Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BauGB
§ 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 462 S. 1
Städtebaulicher Vertrag; Wiederkaufsrecht bei Nichtbebauung;
Angemessenheit einer Ausübungsfrist von 30 Jahren
1. Bei einem Verkauf
von Bauland an einen privaten Käufer im Rahmen eines
städtebaulichen Vertrages zu einem marktgerechten Preis stellt
sich die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde für
den Fall, dass der Käufer das Grundstück nicht innerhalb von
acht Jahren mit einem Wohngebäude bebaut oder ohne Zustimmung
der Gemeinde unbebaut weiterveräußert, selbst dann nicht als
unangemessen i. S. v. § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB dar, wenn eine
Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht nicht vereinbart ist und
dieses somit innerhalb der in § 462 Satz 1 BGB geregelten Frist
von 30 Jahren ausgeübt werden kann.
2. Rechtshandlungen, die der erste Bürgermeister einer
bayerischen Gemeinde bis zum 31. März 2018 vorgenommen hat,
waren und bleiben aufgrund seiner umfassenden und
uneingeschränkten Vertretungsbefugnis nach Art. 38 Abs. 1 GO BY
aF wirksam, ohne dass es hierzu eines Gemeinderatsbeschlusses
bedarf oder bedurfte (Bestätigung von Senat, Urteil vom 18.
November 2016 – V ZR 266/14, BGHZ 213, 30).
BGH, Beschl. v.
16.12.2022 – V ZR 144/21
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
BGB §
138 Abs. 1
Nichtigkeit eines Schenkungsvertrags wegen Sittenwidrigkeit
Ist der Schenker
aufgrund einer objektiven oder subjektiven Zwangslage zur
Schenkung veranlasst worden, kann der Vorwurf der
Sittenwidrigkeit nicht nur solche Personen treffen, die diese
Zwangslage herbeigeführt haben. Vielmehr kann es ausreichen,
wenn der Zuwendungsempfänger sich eine bestehende Zwangslage
bewusst zu Nutze macht.
BGH, Urt. v.
15.11.2022 – X ZR 40/20
WEG
§§ 9a Abs. 2, 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2; BGB § 439 Abs. 1
Kaufvertraglicher Anspruch auf Beseitigung von Mängeln am
Gemeinschaftseigentum; Altlasten; keine Ausübungsbefugnis der
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
1. Die auf
Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gerichteten
Rechte der Erwerber von Wohnungseigentum (hier: Nachbesserung
nach § 439 Abs. 1 BGB) unterfallen nicht der Ausübungsbefugnis
gemäß § 9a Abs. 2 WEG. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
kann solche Rechte auch nach der Änderung des
Wohnungseigentumsgesetzes weiterhin durch Mehrheitsbeschluss zur
alleinigen Durchsetzung an sich ziehen; die Kompetenz für einen
solchen Beschluss folgt aus § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG.
2a. Die von dem Verkäufer wegen eines Altlastenverdachts gemäß §
439 Abs. 1 BGB geschuldete Nachbesserung umfasst zunächst nur
die Ausräumung des Verdachts durch Aufklärungsmaßnahmen. Die
Beseitigung von Altlasten kann der Käufer erst dann verlangen,
wenn sich der Verdacht bestätigt.
2b. Eine von der üblichen Beschaffenheit abweichende Belastung
eines Grundstücks mit Schadstoffen ist jedenfalls dann
anzunehmen, wenn nach öffentlich-rechtlichen Kriterien eine
schädliche Bodenveränderung oder eine Altlast im Sinne des
Bundesbodenschutzgesetzes vorliegt.
2c. Verschweigt der Verkäufer arglistig einen ihm bekannten
Altlastenverdacht und bestätigt sich später der Verdacht,
handelt er in aller Regel auch im Hinblick auf die tatsächlich
vorhandenen Altlasten arglistig.
3. Der Käufer einer gebrauchten Eigentumswohnung hat nach § 439
Abs. 1 BGB einen Anspruch auf volle Nacherfüllung in Bezug auf
Mängel des gemeinschaftlichen Eigentums und nicht nur einen auf
die Quote des Miteigentumsanteils beschränkten Anspruch auf
Freistellung von den Mängelbeseitigungskosten (Fortführung von
Senat, Urteil vom 14. Februar 2020 – V ZR 11/18, BGHZ 225, 1 Rn.
45 ff.).
BGH, Urt. v.
11.11.2022 – V ZR 213/21
Erbrecht
BGB § 2250
Voraussetzungen für die Errichtung eines Drei-Zeugen-Testaments
Die Errichtung eines
Drei-Zeugen-Testaments gem. § 2250 BGB setzt voraus, dass sich
der Erblasser in so naher Todesgefahr befunden hat, dass
voraussichtlich weder die Errichtung eines Testaments vor einem
Notar (§ 2232 BGB) noch vor einem Bürgermeister (§ 2249 BGB)
möglich gewesen wäre.
(Leitsatz der
DNotI-Redaktion)
OLG Brandenburg,
Beschl. v. 4.10.2022 – 3 W 109/22
Gesellschaftsrecht
BGB §
463; GmbHG § 15; ZPO § 836 Abs. 2
Vorkaufsrecht an einem GmbH-Geschäftsanteil; Nichtigkeit eines durch
unrichtige Angaben erschlichenen Pfändungs- und
Überweisungsbeschlusses
1. Zu den
Voraussetzungen der wirksamen Ausübung eines
gesellschaftsvertraglichen Vorkaufsrechts an dem Geschäftsanteil
einer GmbH.
2. Ein durch unrichtige Angaben gegenüber dem
Vollstreckungsgericht erschlichener Pfändungs- und
Überweisungsbeschluss ist nichtig.
3. Leistet ein Drittschuldner an einem anderen als den im
Vorstreckungstitel ausgewiesenen Gläubiger, kann er sich nicht
auf den Schutz von § 836 Abs. 2 ZPO berufen.
KG, Urt. v.
3.11.2022 – 2 U 1060/20
Steuerrecht
KStG
§§ 14, 17; BeurkG § 44a Abs. 2
Gewinnabführungsvertrag; steuerliche Rückwirkung eines notariellen
Nachtragsvermerks
1.
Gewinnabführungsverträge sind nach objektiven Gesichtspunkten
einheitlich aus sich heraus auszulegen. Umstände, für die sich
keine ausreichenden Anhaltspunkte im Vertrag finden, können zur
Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden (Bestätigung
der Rechtsprechung).
2. Die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem
Gewinnabführungsvertrag durch einen notariellen Nachtragsvermerk
nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG entfaltet jedenfalls dann keine
steuerliche Rückwirkung, wenn sich der tatsächlich gewollte
Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus
ergibt und unklar ist, wie eine mögliche Lücke in der
Vertragsurkunde zu füllen ist.
BFH, Urt. v.
13.7.2022 – I R 42/18
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