BayObLG 04. Dezember 2002
2Z BR 73/02
GBO § 5; BGB § 890, 1018, 1025

Schicksal einer Grunddienstbarkeit bei Vereinigung und späterer Teilung des herrschenden Grundstücks

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 2zbr73_02
letzte Aktualisierung: 31.01.2003
2zbr73_02
BayObLG
2Z BR 73/02
05.12.2002
GBO § 5; BGB § 890, 1018, 1025
Schicksal einer Grunddienstbarkeit bei Vereinigung und
späterer Teilung des herrschenden Grundstücks
Wird das herrschende Grundstück einer Grunddienstbarkeit mit einem Grundstück vereinigt, erstreckt sich die Berechtigung aus der Grunddienstbarkeit formal auf das Gesamtgrundstück. Die Ausübung der Berechtigung ist aber zu Gunsten des Teils
des Gesamtgrundstücks beschränkt, der das ursprünglich herrschende Grundstück bildete. Wird die Vereinigung später rückgängig gemacht, erlischt die Berechtigung an der Grunddienstbarkeit
für das durch Vereinigung mit dem ursprünglich herrschenden
Grundstück verbundene Grundstück.
Gründe
I.
Die Beteiligte war Alleineigentümerin eines Grundstücks, das aufgeteilt wurde in ein
Grundstück mit einer Eigentumswohnanlage (Flst. 323/4), in ein Wegegrundstück (Flst.
323) und in mehrere kleine Grundstücke, auf denen ein Doppelhaus und fünf Reihenhäuser errichtet wurden. In der Eigentumswohnanlage wurde an 16 Tiefgaragenabstellplätzen
Sondereigentum begründet.
Die Beteiligte ist Eigentümerin der Teileigentumsrechte Tl und Tl6, im Grundbuch jeweils beschrieben als 2/1000 Miteigentumsanteil am Grundstück Flst. 323/4, verbunden
mit dem Sondereigentum an dem zugehörigen Tiefgaragenabstellplatz. Auf dem Grundbuchblatt der beiden Teileigentumseinheiten ist jeweils noch ein 2/2000 Miteigentumsanteil am Wegegrundstück Flst. 323 gebucht. Sämtliche Miteigentumsanteile sind in Abteilung II belastet mit einem Nutzungsrecht an drei oberirdischeu Kfz-Abstellplätzen für
den jeweiligen Eigentümer des Teileigentums Tl6.
Mit notarieller Urkunde vom 6.12.2001 (URNr. 1870/2001) vereinigte die Beteiligte die
Teileigentumseinheiten T1 und T16 und bewilligte und beantragte die Eintragung dieser
Vereinigung im Grundbuch gemäß § 890 BGB. Außerdem bewilligte und beantragte sie


