OLG München 01. August 2023
34 Wx 166/23 e
GBO §§ 31, 71; FamFG § 22; WEG § 10

Zurücknahme eines Eintragungsantrags gleichzeitig mit Einlegung der Beschwerde

letzte Aktualisierung: 30.10.2023
OLG München, Beschl. v. 1.8.2023 – 34 Wx 166/23 e

GBO §§ 31, 71; FamFG § 22; WEG § 10
Zurücknahme eines Eintragungsantrags gleichzeitig mit Einlegung der Beschwerde

1. Wird mit Einlegung der Beschwerde zugleich der Eintragungsantrag zurückgenommen, werden
die vorausgegangenen Entscheidungen des Grundbuchamts wirkungslos, ohne dass es einer
Aufhebung bedarf. Über die Beschwerde ist in diesem Fall nicht mehr zu entscheiden.
2. Eine von den Vorgaben der Gemeinschaftsordnung abweichende Nutzung einer einem
Sondernutzungsrecht unterliegenden Fläche führt auch im Falle rechtlicher Verselbständigung dieser
Fläche nicht zu einer Änderung des Inhalts des Sondernutzungsrechts.

Gründe

I.
Die Beteiligte ist im Wohnungsgrundbuch als Eigentümerin eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück
verbunden mit dem Sondereigentum an der im Aufteilungsplan mit Nr. 1 bezeichneten Wohnung eingetragen.
Der Einheit ist gemäß Beschrieb ein Sondernutzungsrecht an einer Grundstücksteilfläche zugeordnet.
Wegen Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums wird auf die Bewilligung in der Teilungserklärung vom
28.12.2021 Bezug genommen. Gemäß § 7 Nr. 1 der der Teilungserklärung angefügten
Gemeinschaftsordnung wird dem jeweiligen Eigentümer der Raumeigentumseinheit Nr. 1 die im
„Sondernutzfläche-Plan“ rotfarbig-umrandet eingezeichnete unbebaute Grundstücksteilfläche zur alleinigen
und ausschließlichen Sondernutzung zugewiesen. Weiterhin werden in § 7 der Gemeinschaftsordnung
bezüglich der Sondernutzungsflächen eine Reihe von zulässigen und unzulässigen Nutzungen näher
ausgeführt. Eine Nutzung als Kfz-Stellplatz wird hierbei nicht erwähnt.

Die Beteiligte hat zwischenzeitlich die Raumeigentumseinheit veräußert und sich dabei das Recht einer
Sondernutzungsrechtsabspaltung vorbehalten. Eine Eintragung der Erwerberin als Eigentümerin ist im
Grundbuch bislang nicht erfolgt.

Mit notarieller Urkunde vom 29.12.2022 erklärte die Beteiligte die Sondernutzungsunterteilung dahingehend,
dass die in dem der Urkunde als Anlage beigefügten Plan mit „SoNu 3“ und „SoNu 4“ bezeichneten Flächen
– unter Einschränkung des Sondernutzungsrechts an einer unbebauten Grundstücksfläche der
Raumeigentumseinheit Nr. 1 – verselbständigt werden. Der Vollzug dieser Sondernutzungsrechtsunterteilung
als Inhaltsänderung des Sondernutzungsrechts der Raumeigentumseinheit Nr. 1 wurde bewilligt und
beantragt, mit der Bitte, dies im Beschrieb der betroffenen Einheit kenntlich zu machen. In dem beiliegenden
Plan sind zwei schraffierte Flächen – im Ausmaß von etwa jeweils einem Kfz-Stellplatz – mit „SoNu 3“ und
„SoNu 4“ gekennzeichnet. Am 2.1.2023 hat der Urkundsnotar Vollzugsantrag gestellt.

Mit Zwischenverfügung vom 2.3.2023 beanstandete das Grundbuchamt, dass es sich um eine Änderung des
Inhalts des Sondernutzungsrechts handele. Das der Einheit Nr. 1 bereits zugewiesene Sondernutzungsrecht
an der Grundstücksteilfläche sei in die rot umrandete Grundstücksteilfläche und die Kfz-Stellplätze SoNu3
und SoNu4 unterteilt worden. Damit liege eine Änderung der Gemeinschaftsordnung vor, der sämtliche
dinglich Berechtigte zustimmen müssten. Die Änderung der Gemeinschaftsordnung müsse in allen
Grundbuchblättern dieses Wohnungseigentums eingetragen werden. Der Eintragungsantrag sei daher zum
gesamten Wohnungseigentum zu stellen.

