Umfang der erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen
letzte Aktualisierung: 4.2.2021
BFH, Urt. v. 22.1.2020 – II R 8/18
ErbStG 2009 §§ 13a, 13b
Umfang der erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen
1. Zum nicht begünstigten jungen Verwaltungsvermögen i. S. des
des ErbStRG gehört jedes einzelne Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens, das sich weniger als
zwei Jahre vor dem Stichtag durchgehend im Betriebsvermögen befand. Es ist keine
gruppenbezogene Betrachtung vorzunehmen.
2. Auf die Herkunft des Vermögensgegenstandes oder der zu seiner Finanzierung verwendeten
Mittel kommt es nicht an.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht erkannt, dass bei der Festsetzung der Erbschaftsteuer die Begünstigung für Betriebsvermögen um einen Anteil für junges Verwaltungsvermögen zu kürzen ist.
1. Der Erwerb durch Erbanfall ist nach
a) Anzuwenden sind im Streitfall §§ 13a, 13b ErbStG a.F. Die Vorschriften in der im Streitfall anwendbaren Fassung sind nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17.12.2014 - 1 BvL 21/12 (BGBl I 2015, 4,
b) Nach § 13a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 ErbStG a.F. bleibt vorbehaltlich des § 13b Abs. 2 ErbStG a.F. unter weiteren, hier nicht streitigen Voraussetzungen u.a. der Erwerb eines Anteils an einer Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes zu 85 % außer Ansatz (Verschonungsabschlag). Zu Letzteren zählt auch die Kommanditgesellschaft.
c) Gemäß § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. bleibt ausgenommen Vermögen im Sinne des Absatzes 1, wenn das Betriebsvermögen der Betriebe oder der Gesellschaften zu mehr als 50 % aus Verwaltungsvermögen besteht. Zum Verwaltungsvermögen gehören nach § 13b Abs. 2 Satz 2 ErbStG a.F. nach jeweils näherer Maßgabe Dritten zur Nutzung überlassene Grundstücke (Nr. 1), Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 % oder weniger beträgt (Nr. 2), Beteiligungen an Personen- und Kapitalgesellschaften, wenn bei diesen Gesellschaften das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt (Nr. 3), Wertpapiere sowie vergleichbare Forderungen (Nr. 4) sowie Kunstgegenstände u.Ä. (Nr. 5).
d) Kommt § 13b Abs. 2 Satz 1 ErbStG a.F. nicht zur Anwendung, gehört solches Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 ErbStG a.F. nicht zum begünstigten Vermögen im Sinne des Absatzes 1, welches dem Betrieb im Besteuerungszeitpunkt weniger als zwei Jahre zuzurechnen war (
2.
a) Die Auslegung der Vorschrift ist umstritten. Die Finanzverwaltung bezieht die Vorschrift auf das einzelne Wirtschaftsgut. Sie geht in R E 13b.27 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2019 vom 16.12.2019 (BStBl I 2019, Sondernr. 1/2019, 2; früher R E 13b.19 Abs. 1 Satz 2 ErbStR 2011, BStBl I 2011, Sondernr. 1/2011, 2) davon aus, dass zum jungen Verwaltungsvermögen nicht nur innerhalb des Zweijahreszeitraums eingelegtes Verwaltungsvermögen gehört, sondern auch Verwaltungsvermögen, das innerhalb dieses Zeitraums aus betrieblichen Mitteln angeschafft oder hergestellt worden ist. Dies erfasst dem Wortlaut der Richtlinie nach zumindest Anschaffungen aus solchem Betriebsvermögen, das nicht zum Verwaltungsvermögen gehört, aber wohl auch Umschichtungen von einem Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens in ein anderes Wirtschaftsgut des Verwaltungsvermögens. Im Schrifttum wird teilweise die Umschichtung wegen fehlender Missbrauchsgefahr für begünstigungsunschädlich erachtet (vgl. etwa Geck in Kapp/Ebeling,
b) Mit den Worten "solches Verwaltungsvermögen im Sinne des Satzes 2 Nr. 1 bis 5" in
aa) Der Begriff "Verwaltungsvermögen" kann zwar einen Gattungsbegriff darstellen, steht aber in der Vorschrift nicht isoliert. Der Hinweis "solches" und die in Bezug genommene Aufzählung in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 5 ErbStG a.F. machen deutlich, dass die Vorschrift die einzelnen Wirtschaftsgüter des jungen Verwaltungsvermögens meint. Hinzu tritt, dass die in der Vorschrift vorgesehene Zurechnung sich für jedes einzelne Wirtschaftsgut unterschiedlich darstellen kann und deshalb denknotwendig auf das einzelne Wirtschaftsgut zu beziehen ist.