im eigenen und im Namen der jeweiligen Eigentümer der übrigen Miteigentumsanteile
am Wegegrundstück die Änderung der Dienstbarkeit in der Weise, dass künftig anstelle
des jeweiligen Eigentümers des Teileigentums T16 nunmehr der jeweilige Eigentümer
des vereinigten Teileigentums T1/T16 Berechtigter dieses Nutzungsrechts ist. Mit Urkunde vom selben Tag (URNr. 1871/2001) teilte die Beteiligte das vereinigte Teileigentum T1/T16 wieder in die vordem eigenständigen Teileigentumseinheiten T1 und Tl6 und
bewilligte und beantragte die Änderung der Dienstbarkeit hinsichtlich des herrschenden
Teileigentums in der Weise, dass anstelle des Eigentümers des vereinigten Teileigentums
T1/T16 nunmehr der jeweilige Eigentümer des Teileigentums T1 Berechtigter dieses
Nutzungsrechts ist.
Den Antrag der Beteiligten, die beiden Urkunden vom 6.12.2001 im Grundbuch zu vollziehen - möglichst ohne Zwischeneintragung der Vereinigung von T1 und T16 und der
Inhaltsänderung gemäß Urkunde URNr. 1870/01 -‚ hat das Amtsgericht - Grundbuchamt
Die Beschwerde der Beteiligten, in der sie auch die Eintragung der Zwischenschritte
(Vereinigung und Inhaltsänderung) beantragt, hat das Landgericht mit Beschluss vom
1.7.2002 zurückgewiesen. Dagegen hat die Beteiligte weitere Beschwerde eingelegt.
II.
Das Rechtsmittel ist ohne Erfolg.
1. Das Landgericht hat unter teilweiser Bezugnahme auf die Darlegungen des Amtsgerichts ausgeführt:
Durch die gewollte Vereinigung der beiden Teileigentumseinheiten Nr. T1 und T16
werde keine Erstreckung der Berechtigung aus der Grunddienstbarkeit von der Einheit
T16 auf die Einheit Tl bewirkt. Vielmehr bleibe die Grunddienstbarkeit der Ausübung
nach auf den Teil des neuen Gesamtgrundstücks beschränkt, der bisher herrschendes
Grundstück gewesen sei. Das Nutzungsrecht für die drei oberirdischen Stellplätze
verbleiben auch nach der Vereinigung bei dem Teileigentum Tl6. Eine Erstreckung der
Berechtigung auf das Teileigentum T1 sei auch durch die erklärte "Inhaltsänderung des
Nutzungsrechts" nicht möglich. Denn es handle sich hier gerade nicht um eine Inhaltsänderung i.S.v. § 877 BGB. Die Beteiligte verfolge mit der gewählten Konstruktion das
Ziel, die Berechtigung aus der Grunddienstbarkeit von dem herrschenden Teileigentum
T16 auf das Teileigentum Tl zu übertragen. Eine Grunddienstbarkeit könne aber für sich
alleine nicht übertragen werden; sie könne vom herrschenden Grundstück nicht getrennt
werden. Erforderlich wäre eine Neubelastung des dienenden Grundstücks; das bedürfte
aber auch der Zustimmung der Drittberechtigten.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die von der Beteiligten beantragten Eintragungen scheitern bereits daran, dass die
Vereinigung der Teileigentumseinheiten T1 und T16 nicht im Grundbuch eingetragen
werden darf. § 5 Abs. 2 Satz 1 GBO schreibt vor, dass eine Vereinigung von Grundstücken nur eingetragen werden soll, wenn die Grundstücke unmittelbar aneinandergrenzen.
in Bauer/v. Oefele GBO Rn. 16, jeweils zu. § 5) und demgemäss auch für Teileigentumsrechte (§ 1 Abs. 6 WEG). Im vorliegenden Fall grenzen aber die Tiefgaragenabstellplätze
Tl und Tl6 ausweislich des Aufteilungsplans nicht aneinander.
b) Entscheidender sind aber die Hindernisse, die das materielle Recht dem Vollzug der
beantragten Eintragungen entgegensetzt. Denn die von der Beteiligten gewählte Gestaltung würde auf die Übertragung der Grunddienstbarkeit vom Teileigentum T16 auf das
Teileigentum Tl hinauslaufen.
(1) Als subjektiv dingliches Recht wird eine Grunddienstbarkeit, wie sie hier als Nutzungsrecht zugunsten der Teileigentumseinheit Tl6 entstanden und eingetragen ist, nach
