OLG Dresden 23. Dezember 2015
22 WF 1052/15
BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 1929 Abs. 2 S. 1; EEG §§ 9, 25; AO § 138; UStG § 19; EStG § 15

Bestellung eines Ergänzungspflegers bei Schenkung einer Photovoltaikanlage an ein minderjähriges Kind

DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 19.5.2016
OLG Dresden, Beschl. v. 23.12.2015 - 22 WF 1052/15

BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 1929 Abs. 2 S. 1; EEG §§ 9, 25; AO § 138; UStG
§ 19; EStG § 15
Bestellung eines Ergänzungspflegers bei Schenkung einer Photovoltaikanlage an ein
minderjähriges Kind

1. Beabsichtigt ein Elternteil, seinem minderjährigen Kind eine Photovoltaikanlage zu schenken,
ist die Bestellung eines Ergänzungspflegers erforderlich, da die Schenkung wegen der mit ihr
verbundenen Verpflichtungen rechtliche Nachteile, v. a. Haftungsrisiken mit sich bringt.
2. Wird der durch Photovoltaikanlagen erzeugte Strom an einen Netzbetreiber verkauft, liegt
eine unternehmerische/gewerbliche Tätigkeit vor, sodass der Gewinn als Einkünfte aus
Gewerbebetrieb nach § 15 EStG dem Grunde nach zu versteuern ist. (Leitsätze der DNotIRedaktion)

Gründe:

I.
Der Kindesvater hat mit Schriftsatz vom 14.07.2015 unter Verweis darauf, dass seitens des
Finanzamts die Schenkung einer Photovoltaikanlage an das beteiligte Kind V. P. (geboren
am 02.04.2006) nicht anerkannt worden sei, die Bestellung eines Ergänzungspflegers
angeregt.
Daraufhin teilte das Familiengericht zunächst durch Verfügung vom 27.07.2015 mit, dass für
die Bestellung eines Ergänzungspflegers zur Schenkung einer Kleinstphotovoltaikanlage an
das minderjährige Kind keine Notwendigkeit gesehen werde, da es sich bei einer solchen
Schenkung um ein lediglich rechtlich vorteilhaftes Rechtsgeschäft handle. Daraufhin teilte
das Finanzamt Oschatz dem Amtsgericht Torgau mit, dass diese Auffassung nicht geteilt
werde. Mit Übernahme der Anlage werde der Minderjährige entsprechend geltender
Rechtslage zum Unternehmer mit allen damit verbundenen unternehmerischen Rechten,
Risiken und Pflichten, wie der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen. Darüber hinaus
trete der Minderjährige als Eigentümer und Betreiber der Anlage in bestehende
Vertragsverhältnisse mit dem Energieversorger ein (Einspeisevertrag). Darüber hinaus
entstünden Verbindungen zum Grundstückseigentümer, da die Anlage auf einem
Gebäudedach installiert sei.
Sodann wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Torgau/Zweigstelle Oschatz mit Beschluss
vom 20.08.2015 Einzelpflegschaft angeordnet und als Ergänzungspfleger Herr Rechtsanwalt
S. in Oschatz bestellt mit dem Wirkungskreis zur Vertretung des Pfleglings bei der
Schenkung einer Photovoltaikanlage an den Pflegling durch dessen Vater.
Bei dieser Schenkung handle es sich nach den Darlegungen des Finanzamtes nicht um ein
Rechtsgeschäft mit lediglich rechtlichem Vorteil für das Kind. Durch die Übernahme trete das
Kind in bestehende Vertragsverhältnisse ein und übernehme dadurch Verpflichtungen, die
bei Nichteinhaltung sanktioniert werden können.
Der Kindesvater hat gegen den ihm am 26.08.2015 zugestellten Beschluss mit Schriftsatz
vom 29.08.2015, eingegangen am 04. September 2015, beim Amtsgericht Torgau
Beschwerde eingelegt. Fälschlicherweise sei angenommen, dass gegenüber dem Finanzamt
Verpflichtungen entstünden. Dies entbehre jeder Realität, wenn eine Nichtveranlagung bis
2015 existiere und eine neue beantragt werde. Bei einem steuerlichen Überschuss von weit
unter 2.000,00 € werde der jährlich steigende Freibetrag pro Person von über 8.000,00 €
nicht überschritten. Auch sei nicht nachvollziehbar, dass die rechtlichen Bindungen zum
Grundstückseigentümer einen Ergänzungspfleger erforderlich machen würden.
Grundstückseigentümer seien die Eltern, die das Kind bis zur Volljährigkeit dort auch
unterbringen. Dann ende der Abschreibungszeitraum der kleinen Stromanlage. Es werde
unterstellt, dass das Vertragsverhältnis zum Energieabnehmer nachteilig für das Kind sei.
Die Geschäftspapiere seien auf den Sohn V. R. umgeschrieben, die Überweisungen
erfolgten auf sein Konto. Der Sohn müsse lediglich den Zählerstand im Mai ablesen, was ihm
problemlos möglich sei. Schließlich stelle die Ernennung eines erfahrenen Rechtsanwaltes in
Oschatz eine unverhältnismäßige Auswahl dar, weil der Kindesvater aus gesundheitlichen
Gründen nicht in der Lage sei, ein Auto über solche Distanzen zu fahren oder den
Nahverkehr zu nutzen. Der Kindesvater betont darüber hinaus, dass die Schenkung erst zum
01.2014 in Kraft treten solle, da die Steuerfestsetzung für 2013 wegen Geschäftsunfähigkeit
des Sohnes rechtskräftig akzeptiert worden sei. Der Restwert der Photovoltaikanlage
betrage wegen der Abschreibung nur noch 6.919,29 €.

