Vollzug der Ausschließung entgegen.
a) Die von der Klägerin geschuldete Resteinlage auf den Geschäftsanteil
mit der lfd. Nr. 4 in Höhe von 49.000
Nach den Bedingungen des Kapitalerhöhungsbeschlusses vom
12. November 2012 und der von der Klägerin abgegebenen Übernahmeerklärung
sollte die Resteinlage nach Aufforderung durch die Gesellschaft fällig werden.
In der Gesellschafterversammlung vom 4. März 2016 wurde ein Beschluss
über den Einzug der offenen Einlageforderung von 49.000
gefasst. Die hiergegen erhobene Nichtigkeits- und Anfechtungsklage der Klägerin
wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Klägerin wurde mit Schreiben vom
4. März 2016 durch den Geschäftsführer der Beklagten zur Zahlung bis zum
11. März 2016 sowie mit Schreiben vom 11. Juli 2016 zur umgehenden Zahlung
innerhalb eines Monats aufgefordert.
b) Die Gesellschaft kann einen Ausschluss nicht durch Einziehung des
Geschäftsanteils des auszuschließenden Gesellschafters vollziehen, wenn die
Einlage auf den Geschäftsanteil des Ausgeschlossenen nicht vollständig erbracht
wurde. Dieses aus dem Grundsatz der Kapitalaufbringung hergeleitete
Einziehungsverbot gilt aber unabhängig davon, ob mit dem Ausschluss oder
danach die Einziehung beschlossen wird.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Verbot der
Einziehung eines nicht vollständig eingezahlten Geschäftsanteils nicht aus dem
Grundsatz der Kapitalerhaltung hergeleitet, sondern aus dem Grundsatz der
Kapitalaufbringung. Eine Einziehung ist nur zulässig, wenn die auf den einzuziehenden
Geschäftsanteil zu erbringende Einlageleistung vollständig erbracht
ist. Das ergibt sich aus
schafter von seiner Pflicht zur Leistung der Einlage nicht befreit werden. Das
würde aber geschehen, wenn ein Geschäftsanteil, auf den eine noch nicht fällig
gestellte Einlage noch nicht eingezahlt ist, eingezogen würde (vgl. BGH, Urteil
vom 1. April 1953 - II ZR 235/52,
2014 - II ZR 322/13,
Die Einziehung ist auch unzulässig, wenn die noch nicht geleistete Einlage
bereits fällig gestellt wurde. Wurde die Einlage bereits fällig gestellt, haftet
der betroffene Gesellschafter allerdings weiter für die Einlageforderung (vgl.
BGH, Urteil vom 14. September 1998 - II ZR 172/97,
Goette/Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 5 Rn. 92; Sandhaus in Gehrlein/Born/
Simon, GmbHG, 4. Aufl., § 34 Rn. 44; Kersting in Baumbach/Hueck, GmbHG,
22. Aufl., § 34 Rn. 19; Scholz/Westermann, GmbHG, 12. Aufl., § 34 Rn. 65;
Ulmer/Habersack in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl., § 34 Rn. 57;
MünchKommGmbHG/Strohn, 3. Aufl., § 34 Rn. 61). Er kann dann nicht mehr im
Sinne des
zur Leistung der Einlage befreit werden. Aber auch in diesem Fall bleibt
die Einziehung wegen der damit verbundenen Gefahr für die Kapitalaufbringung
unzulässig (Goette/Goette, Die GmbH, 3. Aufl., § 5 Rn. 73; Sandhaus in
Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl., § 34 Rn. 30; MünchKommGmbHG/
Strohn, 3. Aufl., § 34 Rn. 30). Denn eine wirksame Einziehung vernichtet den
Geschäftsanteil (BGH, Urteil vom 14. September 1998 - II ZR 172/97,
236 Rn. 6). Dann scheidet eine Verwertung des Geschäftsanteils und damit die
Realisierung des in ihm verkörperten Einlageanspruchs aus. Es verbliebe lediglich
die Haftung des betroffenen Gesellschafters für bereits fällig gestellte Einlageforderungen.
Ist dieser zahlungsunfähig, scheitert die Kapitalaufbringung
endgültig.
c) Beschließt die Gesellschafterversammlung erst nach dem Ausschluss
über die Verwertung des Geschäftsanteils des Ausgeschlossenen, bringt dies
für den Schutz der Kapitalaufbringung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
keine Nachteile gegenüber einer zeitgleichen Beschlussfassung
mit sich, wenn die Einlageleistung bereits fällig gestellt wurde.
aa) Die Ausschließung wird nach § 13 Abs. 3 b) GV vorbehaltlich einer
anderen Bestimmung der Gesellschafterversammlung mit Zustellung des Ausschließungsbeschlusses
an den Auszuschließenden wirksam. Dies ist rechtlich
zulässig. Die Satzung einer GmbH kann für den Fall des Ausschlusses eines
Gesellschafters durch Gesellschafterbeschluss anordnen, dass der betroffene
Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung verliert
(BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59,
30. Juni 2003 - II ZR 326/01,
8. Dezember 2008 - II ZR 263/07,
2011 - II ZR 263/08,
bb) Der ausgeschlossene Gesellschafter hat gemäß § 13 Abs. 7 GV
nach Wahl der Gesellschaft die Einziehung seines Geschäftsanteils zu dulden
oder den Anteil an die Gesellschaft, an einen Gesellschafter oder an einen von
der Gesellschaft bezeichneten Dritten zu veräußern und abzutreten. Der Schutz
der Kapitalaufbringung wird unabhängig davon gewährleistet, wann die Beklagte
von ihrem Wahlrecht Gebrauch macht.