Der Urkundsnotar wies mit Schreiben vom 6.3.2023 darauf hin, dass lediglich eine Unterteilung in Flächen,
aber keine Unterteilung in Kfz-Stellplätze erfolgt sei. Mit Zwischenverfügung vom 8.3.2023 hielt das
Grundbuchamt an seiner Verfügung vom 2.3.2023 fest. Es handele sich um eine Änderung des Inhalts des
Sondernutzungsrechts – unabhängig davon, ob die neuen Sondernutzungsrechte SoNu3 und SoNu4 Kfz-
Stellplätze oder Grundstücksteilflächen sein sollen. Auf den Hinweis des Notars mit Schreiben vom 9.3.2023,
dass seitens des Grundbuchamts eine irrtümliche Rechtsauffassung vorliege, hielt das Grundbuchamt mit
Beschluss vom 20.3.2023 erneut die Zwischenverfügung vom 2.3.2023 aufrecht. Entgegen dem Schreiben
vom 6.3.2023 seien in Natura bereits Tatsachen geschaffen worden. Es handele sich bei genau diesen
Flächen um Kfz-Stellplätze. Aus anliegenden Fotos sei zu erkennen, dass diese Flächen bereits auch als
Kfz-Stellplätze genutzt würden. Es liege folglich unzweifelhaft eine Nutzungsänderung und damit eine
Änderung der Gemeinschaftsordnung vor. Es sei daher ein Nachtrag zur Teilungserklärung erforderlich
(Änderung der Gemeinschaftsordnung), an welchem alle derzeitigen Eigentümer mitwirken müssten.
Außerdem seien die Zustimmung sämtlicher dinglicher Berechtigten und ein Antrag zum gesamten
Wohnungseigentum erforderlich.

Mit Schreiben vom 22.3.2023 nahm der Urkundsnotar – lediglich und nur um die zwischenzeitlich beantragte
Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld ohne weitere Verzögerung zu ermöglichen – den
Eintragungsantrag bezüglich der Sondernutzungsrechtsunterteilung zurück, stellte diesen aber anschließend
sofort wieder neu. Es lägen sämtliche Voraussetzungen für den Vollzug des gestellten Antrags vor. Bisher sei
für das gesamte Sondernutzungsrecht (rot umrandet) kein näherer Inhalt festgelegt worden und dies sei
auch jetzt nicht erfolgt. Somit betreffe die Unterteilung nur das räumliche Ausmaß des
Sondernutzungsrechts, aber keine inhaltlichen Festlegungen und somit auch keine Änderung der
Gemeinschaftsordnung. Im Übrigen habe das Grundbuchamt hier weder eine Prüfungspflicht noch ein
Prüfungsrecht. Die Anfertigung von Fotos überschreite die Ermittlungsbefugnis des Grundbuchamtes.
Mit Schreiben vom 24.3.2023 teilte das Grundbuchamt mit, dass an der Zwischenverfügung vom 20.3.2023
festgehalten werde. Es werde um Mitteilung binnen 1 Woche gebeten, ob das Schreiben vom 22.3.2023 als
Beschwerde gegen die Zwischenverfügung behandelt werden solle. Nach fruchtlosem Fristablauf werde das
Schreiben als Beschwerde ausgelegt.

Mit Beschluss vom14.6.2023 hat das Grundbuchamt der Beschwerde vom 22.3.2023 nicht abgeholfen und
das Verfahren dem Senat als Beschwerdegericht vorgelegt. Bei den Sondernutzungsrechten SoNu3 und
SoNu4 handele es sich amtsbekannt nunmehr um Kfz-Stellplätze. Der nähere Inhalt der
Sondernutzungsrechte sei in § 7 der Gemeinschaftsordnung festgelegt. Dort sei konkret festgelegt worden,
welche Veränderungen zulässig seien. Da diese sehr konkret gefasst seien, müsse im Umkehrschluss davon
ausgegangen werden, dass auf der als Sondernutzungsrecht zugewiesenen Grundstücksteilfläche keine Kfz9
Stellplätze errichtet werden dürfen.