II.
1.
Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß den §§ 58 ff.
FamFG zulässig. Gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft steht den Eltern die
befristete Beschwerde nach § 58 FamFG zu (Ermann/Roth, BGB, 14. Aufl., Band 2, Rdn.
18), da durch die Bestellung eines Ergänzungspflegers ihre Elternrechte beeinträchtigt
werden (vgl. auch OLG Zweibrücken, FamRZ 2012, 1961 bei Versagung der
familiengerichtlichen Genehmigung zur Erbausschlagung; Bayrisches Oberlandesgericht
FamRZ 1981, 196).
2.
Die Beschwerde ist jedoch in der Sache unbegründet, da vorliegend zu Recht ein
Ergänzungspfleger für den Wirkungskreis, Vertretung des Kindes bei der Schenkung
Photovoltaikanlage durch dessen Vater bestellt wurde. Denn die Schenkung ist nicht lediglich
rechtlich vorteilhaft, sondern bringt wegen der mit ihr verbundenen Verpflichtungen rechtliche
Nachteile in Form von Haftungsrisiken mit sich.
2.1.
Das beteiligte Kind bedarf als Minderjähriger gemäß den §§ 107, 108 BGB der Einwilligung
seines gesetzlichen Vertreters, wenn es sich um den Abschluss eines nicht lediglich rechtlich
vorteilhaften Geschäfts handelt.
Zwar wird ein Rechtsgeschäft, das jemand als Vertreter eines anderen mit sich im eigenen
Namen abschließt (Insichgeschäft), über den Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift hinaus als
wirksam angesehen, wenn es dem Vertretenen lediglich einen rechtlichen Vorteil bringt
(Erman/Meier-Reimer, BGB 14. Aufl., Band 1, § 181, Rdn. 20). Diese Voraussetzung ist
vorliegend jedoch nicht gegeben.
Denn ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft ist für Minderjährige nicht
lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet wird, für
die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem
sonstigen Vermögen haftet ( BGH, FamRZ 2005, Seite 359; BGH NJW 2010, Seite 3643;
OLG Celle, FamRZ 2014, Seite 673). Für die Frage, ob ein Geschäft lediglich einen
rechtlichen Vorteil bringt, kommt es nicht auf eine wirtschaftliche Bewertung an, sondern
allein auf die unmittelbaren rechtlichen Folgen des Geschäfts. Der Schutzzweck der Norm
zielt auf einen wirksamen Minderjährigenschutz ab und gebietet eine konsequente
Anwendung des § 107 BGB. Deshalb löst jedweder Rechtsnachteil die
Zustimmungsbedürftigkeit des Rechtsgeschäfts gemäß § 107 BGB aus ( BFH, BStBl II 2008,
568). Lediglich für solche, den Minderjährigen kraft Gesetzes treffenden persönlichen
Verpflichtungen, die ihrem Umfang nach begrenzt und wirtschaftlich derart unbedeutend
sind, dass sie unabhängig von den Umständen des Einzelfalls eine Verweigerung der
Genehmigung durch den gesetzlichen Vertreter oder durch einen Ergänzungspfleger nicht
rechtfertigen könnten, hat die Rechtsprechung § 107 BGB einschränkend ausgelegt (BGH,
FamRZ 2005, 359: betreffend die gewöhnlichen öffentlichen Lasten des Grundstücks, da sie
ihrem Umfang nach begrenzt und in der Regel aus den laufenden Erträgen des Grundstücks
gedeckt werden können; demgegenüber wird ein rechtlicher Nachteil angenommen beim
Erwerb einer Eigentumswohnung: BGH, NJW 2010, 3643 wie auch beim Erwerb eines
vermieteten und verpachteten Grundstücks, BGHZ 162, 137).
Unabhängig von der Betrachtung des Vollzuges der Schenkung (§ 518 Abs. 2 BGB) kommt
es entscheidend auf den zugrundeliegenden Vertrag an.
a) Als Eigentümer der Photovoltaikanlage treffen den Minderjährigen
Verkehrssicherungspflichten und er haftet für die von der Anlage verursachten Schäden
unbegrenzt, d.h. nicht nur mit dem Wert der Anlage, der mit unter 7.000,00 € angegeben
wurde, sondern auch mit seinem sonstigen Vermögen. Insoweit ist die Haftungsfreistellung
durch den Kindesvater bzgl. Schäden an der Scheune nicht ausreichend, da ein
Eigentümerwechsel nicht ausgeschlossen werden kann und auch Schäden am Eigentum
Dritter oder Personenschäden entstehen können.
b) Betreiber kleiner Photovoltaikanlagen müssen auch bestimmte technische Vorgaben (§ 9
EEG) beachten, durch die verhindert werden soll, dass das öffentliche Netz überlastet wird.
Neben der Übernahme der Verpflichtung des Eigentümers der Photovoltaikanlage, die
