Ersatzansprüche der GmbH gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter; Stimmverbot in zweigliedriger GmbH; Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses
letzte Aktualisierung: 14.2.2025
BGH, Urt. v. 5.11.2024 – II ZR 85/23
GmbHG §§ 43 Abs. 2, 46 Nr. 8, 47 Abs. 4
Ersatzansprüche der GmbH gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter; Stimmverbot in
zweigliedriger GmbH; Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses
1. In der zweigliedrigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung erübrigt sich eine Beschlussfassung
nach § 46 Nr. 8 Fall 1 und 2 GmbHG, wenn nur die Stimmen des den Ersatzanspruch verfolgenden
Gesellschafters wegen eines Stimmverbots des anderen Gesellschafters zählen. In diesem Fall ist die
Klage des Gesellschafters grundsätzlich unzulässig, weil die Gesellschaft den Ersatzanspruch ohne
Weiteres selbst im Klagewege verfolgen kann.
2. Ist Gegenstand der Beschlussfassung in einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung die Einleitung
eines Rechtsstreits gegenüber einem ihrer Geschäftsführer und die Bestellung eines
Prozessvertreters zur Verfolgung dieser Ansprüche, kann der betroffene Geschäftsführer das
Stimmrecht nicht für einen Gesellschafter ausüben.
Die Klägerin hält 49 % der Geschäftsanteile der U. A.
GmbH (im Folgenden auch: Gesellschaft). Mehrheitsgesellschafterin ist die
F. H. GmbH, die 51 % der Geschäftsanteile hält. Geschäftsführer beider Gesellschaften
sind die Beklagten. Gesellschafterin der F. H. GmbH ist "weitüberwiegend"
eine gleichnamige GmbH mit Sitz in Österreich. Ihre Gesellschafter
sind die Beklagten, der Bruder des Beklagten zu 1 und ein Sohn des Beklagten
zu 2; ihre Geschäftsführer sind die Beklagten.
Die Klägerin hat den Beklagten zur Last gelegt, dass die Gesellschaft mit
notariellem Vertrag vom 30. September 2019 von der in Österreich ansässigen
F. H. GmbH die Geschäftsanteile einer ebenfalls in Österreich ansässigen
U. GmbH sowie die Vertriebs- und Vermarktungsrechte der Produkte
der U. A. GmbH in Österreich zu einem überhöhten Kaufpreis
erworben habe. Der Unternehmens- und Rechtskauf war in der Gesellschafterversammlung
vom 20. November 2018 mit den Stimmen der Klägerin beschlossen
worden. Ein für eine Gesellschafterversammlung am 23. September 2019 in
Aussicht genommener Beschluss über die Höhe des Kaufpreises kam jedoch
nicht zustande. Die Klägerin verlangte mehrfach ab dem 10. September 2020 die
Einberufung einer Gesellschafterversammlung, um über folgenden Antrag zu beschließen:
"Die Ansprüche der U. A. GmbH ("Gesellschaft")
gegen die Geschäftsführer der Gesellschaft und/oder
die F. H. GmbH im Zusammenhang mit den in der Anlage 1
ausführlich dargestellten Sachverhalten sollen geprüft und ggf.
(gerichtlich) geltend gemacht werden, insbesondere gegen die
F. H. GmbH und die Geschäftsführer der Gesellschaft
F. und D. H. . Herr M. L. wird zum besonderen
Vertreter der Gesellschaft bestellt und beauftragt,
diese Ansprüche zu prüfen und ggf. (gerichtlich) geltend zu
machen."
