OLG Schleswig 13. März 2015
17 U 98/14
BGB §§ 434, 133, 157; EnEV § 16

Aushändigung des Energieausweises ist keine Beschaffenheitsvereinbarung

BGB §§ 434, 133, 157; EnEV § 16
Aushändigung des Energieausweises ist keine Beschaffenheitsvereinbarung

Die bloße Aushändigung eines Energieausweises durch den Makler führt nicht zu einer Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 BGB.

OLG Schleswig, Urt. v. 13.3.2015 – 17 U 98/14

Problem
Gem. § 16 Abs. 2 EnEV hat der Verkäufer dem Käufer einen Energieausweis vorzulegen. Nach der bis zum 1.5.2014 maßgeblichen Fassung der EnEV (geändert durch VO v. 29.4.2009, BGBl. I, S. 954) musste diese Pflicht mit dem Verlangen des Käufers erfüllt werden. Nach der Neufassung hat der Verkäufer dem Käufer spätestens bei der Besichtigung den Ausweis vorzulegen. Die Pflicht zur Vorlage ist nicht mehr verzichtbar (näher hierzu Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl. 2015, Teil 2 Kap. 2 Rn. 317 ff.).

Das OLG Schleswig hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein falscher Energieausweis zu Gewährleistungsansprüchen des Käufers führt. Diese Frage ist nach der alten wie neuen Fassung der EnEV gleichermaßen relevant.

Der Verkäufer bot ein Wohnhaus (Baujahr 1934) zum Verkauf an. Auf Initiative des späteren Käufers ließ der Verkäufer von einem Sachverständigen einen Energieausweis erstellen. Der Makler händigte dem Käufer den Ausweis vor Vertragsschluss aus. Die Angaben im Energieausweis waren unzutreffend. Der Sachverständige hatte keine Ortsbesichtigung vorgenommen und die von ihm erfragten Angaben und Maße nicht überprüft. Allerdings war ihm das Wohnhaus als solches wegen seiner Bekanntschaft mit dem Verkäufer bekannt.

Der notariell beurkundete Kaufvertrag enthielt einen üblichen Gewährleistungsausschluss. Das Grundstück wurde verkauft „wie besehen und unter Ausschluss jeglicher Haftung für Fehler und Mängel, gleich welcher Art.“

Der Käufer verlangte vom Verkäufer wegen unzutreffender Angaben im Energieausweis die Minderung des Kaufpreises.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG Schleswig steht dem Käufer gegen den Verkäufer kein Anspruch auf Teilrückzahlung des Kaufpreises zu. Der Käufer habe kein Minderungsrecht gem. §§ 441, 437 Nr. 2 Var. 2, 434 BGB. Denn die vom Energieausweis abweichenden energetischen Eigenschaften des Gebäudes stellten keinen Sachmangel dar.

Zunächst geht das OLG Schleswig auf die Frage ein, ob der Zustand des Hauses im Widerspruch zur üblicherweise erwarteten Beschaffenheit gem. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB steht. Dies verneint das Gericht mit dem Argument, dass die Käufer angesichts des Baujahres (1934) nicht mit einem irgendwie gearteten niederenergetischen Zustand des Hauses rechnen konnten. Die Angaben aus dem Energieausweis seien auch nicht im Exposé des Maklers enthalten gewesen. Nur dann hätten derartige Angaben – falls dem Verkäufer zurechenbar – gem. § 434 Abs. 1 S. 3 BGB die gem. § 434 Abs. 1 S. 2 BGB zu erwartende Beschaffenheit mitprägen können.

