Nachfolgend finden Sie eine
Auswahl der wichtigsten in der vergangenen Woche in die Datenbank
DNotI-Online-Plus eingestellten Gerichtsentscheidungen,
Arbeitshilfen und Links.
Da instanzgerichtliche
Entscheidungen oftmals erst längere Zeit nach Verkündung
rechtskräftig werden oder uns erst mit einiger Verspätung bekannt
werden, weicht das Entscheidungsdatum ggf. deutlich vom Versanddatum
dieses Newsletters ab. Wir bitten insoweit um Verständnis.
Entscheidung der Woche
BGB
§§ 93, 94
Freiland-Photovoltaikanlage als wesentlicher Bestandteil;
Gebäudeeigenschaft
1a. Ob ein
Bestandteil (hier: Modul einer Freiland-Photovoltaikanlage) im
Sinne des § 93 BGB wesentlich ist, bestimmt sich nach den
Verhältnissen im Zeitpunkt der Verbindung, wenn es darauf
ankommt, ob an dem Bestandteil bestehende Rechte Dritter infolge
der Verbindung untergegangen sind. Ist dagegen zu beurteilen, ob
Rechte Dritter an einem Bestandteil begründet werden können, der
bereits in eine zusammengesetzte Sache eingefügt ist, kommt es
auf die Verhältnisse bei Entstehung des Rechts an (Fortführung
von Senat, Urteil vom 11. November 2011 – V ZR 231/10, BGHZ 191,
285).
1b. Nachfolgende Wertveränderungen sind bei der Prüfung der
Wesentlichkeit eines Bestandteils grundsätzlich nicht zu
berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn die Wertminderung
nicht auf Alterung oder übliche Abnutzung, sondern auf – ggf.
auch unvorhersehbare – Marktentwicklungen oder sonstige
gewandelte wirtschaftliche oder rechtliche Rahmenbedingungen
zurückzuführen ist.
2a. Gebäude i. S. v. § 94 BGB sind zwar auch andere größere
Bauwerke, deren Beseitigung eine dem (Teil-)Abriss eines
Gebäudes im engeren Sinne vergleichbare Zerschlagung
wirtschaftlicher Werte bedeutete. Ein Bauwerk setzt in diesem
Zusammenhang aber regelmäßig etwas mit klassischen Baustoffen
„Gebautes“ von solcher Größe und Komplexität voraus, dass die
Beseitigung die Zerstörung oder wesentliche Beschädigung und den
Verlust der Funktionalität der Sache zur Folge hätte.
2b. Eine Freiland-Photovoltaikanlage stellt jedenfalls dann,
wenn sie aus einer gerüstähnlichen Aufständerung aus Stangen
oder Schienen sowie darin eingesetzten Photovoltaikmodulen
besteht, kein Gebäude i. S. v. § 94 BGB dar.
3. § 95 Abs. 1 BGB ist auf Bestandteile einer beweglichen Sache
i. S. v. § 93 BGB nicht entsprechend anwendbar.
BGH, Urt. v.
22.10.2021 – V ZR 69/20
Immobilienrecht/allg. Zivilrecht
WEG
§§ 1 Abs. 1 u. 3, 5 Abs. 4 S. 1, 9a Abs. 2, 10 Abs. 3 S. 1, 14 Abs.
1 Nr. 1, 48 Abs. 5
Prozessführungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer;
Unzulässigkeit der Umwandlung von Teileigentum in Wohnungseigentum
durch
Sondereigentümer ohne Änderungsvorbehalt
1. Verlangt die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mit einer vor dem 1.
Dezember 2020 anhängigen Klage von einem Wohnungseigentümer
Unterlassung einer gegen die Gemeinschaftsordnung verstoßenden
Nutzung (hier: Nutzung einer Teileigentumseinheit zu
Wohnzwecken), kommt es nach Inkrafttreten des
Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes am 1. Dezember 2020 für
die Prozessführungsbefugnis des Verbandes nicht mehr darauf an,
ob ein Vergemeinschaftungsbeschluss vorlag. Dies ist auch im
Revisionsverfahren zu berücksichtigen.
2. Ein Sondereigentümer kann ohne Mitwirkung der übrigen
Eigentümer sein Teileigentum nicht in Wohnungseigentum
umwandeln, es sei denn, in der Gemeinschaftsordnung ist ein
entsprechender Vorbehalt enthalten (sog. Änderungsvorbehalt).
3. Die Nutzung einer Teileigentumseinheit zu Wohnzwecken ist bei
typisierender Betrachtungsweise jedenfalls dann nicht störender
als die vorgesehene Nutzung und deshalb zulässig, wenn es an
einer einschränkenden Zweckbestimmung für das Teileigentum
fehlt, die Teileigentumseinheit in einem separaten Gebäude (mit
getrennter Kostenregelung) gelegen ist und auch die übrigen
Sondereigentumseinheiten ausschließlich der Wohnnutzung dienen
(Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 23. März 2018 – V ZR 307/16, NJW-RR 2018, 1227 Rn. 9).
BGH, Urt. v.
16.7.2021 – V ZR 284/19
WEG
§§ 23 Abs. 4 S. 2, 48 Abs. 5
Anspruch auf Teilnahme an einer Eigentümerversammlung während der
Corona-Pandemie
1. Ein Anspruch der
Eigentümer auf persönliche Teilnahme an Eigentümerversammlungen
besteht auch während der Corona-Pandemie. Es ist aber nicht zu
beanstanden, wenn der Verwalter in der Einladung
Vertretungsmöglichkeiten bewirbt und sich bei der Größe des
angemieteten Saals an der zu erwartenden Teilnehmerzahl
orientiert.
2. Auch bei Beschlüssen, deren Vollzug nur schwer wieder
rückgängig zu machen sind (hier Fassadenanstrich), kommt dem
Vollzugsinteresse grundsätzlich Vorrang vor dem
Aussetzungsinteresse zu. Allerdings sind mit Blick auf den
verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz die Erfolgsaussichten in
der Hauptsache zu berücksichtigen.
LG Frankfurt, Urt.
v. 17.12.2020 – 2-13 S 108/20
Gesellschaftsrecht
SGB
IV §§ 28p, 7; BGB §§ 709, 723
Voraussetzungen der Weisungsunabhängigkeit eines Gesellschaftergeschäftsführers
Eine Sperrminorität
muss im Gesellschaftsvertrag selbst verankert sein, um
sozialversicherungsrechtlich geeignet zu sein, eine
Weisungsabhängigkeit auszuschließen. Ein schuldrechtlicher
Stimmbindungsvertrag kann einer gesellschaftsvertraglich
verankerten Sperrminorität nicht gleichgestellt werden.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
LSG
Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 27.5.2020 – L 9 BA 104/19
IPR und ausländisches
Recht
EuErbVO Art. 28; BGB §§ 1944, 1945
Form einer in Brasilien erklärten Erbausschlagung
1. Die Form einer in
Brasilien erklärten Ausschlagung der Erbschaft nach einem in
Deutschland verstorbenen Erblasser richtet sich alternativ nach
brasilianischem Recht (Ortsform) oder nach deutschem Recht (das
anzuwendende Erbrecht).
2. Die notwendige notarielle Beglaubigung der Unterschrift des
Ausschlagenden kann im Wege der Substitution durch die
Beglaubigung einer vergleichbaren autorisierten Person des
brasilianischen Rechts ersetzt werden.
OLG Köln, Beschl. v. 14.7.2021 – 2 Wx
119/21
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