Zulässigkeit der Eröffnung der Kopie eines Testaments
letzte Aktualisierung: 03.12.2021
OLG München, Beschl. v. 7.4.2021 – 31 Wx 108/21
FamFG §§ 348, 349 Abs.
Zulässigkeit der Eröffnung der Kopie eines Testaments
1. Grundsätzlich ist nur das Original (die Urschrift) einer letztwilligen Verfügung, nicht aber eine
einfache Kopie hiervon zu eröffnen. Aus dem Grundsatz, dass die Erbfolge aber auch aus einer
nur noch in Kopie vorhandenen letztwilligen Verfügung festgestellt werden kann, folgt jedoch,
dass in einem solchen Fall ausnahmsweise die Kopie zu eröffnen ist.
2. Zu eröffnen ist grundsätzlich das gesamte Schriftstück. Eine Ausnahme gilt lediglich bei
trennbaren Verfügungen des überlebenden Ehepartners in gemeinschaftlichen Testamenten, da
nur die Verfügungen des verstorbenen Ehepartners zu eröffnen sind,
kommt es für die Frage der Trennbarkeit nicht auf die Wünsche und Geheimhaltungsinteressen
der Eheleute, sondern allein auf die konkrete Ausgestaltung und sprachliche Fassung des
gemeinschaftlichen Testaments an. Liegt nur eine von einem Ehepartner handschriftlich
niedergelegte und sodann von beiden Ehepartnern unterschriebene gemeinsame letztwillige
Verfügung vor, in der Formulierungen wie „wir“ und „unser“ gewählt wurden, ist eine derartige
Trennung und damit eine nur teilweise Eröffnung nicht möglich.
Gründe
I.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist das Nachlassgericht davon
ausgegangen, dass das gemeinschaftliche Testament vom 23.03.2011 einschließlich sämtlicher Nachträge
vollständig auch gegenüber den beiden Schlusserben zu eröffnen ist.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Bei dem Beschluss des Nachlassgerichts vom 26.01.2021, in welchem angekündigt wurde, die
Verfügungen von Todes wegen einschließlich der Nachträge vollständig zu eröffnen, handelt es sich zwar
formal um eine Zwischenentscheidung, die der Sache nach aber wegen des bereits hieraus folgenden
Rechtseingriffs wie eine Endentscheidung zu behandeln ist. Sie ist daher ausnahmsweise mit der
Beschwerde nach
Aufl. <2019> NachlassR, § 37 Rn. 37; Burandt/Rojahn/Gierl, 3. Aufl. <2019> FamFG § 349 Rn. 3).
b) Die Beschwerde wurde sodann auch form- und fristgerecht innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1
FamFG erhoben.
2. Die Beschwerde ist in der Sache jedoch ohne Erfolg. Zu Recht hat das Nachlassgericht angekündigt, auch
die Nachträge zum gemeinschaftlichen Testament vom 24.03.2011 und 23.11.2016 vollständig auch
gegenüber den Kindern des Erblassers eröffnen zu wollen.
a) Unerheblich ist dabei, dass der zweite Nachtrag im Original nicht auffindbar ist und nur als Kopie vorliegt.
Zwar ist grundsätzlich stets das Original zu eröffnen, aus dem Grundsatz, dass die Erbfolge aber auch aus
nicht vorhandenen Originalurkunden, sondern aus nur noch in Kopie vorhandenen Testamenten festgestellt
werden kann (vgl. OLG München
auch die Kopie zu eröffnen ist (vgl. Burandt/Rojahn/Gierl, a.a.O., § 348 Rn. 2; Keidel/Zimmermann, 20. Aufl.
<2020> FamFG, § 348 Rn. 15; a.A. MüKoFamFG/Muscheler, 3. Aufl. <2019>
Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 34).
b) Ausgangspunkt für den Umfang der Testamentseröffnung ist die Vorschrift des
Abs. 3 FamFG hat das Gericht den Beteiligten den sie betreffenden Inhalt der Verfügung von Todes wegen
bekannt zu geben. Beteiligte sind dabei all diejenigen, denen durch die Verfügung ein Recht (auch
aufschiebend bedingt oder befristet) gewährt oder genommen oder deren Rechtslage in sonstiger Weise
unmittelbar beeinflusst wird (vgl. vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, 12. Aufl. <2019> FamFG, § 348 Rn. 9). Die
gemeinsamen Kinder des Erblassers und seiner Ehefrau, die durch das gemeinschaftliche Testament
zunächst enterbt werden, sind dabei bereits Beteiligte kraft Gesetzes, wie sich aus § 348 Abs. 2 Satz 1, 7
Abs. 2 Nr. 2 FamFG ergibt (vgl. Bumiller/Harders/Schwamb, a.a.O.; Burandt/Rojahn/Gierl, a.a.O., § 348 Rn.
