OLG Dresden 11. November 2019
4 U 1243/19
BGB §§ 611, 612 Abs. 2, 670, 675, 683, 812

Anspruch auf Beteiligung am Pflegegeld

letzte Aktualisierung: 14.02.2020
OLG Dresden, Beschl. v. 11.11.2019 – 4 U 1243/19

BGB §§ 611, 612 Abs. 2, 670, 675, 683, 812
Anspruch auf Beteiligung am Pflegegeld

1. Der pflegende Angehörige hat keinen Anspruch auf Beteiligung an dem Pflegebedürftigen
gezahlten Pflegegeld.
2. Wird die Pflegeleistung durch enge familiäre Bindungen geprägt, spricht eine tatsächliche
Vermutung dagegen, dass die Leistung aufgrund eines Dienstvertrages erbracht wird.
3. Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag kommen dann nicht in Betracht.

Gründe:

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nach § 522 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung
durch – einstimmig gefassten – Beschluss zurückzuweisen.

Sie bietet in der Sache offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat auch
weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die
Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts
durch Urteil. Auch andere Gründe gebieten eine mündliche Verhandlung nicht.
Zur Begründung wird auf die Ausführungen des Senates im Hinweisbeschluss vom
09.10.2019 Bezug genommen.

Ohne Erfolg rügt die Berufung, zur Beurteilung des geistigen Gesundheitszustandes des
Beklagten sei nicht auf das im Betreuungsverfahren 2009 erstellte Gutachten abzustellen, da
sich der Gesundheitszustand des Beklagten geändert haben könnte. Die Berufung zeigt
allerdings an keiner Stelle auf, dass und aus welchem Grund mit einer positiven Änderung
des Geisteszustandes des Beklagten zu rechnen ist, der auf dem Entwicklungsstand eines
7-8 jährigen befindet und zu 100 % schwerbehindert ist. Hinzu kommt, dass in dem
Gutachten selbst ausgeführt wird, es seien keine Änderungen zu erwarten, zumal die seit
Kindheitstagen bestehende Epilepsie als Grunderkrankung eher noch eine weitere
Verschlechterung im Geisteszustand des Beklagten erwarten lässt. An der Einschätzung
sowohl des Gutachters als auch des Amtsgerichts, dass der Beklagte selbst seine
Vermögensverhältnisse nicht überschauen und die Tragweite seiner wirtschaftlichen
Dispositionen nicht einschätzen kann, bestehen vor dem Hintergrund der gutachterlichen
Ausführungen keine Zweifel, sie werden auch von der Berufung nicht konkret aufgezeigt. Die
Anhörung des Beklagten im Betreuungsverfahren erfolgte auch nicht zu dem Zweck, von den
Betreuern getroffene wirtschaftliche Entscheidungen zu hinterfragen. Da seine finanziellen
Mittel nicht ausreichend sind, um eine umfassende Pflege und zudem - wie von ihm
gewünscht und auch von der Klägerin selbst als seinem Gesundheitszustand förderlich
angesehen - den Verbleib in seinem gewohnten Wohnumfeld zu gewährleisten, steht er seit
2009 unter Betreuung auch und gerade zur Regelung der Pflegesituation. Auf die
Ausführungen im Hinweisbeschluss wird zur Vermeidung von Wiederholungen ergänzend
Bezug genommen.

Über die Verwendung der dem Beklagten zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel, die
neben dem Pflegegeld seine Renteneinkünfte und seinen Verdienst in der
Behindertenwerkstatt umfassen, wird durch den jeweiligen Betreuer gegenüber dem
Betreuungsgericht im einzelnen abgerechnet und umfassend Rechenschaft abgelegt. Soweit
finanzielle Mittel, konkret Sparbeträge des Beklagten, in früheren Jahren verwendet worden
sind, um das Wohnhaus bzw. eine Mietwohnung teilweise zu sanieren, erfolgten jeweils nach
Antrag Beschlüsse des Betreuungsgerichts. Die jeweiligen Betreuer haben das dem
Pflegebedürftigen zustehende Pflegegeld auch nicht zweckwidrig, sondern einerseits für die
Pflege durch Pflegedienste und andererseits zur Gewährleistung des Unterhalts des
Beklagten verwendet. Ohnehin ist das Pflegegeld selbst angesichts der von der Klägerin
selbst als sparsam dargestellten Lebensführung des Beklagten unter Aufrechterhaltung
eines eigenen Haushaltes außerhalb einer betreuten Einrichtung nicht ausreichend,
sämtliche durch einen Pflegedienst und durch Angehörige des Beklagten erbrachte
Pflegeleistungen in ausreichendem Maße zu vergüten. Entgegen der Ansicht der Berufung
ist nicht ersichtlich, dass „Pflegegeld zur Schuldentilgung“ verwendet wird. Die Klägerin hat
diesen Vortrag auch nicht durch entsprechende Tatsachen belegt.

Schließlich folgt aus der bloßen Duldung von Pflegetätigkeiten der Klägerin, die auch an
keiner Stelle hinreichend konkret und in Abgrenzung von Pflegetätigkeiten dargestellt
werden, die von anderen Angehörigen des Beklagten erbracht werden, noch nicht, dass
zwischen der Klägerin und dem Beklagten ein entgeltlicher Vertrag zustande gekommen ist.
Mangels ausreichenden Sachvortrags zu dem von der Klägerin erbrachten Anteil an
täglichen Pflegeleistungen kommt auch keine Schätzung einer hierfür anzusetzenden
Vergütung gem. § 287 ZPO in Betracht. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die
diesbezüglichen Ausführungen des Senats im Hinweisbeschluss ergänzend Bezug
genommen.

Die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 07.11.2019 beschränken sich auf eine
Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens, ohne neue Gesichtspunkte
aufzuzeigen. Für die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Betreuungsgeld hat, ist es
unerheblich, ob und welche Entscheidungen durch die vormalige Betreuerin zum Umbau des
von dem Betreuten bewohnten Hauses getroffen worden sind und ob insoweit
Schadenersatzansprüche bestehen. Ebenso wenig ist eine Überprüfung der im
Betreuungsverfahren angeordneten Maßnahmen oder der Abrechnungen der jeweiligen
Betreuer im vorliegenden Rechtsstreit angezeigt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. Der Gegenstandswert wurde gemäß § 3 GKG
festgesetzt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Dresden

Erscheinungsdatum:

11.11.2019

Aktenzeichen:

4 U 1243/19

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 611, 612 Abs. 2, 670, 675, 683, 812