Die Ausschließung lässt den Geschäftsanteil unberührt (vgl. BGH, Urteil
vom 1. April 1953 - II ZR 235/52,
1960 - II ZR 22/59,
- II ZR 345/97,
der Klägerin mit der lfd. Nr. 4 nicht vollständig geleistet. In diesem Fall
scheidet die Einziehung des Geschäftsanteils in Vollzug des Ausschlusses
ebenso aus wie der Erwerb durch die Gesellschaft (§ 33 Abs. 1 GmbHG). In der
Regel und auch nach der Satzungsgestaltung der Beklagten bleibt dann die
Möglichkeit der Verwertung durch Abtretung des Geschäftsanteils an einen Mitgesellschafter
oder einen Dritten. Der in dem Geschäftsanteil verkörperte Einlageanspruch
(
davon fort, ob zeitgleich mit dem Ausschluss oder erst später über die Verwertung
des Geschäftsanteils entschieden wird. Da der ausgeschlossene Gesellschafter
für eine bereits fällig gestellte Einlageforderung weiter haftet, bleibt
diese Forderung, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, auch nicht
bis zur Entscheidung über die Verwertung des Geschäftsanteils ohne Schuldner.
Der Schutz der Kapitalaufbringung verschlechtert sich bei fällig gestellten
Einlageforderungen durch die Ausschließung nicht.
cc) Ein Zwang zu gleichzeitiger Beschlussfassung über Ausschließung
und Verwertung des Geschäftsanteils ist im Hinblick auf den im Interesse der
Gesellschaftsgläubiger zu gewährleistenden Schutz der Kapitalaufbringung abzulehnen,
weil die zeitliche Bindung einer möglichst die offene Einlageforderung
deckenden Verwertung entgegenstehen könnte, wenn zu diesem Zeitpunkt
noch kein Interessent oder jedenfalls keiner, der in diesem Umfang leistungsbereit
ist, zur Verfügung steht. Aus demselben Grund könnte durch den Zwang zur
zeitgleichen Verwertung das Interesse der Gesellschaft und des Ausgeschlossenen
an einer seinen Abfindungsanspruch finanzierenden Veräußerung des
Geschäftsanteils beeinträchtigt werden.
4. Der Ausschluss der Klägerin wird unabhängig von der Zahlung einer
Abfindung wirksam.
Hat, wie vorliegend, ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss der Gesellschafterversammlung
nach der Satzung der GmbH die Wirkung, dass der
betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung
verliert, tritt diese Wirkung unabhängig von der Zahlung der dem Gesellschafter
zustehenden Abfindung ein (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59,
2881; Urteil vom 30. Juni 2003 - II ZR 326/01,
vom 8. Dezember 2008 - II ZR 263/07,
2011 - II ZR 263/08,
Gesellschafters, der seine Einlage voll erbracht hat, in gleicher Weise wie für
den Ausschluss eines Gesellschafters, dessen Einlage teilweise rückständig ist.
Die Gesellschafterstellung des Betroffenen lebt nicht wieder auf, wenn die Gesellschaft
nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließt
oder seine Abtretung verlangt und nichts dazu tut, dass der Ausgeschlossene
den Gegenwert seines Geschäftsanteils erlangt (BGH, Urteil vom
25. Januar 1960 - II ZR 22/59,
2008 - II ZR 263/07,
des Ausschließungsbeschlusses kommt es daher nicht darauf an, dass lediglich
die Ausschließung des Klägers beschlossen, nicht aber über seinen Geschäftsanteil
Beschluss gefasst worden ist, und welchen Wert dieser Geschäftsanteil
hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 1960 - II ZR 22/59,
Beschluss vom 8. Dezember 2008 - II ZR 263/07,
III. Das Berufungsurteil ist nicht aus anderen Gründen richtig (§ 561
ZPO).
1. Der Ausschließungsbeschluss ist nicht deshalb anfechtbar, weil die
Klägerin ihre Einlageverpflichtung nicht erfüllen muss. Die Klägerin hat im
Wesentlichen darauf abgestellt, sie dürfe nicht ausgeschlossen werden, weil sie
sich zu Recht dagegen wehre, die Einzahlungsverpflichtung zu erfüllen. Sämtliche
Geldbeträge, die die Beklagte eingenommen habe, seien nicht für satzungsgemäße
Zwecke verwendet, sondern lediglich "verbrannt" worden.
