Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB
§§ 1814 Abs. 3 Nr. 1, 1815 Abs. 3, 1820 Abs. 3 u. 4; FamFG § 34 Abs.
2
Vorsorgevollmacht; Kriterien für Ungeeignetheit des
Bevollmächtigten; Maßgeblichkeit der objektiven Bedürfnisse;
Kontrollbetreuer; Anordnung des Betreuungsgerichts, erteilte
Vollmacht nicht auszuüben
a) Ein
Bevollmächtigter ist ungeeignet, die Angelegenheiten des
Betroffenen nach dessen Wünschen zu besorgen, wenn zu befürchten
ist, dass er die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht
entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder
mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers besorgt. Ergeben sich
aus der Vereinbarung und dem erklärten Willen des
Vollmachtgebers keine konkreten Vorgaben, kann der Betroffene
seine Wünsche nicht mehr äußern und bestehen auch keine
individuellen Anhaltspunkte für seinen mutmaßlichen Willen,
richtet sich dieser nach seinen objektiven Bedürfnissen.
b) Die Möglichkeit des Betreuungsgerichts, nach § 34 Abs. 2
FamFG von einer persönlichen Anhörung des Betroffenen abzusehen,
wenn dieser offensichtlich nicht in der Lage ist, seinen Willen
kundzutun, entbindet das Gericht nicht von der in § 278 Abs. 1
Satz 2 FamFG enthaltenen Verpflichtung, sich einen persönlichen
Eindruck vom Betroffenen zu verschaffen (im Anschluss an
Senatsbeschluss vom 4. November 2020 – XII ZB 344/20 – FamRZ
2021, 224).
c) Sind behebbare Mängel bei der Ausübung einer
Vorsorgevollmacht festzustellen, erfordert der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz grundsätzlich zunächst den
Versuch, mittels eines zu bestellenden Kontrollbetreuers auf den
Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch
Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB)
sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte (im Anschluss an
Senatsbeschluss vom 8. Januar 2020 – XII ZB 368/19 – FamRZ 2020,
629).
d) Besteht die dringende Gefahr, dass ein Bevollmächtigter durch
fehlende Bereitschaft zum Konsens mit anderen Bevollmächtigten
nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und
dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen
erheblich gefährdet, kann das Betreuungsgericht gemäß § 1820
Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BGB anordnen, dass er die ihm erteilte
Vollmacht insgesamt oder in bestimmten Angelegenheiten nicht
ausüben darf.
BGH, Beschl. v.
29.3.2023 – XII ZB 515/22
Familienrecht
InsO
§§ 40, 325; BGB § 1586b
Unterhaltsansprüche als Nachlassverbindlichkeiten im
Nachlassinsolvenzverfahren
1. Die Vorschrift
des § 1586b BGB findet auf selbständige Unterhaltsvereinbarungen
geschiedener Ehegatten keine Anwendung.
2. Passiv vererbliche Unterhaltsansprüche können als
Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren gemäß § 40
Satz 1 InsO auch für die Zeit nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens für die Zukunft geltend gemacht werden.
OLG Celle, Urt. v. 20.3.2023 – 6 U 36/22
Erbrecht
BGB
§§ 2349, 2352 S. 3
Zuwendungsverzicht: keine Erstreckung auf Abkömmlinge als
Ersatzerben des Verzichtenden
Keine Erstreckung
des Zuwendungsverzichts auf den Abkömmling des Verzichtenden,
wenn der Abkömmling ausdrücklich als Ersatzerbe des
Verzichtenden bestimmt ist, der Verzichtende weder ein
Abkömmling noch ein Seitenverwandter des Erblassers ist und der
Zuwendungsverzicht nicht mit einer vollständigen Abfindung des
Verzichtenden verbunden war.
OLG Celle, Beschl.
v. 17.4.2023 – 6 W 37/23
Steuerrecht
EStG
§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Privates Veräußerungsgeschäft; trennungsbedingter Auszug eines
Ehepartners
1. Eine
(willentliche) Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen
Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner
stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden
Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung
(entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der
Haltefrist überträgt.
2. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug
aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i. S. des
§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene
Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort
wohnen.
BFH, Urt. v.
14.2.2023 – IX R 11/21
Notarrecht/Verfahrensrecht
BNotO
§ 15 Abs. 2; BGB § 321
Rücktritt wegen verspäteter Kaufpreiszahlung; Vorbescheid des Notars
1. Im Rahmen einer
Beschwerde gegen einen Vorbescheid des Notars nach § 15 Abs. 2
BNotO können nur evidente Rücktrittsgründe für die Vollziehung
eines Grundstückskaufvertrags hinderlich sein.
2. Bei einem Rücktritt des Grundstücksverkäufers wegen
Schuldnerverzugs des Käufers mit der Kaufpreiszahlung tritt nur
im Falle der evidenten Einredefreiheit ein vom Notar zu
beachtendes Vollziehungshindernis ein.
3. Die Unsicherheitseinrede aus § 321 BGB ist nicht evident
ausgeschlossen, wenn der vorleistungspflichtige Käufer beim
Kaufvertragsabschuss zwar weiß, dass die Immobilie bewohnt ist,
aber nicht mit einem dauerhaften oder langfristigen
Leistungshindernis bezüglich der Verpflichtung des Verkäufers,
den ungehinderten Besitz an dem Grundstück zu übertragen,
rechnen muss.
LG Karlsruhe,
Beschl. v. 5.4.2023 – 11 T 268/22
|