8). Ob sie auf ihren Pflichtteil verzichtet haben, ist insofern irrelevant (vgl. Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. §
37 Rn. 30).
c) Etwas anderes mag für den Schlusserben eines gemeinschaftlichen Testaments gelten, wenn dieser nicht
gesetzlicher Erbe des zuerst Verstorbenen und wenn von einer freien Widerruflichkeit der
Schlusserbeneinsetzung auszugehen ist (vgl. KG Berlin, a.a.O.; OLG Zweibrücken,
Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 31). Beides ist vorliegend aber nicht der Fall. Bei den Schlusserben,
handelt es sich um die gemeinsamen Kinder und damit gesetzliche Erben der Eheleute. Deren
gemeinschaftliches Testament enthält darüber hinaus unter Ziff. X die Regelung, dass sämtliche in diesem
Testament niedergelegten Verfügungen, soweit gesetzlich zulässig, wechselbezüglich sein sollen.
d) Zu eröffnen ist grundsätzlich das gesamte Schriftstück, auch einzelne ggf. gegenstandslos gewordenen
Bestandteile (vgl. Keidel/Zimmermann, 20. Aufl. <2020> FamFG, § 348 Rn. 20, § 349 Rn. 4; Firsching/Graf
/Krätzschel, a.a.O. Rn. 34). Etwas anderes gilt nur für solche - trennbaren - Textpassagen, die inhaltlich
zweifelsfrei keine Verfügung von Todes wegen darstellen, wovon hier nicht ausgegangen werden kann und
was auch beschwerdeseits nicht behauptet wird. Beschwerdeseits wird vielmehr die Auffassung vertreten,
dass die konkreten Verfügungen, die gemeinsamen Kinder aktuell nicht beträfen, da sie den zweiten Erbfall
regelten und daher das Geheimhaltungsinteresse der Eheleute überwiege. Einen derartigen
Ausnahmetatbestand sieht die Regelung des
gemeinschaftliche Testamente nach
verstorbenen Ehepartners zu eröffnen sind, müssen danach die Verfügungen des überlebenden Ehepartners
nicht bekannt gegeben werden, wenn und soweit es sich tatsächlich um trennbare Verfügungen handelt.
Auch hier kommt es aber nicht auf die Wünsche und etwaige Geheimhaltungsinteressen der Eheleute,
sondern schlicht auf die Frage der Trennbarkeit an (vgl. Firsching/Graf/Krätzschel, a.a.O. Rn. 37). Die
Verfügenden hatten es durch entsprechende Gestaltungs- und Formulierungsmöglichkeit schließlich selbst in
der Hand, eine ihren Geheimhaltungsinteressen entsprechende Regelung zu treffen (vgl.
Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 349 Rn. 7). Vorliegend kann jedoch aufgrund der gewählten sprachlichen
Fassung der jeweiligen Verfügungen gerade nicht von einer Trennbarkeit ausgegangen werden (vgl.
Bumiller/Harders/Schwamb, a.a.O. § 349 Rn. 9; MüKoFamFG/Muscheler, a.a.O., § 349 Rn. 3). Es liegen nur
von einem Ehepartner handschriftlich niedergelegte und sodann von beiden unterschriebene gemeinsame
Verfügungen vor, in denen Formulierungen wie „wir“, „unser“, „nach dem Tod des Erstversterbenden“ und
„nach dem Tod des Längerlebenden“ vor. Eine Trennung zwischen den Verfügungen der Eheleute ist daher
nicht möglich und für eine nur teilweise Eröffnung dementsprechend kein Raum.
II.
1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Beschwerdeführerin hat kraft Gesetzes die
Gerichtskosten ihrer erfolglosen Beschwerde zu tragen, § 22 Abs. 1 GNotKG.
2. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren war nach
5.000,00 festzusetzen. Die Höhe des Nachlasswertes war insofern nicht maßgeblich, da das Interesse der
Beteiligten zu 1) vorliegend nicht wirtschaftlicher, sondern rein ideeller Natur war. Dieses wurde mangels
anderweitiger Anknüpfungspunkte auf den Regelwert des
III.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
1. Grundsätzlich ist nur das Original (die Urschrift) einer letztwilligen Verfügung, nicht aber eine einfache
Kopie hiervon zu eröffnen. Aus dem Grundsatz, dass die Erbfolge aber auch aus einer nur noch in Kopie
vorhandenen letztwilligen Verfügungen festgestellt werden kann, folgt jedoch, dass in einem solchen Fall
ausnahmsweise die Kopie zu eröffnen ist.
2. Zu eröffnen ist grundsätzlich das gesamte Schriftstück. Eine Ausnahme gilt lediglich bei trennbaren
Verfügungen des überlebenden Ehepartners in gemeinschaftlichen Testamenten, da nur die Verfügungen
des verstorbenen Ehepartners zu eröffnen sind,
Trennbarkeit nicht auf die Wünsche und Geheimhaltungsinteressen der Eheleute, sondern allein auf die
konkrete Ausgestaltung und sprachliche Fassung des gemeinschaftlichen Testaments an. Liegt nur eine von
einem Ehepartner handschriftlich niedergelegte und sodann von beiden Ehepartnern unterschriebene
gemeinsame letztwillige Verfügung vor, in der Formulierungen wie „wir“ und „unser“ gewählt wurden, ist eine
derartige Trennung und damit eine nur teilweise Eröffnung nicht möglich.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:07.04.2021
Aktenzeichen:31 Wx 108/21
Rechtsgebiete:
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
FamFG §§ 348, 349 Abs. 1