Daraufhin leiteten die Beklagten im November 2020 unter auch namens
der Mehrheitsgesellschafterin erhobenem Protest (Einberufungsverlangen sei
rechts- und treuwidrig) ein Umlaufverfahren ein, in dem die Klägerin für ihren Beschlussvorschlag
und die durch die Beklagten vertretene Mehrheitsgesellschafterin
dagegen stimmte. Das Abstimmungsergebnis teilte die Gesellschaft der Klägerin
mit dem Bemerken mit, dass eine "Besc
unklaren Rechtslage" nicht erfolge.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zur Zah-
. A. GmbH zu
verurteilen und festzustellen, dass sie zum Ersatz aller weiteren Schäden der
Gesellschaft aus dem Erwerb der U. A. GmbH Österreich verpflichtet
sind. Das Landgericht hat angeordnet, dass über die Zulässigkeit der
Klage abgesondert verhandelt wird, und mit Zwischenurteil festgestellt, dass die
Klage zulässig ist. Das Berufungsgericht hat die Klage "als unzulässig" abgewiesen.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerin sinngemäß,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die
Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klägerin sei nicht prozessführungsbefugt. Ein Gesellschafter einer
GmbH könne Ansprüche der Gesellschaft aus
Fremdgeschäftsführer nicht im eigenen Namen geltend machen. Die einem Gesellschafter
nach den Grundsätzen der actio pro socio zustehende Klagebefugnis
erstrecke sich grundsätzlich nicht auf Ansprüche gegen einen Geschäftsführer,
der nicht auch Gesellschafter der GmbH sei. Die Beklagten seien lediglich Geschäftsführer
der U. A. GmbH. Zu Gesellschafter-Geschäftsführern
würden sie weder dadurch, dass sie zudem Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin
(F. H. GmbH) der U. A. GmbH, noch
dadurch, dass sie Gesellschafter-Geschäftsführer von deren Mehrheitsgesellschafterin
(F. H. GmbH mit Sitz in Österreich) seien. Es fehle mithin an der
für die Gesellschafterklage erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Sonderbeziehung
der Klägerin zu den Beklagten.
Auch unter dem Gesichtspunkt effektiven Rechtsschutzes sei es nicht notwendig,
eine actio pro socio der Klägerin zuzulassen. Weigere sich die Gesellschafterversammlung,
einen Anspruch gegen den Fremdgeschäftsführer zu verfolgen,
könne jeder Gesellschafter die Rechtsverfolgung durch Anfechtungs- und
Beschlussfeststellungsklage erzwingen. Weiterhin könnten Minderheitsgesellschafter,
wenn die Gesellschaftermehrheit es treuwidrig unterlasse, Ansprüche
der Gesellschaft geltend zu machen, Schadensersatz im Wege der actio pro
socio gegen Mehrheitsgesellschafter geltend machen.
Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin lasse sich auch nicht mit einem
kollusiven Zusammenwirken von Mehrheitsgesellschafterin und Beklagten begründen.
Durch ein solches Zusammenwirken würde der effektive Rechtsschutz
der Klägerin vorliegend schon nicht beeinträchtigt, da die Mehrheitsgesellschafterin
bei der Beschlussfassung über die Inanspruchnahme der Beklagten in entsprechender
Anwendung von
gewesen sei. Ungeachtet dessen lasse sich nicht feststellen, dass die
Mehrheitsgesellschafterin die Inanspruchnahme der Beklagten aus gesellschaftswidrigen
Gründen abgelehnt habe, da die Klägerin mit dem Unternehmens-
und Rechtskauf grundsätzlich einverstanden und der Kaufpreis durch zwei
Gutachten unterlegt gewesen sei. Die Stimmabgabe der Mehrheitsgesellschafterin
sei auch deshalb nicht treupflichtwidrig, weil sie ohnehin nicht habe mitstimmen
dürfen. Die Verweigerung der Beschlussfeststellung, die wegen des Stimmverbots
nicht der Mehrheitsgesellschafterin obgelegen hätte, sei nur für den Beginn
der (Anfechtungs-) Klagefrist erheblich, die hier mangels einer solchen Feststellung
nicht gelte.
II. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung im
Wesentlichen und im Ergebnis stand. Die Voraussetzungen für die Erhebung
einer Gesellschafterklage sind im Streitfall nicht gegeben.
1. Die Beklagten sind keine Gesellschafter der U. A.
GmbH. Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein Gesellschafter einer
GmbH Ansprüche der Gesellschaft aus
grundsätzlich nicht im eigenen Namen geltend machen (BGH,
Urteil vom 25. Januar 2022 - II ZR 50/20,
wendet sich die Revision auch nicht.