Der Urkundsnotar hat mit Schreiben vom 11.7.2023 gegenüber dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass
das Schreiben vom 22.3.2023 als Beschwerde zu werten sei.

II.
1. Das Verfahren ist an das Amtsgericht – Grundbuchamt zurückzugeben, da keine beschwerdefähige
Entscheidung vorliegt.

a) Gemäß § 71 Abs. 1 GBO findet die – unbeschränkte – Beschwerde gegen die Entscheidungen des
Grundbuchamts statt. Zu diesen zählen auch Zwischenverfügungen (OLG Frankfurt a.M. FGPrax 2021, 197;
Senat vom 11.4.2011, 34 Wx 160/11 = FGPrax 2011, 173; OLG Hamm FGPrax 2010, 177; Demharter GBO
33. Aufl. § 71 Rn. 1; Hügel/Kramer GBO 4. Aufl. § 71 Rn. 68). Auch der Beschluss vom 20.3.2023 ist als
Zwischenverfügung im Sinne des § 18 Abs. 1 GBO anzusehen, da mit der Entscheidung keine Entscheidung
über den Antrag selbst erfolgte, sondern die Zwischenverfügung vom 2.3.2023 aufrechterhalten wurde und
eine Fristsetzung zur Behebung der angegebenen Eintragungshindernisse erfolgte.

b) Eine Sachentscheidung des Senats kommt hier indes nicht mehr in Betracht, da der Urkundsnotar den
ursprünglichen Eintragungsantrag mit Schreiben vom 22.3.2023 zeitgleich mit Einlegung der Beschwerde
zurückgenommen hat. Die Zurücknahme des ursprünglich gestellten Antrags (vgl. § 31 GBO) bewirkt, dass
eine Eintragung aufgrund des Antrags vom 2.1.2023 nicht mehr vorgenommen werden kann. Die im
bisherigen Verfahren ergangenen Entscheidungen des Grundbuchamts verlieren durch die
Antragsrücknahme ihre Wirkung, einer ausdrücklichen Aufhebung bedarf es nicht (Demharter § 31 Rn. 12).
Dieser in § 22 Abs. 2 Satz 1 FamFG für ergangene, nicht rechtskräftige Endentscheidungen geregelte
Grundsatz ist entsprechend auch auf bereits ergangene Zwischenverfügungen anzuwenden. Die
Zwischenverfügungen vom 2.3.2023, 8.3.2023 und 20.3.2023 bezogen sich ausdrücklich auf den am
2.1.2023 eingegangen Antrag und konnten auch nur hierfür ihre Wirkung entfalten. Mit der Rücknahme des
Antrags haben sich auch die hierauf bezogenen Zwischenverfügungen erledigt, sie entfalten keine
Rechtswirkungen mehr.

c) Auch eine Verwerfung des Rechtsmittels durch das Beschwerdegericht als unzulässig ginge ins Leere,
weil für eine derartige Entscheidung die Verfahrensgrundlage fehlt (Senat vom 13.1.2010, 34 Wx 119/09 =
BeckRS 2010, 2182). Dies gilt auch, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Antrag erneut und inhaltlich
unverändert gestellt wird. Über den Eintragungsantrag vom 22.3.2023 hat das Grundbuchamt bislang nicht
ausdrücklich entschieden. Dieser ist auch nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Es bleibt in der
Zuständigkeit des Grundbuchamts, über diesen Antrag zu entscheiden. Ob das Schreiben des
Grundbuchamtes vom 24.3.2023, mit dem darauf hingewiesen wurde, dass an der Zwischenverfügung vom
20.3.2023 festgehalten wird, als eigenständige neue Zwischenverfügung im Hinblick auf den
Eintragungsantrag vom 22.3.2023 anzusehen ist, kann dahinstehen. Eine Beschwerde hiergegen liegt nicht
vor.