entsprechenden technischen Vorgaben zu erfüllen, deren Nichteinhaltung wiederum
entsprechende Sanktionen nach sich ziehen kann (§ 25 EEG), tritt der Minderjährige auch in
die sich aus dem Vertragsverhältnis mit dem Energieversorger ergebenden Rechte und
Pflichten ein (Einspeisevertrag). Gemäß § 9 Abs. 1 SysStabV treffen den
Photovoltaik-Anlagenbetreiber zusätzliche Informations- und Mitwirkungspflichten.
c) Wird der durch Photovoltaikanlagen erzeugte Strom an einen Netzbetreiber verkauft, liegt
aus steuerlicher Sicht grundsätzlich eine unternehmerische/gewerbliche Tätigkeit vor, die
innerhalb eines Monats dem Finanzamt mitzuteilen ist (§ 138 Abgabenordnung). In der Folge
ist ein entsprechender Vordruck und Fragebogen zur steuerlichen Erfassung der Aufnahme
einer gewerblichen Tätigkeit ausgefüllt zu übersenden. Zwar ist es zutreffend, dass der
Betreiber einer Photovoltaikanlage als sog. Kleinunternehmer behandelt werden kann, wenn
die Umsätze im Gründungsjahr nicht mehr als 17.500,00 € betragen und haben
(Kleinunternehmerregelung nach § 19 UmStG). Die Prüfung erfolgt jedoch jeweils durch das
Finanzamt und entbindet nicht von der Verpflichtung, die erforderlichen Erklärungen beim
Finanzamt abzugeben. Der durch den Betrieb einer Photovoltaikanlage entstehende Gewinn
gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG und ist damit dem Grunde
nach zu versteuern. Bei Nichtabgabe der erforderlichen Erklärungen können durch das
Finanzamt entsprechende Sanktionen verhängt werden.
Die den Minderjährigen im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Photovoltaikanlage
treffenden Pflichten können danach ihrem Umfang nach nicht als hinreichend begrenzt und
wirtschaftlich unbedeutend angesehen werden, dass sie eine einschränkende Auslegung des
§ 107 BGB rechtfertigen würden.
2.2.
Weil das Geschäft wegen der damit verbundenen Verpflichtungen und Haftungsrisiken für
den Sohn somit nicht lediglich rechtlich vorteilhaft ist, war der Kindesvater an der Vertretung
seines Sohnes bei Abschluss des Schenkungsvertrages mit sich bezüglich der
Photovoltaikanlage gehindert (§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1795 Abs. 2, 181 BGB).
Die Eltern können damit ihr Kind nicht vertreten, weil auch ein Vormund von der Vertretung
ausgeschlossen wäre, § 1629 Abs. 2 BGB i.V.m. § 1795 Abs. 2 BGB, § 181 BGB, so dass
gemäß § 1909 BGB ein Ergänzungspfleger zu bestellen war.
2.3.
Auch soweit sich die Beschwerde gegen die Auswahl des Ergänzungspflegers richtet, ist sie
unbegründet.
Auf die Auswahl finden grundsätzlich die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften
entsprechende Anwendung. Für die Auswahl des Ergänzungspflegers gelten nach § 1916
BGB allerdings nicht die Vorschriften über die Berufung zu Vormundschaft (§§ 1776,1778
BGB), sondern § 1779 BGB.
Nach § 1779 Abs. 2 BGB soll das Familiengericht eine Person auswählen, die nach ihren
Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zur Führung
der Vormundschaft geeignet ist. Der bestellte Ergänzungspfleger ist nach seiner juristischen
Ausbildung und Praxis als Rechtsanwalt berufen, die Rechte des Minderjährigen
entsprechend wahrzunehmen (OLG Schleswig, FamRZ 2003, 117). Das Familiengericht hat
damit das ihm zustehende Auswahlermessen nicht fehlerhaft ausgeübt.
Da nach alledem die Bestellung eines Ergänzungspflegers mit dem Wirkungskreis,
Vertretung des Kindes bei der Schenkung einer Photovoltaikanlage durch den Kindesvater
(§§ 1629 Abs. 2 Satz 1, 1695 Abs. 2, 181 BGB, § 1909 BGB) erforderlich und dieser
ordentlich ausgewählt ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 20 FamGKG.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Dresden

Erscheinungsdatum:

23.12.2015

Aktenzeichen:

22 WF 1052/15

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer
Umsatzsteuer
Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Gesetzliche Erbfolge
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)
In-sich-Geschäft

Erschienen in:

MittBayNot 2016, 329-330

Normen in Titel:

BGB §§ 107, 181, 1629 Abs. 2, 1795 Abs. 2, 1929 Abs. 2 S. 1; EEG §§ 9, 25; AO § 138; UStG § 19; EStG § 15