Entgegen ihrer Auffassung lässt sich aber auch aus der Entscheidung des
Senats vom 2. Juli 1973 (II ZR 94/71,
Beklagten als mittelbare Mitgesellschafter der Mehrheitsgesellschafterin dieser
gleichzustellen sind. Dort beruhte die Zulässigkeit der Gesellschafterklage
darauf, dass der gesellschaftsvertragliche Anspruch gegen den nach
a.F. unmittelbar und unbeschränkt haftenden Gesellschafter der Mitgesellschafterin
geltend gemacht wurde. Soweit sich das Schrifttum in allgemeiner Form für
die Einbeziehung mittelbarer Gesellschafter in die Gesellschafterklage ausspricht
(etwa BeckOK GmbHG/Wilhelmi, Stand 1.3.2022, § 13 Rn. 230; Bayer in
Hommelhoff/Lutter, GmbHG, 21. Aufl., § 13 Rn. 53; Ebbing in Michalski/
Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 14 Rn. 101; MünchKomm-
GmbHG/Merkt, 4. Aufl., § 13 Rn. 335; Fastrich in Noack/Servatius/Haas,
GmbHG, 23. Aufl., § 13 Rn. 38; Pentz in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl., § 13
Rn. 128; Werner,
(unten 2.).
2. Der Prozessführungsbefugnis der Klägerin steht der Vorrang der inneren
Zuständigkeitsordnung der Gesellschaft entgegen.
a) Die Gesellschafterklage ist gegenüber einem Tätigwerden der zuständigen
Gesellschaftsorgane, der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung,
grundsätzlich subsidiär. Dieser Vorrang entfällt dann, wenn eine
Klage der Gesellschaft undurchführbar, durch den Schädiger selbst vereitelt worden
oder infolge der Machtverhältnisse in der Gesellschaft so erschwert ist, dass
es für den betroffenen Gesellschafter ein unzumutbarer Umweg wäre, müsste er
die Gesellschaft erst zu einer Haftungsklage zwingen (BGH, Urteil vom 28. Juni
1982 - II ZR 199/81,
- II ZR 14/03,
An der Nachrangigkeit der Gesellschafterklage hat sich mit Inkrafttreten
des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz
- MoPeG) vom 10. August 2021
(BGBl. I S. 3436) nichts geändert. Nach
Gesellschafter einen Anspruch der Gesellschaft gegen einen Dritten geltend
machen, wenn es der dazu berufene geschäftsführungsbefugte Gesellschafter
pflichtwidrig unterlässt und der Dritte an dem pflichtwidrigen Unterlassen mitwirkte
oder es kannte. Die Vorschrift, aber auch schon ihr Abs. 1 Satz 1 BGB
bringt die Subsidiarität der Gesellschafterklage dadurch zum Ausdruck, dass sie
die Prozessführungsbefugnis an ein pflichtwidriges Unterlassen des für die gerichtliche
Geltendmachung zuständigen Gesellschaftsorgans knüpft (RegE
eines Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts,
BT-Drucks.19/27635, S. 155; zur Geltung des Subsidiaritätsgrundsatzes in der
GmbH etwa Verse in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 6. Aufl., § 14 Rn. 125;
Reiss/Manolakis,
641, 644).
b) An einem die Nachrangigkeit der Gesellschafterklage überwindenden
Umstand fehlt es hier. Die Gesellschaft ist unter den gegebenen Umständen
selbst ohne Weiteres in der Lage, die Beklagten nach
zu machen.
aa) Nach der Rechtsprechung des Senats erübrigt sich ein Geltendmachungsbeschluss
nach
andere Gesellschafter einem Stimmrechtsausschluss nach
unterliegt, weil die Beschlussfassung in diesem Fall eine überflüssige Formalität
bedeuten würde (BGH, Urteil vom 4. Februar 1991 - II ZR 246/89,
583; Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03,
diesen Umständen bedarf es deshalb auch keiner Beschlussfassung über die
Bestellung eines Prozessvertreters.
(1) Ein solches Stimmverbot hat das Berufungsgericht zu Recht bejaht.
Die Mehrheitsgesellschafterin konnte hier jedenfalls nicht durch ihre organschaftlichen
Vertreter abstimmen. Ist Gegenstand der Beschlussfassung in einer Gesellschaft
mit beschränkter Haftung die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber
einem ihrer Geschäftsführer und die Bestellung eines Prozessvertreters zur Verfolgung
dieser Ansprüche, kann der betroffene Geschäftsführer das Stimmrecht
nicht für einen Gesellschafter ausüben.
Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegenüber
einem Gesellschafter-Geschäftsführer hat dieser nach § 47 Abs. 4 Satz 2
Fall 2 GmbHG kein Stimmrecht. Aus dem in
kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf,
folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche
Geltendmachung von Ansprüchen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986
- II ZR 73/85,
2024 Rn. 26; Urteil vom 17. Januar 2023 - II ZR 76/21,
Urteil vom 8. August 2023 - II ZR 13/22,
Auch wenn die Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin nicht selbst
Gesellschafter sind, konnten sie aufgrund des Schutzzwecks des Stimmverbots,
die Abstimmung von der Verfolgung eigener Interessen des Abstimmenden freizuhalten,
das Stimmrecht bei der Beschlussfassung über die Geltendmachung
von gegen sie selbst gerichteten Ansprüchen nicht für die Mehrheitsgesellschafterin
ausüben (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni 1989 - II ZR 246/88,
25; KG, Urteil vom 26. August 2014 - 14 U 124/12, juris Rn. 29; MünchKomm-
GmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 194, 198; Heckschen,
907). Von der Möglichkeit, zur Wahrung ihres Stimmrechts einen "unbefangenen"
besonderen Vertreter zu bestellen (vgl. MünchKommGmbHG/Drescher, 4. Aufl.,
§ 47 Rn. 194) oder entsprechend
die Mehrheitsgesellschafterin keinen Gebrauch gemacht. Hiernach kann auf sich
beruhen, ob die Beklagten zudem wegen ihrer mittelbaren Beteiligung an der
Mehrheitsgesellschafterin und ihres damit verbundenen Einflusses auf diese einem
Stimmverbot unterlagen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991
- II ZR 31/91,
an der österreichischen F. H. GmbH nicht abschließend
zu beurteilen vermag. Von einem Stimmverbot der durch die Beklagten organschaftlich
vertretenen Mehrheitsgesellschafterin gehen auch die Parteien übereinstimmend
aus.
(2) Der verbliebene stimmberechtigte Gesellschafter einer zweigliedrigen
Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist zudem zur Vertretung der Gesellschaft
im Prozess oder Bestellung eines Prozessvertreters berechtigt, ohne dass es
dazu noch der Fassung eines dahingehenden förmlichen Beschlusses durch ihn
bedarf (OLG München,
Rn. 47; Drescher, Die Haftung des GmbH-Geschäftsführers, 8. Aufl., Rn. 50; verneinend
Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl.,
§ 46 Rn. 517 f.; MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 46 Rn. 290;
K. Schmidt/Bochmann in Scholz, GmbHG, 13. Aufl., § 46 Rn. 153a, 171; Klose,
Beschlussfassung wäre eine überflüssige Formalität, da der Wille des Gesellschafters
zur organschaftlichen Vertretung der Gesellschaft durch sein Auftreten
als Prozessvertreter oder durch Bestellung eines Prozessvertreters zweifelsfrei
dokumentiert wird.
bb) Davon abgesehen haben die Klägerin und die Mehrheitsgesellschafterin
über die Inanspruchnahme der Beklagten abgestimmt. Damit haben sie
einen Geltungsmachungsbeschluss gemäß § 46 Nr. 8 Fall 1 GmbHG gefasst, da
die Stimmabgabe der durch die Beklagten vertretenen Mehrheitsgesellschafterin
wegen des Stimmrechtsausschlusses nichtig und nicht mitzuzählen ist (vgl. BGH,
Urteil vom 30. November 2021 - II ZR 8/21,
kann zum einen auf sich beruhen, ob es bei Zweifeln über die schriftliche Abgabe
der Stimmen grundsätzlich der Feststellung des Abstimmungsergebnisses und
dessen Mitteilung an die Gesellschafter bedurft hätte (vgl. BGH, Urteil vom
1. Dezember 1954 - II ZR 285/53,
2006 - II ZR 135/04,
- II ZR 230/15,
etwa MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 48 Rn. 192 mwN); zum anderen
kommt es nicht darauf an, ob hier derartige Zweifel über das Abstimmungsergebnis
etwa im Hinblick auf das Stimmverbot der durch die Beklagten organschaftlich
vertretenen Mehrheitsgesellschafterin vorlagen. Denn auf eine fehlende Feststellung
könnten sich die Beklagten nicht ohne Verstoß gegen Treu und Glauben
(
A. GmbH die Feststellung des Abstimmungsergebnisses oblag (vgl.
BGH, Urteil vom 1. Dezember 1954 - II ZR 285/53,
Treuwidrigkeit änderte sich nichts, falls nicht die Beklagten als Geschäftsführer
jener Gesellschaft, sondern, wie die Revision unter Hinweis auf die nicht festgestellte
Satzung der Gesellschaft einwendet, als Geschäftsführer der Mehrheitsgesellschafterin
zur Beschlussfeststellung verpflichtet gewesen wären.