2. Für das weitere Verfahren wird – insoweit ohne Bindung für das Grundbuchamt – auf Folgendes
hingewiesen:

a) Die Zwischenverfügungen einschließlich des Beschlusses vom 20.3.2023 wären schon aus formellen
Gründen aufzuheben gewesen. Denn das Grundbuchamt hätte, ausgehend von seiner Auffassung, zur
Eintragung sei eine Mitwirkung aller derzeitigen Eigentümer und die Zustimmung der dinglich Berechtigten
des gesamten Wohnungseigentums erforderlich, gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 GBO keine Zwischenverfügung
erlassen dürfen, sondern den Antrag sofort zurückweisen müssen. Voraussetzung für den Erlass einer
Zwischenverfügung ist das Bestehen eines mit rückwirkender Kraft behebbaren Eintragungshindernisses.
Daran fehlt es, wenn – wie hier – die aus Sicht des Grundbuchamts erforderliche Einigung der unmittelbar
Betroffenen von vornherein nicht vorlag. Es kann nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein, auf den
Abschluss eines Rechtsgeschäfts hinzuwirken, das Grundlage der einzutragenden Rechtsänderung werden
soll (BGH FGPrax 2014, 192; Senat vom 21.3.2017, 34 Wx 22/17 = Rpfleger 2017, 532; OLG Braunschweig
FGPrax 2019, 151; Hügel/Zeiser § 18 Rn. 17).

b) Es ist nicht ersichtlich, dass mit der Urkunde vom 29.12.2022 der Inhalt des Sondernutzungsrechts
geändert wird. Mit der Urkunde werden lediglich die Flächen „SoNu 3“ und „SoNu 4“ abgespalten und
rechtlich verselbständigt. Eine solche Unterteilung ist ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer und
dinglich Berechtigten zulässig, solange die äußeren Umfangsgrenzen dabei unverändert bleiben
(Bärmann/Schneider WEG 15. Aufl. § 16, Rn. 230; Hügel/Elzer WEG 3. Aufl. § 10 Rn. 149). Soweit in der
Urkunde im Folgenden der Vollzug der Sondernutzungsrechtsunterteilung „als Inhaltsänderung“ des
Sondernutzungsrechts bewilligt und beantragt wird, ist offensichtlich lediglich der Flächeninhalt, nicht aber
der Umfang der Nutzungsmöglichkeiten gemeint. Eine beabsichtigte Änderung der Gemeinschaftsordnung
als wesentliche Voraussetzung einer Änderung des Inhalts des Sondernutzungsrechts ist der Urkunde nicht
zu entnehmen. Aus der Urkunde lässt sich auch nicht entnehmen, dass auf den abgespaltenen Flächen
(künftig) auch eine Nutzung als Kfz-Stellplatz zulässig sein soll. Allein die Tatsache, dass die Größe der
beiden abgeteilten Flächen jeweils einem Kfz-Stellplatz entspricht, genügt hierfür nicht.

c) Es kann auch dahinstehen, wie die abgespaltenen Flächen derzeit tatsächlich genutzt werden und ob
diese tatsächliche Nutzung mit dem Inhalt des Sondernutzungsrechts oder mit baurechtlichen Vorschriften
übereinstimmt. Es spricht zwar einiges dafür, dass eine Nutzung als Kfz-Stellplatz nicht mit § 7 der
Gemeinschaftsordnung in Einklang zu bringen ist. Dies hätte allerdings lediglich zur Folge, dass seitens der
übrigen Wohnungseigentümer gegen eine solche Nutzung vorgegangen werden kann, führt aber nicht zu
einer Änderung des Inhalts des Sondernutzungsrechts. Entsprechendes gilt für den Fall einer
baurechtswidrigen Nutzung. Soweit eine baurechtswidrige Nutzung vorliegen sollte, ist es ferner Aufgabe der
zuständigen Bauaufsichtsbehörde, hiergegen vorzugehen.

III.
Von der Erhebung der Kosten für das Beschwerdeverfahren wird abgesehen, § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG, da
das Beschwerdeverfahren durch das Schreiben des Grundbuchamts vom 24.3.2023 veranlasst wurde, in
dem – fehlerhaft – von einer Beschwerdemöglichkeit gegen die erlassenen Zwischenverfügungen
ausgegangen wurde.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

01.08.2023

Aktenzeichen:

34 Wx 166/23 e

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GBO §§ 31, 71; FamFG § 22; WEG § 10