bb) Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der unmittelbar folgende § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a.F. ausdrücklich zwischen dem Verwaltungsvermögen und den Einzelwirtschaftsgütern des Verwaltungsvermögens differenziert und dort mit dem an erster Stelle genannten Begriff ersichtlich die Gesamtheit aller im Betrieb befindlichen Gegenstände des Verwaltungsvermögens meint. Da sich die Bedeutung des Begriffs in § 13b Abs. 2 Satz 4 ErbStG a.F. allein aus der Funktion des Satzes (Berechnungsvorschrift) erschließt, zeigt dies, dass auch bei Auslegung des vorgehenden
cc) Die BRDrucks 778/06 vom 03.11.2006 rechtfertigt keine andere Auslegung. Der darin enthaltene Gesetzentwurf ist nicht in das ErbStG a.F. aufgenommen worden.
c) Eine teleologische Reduktion der Vorschrift in der Weise, dass die Zurechnung des Einzelwirtschaftsguts ergänzt wird durch eine konkrete missbräuchliche Gestaltung im Einzelfall, durch die Verknüpfung der Anschaffung oder Herstellung des Wirtschaftsguts mit einer Privateinlage, ist nicht möglich. Die Grenzen vertretbarer Auslegung und zulässiger richterlicher Rechtsfortbildung sind zwar weit gezogen, dürfen sich aber nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen, sondern müssen die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren. Eine Interpretation, die sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenz des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (im Einzelnen Nichtannahmebeschluss des BVerfG vom 26.11.2018 - 1 BvR 318/17, 1 BvR 1474/17, 1 BvR 2207/17, Neue Juristische Wochenschrift 2019, 351, Rz 29 bis 32).
aa) Nach diesem Maßstab ist eine Auslegung der Vorschrift in der Weise, dass im Einzelfall ein denkbarer Missbrauch zu prüfen ist, nicht zulässig. Sie stünde mit der Regelungskonzeption des Gesetzes nicht in Einklang. Wäre eine Missbrauchsprüfung im Einzelfall gewollt, hätte ein Missbrauchselement zwingend zum Tatbestandsmerkmal erhoben werden müssen. Knüpft die Vorschrift an anderweit definierte Merkmale an, ist stattdessen eine Typisierung gewollt. Der zulässige Auslegungsspielraum bezieht sich allein auf die Reichweite der Typisierung. Diese impliziert, dass im Einzelfall kein Missbrauch vorliegen muss. Umschichtungen, auch innerhalb des Verwaltungsvermögens, oder auch Kapitalanlagen in Gestalt von Verwaltungsvermögen können betriebswirtschaftlich sinnvoll und angezeigt sein und trotzdem grundsätzlich zu jungem Verwaltungsvermögen führen.
Es trifft nicht zu, dass dieses Verständnis den Zweck der Typisierung, die Vereinfachung, in sein Gegenteil verkehre. Der Zugang von Verwaltungsvermögen ist ebenso einfach der Buchführung zu entnehmen wie eine Einlagebuchung.
bb) Die Vorschrift ist nicht auf Fälle der Einlage von Verwaltungsvermögen aus dem Privatvermögen in das Betriebsvermögen innerhalb der Zweijahresfrist beschränkt. Zum einen ist die Einlage gerade nicht gesetzliches Tatbestandsmerkmal geworden, obwohl dies rechtstechnisch ohne Weiteres möglich gewesen wäre, wie etwa
cc) Es wäre ein zu weitreichender Eingriff in die Konzeption des Gesetzes, mit Rücksicht auf fehlende Missbrauchsgeneigtheit Erbfälle aus dem Anwendungsbereich des
Ausnahmen sind gesetzlich besonders angeordnet (etwa in § 13 Abs. 1 Nrn. 4a, 4b, 4c ErbStG). Stattdessen zeigen §§ 13a Abs. 3, 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, dass die Verschonungsregeln auch auf den Erbfall Anwendung finden. § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a sowie
d) Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes lässt ebenfalls nicht erkennen, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des
e) Nach diesen Maßstäben hatte die KG in Gestalt der Zugänge im Wertpapierdepot innerhalb der Zweijahresfrist junges Verwaltungsvermögen erworben. Der Erwerb der Klägerin ist insoweit nicht nach §§ 13a, 13b ErbStG a.F. steuerfrei.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BFH
Erscheinungsdatum:22.01.2020
Aktenzeichen:II R 8/18
Rechtsgebiete:Erbschafts- und Schenkungsteuer
Normen in Titel:ErbStG 2009 §§ 13a, 13b