Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BNotO
§§ 111, 92 Abs. 1 Nr. 1; GwG § 52 Abs. 1
Zwischenentscheidung über den Rechtsweg; Prüfung der Erfüllung von
Pflichten nach dem GwG; Rechtstreitigkeiten über
Mitwirkungspflichten des Notars; abdrängende Sonderzuweisung
Rechtsstreitigkeiten
über Mitwirkungspflichten eines Notars gegenüber der
Dienstaufsicht anlässlich der Prüfung der Erfüllung von
Pflichten nach dem Geldwäschegesetz werden von der abdrängenden
Sonderzuweisung gemäß § 111 BNotO erfasst. Zur Entscheidung sind
die bei den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof
eingerichteten – sachnäheren – Notarsenate berufen.
BGH, Beschl. v.
14.11.2022 – NotZ 1/22
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB §§ 434, 444
Offenbarungspflichtiger Sachmangel bei Blindgängerverdacht auf Nachbargrundstück
1. Ein über einen
bloßen Mangelverdacht hinausgehender, offenbarungspflichtiger
Sachmangel (hier: Blindgängerverdachtspunkt auf dem
Nachbargrundstück) liegt vor, wenn dieser zu einer
verkehrserheblichen Einschränkung der Nutzung des veräußerten
Grundstücks führt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
Bauvorhaben auf dem veräußerten Grundstück einer vorhergehenden
Anzeige bedürfen und behördliche Anordnungen, etwa eine
Untersuchung des Grundstücks mittels Bohrungen, nach sich ziehen
können.
2. Der Feststellung von Arglist i. S. v. § 444 BGB steht
nicht entgegen, dass die Verkäuferseite die Käufer über die
Existenz eines objektiv offenbarungspflichtigen Sachmangels
nicht aufklärte, weil sie diesen als unbedeutend ansah.
OLG Hamm, Urt. v.
28.11.2022 – 22 U 28/22
Erbrecht
BGB §
2078
Anfechtung eines Testaments wegen Motivirrtums;
innerfamiliärer Erhalt einer Immobilie
1. Die Vorstellung
einer Erblasserin, einer von zwei Abkömmlingen werde eine
Immobilie im Familienbesitz halten, wenn sie ihn durch Testament
zum Alleinerben einsetzt, ist ein Motiv i. S. d. § 2078 Abs. 2
BGB. Darin kommt die Erwartung des Eintritts des Erhalts der
Immobilie in der Familie als Umstand i. S. d. § 2078 Abs. 2 BGB
zum Ausdruck.
2. Das Motiv des innerfamiliären Erhalts der Immobilie findet
als subjektive Erwartung im Testament eine wörtliche Stütze,
wenn die Erblasserin dort die Einsetzung als Alleinerbe wörtlich
als „einzige Möglichkeit“ bewertet, „ablaufmäßig und
verfahrenstechnisch zu gewährleisten“, „unser Wohnhaus, das eine
Belastung ist,“ zu „erhalten“. Die Schaffung aller ihr möglichen
Voraussetzungen für einen bestimmten, künftigen Geschehensablauf
indiziert, dass sie den Willen zu seiner Herbeiführung hat.
3. Verknüpft die Erblasserin den von ihr skizzierten
Geschehensablauf wörtlich mit der Offenlegung ihres Willens,
„ein Verschleudern müssen“ nicht zu wollen, so verdeutlicht
dies, auf die Verhinderung welchen Erfolgs es ihr durch die von
ihr geschaffenen Voraussetzungen gerade ankam, so dass sie sich
hiervon beim Verfassen ihres letzten Willens bestimmend leiten
ließ.
4. In der an den hierdurch enterbten Abkömmling gerichteten
Erklärung der Erblasserin in dem Testament, dass dies „nicht als
Straf- oder Benachteiligungsaktion zu sehen“, dies aber der
einzige Weg zur Erhaltung der Immobilie sei, ist zu erkennen,
dass die Enterbung nicht dem Willen der Erblasserin entspricht,
ihr aber die Verhinderung des Verkaufs an Dritte wichtiger als
eine gerechte Erbeinsetzung ihrer Abkömmlinge ist. Die konkrete
Offenlegung ihres Motivs in Verbindung mit dem ausdrücklichen
Ausschluss weiterer denkmöglicher Motive führt zu einer
unzweideutigen Verknüpfung von Motiv und Erbeinsetzung.