§ 96 BGB wesentlicher Bestandteil des herrschenden Grundstücks. Sie kann deshalb
ohne Aufhebung und Löschung nicht von diesem Grundstück getrennt werden (OLG
Hamm OLGZ 1980, 270/271; BayObLG NJW-RR 1990, 1043/1044; Palandt/Heinrichs
BGB 61. Aufl. § 96 Rn. 1; Palandt/Bassenge Rn. 34, MünchKommBGB/Falckenberg 3.
Aufl. Rn. 63; Soergel/Stürner BGB 13. Auf l. Rn. 44, jeweils zu § 1018; Meisner/Ring/Götz Nachbarrecht in Bayern 7. Aufl. § 27 Rn. 1). Demgemäss kann die Berechtigung aus der Grunddienstbarkeit nur zusammen mit dem herrschenden Grundstück
übertragen werden. Auch eine Umwandlung einer Grunddienstbarkeit in eine beschränkte
persönliche Dienstbarkeit und umgekehrt ist ohne die Löschung der einen und Neubewilligung der anderen nicht möglich (OLG Hamm Rpfleger 1989, 448; Palandt/Bassenge
Rn. 34; Soergel/Stürner Rn. 44; Staudinger/Mayer Bearb. 2002 Rn. 165 und 167, jeweils
zu § 1018 BGB).
(2) Bei einer Vereinigung des herrschenden Grundstücks mit einem anderen Grundstück
erstreckt sich die Berechtigung zwar formal auf den jeweiligen Eigentümer des neuen
Gesamtgrundstücks. Die Ausübung der Berechtigung ist aber zu Gunsten des Teils des
Gesamtgrundstücks beschränkt, der früher das herrschende Grundstück bildete
(BayObLG DJZ 1933, 1439; Röll DNotZ 1968, 523/538 f.; Meikel/B6ttcher GBO 8.
Aufl. § 5 Rn. 39; Schöner/Stöben Grundbuchrecht 12. Aufl. Rn. 637). Dies hat zur Folge,
dass dann, wenn später die Vereinigung rückgängig gemacht wird, Berechtigter der
Grunddienstbarkeit nur der jeweilige Eigentümer des ursprünglich herrschenden Grundstücks bleibt. Weil die Ausübung der Berechtigung aus der Dienstbarkeit auf das früher
herrschende Grundstück beschränkt blieb, brachte die Grunddienstbarkeit dem durch
Vereinigung hinzugefügten Grundstück keinen Vorteil; für diesen Teil des Gesamtgrundstücks erlischt die Grunddienstbarkeit daher mit der Teilung (§ 1025 Satz 2 BGB).
Der Ausübungsbeschränkung der Grunddienstbarkeit zu Gunsten des Teils des Gesamtgrundstücks, der dem früher herrschenden Grundstück entspricht, kann jedoch je nach der
Art der Grunddienstbarkeit keine Bedeutung zukommen, nämlich dann, wenn das Bedürfnis der Nutzung des dienenden Grundstücks weder von der räumlichen Ausdehnung
des herrschenden Grundstücks abhängig ist, noch auch durch die Lage irgendeines seiner
Teile bestimmt wird (BayObLG DJZ 1933, 1439).
Eine Erstreckung der Grunddienstbarkeit einschließlich der Ausübung der Berechtigung
auf das durch Vereinigung entstandene Gesamtgrundstück hatte eine Neubestellung der
hinzuverbundenen Grundstücks zur Voraussetzung (KG HRR 1936 Nr. 804 = JFG 13,
314). Den Rang der ursprünglichen Grunddienstbarkeit könnte die Grunddienstbarkeit in
diesem Fall aber nur dann erhalten, wenn die Berechtigten derjenigen Rechte, die nach
der ursprünglich eingetragenen Grunddienstbarkeit entstanden sind, der Rangänderung
zustimmen (§ 880 Abs. 1 BGB).
c) Da es sich bei den von der Beteiligten gestellten Anträgen um solche handelt, die nur
einheitlich erledigt werden sollen (§ 16 Abs. 2 GBO), haben die Vorinstanzen zu Recht
die Anträge insgesamt abgewiesen. Das Vorhaben der Beteiligten scheitert insbesondere
daran, dass der erstrebte Rang der Grunddienstbarkeit zugunsten des Teileigentums Tl
mangels Mitwirkung der Berechtigten von Zwischeneintragungen nicht erreicht werden
kann.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BayObLG

Erscheinungsdatum:

04.12.2002

Aktenzeichen:

2Z BR 73/02

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht

Erschienen in:

MittBayNot 2003, 222
RNotZ 2003, 124-126
DNotZ 2003, 352-353
NJW-RR 2003, 451-452
NotBZ 2003, 275

Normen in Titel:

GBO § 5; BGB § 890, 1018, 1025