Es liege auch keine Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Der Energieverbrauch könne zwar eine Beschaffenheit i. S. d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB darstellen. Es sei jedoch im konkreten Fall nicht ersichtlich, dass der Verkäufer sich ausdrücklich oder konkludent hinsichtlich der Energieeffizienz habe binden wollen. Im notariell beurkundeten Vertrag finde sich für eine entsprechende Beschaffen-heitsvereinbarung kein Anhaltspunkt. Im Gegenteil sei ein umfassender Gewährleistungsausschluss geregelt. Der Beschaffenheitsvereinbarung stehe zwar nicht ihre Beurkundungsbedürftigkeit entgegen; die Parteien könnten auch außerhalb der Urkunde Beschaffenheitsvereinbarungen getroffen haben. Die fehlende Beurkundung wäre gem. § 311b Abs. 1 S. 2 BGB durch die Auflassung und Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch geheilt worden, wenn der Verkäufer im Zeitpunkt der Auflassung nicht von den Angaben im Energieausweis abgerückt wäre und der Käufer vom Mangel oder jedenfalls von der Formnichtigkeit der Beschaffenheitsvereinbarung nicht vor der Eintragung erfahren hätte. Die notarielle Urkunde trage jedoch die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Regelungen in sich. Dem Käufer sei es nicht gelungen, diese Vermutung zu widerlegen. Wäre es dem Käufer auf die Energieeffizienz angekommen, hätte es nahegelegen, dieses Anliegen im Vertrag zu formulieren. Auch aus der Übergabe des Energieausweises lasse sich keine Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Energieeffizienz herleiten.

Nach § 16 EnEV sei der Verkäufer verpflichtet, dem potenziellen Käufer eines Grundstücks, das mit einem Gebäude bebaut sei, einen Energieausweis zugänglich zu machen. Aus Verstößen gegen diese Vorlagepflicht erwüchsen jedoch keine zivilrechtlichen Folgen, der Verkäufer verhalte sich nach § 27 Abs. 2 EnEV bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit lediglich ordnungswidrig. In § 5a S. 3 EnEG heiße es, dass der Energieausweis und seine Angaben nur der Information dienten. Aus den Gesetzesmaterialien zur EnEV (BR-Drucks. 282/07, S. 118 f.) ergebe sich, dass der Energieausweis Rechtswirkungen im Kaufvertrag nur dann begründe, wenn die Vertragsparteien den Energieausweis ausdrücklich zum Vertragsbestandteil machten.

Mit der Aushändigung des Energieausweises sei keine Einstandserklärung des Verkäufers verbunden. Dagegen spreche, dass der Energieausweis selbst auf seinen informatorischen Charakter verweise und außerdem der Verkäufer mangels eigener Fachkunde die enthaltenen Angaben kaum überprüfen könne. Das Haftungsrisiko des Verkäufers wäre andernfalls kaum überschaubar. Dies gelte umso mehr, wenn im Notarvertrag in unmittelbarem zeitlichem Kontext ein typischer Gewährleistungsausschluss vereinbart werde. Die Käufer seien nicht schutzlos: Sie könnten den Sachverständigen in Anspruch nehmen, falls dieser gegen seine Sorgfaltspflichten verstoßen haben sollte (vgl. Hertel, DNotZ 2007, 486, 495). Zum anderen bestehe eine Regressmöglichkeit gegen den Verkäufer, falls dieser arglistig gehandelt haben sollte, etwa durch Manipulation der Grundlagen oder des Inhalts des Energieausweises.

Ein Anspruch nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo (§§ 280, 311 Abs. 2 BGB i. V. m. § 241 Abs. 2 BGB) komme nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine vorsätzlich falsche Information des Verkäufers seien nicht gegeben. Der Verkäufer habe die Unrichtigkeit der Angaben im Energieausweis auch nicht erkannt. Zu einer Kontrolle sei er nicht verpflichtet gewesen. Allenfalls ein etwaiges starkes Abweichen seines Energieverbrauchs vom angegebenen wäre für ihn als Laien überhaupt zu erfassen gewesen. Der Sachverständige sei im Übrigen kein Erfüllungsgehilfe des Verkäufers i. S. v. § 278 BGB.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Schleswig

Erscheinungsdatum:

13.03.2015

Aktenzeichen:

17 U 98/14

Rechtsgebiete:

Kaufvertrag

Erschienen in:

DNotI-Report 2015, 148-149

Normen in Titel:

BGB §§ 434, 133, 157; EnEV § 16