5. Aus der in einem Testament aus Sicht der Erblasserin
subjektiv als zwingend empfundenen Verknüpfung der (höher
bewerteten) gewollten Verhinderung eines ganz bestimmten
Umstands mit dem ungewollten Nichteintritt eines (geringer
bewerteten) Erfolges ergibt sich ein zur Anfechtbarkeit i. S. d.
§ 2078 Abs. 2 BGB führendes Bedingungsverhältnis, wenn der
Eintritt des (ungewollten) Umstands durch den Nichteintritt des
(gewollten) Erfolges nicht zu verhindern war.
LG Wuppertal, Urt.
v. 5.12.2022 – 2 O 317/21
BGB §
2108
Vererblichkeit des Anwartschaftsrechts des Nacherben
1. Nach § 2108 Abs.
2 S. 1 BGB ist das Anwartschaftsrecht des Nacherben vererblich,
sofern nicht ein anderer Wille des Erblassers anzunehmen ist.
2. Die erforderliche Auslegung des Testaments kann ergeben, dass
der Erblasser die Vererblichkeit der Nacherbenanwartschaft, wenn
nicht völlig ausschließen, so aber doch auf die Abkömmlinge der
Nacherben beschränken wollte. Das kann angenommen werden, wenn
der Erblasser ausdrücklich nur seine Nachkommen bedacht hat und
als Ersatzerben auch nur deren Abkömmlinge vorgesehen hat. Bei
der Berufung dieses Personenkreises zu Nacherben steht
regelmäßig der Wille im Vordergrund, den Nachlass im
Familienbesitz zu erhalten und deshalb nach dem Tod eines
Nacherben nicht dessen familienfremde testamentarische Erben zum
Zug kommen zu lassen.
3. Die Anordnung in einem Testament, dass bei Kinderlosigkeit
des Vorerben der Nacherbfall eintreten soll, spricht dafür, dass
nach dem Willen des Erblassers unter Umständen Anwachsung gem. §
2094 BGB eintreten sollte, um den Nachlass den Geschwistern zu
erhalten.
OLG Hamm, Beschl. v.
11.5.2022 – 10 W 159/21
Gesellschaftsrecht
SGB
IV § 7 Abs. 1
GmbH & Co. KG; Sozialversicherungspflicht des GmbH-Geschäftsführers;
Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbständiger
Tätigkeit
1. Nach § 7
Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die
nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem
Arbeitsverhältnis.
2. Arbeitsrechtlich gilt heute der Grundsatz, dass das
Dienstverhältnis eines GmbH-Geschäftsführers regelmäßig kein
Arbeitsverhältnis ist.
3. Aus dem Tatbestandsmerkmal insbesondere in § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV ergibt sich, dass ein
sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis auch
dann bestehen kann, wenn kein Arbeitsverhältnis gegeben ist,
jedoch eine Beschäftigung im Rahmen einer sonstigen
nichtselbstständigen Tätigkeit ausgeübt wird.
4. Ein Gesellschafter-Geschäftsführer ist nicht per se Kraft
seiner Kapitalbeteiligung selbstständig tätig, sondern muss, um
nicht als abhängig Beschäftigter angesehen zu werden, über seine
Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht besitzen, durch
Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke
der Gesellschaft bestimmen zu können. Eine solche Rechtsmacht
ist bei einem Gesellschafter gegeben, der zumindest 50 vH der
Anteile am Stammkapital hält oder ihm nach dem
Gesellschaftsvertrag eine umfassende (echte oder qualifizierte),
die gesamte Unternehmenstätigkeit erfassende Sperrminorität
eingeräumt ist.
LSG München, Urt. v.
26.10.2022 – L 3 U 56/21
Notarrecht/Verfahrensrecht
GBO § 133
Automatisierter Abruf aus maschinell geführtem Grundbuch nur
durch inländische Notare
Gem. § 133 Abs. 2
S. 2 GBO kann nur ein inländischer, nicht aber ein im Ausland
(Liechtenstein) bestellter Notar zum uneingeschränkten Abruf der
Daten aus dem maschinell geführten Grundbuch zugelassen werden.
(Leitsatz der
DNotI-Redaktion)
OLG Stuttgart,
Beschl. v. 20.5.2022 – 8 VA 13/21
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