cc) Anerkannt ist weiter, dass sich das Stimmverbot auch auf die Bestellung
eines Prozessvertreters nach § 46 Nr. 8 Fall 2 GmbHG erstreckt, während
der Gesellschafter, der die Ersatzansprüche durchgesetzt wissen will, keinem
solchen Verbot unterliegt (BGH, Urteil vom 20. Januar 1986 - II ZR 73/85,
358; Urteil vom 8. August 2023 - II ZR 13/22,
konnte sich die Klägerin selbst oder einen Dritten zur Vertretung der Gesellschaft
im Prozess gegen die Beklagten bestellen, wie es hier im Wege schriftlicher
Stimmabgabe auch geschehen ist.
dd) Ob die Klägerin ungeachtet der Entbehrlichkeit einer Beschlussfassung
nach
einen mit den Stimmen der Mehrheitsgesellschafterin gefassten Ablehnungsbeschluss
zuvor mit einer Anfechtungsklage zu wenden, bedarf hier keiner Entscheidung.
Einer vorherigen Beschlussanfechtung bedurfte es im Streitfall schon
mangels verbindlicher Feststellung des Beschlussergebnisses durch die Beklagten
(als Geschäftsführer der U. A. GmbH oder der Mehrheitsgesellschafterin,
oben bb)) nicht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Januar 1986
- II ZR 73/85,
Rn. 31, 73 mwN; BeckOGK GmbHG/Denga, Stand 1.6.2024, § 47 Rn. 110;
BeckOK GmbHG/Schindler, Stand 1.8.2024, § 47 Rn. 151; Teichmann in
Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 47 Rn. 51; Hüffer/Schäfer in
Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl. § 47 Rn. 195; Hillmann in Henssler/
Strohn, GesR, 6. Aufl.,
Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 47 Rn. 311; MünchKomm-
GmbHG/Drescher, 4. Aufl., § 47 Rn. 219 f.; Noack in Noack/Servatius/Haas,
GmbHG, 23. Aufl., § 47 Rn. 104; Ganzer in Rowedder/Pentz, GmbHG, 7. Aufl.,
§ 47 Rn. 97).
ee) Soweit der Senat in der Zwei-Personen-Gesellschaft bei Stimmverbot
eines Gesellschafters die Zulässigkeit einer von dem anderen Gesellschafter im
Wege der actio pro socio erhobenen Klage bejaht hat, war dies durch besondere
Umstände gerechtfertigt, die eine Klage der Gesellschaft zumeist erheblich erschwerten:
sei es, weil die Gesellschaft nicht über die zur Prozessführung erforderlichen
Mittel verfügte (BGH, Urteil vom 29. November 2004 - II ZR 14/03,
Handelsregister gelöscht war und nicht mehr über ein Vertretungsorgan verfügte
(BGH, Urteil vom 4. Februar 1991 - II ZR 246/89,
weil die organschaftliche Vertretung der Gesellschaft Gegenstand mehrerer Gerichtsverfahren
war (Urteil vom 11. Juli 2023 - II ZR 116/21,
Rn. 19), sei es, weil der zur Rechtsverfolgung berufene Geschäftsführer sich ihr
verweigerte (BGH, Urteil vom 16. März 1998 - II ZR 303/96,
oder sei es, weil der klagende Gesellschafter einen über die Wertminderung seines
GmbH-Geschäftsanteils hinausgehenden und von ihr verschiedenen
Schaden erlitten hatte (BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74,
18, 20).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:05.11.2024
Aktenzeichen:II ZR 85/23
Rechtsgebiete:
Verein
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Allgemeines Schuldrecht
OHG
GmbH
GmbHG §§ 43 Abs. 2, 46 Nr. 8, 47 Abs. 4