Bei dem Einwand, Gesellschaftsmittel würden nicht dem Gesellschaftszweck
gemäß verwendet, handelt es sich der Sache nach um die Berufung auf
ein Zurückbehaltungsrecht. Der Inferent kann gegen die Bareinlageforderung
aber keine Zurückbehaltungsrechte geltend machen. Dies ergibt sich aus dem
Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Die Geltendmachung eines
Zurückbehaltungsrechts gefährdet die Kapitalaufbringung und damit Gesellschafts-
und Gläubigerinteressen in ähnlicher Weise wie die Aufrechnung
(vgl.
GmbHG Rn. 30; Fastrich in Baumbach/Hueck, GmbHG, 22. Aufl., § 19 Rn. 41;
Kis-Sira in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 4. Aufl., § 19 Rn. 31; Bayer in Lutter/
Hommelhoff, GmbHG, 20. Aufl., § 19 Rn. 41; Ebbing in Michalski/Heidinger/
Leible/J. Schmidt, GmbHG, 3. Aufl., § 19 Rn. 105; Casper in Habersack/
Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 19 Rn. 105; Scholz/Veil, GmbHG, 12. Aufl.,
§ 19 Rn. 97; abweichend, aus
GmbHG/Ziemons, 44. Edition, Stand: 1. Mai 2020, § 19 Rn. 134;
MünchKommGmbHG/Schwandtner, 3. Aufl., § 19 Rn. 128; aus beiden Vorschriften:
Pentz in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 6. Aufl., § 19 Rn. 94).
2. Der Beschluss über die Ausschließung der Klägerin ist entgegen der
Auffassung der Revisionserwiderung nicht wegen eines Verstoßes gegen das
Kapitalerhaltungsgebot nichtig, weil nach der Satzungsgestaltung der Beklagten
eine das Stammkapital schädigende Auszahlung der Abfindung an die Klägerin
ausgeschlossen ist.
Auszahlungen an ausgeschiedene Gesellschafter dürfen nicht zur Entstehung
oder Vertiefung einer Unterbilanz führen (BGH, Urteil vom 26. Juni
2018 - II ZR 65/16,
des Senats gilt das Gebot der Kapitalerhaltung auch dann, wenn die Gesellschaft
einen Gesellschafter ausschließen will (BGH, Urteil vom 1. April 1953
- II ZR 235/52,
Beschluss der Gesellschafterversammlung, ist dieser Beschluss entsprechend
§ 241 Abs. 1 Nr. 3 AktG wegen eines Verstoßes gegen
nichtig, wenn bereits bei der Beschlussfassung feststeht, dass die Abfindung
nicht aus freiem Vermögen gezahlt werden kann (BGH, Urteil vom 5. April 2011
- II ZR 263/08,
Ein solcher Fall liegt nicht vor. Die Satzung der Klägerin sieht die Verwertung
der Geschäftsanteile eines Ausgeschlossenen durch Übertragung an
einen Mitgesellschafter oder einen Dritten vor. Das Kapitalerhaltungsgebot aus
wenn eine Gegenleistung in Höhe des Abfindungsbetrags vereinbart wird. Denn
dann schuldet nicht die Gesellschaft, sondern der Erwerber die Abfindung in
Form des Kaufpreises (BGH, Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08, ZIP 2011,
1104 Rn. 20). Darauf kann es aber nur dann ankommen, wenn diese Möglichkeit
tatsächlich besteht. Ob sie darüber hinaus in dem Beschluss bereits festgelegt
sein muss, hat der Senat bisher offengelassen (BGH, Urteil vom 5. April
2011 - II ZR 263/08,
keiner Entscheidung.
Für den Fall, dass eine den Abfindungsanspruch sichernde Verwertung
durch Übertragung an einen Mitgesellschafter oder einen Dritten nicht möglich
ist, schließt die Regelung in § 15 Abs. 8 GV aus, dass eine Abfindung aus dem
gebundenen Vermögen gezahlt wird. Nach § 15 Abs. 8 Satz 2 GV kann die Nebenintervenientin
der Beklagten bei unzureichendem freiem Kapital der Gesellschaft
die Geschäftsanteile der Klägerin übernehmen und schuldet dann anstelle
der Beklagten die Abfindung. Ein Abfindungsanspruch gegen die Beklagte
erlischt. Das Kapitalerhaltungsgebot aus
(vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2011 - II ZR 263/08,
Übernimmt die Nebenintervenientin die Geschäftsanteile der Klägerin nicht,
wird die Ausschließung nach § 15 Abs. 8 Satz 4 GV unwirksam, und die Gesellschaft
wird aufgelöst. In diesem Fall erlischt der Abfindungsanspruch insgesamt.
IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist zur Endentscheidung reif (
Feststellungen zu erwarten sind, die die Unwirksamkeit des Beschlusses der
Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 22. September 2016 zu
Tagesordnungspunkt 6 (Ausschluss der Klägerin) begründen könnten, ist das
klageabweisende Urteil des Landgerichts wiederherzustellen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:04.08.2020
Aktenzeichen:II ZR 171/19
Rechtsgebiete:
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GmbHG §§ 34, 19 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 1; AktG § 241 Abs. 1 Nr. 3